Aber bei näherem Hinsehen: Der deutsche Nationalismus in Österreich-Ungarn fürchtete sich vom wachsenden slawischen Einfluss, Panslawismus genannt, in dem Russland und auch Serbien ihren Platz hatten. Die Deutschen stellten nur ein Viertel der Bevölkerung Ö-U dar, majorisierten aber aus historischen Gründen alle anderen Völker – mit Ausnahme der Ungarn.
Das ist auf so vielen Ebenen falsch, da kann man nur den Kopf drüber schütteln:
1. Die Deutschnationalen in Österreich-Ungarn interessierten sich tendenziell wenig für die Frage, wie der Vielvölkerstaat erhalten werden könne, sondern eher dafür wie man dahin käme, dass sich die deutschsprachigen Teile der Monarchie von Habsburg lossagen und man sich an das Deutsche Reich anschließen könnte.
Denen kamen die slawischen Nationalismen gerade recht, weil sie mit dem Wunsch einen Schlusstrich unter das Habsburger Reich zieheen zu wollen, aus unterschiedlichen Motiven ein gemeinsames Ziel hatten.
2. Der Panslawismus war eine idealisierende Vorstellung, die vor allem Russland als innerer Legitimationsgrundlages des Reiches diente, die allerdings angesichts ds Umstands, wie die Russen vor allem ihre polnischen "Brüder" behandelten, kein Mensch ernst nehmen konnte.
De facto war das Habsburgerreich von den drei Teilungsmächten Polens die mit Abstand Toleranteste, entsprechend die Polen und Ukrainer in Galizien auch recht loyale Untertanen der Donaumonarchie, weil ihnen durchaus klar war, dass es ihnen in Russland oder Preußen deutlich schlechter ginge.
Insofern kann von Panslawismus als Strömung für den die Slawen der K.u.K.-Monarchie einen Hebel für Beeinflussung dargestellt hätte, in dieser Form nicht die Rede sein.
Mal davon abgesehen, dass die Vorstellung von der großen slawischen Gemeinschaft erst kurz zuvor durch den 2. Balkankrieg ad absurdum geführt worden war, in dem sich mit Serbien und Bulgarien zwei südslawische Länder bis aufs Blut und mit äußerster Brutalität bekämpften.
Unter diesen Umständen konnte von der Vorstellung der Slawen als Gesamtgemeinschaft keine Rede sein.
Wer um 1914 die K.u.K.-Monarchie bewohnte, der wusste genau so, dass sich die Ukrainer und die Polen in Galizien alles andere als grün waren, weil im Besonderen in Ostgalizien die polnischen Großgrundbesitzer für einige Erbitterung bei ihren ukrainischen Bauern sorgten und auch dass sich Slowenen und Koraten in ihrem Katholizismus recht wohl fühlten, der Orthodoxie aber eher skeptisch gegenüberstanden, so dass es vielleicht Gemeinsamkeeiten mit den Serben im Hinblick auf ähnliche Sprachtraditionen gab, aber massive Differenzen in Religion und sonstigen Lebensaspekten.
3. Da es, wie mittlerweile schon von mehreren Seiten her dargelegt wurde, keinen österreichisch-ungarischen Gesamtstaat gab, ist die Aussage, dass die Deutschen etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung stellten wenig sinnvoll.
Die Deutschen stellten nur einen kleinen Bruchteil der der Bevölkerung des Königreichs Ungarn, wo es im Besonderen im südlichen Siebenbürgen, in Südungarn im Donautal, im Temesvarer Banat, um Budapest, im Südwesten um Pecs (Fünfkirchen) herum und in Westungarn um Sopron (Ödenburg) also im heutigen Burgenland (kam nach 1918 per Volksabstimmung zu Österreich) deutschsprachige Siedlungsinseln gab.
In Cisleithanien allerdings, stellte die deutschsprachige Bevölkerung annähernd die Hälft der Einwohner.
Von einer Majorisierung aller anderen Nationalitäten außer den Ungarn durch die deutschsprachige Bevölkerung kann ebenfalls keine Rede sein, weder in Cisleithanien, noch in Transleithanien.
In Cisleithanien war man bereits vor dem 1. Weltkrieg zum allgemeinen Männerwahlrecht übergegangen, womit von einer Majorisierung/Diskriminierung der anderen Nationalitäten keine Rede sein konnte, die hatten in der österreichischen Reichshälfte die gleichen Rechte, wie die deutschsprachigen Einwohner auch.
Wenn dann gab es hier mitunter Dissens darüber, welche Sprachgruppe in welcher Region welchen Proporz an Beamten stellen durfte, wer wo eine Universität unterhalten und in welcher Sprache unterrichten durfte etc.
Zum einen war das von einer zu verteidigenden politischen Majorisierung ziemlich weit entfernt, zum anderen lässt sich am Beispiel Mährens zeigen, dass in diesen Sprach- und Verwaltungsfragen durchaus sinnvolle, tragfähige Kompromisse gesucht und gefunden wurden.
Am Vorabend des eersten Weltkrigs kriselte es was Cisleithanien angeht lediglich in Böhmen etwas, weil die lokale Bevölkerung da vor allem im Bezug auf die Amtssprache in den national gemsichten Regionen weiteren Aushandlungsbedarf hatte, aber das stellte zu diesm Zeitpunkt in keiner Weise die Gesamtverhältnisse innerhalb des Landes infrage.
In Transleithanien gab es durch das sehr restriktive Wahlrecht durchaus faktisch Diskriminierung nationaler Minderheiten, aber eben nicht im Interesse der deutschsprachigen Minderheiten, sondern im Interesse der ungarischen Magnaten.
Da stimmt an der Grundlage für deine weiteren Ausführungn wirklich nichts.
Wirf mal einen Blick unter anderem in Judson: "The Habsburg Empire" oder in Rauchensteiners "Der Tod des Doppeladlers".