Das macht doch zunächst einen sehr wissenschaftlichen, seriösen Eindruck:
Dem habe ich nicht widersprochen. Aber das macht so eine Gruppe ja nicht sakrosankt und alles was sie verbreitet methodisch einwandfrei.
@Augusto hatte vor einigen Jahren mal eine ähnliche Datenbank vorgestellt. Die war vom Fraunhofer Institut, also eine hochseriöse mit Bundesgeldern finanzierte Forschungseinrichtung.
 
Hatte ich auch nicht behauptet. Ich hatte mich nur auf das bezogen, was @Dion sonst noch vorgetragen hatte, namentlich in #3
Wenn ich #3 richtig verstanden habe, referiert der letzte kursive Absatz fünf andere (bisherige) Deutungsansätze (falls der kursive Absatz nicht sogar ein Zitat aus dem paywall-geschützten Artikel über die neue Deutung "Landwirtschaft plus Militär" ist) Sollte das stimmen, lohnt es sich nicht, über diese fünf Ansätze zu diskutieren, denn sie sind nicht das Ergebnis der monströsen Datensammlung.

Da haben wir wohl aneinander vorbei geschrieben.

"gesteigerte Landwirtschaft (Versorgung von vielen) plus Militär (Schutz der vielen)" kommt mir auf den ersten Blick plausibel vor, ich würde aber annehmen, dass das Arbeitsteiligkeit und Administration voraussetzt (d.h. das müsste mitgedacht werden) - ob die Datensammlung das hergibt oder gar nachweist (wie eigentlich?) kann ich nicht beurteilen. Diskutierenswert ist es allemal.
 
ob die Datensammlung das hergibt oder gar nachweist (wie eigentlich?)
Der zweite Link in #1 nimmt ausführlich zur Methodenfrage Stellung UND es wird ausführlich dargelegt, dass das Ergebnis auf den bislang vorhandenen Daten (diese werden dargelegt) basiert und nur für diese gilt. Es wird auch dargelegt, dass viele historische Gesellschaften/Staaten (u.a. praekolumbianische in Nord-,Mittel-,Südamerika) noch nicht ausgewertet sind, da es dafür noch an Daten mangelt) UND es wird erläutert, dass der Zweck dieser Datensammlung und -auswertung zu einem Testverfahren für Sozialtheorien über Staatsbildung führen soll/will. Wenn ich den ellenlangen englischen Text richtig verstanden habe, basiert das derzeitige Ergebnis auf einer gesicherten Datenbasis (historisch nachgewiesene Staatsbildungen etc) und bietet für die Theorie "Landwirtschaft + Militär" vornehmlich in später Bronzezeit und Eisenzeit die meisten "Treffer", wohingegen andere Deutungsmodelle weniger nachweisbar sind.
 
Wenn ich #3 richtig verstanden habe, referiert der letzte kursive Absatz fünf andere (bisherige) Deutungsansätze (falls der kursive Absatz nicht sogar ein Zitat aus dem paywall-geschützten Artikel über die neue Deutung "Landwirtschaft plus Militär" ist) Sollte das stimmen, lohnt es sich nicht, über diese fünf Ansätze zu diskutieren, denn sie sind nicht das Ergebnis der monströsen Datensammlung.

Das habe ich auch so verstanden, aber warum lohnt es sich nicht die anderen Dinge zu diskutieren?

"gesteigerte Landwirtschaft (Versorgung von vielen) plus Militär (Schutz der vielen)" kommt mir auf den ersten Blick plausibel vor, ich würde aber annehmen, dass das Arbeitsteiligkeit und Administration voraussetzt (d.h. das müsste mitgedacht werden) - ob die Datensammlung das hergibt oder gar nachweist (wie eigentlich?) kann ich nicht beurteilen. Diskutierenswert ist es allemal.

Kommt mir wiederrum im Hinblick auf einige Fallbeispiele so gar nicht plausibel vor.

