Frühchristliche Licht-, Sonne- und Finsternis-Topoi & Weihnachten

andreassolar

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Als Laie mit ein bisschen Übung in Spätantike überrascht es, wenn man selber mal nur beispielweise so genannte Kirchenväter-Predigten (via BKV) und die Evangelien - elektronisch - nach gewissen Begriffen durchforstet, nachdem manche wissenschaftliche Lit. und auch Diskussion hier ein inzwischen wenig überzeugendes Bild bieten, wie mir scheint.


Die Einheitsübersetzung von 2016 auf Begriffe wie Sonne, Licht, erleuchtet u.ä. durchforstet, zeigt vorläufig diese Fundstellen, als Beispiel:

Mt 4,16 Das Volk, das im Dunkel saß, / hat ein helles Licht gesehen; / denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, / ist ein Licht erschienen.

Mt 5,14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.

Mt 5,16 So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Mt 5,45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Mt 13,43 Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre!

Mt 17,2 Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.


Lk 1,78 Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes / wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, 79 um allen zu leuchten, / die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, / und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.

Lk 2,32 ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Lk 9,32 Petrus und seine Begleiter aber waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen.


Joh 1,4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.

Joh 1,7 Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.

Joh 1,8 Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

Joh 1,9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.

Joh 3,19 Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse.

Joh 3,21 Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Joh 8,12 Als Jesus ein andermal zu ihnen redete, sagte er: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Joh 9,5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.

Joh 11,9 Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht;

Joh 11,10 wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist.

Joh 12,35 Da sagte Jesus zu ihnen: Nur noch kurze Zeit ist das Licht bei euch. Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt, damit euch nicht die Finsternis überrascht! Wer in der Finsternis geht, weiß nicht, wohin er gerät.

Joh 12,36 Solange ihr das Licht bei euch habt, glaubt an das Licht, damit ihr Söhne des Lichts werdet! Dies sagte Jesus. Und er ging fort und verbarg sich vor ihnen.

Joh 12,46 Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.


Hebr 6,4 Denn es ist unmöglich, jene, die einmal erleuchtet worden sind, die von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist empfangen haben, 5 die das gute Wort Gottes und die Kräfte der kommenden Weltzeit gekostet haben, 6 dann aber abgefallen sind, erneut zur Umkehr zu bringen;​

Vor allem der Topospaar von Licht und Finsternis, Sonne und Finsternis, ist gut erkennbar, also u.a.
  • Licht/Sonne=Erlösung, Glaube, Jesus, Sündenfreiheit, (ge-)heilig(t), Vorbild, Wahrheit, Gerechtigkeit
  • Finsternis=Sünde, Unerlöstheit, Ungewissheit, Not, Endzeit, Schattenreich des Todes, Lüge

Das Topos-Paar war und ist bereits hinreichend in den Evangelien, besonders Matthäus und Johannes, etabliert, und bildet offenkundig eine damals wohl schon wohl recht bekannte Metapher ab, in und vor der unmittelbaren Entstehungszeit beispielsweise von Matth. und Joh. im späten 1. und Anfang des 2. Jh.

Dieses Topospaar ist weiterhin, immer noch bzw. erneut ein vielfach verwendetes Motiv bei den üblichen christlichen Verdächtigen des 4. und 5. Jahrhunderts, nun auch offenkundig getragen von der spätantiken Mode der Sonnen-Frömmigkeit, und in Verbindung mit der astronomisch längsten Nacht des Jahres, die sich geradezu anbot für das Motiv des wahren Lichtes, der kommenden Lichtes des Erlösers.

Das Christentum des 4. und 5. Jh. nutzte offenkundig u.a. die angewachsene Sonnen-Frömmigkeit, wie auch die neuplatonische (geistiges) Licht-Mythologie ihrer Zeit, auch zur Abgrenzung, sie sind aber eben erkennbar nicht die Quelle, der Ursprung für eine neue christliche Tradition, zu der sich auch die Feier der Geburt Jesu am 25. Dezember gesellte.
 
