Wasserprobe und Hexenverfolgung

Languste

Neues Mitglied
Hallo Geschichtsforum,

ich suche Informationen zur sogenannten Wasserprobe im Zusammenhang mit der Hexenverfolgung. Was man auf die Schnelle im Internet findet, macht nicht immer den Eindruck, als wäre verlässlich belegbar. Insofern würden mich hier gute Darstellungen oder auch Quellen interessieren. Schön zu wissen wäre vor allem, wie häufig die Wasserprobe überhaupt eingesetzt wurde und wie sie durchgeführt wurde.

Viele Grüße,
Languste
 
Ich vermute, es gibt noch keine veröffentlichten Untersuchungen, welche alle noch verfügbaren Hexerei-Gerichtsakten mit besonderen Augenmerk auf die Anwendung der Wasserprobe untersucht hat.

Der Ursprung der Wasserprobe selbst ist einiges älter die Hexenverfolgung und lässt sich ansatzweise bereits im
Frühmittelalter nachweisen. Die Wasserporbe gehört, wie die Feuerprobe und der gerichtliche Zweikampf, in die Katergorie der mittelalterlichen Gottesurteile, welche beim schweren Verbrechen angewandt wurden und deren Zweck vornehmlich mit der Wahrheitsfindung begründet wurden. Die Wasserprobe war hauptsächlich - aber nicht ausschliesslich - ein Mittel der weltlichen Justiz.

Die Wasserprobe gab es in verschiedenen Formen, welche im Detail wiederum voneinander abweichen konnten.

1) Der Angeklakte wird (manchmal an einem Balken) gefesselt in Fluss oder See geworfen. Wenn er ertrank, war das der Beweis für sein Unschuld. Konnte er sich jedoch irgendwie aus den Fesseln befreien oder durch andere akrobatische Kunststücke an die Wasseroberfläche kämpfen, war das wiederum ein Beweis für seine Schuld. Denn Gott – so glaubte die mittelalterliche Frömmigkeit – hatte durch die Taufe Jesus Christi das Wasser geheiligt, weshalb es Sünder abstiesse. In diesem Fall wurde der Angeklagte aus dem Wasser gezogen, um anschliessend als Schuldiger hingerichtet zu werden. Die ergebnisorientierte Betrachungsweise kann ein solche Form der Urteilsfindung und -vollstreckung natürlich nur als absurd empfinden, für das von der Jenseitserwartung geprägte Empfinden des mittelalterlichen Menschen machte es hingegen durchaus einen Unterschied, als Unschuldiger oder Schuldiger das Zeitliche zu segnen. Dieses Gottesurteil der Wasserprobe ist auch im Sachsenspiegel beschrieben,
wo ein Verdächtiger ins Wasser gehalten wurde und jener als unschuldig galt, der zu ertrinken drohte. Auch in der Auffassung des Sachsenspiegels würde das „reine“ Wasser jeden Schuldigen abstossen. Es war mehrheitlich diese Version der Wasserprobe, welche gelegentlich in den spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Hexenprozessen angewandt wurde.

2) Die Kaltwasserprobe stellte die Schuld des Verdächtigen ebenfalls dadurch fest, ob er gebunden untersank oder nicht. Die Kaltwasserprobe wurde vermutlich von Papst Eugenius II (824 – 827) eingeführt. Der Verdächtigte wurde gefesselt und mit einem Seil in einen Teich heruntergelassen, mit der Gebetsformel „Lass das Wasser nicht
empfangen den Körper dessen, der vom Gewicht des Guten befreit durch den Wind der Ungerechtigkeit empor getragen wird.“ In diesem Fall brauchte es ein „Wunder“, um den Angeklagten zu überführen, durch den natürlichen Verlauf der Dinge wurde er hier freigesprochen. Wenn der Angeklagte nicht schwamm, man also von Unschuld ausging, wurde er aus dem Wasser gezogen – wobei es hier natürlich auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte.

3) Bei derWarmwasserprobe oder Kesselprobe, welche beispielsweise auch bei Hinkmar von Reims (gest. 882) erwähnt wird, musste der Angeklagte mit nacktem Arm einen Ring oder einen kleinen Stein aus einem Kessel mit kochendem Wasser holen. Hand und verbrühter Arm wurden anschliessend verbunden und versiegelt. Nach einigen Tagen wurde der Verband entfernt. Wenn die Wunde nicht eiterte, war die Probe bestanden. In einer anderen
als „Kesselfang“ bezeichneten Variante musste der Angeklagte einen Kessel mit siedendem Wasser auffangen. Letztere Form wurde insbesondere auch als Keuschheitsprobe angewendet.