Neben dem, was ich bisher genannt hatte, krankt der Ansatz mMn auch daran, dass er à priori annimmt, dass Staatenbildung von innen heraus erfolgt und der Ansatz richtet sich auch sehr stark auf die Formierung eines Staatsgebietes und Staates gegen Außen.
Wie sieht es aber mit der Staatsbildung nach innen, sprich der Durchdringung der Gesellschaft aus?

Da sehe ich deutliche Schwachstellen.

Wenn ich den ellenlangen englischen Text richtig verstanden habe, basiert das derzeitige Ergebnis auf einer gesicherten Datenbasis (historisch nachgewiesene Staatsbildungen etc) und bietet für die Theorie "Landwirtschaft + Militär" vornehmlich in später Bronzezeit und Eisenzeit die meisten "Treffer", wohingegen andere Deutungsmodelle weniger nachweisbar sind.

Um so mehr wäre allerdings zu hinterfragen, ob man da in diesem Sinne von "Staatsbildung" sprechen kann und ob das sinnvoll ist.
 
Diesen Einwand halte ich für unnötig spitzfindig …
Das kann man wohl sagen – wie beinahe für alles, was @Shinigami in diesem Faden bisher gepostet hat. Auch hat er aus meinem #3 Beitrag zitiert, ohne zu sagen, dass dies nur ein Zitat meinerseits aus der Süddeutschen war. Und dann bringt er X-Beiträge, die nichts mit der von mir vorgestellten und verlinkten Studie zu tun haben, sondern mit dem einen Zitat aus der SZ, aus dem hervorgeht, dass es viele Hypothesen für die Entstehung von Staaten gibt.

Dass die vorgestellte Studie eine neue Hypothese aufgestellt hat, geht aus dieser selbst hervor – man muss nur dem Link folgen.


Was ist denn an einer einfachen Feststellung aggressiv?


In Beitrag #1 hast du die These vorgestellt.

In Beitrag #3 hast du sie verteidigt, dich also gewissermaßen zu ihrem Anwalt gemacht. -->Feststellung.
Das ist deine Interpretation, denn ich habe mir in #3 lediglich gegen deine Behauptung gestellt, die von mir vorgestellte Studie sei eine Weltformel. Das kann nur jemand sagen, der nicht einmal Abstract gelesen hat, in dem es im letzten Satz heißt – Zitat:

The best-supported model indicates a strong causal role played by a combination of increasing agricultural productivity and invention/adoption of military technologies (most notably, iron weapons and cavalry in the first millennium BCE).

Es ist mir unbegreiflich, wie jemand wie du die Datenbasis a priori anzweifelt, ohne sich die Mühe zu machen, wie diese aussieht. Denn es ist leicht, die Angaben darin per Stichproben auf Validität zu überprüfen, weil alle Daten, die für die Studie benutzt worden, vorhanden und für jeden einsehbar sind.

Dazu ist es nur notwendig, im databrowsereine Region anklicken (z.B. Latium), dann den untersuchten Zeitraum (es geht von 3600 BCE bis 1800 CE, in diesem Fall unterteilt in 18 Abschnitte) z.B. Ostrogothic Kingdom*, und schon hat man die Daten einzeln, samt der mehr als 200 Quellenangaben und Begründungen, warum man etwas so in Datenbank eingetragen hatte und nicht anders.

* Ich habe Ostrogothic Kingdom gewählt, weil mich die Epoche besonders interessiert – für die finale Aussage der Studie ist der Zeitraum 3600-1801BCE (Latium Copper Age) natürlich wichtiger.

Wenn ich #3 richtig verstanden habe, referiert der letzte kursive Absatz fünf andere (bisherige) Deutungsansätze (falls der kursive Absatz nicht sogar ein Zitat aus dem paywall-geschützten Artikel über die neue Deutung "Landwirtschaft plus Militär" ist) Sollte das stimmen, lohnt es sich nicht, über diese fünf Ansätze zu diskutieren, denn sie sind nicht das Ergebnis der monströsen Datensammlung.
Eben.
 
Es ist mir unbegreiflich, wie jemand wie du die Datenbasis a priori anzweifelt, ohne sich die Mühe zu machen, wie diese aussieht.