Im Nicäum von 325 heißt es an entsprechender Stelle des Bekenntnis:
  • ...als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt, das heißt aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott,
    Licht aus Licht,
    wahrer Gott aus wahrem Gott
Im Nicäno-Konstantinopolitatum von 381 an entsprechender Stelle:
  • ....aus dem Vater geboren vor aller Zeit,
    Licht aus Licht,
    wahrer Gott vom wahren Gott...
Zitiert nach Peter Gemeinhardt, Geschichte des Christentums in der Spätantike (2022), S. 281

Die analogen Wendungen in diversen überlieferten Predigten des 4. u. 5. Jh. sind beispielsweise so o.ä.
  • Christus ist das wahre Licht
  • Christus ist die wahre Sonne

Mit deutlichem Anschluss an die 4 Evangelien, die im 4. u. 5. Jh. kanonisiert und in Kodizes zumindest den (episkopalen) Leitungs- und Leistungsträgern der städtischen Kirchengemeinden zur Verfügung standen.
 
Die analogen Wendungen in diversen überlieferten Predigten des 4. u. 5. Jh. sind beispielsweise so o.ä.
  • Christus ist das wahre Licht
  • Christus ist die wahre Sonne

Da wird man schon im späten 2. / frühen 3. Jahrhundert fündig.

Theophilus von Antiochien († um 183):

Die Sonne nämlich ist das Bild Gottes, der Mond das des Menschen. Und wie die Sonne an Kraft und Glanz den Mond bei weitem übertrifft, so übertrifft Gott bei weitem den Menschen. Und wie die Sonne fortwährend ihre volle Scheibe behält, ohne kleiner zu werden, so bleibt Gott immerwährend vollkommen, er der voll ist aller Macht und Einsicht und Weisheit und Unsterblichkeit und aller Vorzüge.
Bibliothek der Kirchenväter

Cyprian von Karthago (200-258):
Denn wenn der Tag für alle in gleicher Weise anbricht und wenn die Sonne über alle ein und dasselbe Licht ausströmen läßt, wieviel mehr spendet dann Christus, die wahre Sonne und der wahre Tag, das Licht des ewigen Lebens in seiner Kirche völlig gleichmäßig?
Bibliothek der Kirchenväter


Bei Wallraff, Christus verus Sol, werden sicher noch viel mehr Belegstellen aufgelistet, das Buch habe ich leider derzeit nicht greifbar.


Tertullian (nach 150 - nach 220) bezeugt, dass zu seiner Zeit die Christen von manchen für Sonnenanbeter gehalten wurden:
Andere haben wenigstens eine menschlichere und wahrscheinlichere Ansicht von uns, sie glauben, die Sonne sei unser Gott. So werden wir am Ende wohl gar noch zu den Persern gerechnet werden, obwohl wir keine auf Leinwand abgebildete Sonne anbeten, da wir sie selbst ja überall gegenwärtig haben an ihrem Himmelsrund. Um es kurz zu sagen, der Verdacht rührt daher, weil es bekannt geworden, daß wir nach Osten gewendet beten.
Bibliothek der Kirchenväter

Das Gebet Richtung Osten begründet Origenes wie folgt:
Da es vier Himmelsrichtungen gibt, die nach Norden und Süden und die nach Untergang und Aufgang (der Sonne), wer möchte da nicht ohne weiteres zugestehen, die Richtung nach Sonnenaufgang zeige offenbar an, dass man dorthin symbolisch sich neigend, wie wenn die Seele hinschaue zu dem „Aufgang des wahren Lichtes“, die Gebete verrichten müsse?
Bibliothek der Kirchenväter
 
Sehr schön & schon klar. Der Sprung meinerseits von den Evangelien ins 4. & 5. Jh. hat seinen Grund in den Weihnachtspredigten und Predigten mit Bezug auf Jesu Geburt am 25. Dezember.

Wallraffs Arbeit gibt selbstredend eine Fülle von Beispielen, weiter auch Förster in Die Anfänge von Weihnachten, wenn auch teils unfreiwiilig & verkürzend.

Und der Zusammenfall eines Sonnen-Tages mit der Geburt Jesu wird erstmals bereits in De Pascha computus, der pseudocyprianischen OsterkalenderSchrift aus der Mitte d. 3. Jh., notiert. Allerdings noch auf den 28. März, dem 4. Tag ab dem FrühlingsÄquinoktium am 25.3., an welchem vor Zeiten entlang De Pascha eben die Genesis begonnen haben soll - am 4. Tag schuf Gott die Sonne und nach seiner Vorsehung wurde Christus, die wahre Sonne, am Jahrestag der Sonnenschöpfung geboren.