Wie gesagt wurde die Wasserprobe bereits im Früh- und Hochmittelalter bei schweren Verbrechen angewandt, dazu gehörten die damaligen Zaubereiprozesse der weltlichen Justiz nicht. Wenn man, wie ich es tue, die Ketzerprozesse als Vorläufer der Hexenprozesse versteht, kann festgellt werden, dass Wasserproben in diesem Zusammenhang offenbar bereits im frühen Hochmittelater angewandt wurden. In der um 1115 entstandenen Biografie von Guibert de Nogent wird berichtet, dass im Zusammenhang der Bewegung "manichäischer Ketzer" in Soissons, zwei Brüdern aus Buc le Long bei Soissons, die vom zuständigen Ortsbischof verhört, mit Hilfe der Wasserprobe der Teilnahme an häretischen Ausschweifungen für überführt erklärt und vom Volk gelyncht wurden, bevor eine ordentliche
Synode das Urteil hatte sprechen können.

Im Jahr 1215 verbot das Laterankonzil Geistlichen, bei Feuer- oder Wasserproben mitzuwirken.
Im 13. / 14. Jahrhundert galten Feuer- und Wasserproben als Versuchungen Gottes und damit als Sünden, wurden aber dennoch gelegentlich angewandt, nur um Ende des 15. und im 16. Jahrhundert in den Hexenprozessen wieder eingeführt zu werden.

Der "Hexenhammer" behandelt die Thematik der Gottesurteile in der Form der Feuerprobe und des gerichtlichen Zweikampfs. Die Wasserprobe besteht dort in der Form vom Trinken von gekochtem Wasser.

Fälle, wo die Wasserprobe in den spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Hexenproessen angewandt wurde, sind mir auf die Schnelle nicht viele gegenwärtig.

Dargestellt mit Illustration ist die Wasserprobe der 1584 gedrückten Schrift „Bericht Von erforschung/ prob und erkentnis der Zauberinnen durchs kalte Wasser" des Arztes und Hexentheoretikers Hermann Neuwalt von Helmstedt (1550 - 1611).

In den Massenhexprozessen von Recklinghausen (NWR), die 1580 begannen wurden die „Teilsche“, die „Hoitmeckersche“ und die „Homesche“ der Wasserprobe unterzogen.

Die am 7. Juni 1581 in Dortmund verbrannte Anna Coesters war vorher, am 5. Juni, der Wasserprobe unterzogen worden.

In dem um 1589 verfassten Traktat "Von Bekanntnujs der Zauerer und Hexen" des Hexenjägers Pter Binsfeld wird darauf hingeweisen,dass das "Hexenbad" (Wasserprobe) nicht zulässig sei.

Im Rahmen der Hexenprozesse 1596 von Geldern begeht die angeklagte Agnes Groemmes nach überstandener Wasserprobe Selbstmord, um weiteren Folterungen zu entgehen.

Elisabeth Schaefer, eines der Opfer der Hexenprozesse von Attlen des Jahres 1597, war vorher der Wasserprobe unterzogen worden. Schaefers Sohn hatte sich nach der Hinrichtung an das Reichskammergericht von Speyer gewandt, welches im Januar 1598 ein Mandat erlies, wonach zum Mindesten in diesem Fall die Anwendung des Wasserprobe nicht gerechtfertigt gewesen sei.
 
1) Der Angeklakte wird (manchmal an einem Balken) gefesselt in Fluss oder See geworfen. Wenn er ertrank, war das der Beweis für sein Unschuld. Konnte er sich jedoch irgendwie aus den Fesseln befreien oder durch andere akrobatische Kunststücke an die Wasseroberfläche kämpfen, war das wiederum ein Beweis für seine Schuld. [...] Dieses Gottesurteil der Wasserprobe ist auch im Sachsenspiegel beschrieben,
wo ein Verdächtiger ins Wasser gehalten wurde und jener als unschuldig galt, der zu ertrinken drohte. Auch in der Auffassung des Sachsenspiegels würde das „reine“ Wasser jeden Schuldigen abstossen.
Wo genau finde ich dieses Verfahren im Sachsenspiegel?
 
