Historische Romane

Zu den wenigen Dingen, die mich am "Herrn der Ringe" störten, gehörte, dass bei der Reise der Gefährten für jeden Tag detailliert das Wetter beschrieben wird.
Wobei der hier nicht reinpasst, denn das ist kein historischer Roman.
Oder wenn manche russische Autoren des 19. Jhdts. eine Vorliebe dafür hatten, detailliert Aussehen und Bekleidung von Personen (oft nur Nebencharaktere) zu beschreiben.
Bei Dostojewski und Sologub fehlen solche Passagen (Witterung, Landschaften, Einrichtungen als psychologisierende symbolische Ebene) völlig - bei Turgenev und Tolstoi sieht das anders aus.
Aber auch das sind - ausgenommen Krieg und Frieden - keine historischen Romane. Welche russ. histor. Romane meinst du denn?
 
@Dion du meinst die "show, don't tell" Maxime amerikanischer creative writing Kurse?
Ja, die meine ich. Auch die berühmten amerikanischen Schriftsteller scheuen sich nicht zu sagen, sie hätten anfangs solche Schreibschulen besucht; bei uns gilt das eher als Makel.

Gut schreiben zu können ist zu einem guten Teil schlicht Handwerk – und ohne das Handwerk des Schreibens zu beherrschen, wird aus dem Werk nichts Gescheites.
 
Ja, aber das ist wie fast alles im Leben, entweder man kanns oder man kanns nicht.
Wenn man eine Arbeit nicht gut erledigen kann, dann hilft meist auch keine gute Ausbildung darin.
Man wird die Arbeit dann leidlich erledigen, aber wirklich gut wird man drin nicht.
Wenn man ein Faible für die Arbeit hat, dann führt eine gute Ausbildung häufig auch zur Meisterschaft in dem Bereich.

So meine Lebenserfahrung
 
@Ravenik es gibt halt feine "Gewürze", die nicht in alle Gerichte passen - die psycholog. Symbolebene (wie bei Fontane, Turgenev u.a. Landschaft und Witterung, sogar leitmotivisch verklammernd) wird in einem möglichst genau historische Ereignisse nachzeichnenden Roman nicht so gut munden wie in Effi Briest oder erste Liebe. Und ein Rezept wie show, don't tell passt auch nicht zu jeder Prosagroßform (sonst wären Ulysses oder Berlin Alexanderplatz keine (sehr!!) guten Romane)
Aber schon klar, dass nicht jedem jede Würzmischung schmecken muss: mir waren die "Visionen" Adsons und die ellenlange Beschreibung des Kirchenportals im Namen der Rose schlicht zu lang.
 
Die Kleidung eines Menschen kurz in ein zwei Sätze zu beschreiben, statt einfach zu sagen, der war ein Händler, Bauer oder Provinzler oder ..., ist genau das, was ich meine mit Zeigen statt Erzählen.
Richtig... aber es gibt eben auch bei den Details entsprechenden Tiefen oder eben auch nicht.

Beim Essen schreibe ich eben von einem Stück Brot und einem Hartkäse oder von mir aus Oliven - und schon bin ich auf der sicheren Seite. Wieso muss man das ins kleinste Detail zelebrieren. Es gelingt auch mit wenigen Details die Phantasie des Lesers anzuregen - man muss diese nicht mit kleinsten Details "vor-formen" und den Leser damit an die Hand nehmen.

Und der Gegenüber trägt eben zerlumpte Leinen - oder eine schäbige Rüstung... aber ich muss nicht die Rüstung im Detail erklären, dem Leser das Denken abnehmen und selber Fehler provozieren...
 
Es gelingt auch mit wenigen Details die Phantasie des Lesers anzuregen ...
Absolut, ja.

Aber - Beispiel: Wer schon mal z.B. in 4-stöckigen Dürerhaus in Nürnberg war, in dem auch die sog. schwarze Küche zu sehen ist mit dem über der offenen Feuerstelle auf einer Kette hängenden Topf, in dem in jener Zeit fast alles Essen zubereitet wurde, dem genügt sicher das Stichwort "schwarze Küche". Aber die Mehrzahl der heutigen Leser kann mit diesem Begriff vermutlich genauso wenig anfangen wie mit dem Begriff "schwarze Pädagogik". Das ist jetzt zwar übertrieben gesagt, aber ich will damit nur sagen: Man muss sich im Klaren darüber sein, für wen man schreibt.
 