Und mir wiederrum ist es unbegreiflich, wie jemand, der angeblich gründlich gelesen haben will

The best-supported model indicates a strong causal role played by a combination of increasing agricultural productivity and invention/adoption of military technologies (most notably, iron weapons and cavalry in the first millennium BCE).

mit

Mit Hilfe der Seshat-Datenbank (eine Sammlung historischer und archäologischer Daten für 373 Gesellschaften weltweit) hat jetzt ein Team um Peter Turchin herausgefunden, dass für die Entstehung von Staaten in den letzten 10.000 Jahren Landwirtschaft und Militärtechnik entscheidend waren.

widergeben kann ;-)

Aus "the best-supported model indicates.........."

"hat jetzt ein Team herausgefunden, dass für die Entstehung von Staaten in den letzten 10.000 Jahren Landwirtschaft und Militärtechnik entscheidend waren"

zu machen, ist eine Sinnverdrehung par excellence.
 
...statt Gezänk und Wettbewerb im übersetzen englischer Zitate könnte man gemeinsam entscheiden, ob man hier die Überlegungen und Ergebnisse der in #1 vorgestellten Studie oder sämtliche Deutungsvarianten diskutieren will.
Ich tendiere zu ersterem, weil eine Diskussion aller Varianten rasch unübersichtlich werden kann. Ggf sollte dafür der Titel des Fadens angepasst werden, denn es wird in #1 speziell auf die vorgestellte Studie Bezug genommen.
 
Wenn nicht zu lang, fände ich auch diesen Titel gut: "Ernährung und Sicherheit – 2 Triebkräfte für die Entstehung komplexer Staaten?"
 
Die Grundbedürfnisse, d.h. Ernährung und Sicherheit, waren entscheidend für Bildung von Staaten auf allen Kontinenten
Es gibt eine ganze Latte von miteinander konkurrierenden Definitionen, was überhaupt ein Staat ist. Ich frage mich, in wiefern die Faustformel "Landwirtschaft+Militärtechnik" sich mit diesen Definitionen beschäftigt - oder soll das der Ansatz einer eigenen, neuen Form der Definition von "Staat" sein? Denn bevor man sich mit der Entstehung von Staaten beschäftigt, sollte klar sein, was man überhaupt unter Staat versteht.

Ich habe ein bisschen in der Studie gelesen. Mir scheint, die Autoren bevorzugen den Begriff "society" oder "social complexity" und weniger "state".
Es finden sich in der Studie eine ganze Reihe von Hypothesen, die den Vergleich von Entwicklungsstufen verschiedener Gesellschaften ermöglichen sollen. Eine davon ist "Hypothesis 17: Military Revolution (IronCav)". Demnach spielt die Verwendung von Eisenwaffen und die Nutzung von Reiter(kriegern) eine Rolle für die Entwicklung einer Gesellschaft.
In Südamerika gab es keine Pferde. Eisen war so weit ich weiß nicht bekannt. Präkolumbianische Gesellschaften wären demnach weniger entwickelt als bspw. Petschenegen, die eben nicht jahrhundertelang ein festes (Staats-)Gebiet beherrschten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist mir unbegreiflich, wie jemand wie du die Datenbasis a priori anzweifelt,
Wo soll ich das denn getan haben? Ich habe nach ihrer Validität gefragt, nicht angezweifelt, dass die eingespeisten Daten korrekt seien. Und ich habe nach der Methode gefragt. Die angewandte Methode ist in der Wissenschaft das A und O.
 
Zum einen kann man in Frage stellen, ob empirische Methoden überhaupt geeignet sind, solche Fragen zu beantworten.

Zum anderen ist die gewählte Methode sehr stark abhängig vom Objektivitätsgrad der Datenerfassung.

Ob für historische Gesellschaften etwa der Grad der Militarisierung angesichts der meist doch sehr dünnen Datenlage und der selektiven Überlieferung auch nur annähernd korrekt eingegeben wurde, muss hinterfragt werden.

Gesellschaftliche Strukturen können durch Archäologen kaum erfasst werden, da ist doch sehr viel Hinein-Interpretation im Spiel.
 