Wo genau finde ich dieses Verfahren im Sachsenspiegel?
Hier (das 2.Bild in der obersten Reihe) ist die Wasserprobe in der Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels dargestellt.
AKG44633.jpg
 
Hier (das 2.Bild in der obersten Reihe) ist die Wasserprobe in der Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels dargestellt.
AKG44633.jpg

Der Text dazu sagt:

"... wer die meiste menie an dem geczüge hat, der behelt daz gut. en is daz den ummesezzen nicht wizzelich, wer daz in geweren habe, so muz man daz wol bescheiten mit eime wazzerurteile, oder der cleger, oder uffe den die clage get sullen darczu swern daz si rechte wisen alse iz irsi, das al der richter sine boten czu geben, wo si beide uf swern, daz sal man iu gliche teiln."

Da geht es um folgendes: Wenn zwei Männer ein Gut beanspruchen und jeder Zeugen für die Rechtmäßigkeit seines Anspruchs beibringen kann, entscheidet die Mehrheit der Zeugen (die meiste menie an dem geczüge).

Wenn sich nicht in Erfahrung bringen lässt, wessen Anspruch rechtmäßig ist, dann soll entweder ein Wasserurteil entscheiden, oder (falls beide schwören, im Recht zu sein) das Gut wird 50:50 geteilt.

Man sieht auf der Abbildung ein Seil, das wohl den Zweck hat, zu verhindern, dass jemand bei der Wasserprobe ertrinkt.

Mich hat aber eigentlich das Verfahren interessiert, das @Armer Konrad beschreibt:

1) Der Angeklakte wird (manchmal an einem Balken) gefesselt in Fluss oder See geworfen. Wenn er ertrank, war das der Beweis für sein Unschuld. Konnte er sich jedoch irgendwie aus den Fesseln befreien oder durch andere akrobatische Kunststücke an die Wasseroberfläche kämpfen, war das wiederum ein Beweis für seine Schuld.

Ist dieses Verfahren auch irgendwo im Sachsenspiegel zu finden, oder aus welcher Quelle stammt das?
 
Das Soester Nequambuch zeigt eine Wasserwippe, das war allerdings mehr ein Strafelement, als ein Untersuchungswerkzeug. Als ich danach googelte fand ich aber auf den Seiten des LWL einen Beitrag über Münster, wonach ein Scharfrichter eine der Hexerei verdächtige Dame vier Mal der Wasserprpbe unterzog und dafür jedes Mal 3 Schillinge bekam.
 
Im Wikipedia ist unter dem Stichwort "Wasserprobe" ein Verweis auf die Handschrift "Ritaule Romanum" der Bibl. des Benediktinerklosters Lambach (12. Jhr.). Hier hat die Wasserprobe noch nichts mit Hexereiprozessen zu tun. (In derselben Handschrift ist überigens auch die "Feuerprobe" in From des Haltens eines glühenden Metalls dargestellt und beschrieben).
Ebenfalls im Wikipedia unter "Wasserprobe" findet sich die von mir erwähnte Wasserprobe im Zusammenhang mit Hexereiprozessen des Artzes Hermann Neuwalt von Helmstedt (1584).
Der Balken oder die Wippe - auch dabei sollte wohl ein Ertrinken der Angeklagten verhindert werden - findet sich z.B. auf einer Holzschnitt-Darstellung um 1600 (allerdings weiss ich nicht mehr, woher ich das ursprünglich habe, im Moment finde ich diese Darstellung nur auf der Webseite eines kommerziellen Anbieters).

Möglicherweise eine der frühesten Wasserprobem im Zusammenhang mit Hexenprozessen:
In der Stadtrechnung 1402 / 1403 von Schaffhausen sind Henker-Ausgaben im Falle eines "Grosshans" festgehalten. Dort wird für "Versuche" ein Schiff aufgeführt. Es dürft sich dabei um Wasserproben gehandelt haben. Die Angaben über den "Grosshans" gehören zu einer Hexereianklage gegen Personen (unbestimmter Anzahl) aus Beringen. Es handelt sich dabei - so meine ich gelesen zu haben - im Übrigen um die ersten spätmittelalterlichen Zaubereiprozesse, in welchen der deutsche Begriff "Hexe" auftaucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ebenfalls im Wikipedia unter "Wasserprobe" findet sich die von mir erwähnte Wasserprobe im Zusammenhang mit Hexereiprozessen des Artzes Hermann Neuwalt von Helmstedt (1584).
Da ist nur ein Titelblatt abgebildet, eine Verfahrensbeschreibung des Arztes Hermann Neuwalt von Helmstedt (der wohl ein entschiedener Gegner der Wasserprobe war) wird hier nicht zitiert.
Ansonsten wird in dem entsprechenden Abschnitt keine einzige Quelle genannt.
 
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