Der kleine Kalender-Rechenfehler stammt übrigens aus De Pascha computus selber und beide tradierten Textrezension enthalten ihn.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz naiv gefragt: ist Lichtmetaphorik jeglicher Art nicht derart verbreitet, dass es sinnlos ist zu fragen, ob das irgendwer von irgendwem "übernommen" und gar "umgedeutet" hat?
 
Ganz naiv gefragt: ist Lichtmetaphorik jeglicher Art nicht derart verbreitet, dass es sinnlos ist zu fragen, ob das irgendwer von irgendwem "übernommen" und gar "umgedeutet" hat?
In der europäischen Literatur dürfte wohl der erste, auf jeden Fall wirkmächtigste Text Platons Staat (508a-509b) gewesen sein, und zwar wird hier die Sonne metaphorisch bzw. analogisch [dies ist wichtig!] mit dem Guten selbst [= Gott] verglichen, womit wir das Sonnengleichnis haben. Ich drucke hier nur einen kleinen Teil ab (508c-d):
Unter dieser Sonne also, fuhr ich fort, denke dir, verstehe ich die Kopie des Guten, die von dem eigentlichen wesenhaften Gut als ein ihm entsprechendes Ebenbild hervorgebracht worden ist, was das eigentliche Gute in der durch Vernunft erkennbaren Welt in bezug auf Vernunft und auf die durch Vernunft erkennbaren Gegenstände ist, das ist diese seine Kopie in der sinnlich sichtbaren Welt in bezug auf Gesicht und sichtbare Gegenstände.
Wenn man die Augen, entgegnete ich, nicht mehr auf jene Gegenstände richtet, auf deren Oberfläche das helle Tageslicht scheint, sondern auf jene Dinge, worauf nur ein nächtliches Geflimmer fällt, so sind sie, weißt du, blöde und scheinen beinahe blind, als wäre ein rechtes Sehvermögen in ihnen nicht vorhanden.
Wenn man sie aber darauf richtet, worauf die Sonne scheint, so sehen sie, meine ich, dann ganz deutlich, und in eben denselben Augen scheint dann wieder ein Sehvermögen sich zu befinden.
Der Zusammenhang mit dem letzten Teil des Höhlengleichnisses ist offensichtlich, denn auch hier wird das göttliche Licht angesprochen (515c-d):
Wenn einer entfesselt und genötigt würde, plötzlich aufzustehen, den Hals umzudrehen, herumzugehen, in das Licht zu sehen, und wenn er bei allen diesen Handlungen Schmerzen empfände und wegen des Glanzgeflimmers vor seinen Augen nicht jene Dinge anschauen könnte, deren Schatten er vorhin zu sehen pflegte, was würde er wohl dazu sagen, wenn ihm jemand erklärte, daß er vorhin nur ein unwirkliches Schattenspiel gesehen, daß er jetzt aber dem wahren Sein schon näher sei und sich zu schon wirklicheren Gegenständen gewandt habe und daher nunmehr auch schon richtiger sehe? ... Und nicht wahr, wenn man ihn zwänge, in das Licht selbst zu sehen, so würde er Schmerzen an den Augen haben, davonlaufen und sich wieder jenen Schattengegenständen zuwenden, die er ansehen kann, und würde dabei bleiben, diese wären wirklich deutlicher als die, welche er gezeigt bekam?

Im 2. Jh. nChr. hat Plotin dann diese Lichtmetaphorik noch weiter ausgebaut, hierzu die Enneaden V.3.12, V.3.15, II.3.18, V.1.6f, wen's interessiert. Vor allem auch die Relation Sehen - Gesehenwerden, also Auge und Licht: II.4.4, I.6.9. Es geht hier aber um eine deutlich weiter gedachte Beziehung von Licht und Mensch, die man so im Christentum nicht findet: hier steht der Rezipient des Lichtes im Vordergrund ("sonnenhaftes Auge" => Goethe, Zahme Xenien 3), der selbst eine Art Abbild des Lichtes / der Sonne ist.
 