Es gibt eine ganze Latte von miteinander konkurrierenden Definitionen, was überhaupt ein Staat ist.
Danke für den Link – Zitat daraus:

Entscheidende Bestandteile der heute gesetzmäßigen Begriffsdeutung sind:
  • eine irgendwie geartete politische Vereinigung einer größeren Menschengruppe, die
  • in einem mehr oder weniger geschlossenen Gebiet
  • unter einer mehr oder weniger einheitlichen Form der – etablierten, durchgesetzten oder beschlossenen – Machtausübung lebt.
Genau das ist auch in der Studie gemeint – sie nennen es größere territoriale Gemeinwesen.

In Südamerika gab es keine Pferde. Eisen war so weit ich weiß nicht bekannt. Präkolumbianische Gesellschaften wären demnach weniger entwickelt als bspw. Petschenegen, die eben nicht jahrhundertelang ein festes (Staats-)Gebiet beherrschten.
Erstens: Südamerika ist noch weitgehend ein weißer Fleck in der Datenbank.

Zweitens: Pferde und Eisen sind nur 2 Faktoren, und wo es sie nicht gibt, spielen sie auch keine Rolle. Warum? Es geht offenbar auch ohne – siehe Wari-Staat, der mehr als 350 Jahre bestand. Ebenso Inka-Reich, der allerdings weniger als 200 Jahren bestand.

Drittens: Es werden keine „Staaten“ miteinander verglichen, es wird nur untersucht, welche Eigenschaften eines größeren territorialen Gemeinwesen es dazu führten, dass es längere Zeit bestand.

Wo soll ich das denn getan haben?
Hier hast du von einer Weltformel geredet, was ein negatives Werturteil darstellt:
Ansätze, die davon ausgehen, die Weltformel entdeckt zu haben, stimmen doch eher skeptisch.
Das hier erwähnt zu haben suggeriert, diese Studie gehen davon aus, Weltformel entdeckt zu haben. Das hast du dir komplett aus den Fingern gezogen, denn nichts in der Studie deutet darauf.

Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Seit mehr als 10 Jahren wird die Datenbank mit Daten aus Studien gefüttert, die allgemein anerkannt sind. Aus diesen Studien haben sie Parameter und Variablen übernommen, die in den dort beschriebenen territorialen Gemeinwesen auftauchen, wobei diese Parameter und Variablen jederzeit erweitert werden können, falls sich herausstellen sollte, sie beschreiben manche Gesellschaft nicht vollständig.

Es gebe in der Datenbank noch weiße Flecken (Zitat: such as the West and Northwest Coasts of North America, Peru, Chulmun Korea, and the Baltic) oder mehr generell gesagt (Zitat: we call for a much more thorough sampling of Africa, North America, and South America).

Und dann haben sie mit derzeitigen Stand der Datenbank und mit Hilfe der Statistik festgestellt, dass es in allen sich vergrößern Gemeinschaften immer 2 Faktoren auftauchten: Ackerbau und Militär (the chief drivers of increasing social complexity and scale are agriculture and warfare). Die anderen Faktoren (wie Beschaffung der Umgebung des Landes (bergig, flach, feucht, trocken, etc.), Klima, Eliten, Religion oder Organisationsformen des Gemeinwesens, etc.) hätten nicht überall eine Rolle für die zunehmende Komplexität und das Ausmaß einer Gesellschaft gespielt.

Sie schließen auch nicht aus, dass sich mit den neuen, noch hinzuzufügenden RGAs bzw. Parametern dieses Ergebnis verändert – Zitat: We expect that future analyses, using additional time-resolved data and advanced analytic methods, will help clarify whether and to what extent these different factors are critical for reinforcing or stabilizing states at different levels of complexity and modes of organization. We reiterate that the present study is limited to a sample of 35 world regions during the Holocene.
 
Hier hast du von einer Weltformel geredet, was ein negatives Werturteil darstellt: Das hier erwähnt zu haben suggeriert, diese Studie gehen davon aus, Weltformel entdeckt zu haben. Das hast du dir komplett aus den Fingern gezogen, denn nichts in der Studie deutet darauf.