Es gibt nicht 'den' Leser. Es kommt auf die Zielgruppe an.

Und es kommt darauf an, was beschrieben wird. Heute wird das Äußere von Charakteren nicht mehr so detailliert beschrieben wie bei Karl May. Und die kunstvollen Beschreibungen eines Fontane versteht eine Zeit nicht mehr, die nur noch Hinweise mit dem Zaunpfahl versteht. Aber es gibt zentrale Objekte, die beschrieben werden sollten. Und es gibt Beschreibungen mit Funktion, etwa um Fremdartigkeit zu verdeutlichen.

Und es schreibt sich anders auf Deutsch als auf Englisch. Da wird mir zuviel aus dem Englischen übernommen. Die amerikanische Sitte Namen zu verkürzen gilt im Deutschen eigentlich als respektlose Missachtung der Person. Das mag ja noch als aus Funk und Fernsehen übernommene kulturelle Aneignung positiv bewertet werden. Aber die stilistische Verarmung, die durch andere Übernahmen erfolgt ist bedauerlich. In unterschiedlichen Sprachen ist Unterschiedliches elegant.
 
Hatte mitlerweile mal Zeit mir den El Cid Roman gründlich zu Gemüte zu führen und ich muss sagen ich find ihn fesselnder als "Salambo" oder "Knight in Anarchy", auch wenn er bestimmt nicht so kunstvoll geschrieben ist, oder so interessante Charaktere hat. El Cid ist einfach ein Überflieger, schon als Knappe fast unbesiegbar und natürlich rettet er dann auch seine Geliebte aus den Fängen des saufenden, perversen alten Grafen :D Vielleicht liegt es daran, dass ein Gefecht auf das nächste folgt und sie bald schon nicht mehr ausführlich beschrieben werden. Vielleicht macht die einfache Sprache auch den Reiz aus, es ist schon bemerkenswert. Jedenfalls muss dieser Rodrigo schon wirklich ein krasser Kerl gewesen sein, etwas vergleichbares gab es bei uns wohl wirklich nur so in Legenden wie "Dietrich von Bern", oder "Siegfried". Ja vielleicht stellt er sie sogar in den Schatten, aus damaliger Sicht natürlich.
 
@PostmodernAtheist von einem El Cid Roman hab ich noch nie gehört: von wann und von wem ist der?

"Sie nannten ihn Cid" von Mac P. Lorne, hat ich schon mal kruz angesprochen. Laut Amazon:
  • Herausgeber ‏ : ‎ Knaur eBook; 1. Edition (1. Oktober 2021)
Würde mich nicht wundern wenn es schon andere Bearbeitungen des Stoffes gibt, einen Film hat man ja gemacht.
Nebenbei hat der Autor noch diese Themen behandelt:

  • »Die Pranken des Löwen« (Band 1 der Serie um Robin Hood
  • »Das Herz des Löwen« (Band 2 der Serie um Robin Hood)
  • »Das Blut des Löwen« (Band 3 der Serie um Robin Hood)
  • »Das Banner des Löwen« (Band 4 der Serie um Robin Hood)
  • »Der Sohn des Löwen« (Band 5 der Serie um Robin Hood)
  • »Der Pirat« (Sir Francis Drake, England im 16. Jahrhundert)
  • »Der Herr der Bogenschützen« (John Holland und Jeanne d'Arc, England und Frankreich 1400 – 1431)
  • »Der Herzog von Aquitanien« (Eudo von Aquitanien, der im 8. Jahrhundert die Mauren in Europa aufhielt)
  • »Der englische Löwe« (Richard Löwenherz, England im Mittelalter)


Vielleicht ein Geheimtipp?
 
Danke für die Info!
Ungewöhnliche Biografie: erst Tierarzt in der DDR, dann 1988 Flucht, Reit- und Zuchtbetrieb in Bayern, tiermed. Publikationen, danach dann historische Romane Mac P. Lorne – Wikipedia

Immer gerne :)

Vielleicht lese ich noch den Roman über Odo von Aquitanien, auch wenn Wikipedia schon schreibt, dass der Berberfürst mit dem er sich laut Autor durch Verheiratung seiner Tochter verbündet hat nicht belegt ist. Aber ich kann nachvollziehen warum der Autor das einbaut. Ansonsten ensteht vielleicht zu sehr Schwarz-Weissmalerei: der tolle christliche Westen und die Schurken von jenseits seiner Grenzen.
 