Wenn es hier um "Licht" geht (zu welchem Zweck auch immer), und das in Zusammenhang mit dem christlichen Glauben, dann muss man, meine ich, eine fundamentale Unterscheidung berücksichtigen: denn die jüdische Religion (darunter die christliche) ist eine Religion des Buches und damit des Wortes. Das Wort des Herrn, das ist identisch mit Gott und entscheidend für einen Zugang zu Gott, so auch der erste Johannesvers:
Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.​
"Licht" dagegen ist zweifellos eine Sache des Sehens / Schauens, ist fundamental für die griechische Philosophie, wofür der Begriff der Theoria (Schau) steht, daher kann eine Lichtmetaphorik in der christlichen Theologie nicht aus dem jüdischen Glauben geschöpft worden sein. Im Johannesvangelium ist es ja auch ausdrücklich Charakteristikum des Menschen:
... und das Leben war das Licht der Menschen.​
Je nachdem, ob man das als gen. obj. oder gen. subj. begreift, im ersten Fall wäre es dann Charakteristikum des Lebens.
 
"Licht" dagegen ist zweifellos eine Sache des Sehens / Schauens, ist fundamental für die griechische Philosophie, wofür der Begriff der Theoria (Schau) steht, daher kann eine Lichtmetaphorik in der christlichen Theologie nicht aus dem jüdischen Glauben geschöpft worden sein.

Auch die jüdische Bibel ist voll mit Lichtmetaphorik. Häufig wird Gott mit der Gebetsformel "Lass dein Angesicht leuchten" angesprochen, vgl. auch "Selig das Volk, das den Jubelruf kennt, HERR, sie gehen im Licht deines Angesichts" (Ps 89,16)

Weitere Stellen:

"Der HERR kam hervor aus dem Sinai, er leuchtete vor ihnen auf aus Seïr, er strahlte aus dem Gebirge Paran" (5.Mose 33,2)

"Der Herr ist mein Licht und mein Heil" (Psalm 27,1)

"Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht" (Psalm 36,10)

"Du hüllst dich in Licht wie in einen Mantel, du spannst den Himmel aus gleich einem Zelt." (Psalm 104,2)

In Jesaja 49 spricht Gott zum Gottesknecht: "Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht der Nationen; damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht."

Jesaja 60: "Steh auf, werde licht, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des HERRN geht strahlend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der HERR auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Nationen wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. [...] Nicht mehr die Sonne wird dein Licht sein, um am Tage zu leuchten, noch wird dir der Mond als heller Schein leuchten, sondern der HERR wird dir ein ewiges Licht sein und dein Gott dein herrlicher Glanz."

Unheil und Verderben werden mit Finsternis assoziiert, Gerechtigkeit und Frieden mit Licht (in den Versen zuvor heißt es: "Den Weg des Friedens kennen sie nicht, auf ihren Spuren gibt es kein Recht. Sie machen selbst ihre Pfade krumm; niemand, der darauf geht, lernt Frieden kennen. Darum bleibt das Recht von uns fern, / die Gerechtigkeit erreicht uns nicht. Wir hoffen auf Licht, doch siehe, Finsternis; auf Helligkeit, doch wir gehen im Dunkeln."

"Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen und ihre Flügel bringen Heilung." (Maleachi 3,20, in der christlichen Theologie wird die Sonne der Gerechtigkeit auf Christus bezogen.)

Im Johannesvangelium ist es ja auch ausdrücklich Charakteristikum des Menschen:
... und das Leben war das Licht der Menschen.​
Je nachdem, ob man das als gen. obj. oder gen. subj. begreift, im ersten Fall wäre es dann Charakteristikum des Lebens.
Aus dem Zusammenhang ist doch offensichtlich, dass Christus gemeint ist: Er ist das "wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet". Johannes der Täufer wird als Zeuge für Jesus Christus benannt und auch sofort klargestellt: Johannes "war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht."
 
uch die jüdische Bibel ist voll mit Lichtmetaphorik. Häufig wird Gott mit der Gebetsformel "Lass dein Angesicht leuchten" angesprochen, vgl. auch "Selig das Volk, das den Jubelruf kennt, HERR, sie gehen im Licht deines Angesichts" (Ps 89,16)

Schön gesehen. Lasst mal das AT (digital) auf Begriffe wie Sonne, Licht, leuchten und erleuchten durchlaufen....
Da sieht man halt u.a. die babylonische Gefangenschaft, wie auch die vorderorientalische Prägung und Entstehung.
Wirklich eine erstaunliche Erkenntnis.

(darunter die christliche) ist eine Religion des Buches
Das Christentum ist vielleicht eine Schrift- oder Schriftenreligion, doch keine Buchreligion.
 