Du hast mir vorgeworfen, die "Datenbasis a priori angezweifelt" zu haben. Ich habe dich gefragt, wo ich das getan haben soll.

Jetzt kommst du mit meinem Hinweis, dass mich Ansätze, die glauben, die Weltformel entdeckt zu haben, skeptisch stimmen.
i.) Das ist etwas anderes, als die Datenbasis a priori anzuzweifeln.

Dann wäre zu fragen, wie die Datensammlung aussieht und wie sie bewerkstelligt wurde.
Wenn du dich zum Anwalt dieser Big Data-Analyse machst, dann erkläre doch bitte, wie valide die Datenbasis überhaupt ist.
Ist das keine legitime Frage? Wenn nein: Warum nicht?

ii.) Du wirst mir vor, dass ich mir das "komplett aus den Fingern gezogen" bzw. gesogen hätte und nichts davon in der Studie steht. Nun, niemand der wissenschaftliches Renommee erworben hat und weiterhin ernst genommen werden möchte, würde plump schreiben "wir haben die Weltformel entdeckt."
Also, diese Behauptung werden wir explizit bei geistig gesunden Menschen nirgends finden. Eher implizit als Attitüde.

Du hast mir eine aggressive Reaktion vorgeworfen (ich weiß noch immer nicht, warum), auf etwas, womit jeder Wissenschaftler von Berufs wegen stets zu rechnen hat: Kritik. Du hast selbstverständlich auch das Recht meine Kritik zu kritisieren.

Ich kenne eine ganze Menge Ingenieure und Informatiker. Schlaue und kreative Leute. Aber sie haben zwei gemeinsame Manki, die mir für diese beiden Berufsgruppen prototypisch erscheinen (ohne, dass ich deswegen meinte, dass das auf jeden Ingenieur und jeden Informatiker zuträfe):
1. Sie vergessen gerne mal, über den Tellerrand ihrer jeweiligen Disziplin hinauszudenken und zu überlegen, welche Folgen neben dem erzielten Ergebnis ihre Entwicklung noch für Mensch und/oder Umwelt hat. Dass manches unwiederbringlich ist.
2. Sie sind technik- und machbarkeitsgläubig, für sie gibt es kein Problem, dass nicht technisch gelöst werden kann.
Und hier bei Punkt 2 sehe ich die Gefahr solcher Big Data-basierter Metastudien (denn darum handelt es sich doch wohl, um eine Reihe von Meta-Studien): Das die Machbarkeit einer Auswertung mit Big Data (die ich überhaupt nicht in Abrede stelle) den Blick auf methodische Mängel verstellt.

Und dann haben sie mit derzeitigen Stand der Datenbank und mit Hilfe der Statistik festgestellt, dass es in allen sich vergrößern Gemeinschaften immer 2 Faktoren auftauchten: Ackerbau und Militär (the chief drivers of increasing social complexity and scale are agriculture and warfare).
Und das meinst du, ist eine bahnbrechend neue Erkenntnis, für die man Big Data brauchte?

Die anderen Faktoren (wie Beschaffung der Umgebung des Landes (bergig, flach, feucht, trocken, etc.), Klima, Eliten, Religion oder Organisationsformen des Gemeinwesens, etc.) hätten nicht überall eine Rolle für die zunehmende Komplexität und das Ausmaß einer Gesellschaft gespielt.
Auch dieses Ergebnis wäre doch im Grunde genommen eher banal.

Mich erinnert das ein wenig an ASJP, eine linguistische Datenbank des Max Planck-Instituts, die Sprachen über das Fassungsvermögen der polyglottesten Sprachwissenschaftler hinaus miteinander vergleichen will. Die Datenbasis ist dabei eine Kernbasis von Worten, die aufgrund ihrer zentralen Rolle im menschlichen Leben über die Jahrtausende hinaus als alt bezeichnet werden können. Mit dieser Datenbank will man u.a. Sprachverwandtschaften ermitteln.
Das ist an und für sich ein nettes Projekt, mit dem man sicher viel machen kann. Es arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten (sofern ich mir als Nichtmathematiker ein Urteil über Wahrscheinlichkeit erlauben darf), nämlich u.a. dass zufällige Wortähnlichkeiten statistisch unwahrscheinlicherweise gehäuft auftreten. Es hat aber auch einen Grundfehler, nämlich, dass Sprachverwandtschaft gerne über graphisch-phonetische Ähnlichkeit dere Worte ermittelt wird.