  • »Der Herr der Bogenschützen« (John Holland und Jeanne d'Arc, England und Frankreich 1400 – 1431)
Da werde ich zugreifen, nicht zuletzt wegen folgendem Auszug aus einer Kritik im Internet:
In einem zweiten Handlungsstrang widmet sich der Autor dem Leben von Jeanne d´Arc, die als "Jungfrau von Orléans" in die Geschichte eingegangen ist. Das Bild, das Mac P. Lorne von dieser Frau zeichnet, hat allerdings nichts mit der legendenverklärten Märtyrerin und dem sie noch heute umgebenden Mythos zu tun. Mutig holt er die Dame von ihrem Sockel, kappt ihren Heiligenschein und stellt sie als das dar, was sie offensichtlich war - eine religiöse Fanatikerin, die einen fast beendeten Krieg wieder neu entfacht und um 25 Jahre verlängert hat, die in ihrem Gotteswahn ohne mit der Wimper zu zucken über Tausende von Leichen ihrer eigenen Landsleute gegangen ist und unnötiges Leid und Elend über die Zivilbevölkerung gebracht hat. Keine der englischen Armeen hat in Frankreich so gewütet, wie das Heer der Jeanne d´Arc. Die Begegnung zwischen ihr und John Holland ist eine der Schlüsselszenen in diesem Roman.
Zweierlei fällt mir hier auf:
1. "Offensichtlich"?
2. "[…] eine religiöse Fanatikerin, die einen fast beendeten Krieg wieder neu entfacht und um 25 Jahre verlängert hat, die in ihrem Gotteswahn ohne mit der Wimper zu zucken über Tausende von Leichen ihrer eigenen Landsleute gegangen ist und unnötiges Leid und Elend über die Zivilbevölkerung gebracht hat. Keine der englischen Armeen hat in Frankreich so gewütet, wie das Heer der Jeanne d´Arc."
– Das ist, gelinde gesagt, mal 'ne steile These, und meines Wissens kaum zu begründen. Ich bin gespannt.
Vielleicht ein Geheimtipp?
Mal sehen, jedenfalls: Danke!
 
– Das ist, gelinde gesagt, mal 'ne steile These, und meines Wissens kaum zu begründen. Ich bin gespannt.

Das klingt wirklich spannend! Ehrlich gesagt kann ich mir beides vorstellen, das Jean Gutes bewirkt hat, oder auch, dass sie halt ne Kriegstreiberin war. Wobei am Anfang ihres Aufstiegs die Engländer glaub ich noch eine starke Position in Frankreich hatten. Das war sicher für viele Franzosen nur schwer zu ertragen.
 
Bei Johanna sehe ich Merkmale einer ungebildeten Mystikerin, wie es seinerzeit viele gab. Wenn sie eine Fanatikerin war, dann wohl eher eine politische. Tiefe Frömmigkeit macht noch keinen Fanatismus, zumal nicht im 15. Jahrhundert. Durch religiöse Orthodoxie machte sie sich meines Wissens nur insofern bemerkbar, als sie ihrem Heer einen strikten Verhaltenskodex auferlegen wollte: Keine Frauen im Tross, kein Glücksspiel, keine Plünderungen usw. Allein: Vielleicht sprachen da die Heerführer durch ihren Mund.

Denn man kann ihre Agenda auch wie folgt lesen: keine Prostitution, keine (oft Streit verursachenden) Ablenkungen im Feldlager, kein Zerstreuen des Heeres, um auf eigene Faust zu rauben. Die Kommandeure des Mittelalters wussten, wie nachteilig sich die laxe Disziplin ihrer Heere auf die Siegeschancen auswirkte. Vielleicht bedienten sie sich ja Johannas, um ihre Autorität durchzusetzen?

Der Vermutung, dass sie eine politische Fanatikerin war, könnte man sodann entgegenhalten, dass auch eine so charismatische Person wie sie, und selbst mit der Unterstützung der mächtigen Jolanthe von Aragón, wohl kaum eine nationale Erhebung ausgelöst hätte, wäre ihr Anliegen nicht allgemein geteilt worden. Du sagst es ja selbst: Die Franzosen wollten die Engländer loswerden. So sehr das gemeine Volk den eigenen Adel hasste; die Engländer mit ihren Chevauchéen hassten sie noch mehr.