Auch die jüdische Bibel ist voll mit Lichtmetaphorik.
Interessant, viel mehr Licht, als ich dachte, in der Alten Bibel :) Ich kann diese Licht-Stellen nicht einschätzen, in welchem Kontext sie jeweils vorkommen. Dennoch habe ich das Gefühl (also vielleicht ein Vorurteil!), dass es das Wort, das Gesetz, die Regel, die Tafel etc. ist, die für den jüdischen Glauben stehen. Eben das, was ausgesagt wird. Wenn es zum "Licht" kommt, habe ich immer den Eindruck, dass sich da etwas Fremdes hineinmischt. Etwa so: man kann das Wort Gottes (also seine Gesetze) weglegen, wenn man ihn nur selbst "schaut", also in sein Antlitz blickt; das hat eine mystische Konnotation und etwas "Häretisches". Gott in seinem Licht selbst anzuschauen (es geht ja nicht nur ums Licht, sondern vor allem um die Schau dieses Lichts) bedeutet doch, wie in der mittelalterlicher Mystik, über das "Gesetzte" hinweg"sehen" zu können: man hat hier einen unmittelbaren Zugang zu Gott und benötigt dessen aufgeschriebenen Worte folglich nicht mehr.

Zum Verhältnis Wort und Licht finde ich Aufschlussreiches schon in Gen.; Gott sei Dank muss ich da nicht so viel blättern, sondern werde sogleich fündig (1.3 f):
Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht.​
Das Wort Gottes kommt zuerst, das Licht ist sein Werk. Er mag dann irgendwann selbst "Licht" genannt werden, wie allerdings nur in einem Teil deiner Zitate (vor allem in den Psalmen).

Das Christentum ist vielleicht eine Schrift- oder Schriftenreligion, doch keine Buchreligion.
In der Einleitung zur Einheitsübersetzung lese ich:
Die Bibel (gr. biblos = Buch) ... ist eine Sammlung von Büchern, die ...usw. Die Bücher des Alten Testaments ...usw. Juden und Christen glauben an die Inspiration dieser Bücher durch den Geist Gottes.
Das meinte ich, als ich das Juden-/Christentum eine Religion des Buches nannte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dennoch habe ich das Gefühl (also vielleicht ein Vorurteil!), dass es das Wort, das Gesetz, die Regel, die Tafel etc. ist, die für den jüdischen Glauben stehen.

Folglich wird auch das Wort/Gesetz mit Lichtmetaphorik versehen:

"Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade" (Psalm 119,105)

"Denn eine Leuchte ist das Gebot und die Unterweisung ein Licht, ein Weg zum Leben sind die Mahnungen der Erziehung." (Sprüche 6,23)

Und die Menora, der siebenarmige Leuchter, gehört zu den ältesten und wichtigsten religiösen Symbolen des Judentums.
 
...obwohl es sich auf "das Buch der Bücher" als heilige Schrift bezieht, soll es nicht in den religionswissenschaftlichen Begriff "Buchreligion" gehören?
Ich meinte das theologisch...
  • Sowohl für die Talmud-Rollen wie Koran-Exemplare gibt es kultische Vorschriften, es sind theologisch gesehen tatsächlich heilige Bücher/Rollen usw.
  • Die Offenbarungssprachen Gottes sind festgelegt (hebräisch/arabisch), der Talmud in hebräisch, der Koran in arabisch.
  • Die Bibel wie auch das NT selber haben keine Offenbarungssprache, noch ist das NT oder die Bibel selber heilig, noch enthält das NT das Wort Gottes in Prophetenmitteilungen - es enthält eher Leben, Botschaft und Sterben des fleischgewordenen Logos Gottes
  • Der Glaubens-Mittelpunkt im christlichen Leben ist entsprechend eher weniger das NT/die Bibel, sondern eindeutig Jesus Christus
Na so ungefähr
 
Das Christentum halte ich auch deswegen für keine 'klassische' Buchreligion, da im NT wie beispielsweise in der Jerusalemer frühchristlichen Gemeinde - siehe Apostelgeschichte - die mündliche Überlieferung und Erzählung von Jesus, die Gemeinschaft und das Gemeinschaftsleben und der Heilige Geist das Christliche ausmachen, aber nirgends eine Lesung aus einer heiligen Schrift, einem heiligen Buch.