Wenn ich mir nun das Wort Fenchel herausgreife und dieses mit dem spanischen und portugiesischen Äquivalent vergleiche - hinojo und funchal - müsste ich annehmen, dass Portugiesisch und Deutsch engstens miteinander verwandt sind, wohingegen zwischen Portugiesisch und Spanisch ein riesiger Abstand bestünde. Solche Fehlinterpretationen werden durch die Datenbank ASJP durchaus begünstigt.

Eine gut gefüllte Datenbank ist eben nicht alles. Und auch wenn bei Big Data die Maschine die Ergebnisse auswirft: Am Ende sind die Ergebnis so gut oder schlecht wie die angewandte Methode.
 
Entscheidende Bestandteile der heute gesetzmäßigen Begriffsdeutung sind:
  • eine irgendwie geartete politische Vereinigung einer größeren Menschengruppe, die
  • in einem mehr oder weniger geschlossenen Gebiet
  • unter einer mehr oder weniger einheitlichen Form der – etablierten, durchgesetzten oder beschlossenen – Machtausübung lebt.

Nö.

Was du da präsentierst sind nicht gängige moderne Kriterien zur Definition von Staatlichkeit, sondern bis zur Unkenntlichkeit entstellte Karrikaturen davon.
Kriterien für Staatlichkeit wären:

- Staatsvolk

Dieses müsste klar abgrenzbar definiert sein, dem genügt der ungefähre Anspruch der "irgendwie gearteten politischen Vereinigung" nicht.
Warum sollte das eine "größere Menschengruppe" sein müssen und was ist daraunter zu verstehen?

Der Vatikan hat gemäß Wiki ganze 618 Staatsbürger und und 453 Einwohner.
Es käme wahrscheinlich selbst nach antiken Maßstäben kein Mensch auf die Idee, dass als eine besonders große Menschenmenge zu bezeichnen.
Ebenso wenig, wie irgendwer auf die Idee käme dem Vatikan die Staatlichkeit abzusprechen, weil er zu wenig Staaatsbürger oder Einwohner hat.

- Staatsgebiet

Für dieses spielt die territotiale Geschlossenheit keine Rolle. Ein Bürger Indonesiens kann de facto den Großteil seines eigenen Landes nicht bereisen ohne dabei das ausschließliche Hoheitsgebiet Indonesiens (ausschließliche See- und Luftzone) verlassen zu müssen.
Dennoch käme kein Mensch auf die Idee Indonesien die Staatlichkeit abzusprechen.

Entscheidend ist nicht die Geschlossenheit des Gebiets sondern die hinreichend präzise Definition seiner Grenzen, die Eine Abgrenzung seines ausschließlichen Hoheitsgebiets vom Rest der Welt erlaubt.

- Staatsgewalt

Und für die wäre entscheidend, dass sie in irgendeiner Form institutionalisiert ist.

Jede Subkultur kann Hierarchien und eigene Regeln innerhalb der eigenen Strukturen ausbilden und faktisch bei ihren Angehörigen durchsetzen.
Vollkommen egal ob das die Ortsgruppe einer politischen Partei, eine Gruppe von Hausbesetzern, der Fanclub eines Fußballvereins oder die Mafia ist.
Das bloße Herausbilden informeller Verhaltenskodices und Hierarchien, konstituiert noch lange nichts, was sich in irgendeiner Form als "Staatsgewalt" definieren ließe.

Und genau deswegen kommen wir mit dem Begriff "Staat", im Besonderen wenn man sich auf moderne Definitionen berufen will, nicht weiter.

Mir ist vor dem Beginn der Neuzeit kein wie auch immer geartetes politisches Gebilde bekannt, dass seine Grenzen jemals umfassend präzise definiert hätte, so dass eine zweifelsfreie Abgrenzung möglich wäre.

Außnahmen mögen vielleicht irgendwelche insularen Gemeinschaften sein, die die gesamte Insel beanspruchten, die sie bewohnten und somit natürlich definierte Grenzen nutzen konnten.
Ansonsten aber hat das niemand getan.

Keine steinzeitliche, bronzezeitliche, eisenzeitliche, sonstige antike oder mittelalterliche Zivilisation hat jemals in eigener Abgrenzung ein klar definiertes Staatsgebiet selbst geschaffen.
Auch die Römer und Chinesen definierten mit dem Limes und der großen Mauer jeweils nur einen Teil ihrer Grenzen, aber niemals in umfassender Weise ihre Gebietsansprüche.

Wenn man sich auf gängige Begriffe von Staatlichkeit einschießt ist die Diskussion beendet, weil sich kaum eine vorneuzeitliche Zivilisation finden wird, die ein Staatsgebiet im Sinne moderner Definitionen vorweisen konnte.

Wenn man von den gängigen Begrifflichkeiten weg möchte, wäre zu debattieren, durch was man diese Begrifflichkeiten ersätzen möchte.

Was oben präsentiert ist, ist wenn man von "Staat" reden möchte keine sinnvolle Definition, weil sie kaum geeignet ist irgendetwas einzugrenzen.
Das ist dann vielmehr die Entgrenzung, als die Eingrenzung des Begriffs, da müsste schon etwas anderes her.
 
Keine steinzeitliche, bronzezeitliche, eisenzeitliche, sonstige antike oder mittelalterliche Zivilisation hat jemals in eigener Abgrenzung ein klar definiertes Staatsgebiet selbst geschaffen.
Auch die Römer und Chinesen definierten mit dem Limes und der großen Mauer jeweils nur einen Teil ihrer Grenzen, aber niemals in umfassender Weise ihre Gebietsansprüche.
Wie ordnest du die römischen Grenzziehungen der Aufteilung in Provinzen ein? Waren die klar und eindeutig, oder waren die nur ungefähr?
 
Jede Subkultur kann Hierarchien und eigene Regeln innerhalb der eigenen Strukturen ausbilden und faktisch bei ihren Angehörigen durchsetzen.
Vollkommen egal ob das die Ortsgruppe einer politischen Partei, eine Gruppe von Hausbesetzern, der Fanclub eines Fußballvereins oder die Mafia ist.
Das bloße Herausbilden informeller Verhaltenskodices und Hierarchien, konstituiert noch lange nichts, was sich in irgendeiner Form als "Staatsgewalt" definieren ließe.
...ob man die Traditionskerne, die Warlords der aufmüpfigen z.B. Goten, Vandalen, Alanen usw. als eine Art Mafia bezeichnet oder nicht, ändert doch nichts daran, dass sie ihre "Reiche" gründeten bzw militärisch durchsetzten. Und wo sie das auf römischen Gebiet machten, orientierten sie sich an den Grenzen der Provinzen, d.h. sie übernahmen die Kontrolle in festgefügten staatlichen Strukturen.
 
Eine gut gefüllte Datenbank ist eben nicht alles. Und auch wenn bei Big Data die Maschine die Ergebnisse auswirft: Am Ende sind die Ergebnis so gut oder schlecht wie die angewandte Methode.
Ganz allgemein: volle Zustimmung!

Aber hast du den Link in #1 (ellenlanger engl. Text zur Methodik) gelesen und beziehst du dich darauf?
 
Und das meinst du, ist eine bahnbrechend neue Erkenntnis, für die man Big Data brauchte?
So direkt ist es keine, sondern wirkt banal - aber die vorläufigen Ergebnisse der Datenauswertung wollen weder eine Weltformel noch die einzig wahre Entwicklung-von-Staaten-Theorie leisten, sondern solche Theorien testen und ggf alternative andenken: so jedenfalls stellt es der lange Text (auf den ich jetzt zum 5. mal verweise) dar. Vorerst hat datenbasiert "Landwirtschaft + Militär" sowas wie "big gods" ausgehebelt.
 
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