Ob Johanna Gutes oder Schlechtes bewirkt hat, wird man meiner Meinung nach aus der Sicht ihrer Zeitgenossen beurteilen müssen, nicht aus einem modernen Blickwinkel. Was das Zweite anlangt, könnte man ihr vielleicht vorwerfen, dass sie sich nach der Rückeroberung des Loire-Tals zu opferreichen, militärisch unvernünftigen Aktionen hinreißen ließ (wie der Schlacht von Compiégne).

Andererseits kann Johanna für sich beanspruchen, eine kriegsverkürzende Kampagne begonnen zu haben, die die karolinische Regierung gegen die Fliehkräfte im Reich stärkte, zur Versöhnung mit Burgund führte und weite Teile des Landes halbwegs befriedete. Vermutlich hätten die Franzosen auch ohne die "Jungfrau von Orléans" irgendwann gewonnen; England war zu klein, um sie dauerhaft zu unterwerfen; aber wer weiß schon, wie lange es noch gedauert hätte, und zu welchem Preis?

Was die militärische Situation zum Zeitpunkt von Johannas Auftreten anlangt, teile ich die Meinung des zitierten Rezensenten nicht (man wird sehen müssen, ob sie wirklich Lornes Darstellung entspricht).

Erstens: Heinrich V. war tot. Der neue englische König war ein schwächliches Kind, seine Regenten alles andere als einig. Englands fähigster Feldherr in Frankreich, der Graf von Salisbury, war im Jahr zuvor gefallen. Zweitens: Orléans war gewiss ein wichtiger Sieg, doch sollte man nicht unterschätzen, dass das Narrativ der Entscheidungsschlacht, mit der Frankreich steht oder fällt, aus französischer Feder stammt. Ich sehe da keinen Automatismus einer französischen Niederlage, selbst wenn die Stadt gefallen wäre.

Was mich wundert, ist – und das soll noch keine Kritik am Autor sein –, dass die Rezension für 'Der Herr der Bogenschützen' in Anspruch nimmt, das Buch enthalte mit seiner Charakterisierung Johannas etwas Revolutionäres. Die Wahrheit ist doch, dass die meisten Romane zum Hundertjährigen Krieg aus englischer Sicht geschrieben werden, und dass schon seit Shakespeare die englische Sichtweise praktisch weltweit dominiert. Und dort ist Johanna bestenfalls eine tragische Figur, keine Heilige und Heldin.

Für dieses Ungleichgewicht finden sich natürlich objektive Gründe. Es gibt mehr Englischsprecher, englische Quellen sind zugänglicher, englischsprachige Verlage und Filmstudios sind in der Kultur tonangebend. Außerdem sind die Engländer vielleicht aus moderner Sicht die attraktiveren Protagonisten.

England hat Charaktere wie den hemdsärmeligen Kriegerkönig Heinrich V. aufzubieten, dem es schon vor fünfhundert Jahren ein literarisches Denkmal von Weltrang setzte, und tritt in der Rolle des Underdogs und Sympathieträgers auf: Das kleine Albion, das vom großen Gallien um die Krone beschissen wird und mit wackeren freien Bogenschützen seine Rechte gegen die inkompetenten Snobs aus dem französischen Adel durchsetzt. Wen oder was haben die Franzosen, aus der Sicht Otto Normalverbrauchers?

Übrigens ein schönes Beispiel dafür, dass Geschichte durchaus nicht nur von Siegern geschrieben wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, die Zeit ist mir für eine Rezension zu 'Der Herr der Bogenschützen' zu schade, darum nur so viel …

1. Mac P. Lorne vertritt eine Linie, die man von einem englischen Nationalisten erwartet hätte – einem des 18. Jahrhunderts, vor der breiten Verfügbarkeit historischer Quellen. Bei ihm ist der Hundertjährige Krieg so gut wie beendet, Frankreich ist unter den Engländern besser dran, und der Dauphin ist bloß ein Rebell gegen den Vertrag von Troyes. Fällt Orleans, so fällt auch er, und die verblendete Johanna hätte es besser geschehen lassen, anstatt ihren Glaubenskrieg auf englisches Gebiet zu tragen.