Saulus wird bekehrt und predigt in Damaskus in der Synagoge von Jesus, doch nicht aus einem Buch.

Dagegen in Tora/Tanach:

Tora/Tanach Buch Nehemia 8,
Kapitel 8
Vorlesung der Tora.
1. Es versammelte sich damals das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz vor dem Wassertor; sie baten den Gesetzkundigen Esra, dass er herbeibringe das Buch der Lehre Moses, die der Herr Israel geboten.
2. Der Priester Esra brachte herbei die Lehre vor die Versammlung, Mann und Weib, alle, die sie verstehen konnten, am ersten Tage des siebenten Monats.
3. Er las darin auf dem Platze vor dem Wassertor, vom lichten Morgen bis zum Mittage, vor den Männern und den Frauen und vor allen, die es verstanden, und die Ohren des ganzen Volkes waren gerichtet auf das Buch der Lehre.
4. Der Gesetzkundige Esra trat auf eine Bühne von Holz, die man zu dem Behuf gemacht; zu seiner rechten Seite standen Mattitja, Sema, Anaja, Urija, Hilkija und Maaßeja, und zur Linken: Pedaja, Misaël, Malkija, Hasum, Hasbaddana, Sacharja und Mesullam.
5. Esra öffnete das Buch vor den Augen des ganzen Volkes, denn er stand hoher als das Volk; wie er es öffnete, stand alles Volk auf.
6. Esra pries den Herrn, den großen Gott, und alles Volk rief: Amen! Amen! mit Aufheben ihrer Hände, und sie neigten sich und warfen sich nieder vor dem Herrn mit dem Angesicht zur Erde.
7. Jesua, Bani, Serebja, Jamin, Akkub, Sabetai, Hodija, Maaßeja, Kelita, Asarja, Josabad, Hanan, Pelaja und die anderen Leviten erläuterten dem Volke die Lehre, und das Volk blieb dabeistehen.
8. Sie lasen in dem Buche, in der Lehre Gottes, deutlich mit Angabe des Sinnes; so erklärten sie die Schrift.
 
Saulus wird bekehrt und predigt in Damaskus in der Synagoge von Jesus, doch nicht aus einem Buch.

Dass er "nicht aus einem Buch" predigte, geht aus der Stelle nicht hervor. Da steht nur lakonisch:

Einige Tage blieb er bei den Jüngern in Damaskus; und sogleich verkündete er Jesus in den Synagogen: Dieser ist der Sohn Gottes. (Apg 9)

Aus anderen Stellen geht hervor, dass er üblicherweise tatsächlich predigte, indem er die Bibel auslegte, etwa Apg17:

Auf dem Weg über Amphipolis und Apollonia kamen sie nach Thessalonich. Dort hatten die Juden eine Synagoge. Nach seiner Gewohnheit ging Paulus zu ihnen und redete an drei Sabbaten zu ihnen, wobei er von den Schriften ausging. Er legte sie ihnen aus und erklärte, dass der Christus leiden und von den Toten auferstehen musste. Und er sagte: Jesus, den ich euch verkünde, ist dieser Christus.

 
Aus anderen Stellen geht hervor, dass er üblicherweise tatsächlich predigte, indem er die Bibel auslegte, etwa Apg17:

Auf dem Weg über Amphipolis und Apollonia kamen sie nach Thessalonich. Dort hatten die Juden eine Synagoge. Nach seiner Gewohnheit ging Paulus zu ihnen und redete an drei Sabbaten zu ihnen, wobei er von den Schriften ausging. Er legte sie ihnen aus und erklärte, dass der Christus leiden und von den Toten auferstehen musste. Und er sagte: Jesus, den ich euch verkünde, ist dieser Christus.
Wenn man da allerdings quellenkritisch herangeht, ist wohl zu konstatieren, dass hier eine Botschaft an jüdischstämmige Hörer eingebaut ist, die wir auch in den Evangelien immer wieder finden: Jesus ist die Erfüllung der überlieferten Prophezeiungen. Insofern würde ich diese Äußerung bzgl. des hist. Paulus nicht auf die Goldwaage legen.
 
Ja...Paulus...war oft auf seine Missionsreisen in Synagogen unterwegs...doch ohne Bibel oder Evangelien oder NT...er predigte wohl aus dem Tanach...die reinen Heiden und Heidenchristen konnte er schwerlich damit erreichen...die er ebenso oft abseits der Synagogen traf, bekehrte, missionierte.

Paulus ist die einzige Person im NT unter den christlichen Akteuren, die regelhaft in Synagogen aus Schriften predigte, soweit mir erinnerlich...auf den Missionsreisen.

Die ur- bzw. frühchristlichen Gemeinden lebten ohne (heiliges) Buch oder (heilige) Schriftensammlung, aus der Christi Leben und Botschaft/Theologie gepredigt wurde, meine ich. Ob Petrus überhaupt lesen konnte?
 
Wenn man da allerdings quellenkritisch herangeht, ist wohl zu konstatieren, dass
... wir hier eine Darstellung für ein heidenchristliches Publikum vor uns haben, und auch aus dieser Perspektive ist es selbstverständlich, dass Paulus' Predigten sich auf die Heilige Schrift beziehen.

Das ist auch in den authentischen Paulusbriefen zu sehen, nehmen wir als Beispiel den 1. Korintherbrief:

1Kor 1,19 In der Schrift steht nämlich: Ich werde die Weisheit der Weisen vernichten / und die Klugheit der Klugen verwerfen.
1Kor 1,31 Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn; so heißt es schon in der Schrift.
1Kor 2,9 Nein, wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
1Kor 3,19 Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. In der Schrift steht nämlich: Er fängt die Weisen in ihrer eigenen List.
1Kor 4,6 Brüder und Schwestern, ich habe das auf mich und Apollos bezogen, und zwar euretwegen, damit ihr an uns lernt: Nicht über das hinaus, was in der Schrift steht, dass also keiner zugunsten des einen und zum Nachteil des andern sich wichtig machen darf.
1Kor 10,7 Werdet nicht Götzendiener wie einige von ihnen; denn es steht in der Schrift: Das Volk setzte sich zum Essen und Trinken; dann standen sie auf, um sich zu vergnügen.
1Kor 15,3 Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, / gemäß der Schrift, und ist begraben worden. / Er ist am dritten Tag auferweckt worden, / gemäß der Schrift,
1Kor 15,45 So steht es auch in der Schrift: Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen.
1Kor 15,54 Wenn sich aber dieses Verwesliche mit Unverweslichkeit bekleidet und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: Verschlungen ist der Tod vom Sieg.

Ja...Paulus...war oft auf seine Missionsreisen in Synagogen unterwegs...doch ohne Bibel oder Evangelien oder NT...er predigte wohl aus dem Tanach...

Der Tanach ist die Bibel für Paulus und für das frühe Christentum, das NT war erst im Entstehen.
 
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Die ur- bzw. frühchristlichen Gemeinden lebten ohne (heiliges) Buch oder (heilige) Schriftensammlung, aus der Christi Leben und Botschaft/Theologie gepredigt wurde, meine ich. Ob Petrus überhaupt lesen konnte?
Klar, in der allerersten Zeit wartete die Urgemeinde in Jerusalem täglich auf die Wiederkehr des Auferstandenen, da schrieb man keine Bücher. Je weitgespannter das Netz der Gemeinden wurde und je rarer die Menschen, die den Herrn persönlich erlebt hatten, desto wichtiger wurden schriftliche Zeugnisse wie die Paulusbriefe und dann die Evangelien. Das liegt natürlich auch daran, dass Geschriebenes sowohl für das Judentum als auch für die griechisch-römische Zivilisation von zentraler Wichtigkeit waren.
Gab es jemals nach der Urgemeinde irgendwo ein Christentum ohne heilige Schriften? Heutzutage liest man ja häufig, dass die Baiern schon durchaus Christen waren, als die "drei Apostel" Korbinian, Emmeram und Rupert um 700 ins Land kamen. Ich vermute, dass die Eliten vor Ort, Adelige oder Herzog, erst in dieser Zeit den Schritt taten, die materiellen Voraussetzungen für ein Christentum als Schriftreligion bereitzustellen: nämlich dass einige Leute einen Großteil ihrer Zeit darauf verwenden konnten, zu lesen und zu schreiben (abzuschreiben, auf sündhaft teurem Pergament), und auch die lateinische Sprache zu üben, in der die Schriften vorlagen. Das geht institutionell mit der Etablierung von Bischofssitzen und Klöstern einher.
Ohne Schrift kein Christentum, zumindest kein stabiles.
 
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