Würde die Geschichte nur aus der Perspektive der Engländer erzählt, könnte man diesen liberalen Umgang mit den Fakten für ein Merkmal eines unzuverlässigen Erzählers halten. Wird sie aber nicht. Und, ehrlich gesagt, der Anspruch des Romans ist dafür auch nicht hoch genug.

2. Der Protagonist John Holland ist ein Paragon erster Güte: klug, stark, heroisch, liberal, ritterlich, kirchenkritisch, der ideale Schwiegersohn, den schon als Heranwachsender alle respektieren. Johanna ist eine ewig lächelnde Wahnsinnige, bestärkt von ihren frömmelnden Helikopter-Eltern. Das hat selbst Luc Besson mit drei Drehbuchseiten Dialog besser hinbekommen als Lorne auf 562 Seiten Roman.

Ähnlich funktionieren die Charakterisierungen der Engländer und Franzosen: Mit Ausnahme William de la Poles, Hollands englischem Gegenspieler, sind alle Engländer zumindest in der Summe positiv besetzte Charaktere, und mit Ausnahme der Waffengefährten Johannas sind alle Franzosen Feiglinge und Snobs.

3. Der Autor beleidigt immer wieder die Intelligenz des Lesers mit Passagen wie diesen (Unwesentliches gekürzt durch meine Wenigkeit):

Der Plan [den Fluss zu überqueren] war gut, nur schien er an einer einfachen Tatsache zu scheitern. [Der Wind blies] schon seit Tagen beständig von West nach Ost, und es sah nicht danach aus, dass sich das demnächst ändern würde. Da man ständig befürchten musste, von den Engländern entdeckt und aufgebracht zu werden, wollten de Dunois, La Hire und de Rais schon zum Rückzug blasen lassen. Doch Jehanne lächelte sie nur an, begab sich zu der kleinen Kirche des Ortes, kniete nieder und begann zu beten. Und das Wunder geschah – der Wind drehte, und der Fahrt flussabwärts nach Orléans unter Segeln stand nichts mehr im Wege.

Die Feldhauptleute bekamen vor Staunen den Mund nicht mehr zu und begannen, […] an Jehanne und ihre göttliche Mission zu glauben. Hätten sie sich allerdings der Mühe unterzogen, einmal ein paar Worte mit den Bauern der Umgebung zu wechseln, wäre ihnen das Wunder schnell erklärt worden. In letzter Zeit war es recht trocken gewesen, da blies der Wind meist von Norden oder Westen her. Jetzt zogen dunkle Wolken im Landesinneren auf, die in Richtung Meer trieben, und es würde bald regnen. Da musste der Wind schließlich drehen, das war doch sonnenklar. Aber den Soldaten, die Bauern nur abschlachteten […], blieb diese Logik natürlich verborgen, und so hatte die Jungfrau ihr erstes Wunder vollbracht.


Was soll das? Hatte Lorne Angst, der Leser könnte am Ende glauben, die Lothringern hätte wirklich ein Wunder gewirkt? Das ist in meinen Augen ein völlig untauglicher Versuch, sich in Romanform mit dem mystischen Elementen von Johannas Legende auseinanderzusetzen. Überhaupt spricht aus vielen Passagen der Autor mit einer dediziert modernen Perspektive, dem Grundsatz 'show, don't tell" zuwider.

Insbesondere ist Lorne mit diesem Virus der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur infiziert, alles, was irgendwie mit Glauben und Kirche zu tun hat, als abergläubischen Unfug abzutun, sodass man sich fragt, wie das Christentum bloß im Mittelalter zum Angelpunkt des öffentlichen wie privaten Lebens werden konnte, und warum Reformation und Aufklärung nicht schon 1429 begann. Und zwar mit John Holland!

4. Der Autor leidet noch an einer zweiten Berufskrankheit: Mir fällt zunehmend störend auf, dass männliche Autoren historischer Romane zu denken scheinen, in ihren Büchern müssten Ströme von Blut fließen (wogegen ihre Kolleginnen offenbar glauben, ausschließlich für Romantik und Intrigen zuständig zu sein). Aber Lorne übertreibt es für meinen Geschmack mit den Gewaltdarstellungen. Wer jedoch eine in allen Details geschilderte Vergewaltigung eines Kindes miterleben will, ist bei ihm gut aufgehoben.

Also, es mag sein, dass seine anderen Bücher besser sind, aber das werde ich erst herausfinden, wenn man mir eines schenkt. Nochmals gebe ich kein Geld aus für diesen Schund.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben