@Scorpio &
@El Quijote
Nun, ich denke, wir sollten nicht päpstlicher als der Papst sein.
Uns allen dürfte klar sein, dass
@Dion keine Hosen im modernen Sinne gemeint hat, als er das Beispiel Johannas von Orleans anführte, sondern eben angenestelte Hosenbeine oder Beinwickel. (Im folgenden verwende ich das Wort "Hosen" auch in diesem Sinne.) Ein ausdrückliches Verbot, ob weltlich oder kirchlich, wonach Frauen solche nicht tragen dürften, ist mir nicht bekannt, aber das spielt in meinen Augen auch keine große Rolle.
Wenn Frauen für das Tragen von Männerkleidern bestraft werden konnten, und das konnten sie – wenngleich nicht mit solcher Regelmäßigkeit und Härte, wie
@Dion zu denken scheint, oder wie jene uns weismachen wollen, die moderne Vorstellungen von Geschlechtlichkeit in die Vergangenheit projizieren –, war ein ausformuliertes Verbot gar nicht nötig. Es genügte sich anzugucken, was seinerzeit als Herrenmode galt, und im Umkehrschluss zu folgern, dass Frauen solche Kleidungsstücke gefälligst nicht zu tragen hatten.
Man wird meines Erachtens zu dem Schluss kommen müssen, dass sich dieses Verbot nur auf Beinkleider beziehen kann. Denn die Oberbekleidung der mittelalterlichen Damen- und Herrenmode ähnelte sich häufig (Beispiel: Schaube); zumindest die Frauen der Oberschicht beanspruchten auch Herrenkleidungsstücke wie Wämser oder Herren-Kopfbedeckungen wie das Barett für sich.
Spontan fällt mir in der Tat nur Johanna von Orleans als mittelalterliche Frauengestalt ein, die hosentragend in den zeitgenössischen Quellen abgebildet wurde. Sowohl "maskulin" agierende fiktive bzw. semi-historische Frauengestalten (wie die Neun Heldinnen), als auch die wenigen historisch verbürgten in Kampfhandlungen verwickelten Frauen des Mittelalters (bspw. Johanna von Flandern, Johanna von der Bretagne, Caterina Sforza) werden immer mit Rüstung, aber auch mit Rock dargestellt.
Sammlung aus dem Forum:
Anhang anzeigen 23772Anhang anzeigen 23773
Anhang anzeigen 23774Anhang anzeigen 23775
(rechts unten: Johanna von Orleans)
. Alles in allem denke ich daher, dass
@Dion jedenfalls in der Sache Recht hat. De jure gab es zu Johannas Lebzeiten wohl kein Hosentrageverbot, de facto aber schon.
Ich denke schon, dass eine Frau in den meisten Städten des Heiligen Römischen Reiches, die im Alltag ständig Männerkleidung getragen hätte, oder ein "männliches Verhalten gezeigt hätte, durch Sozialdisziplinierung, Kirchenbußen bis zu Ehrenstrafen recht bald genötigt worden wäre, das zu unterlassen. Die Freien Reichsstädte waren zwar an öffentlicher Ordnung und sozialem Frieden interessiert, das Leben war aber schon starken Reglementierungen und Kontrolle ausgesetzt. Die Kleidungs- und Luxusordnungen wurden durchaus restriktiv durchgesetzt. Ein Handwerksgeselle, der sich (heimlich) ein Samtfutter in seine Jacke einnähen ließ, durfte das keinesfalls auf der Hasse sehen lassen, und schon gar nicht hätte er ein Kleidungsstück aus Samt tragen dürfen.
Die Doktoren durften im 16. Jahrhundert in Nürnberg Marderkehlen tragen, die Bauern nur Pelze von Schaf- oder Ziege.
Die Einzigen, die ganz unabhängig von ihrem Stand sich ganz offen in Samt oder Seide, in leuchtenden Farben kleiden durften, das waren die Henker und Scharfrichter.
Auch Gaunerinnen, die in Männerkleidung an einem "Masematten" teilnahmen, Frauen die alleine reisten inkognito in Männerkleidung, Reiterinnen und Jägerinnen, die sich im Reitkleid und Damensattel nicht den Hals brechen wollten beim Sprung über eine Hürde- sie alle haben Hosen in besonderer Situation getragen, aus Sicherheit, aus Bequemlichkeit, aus praktischen Erwägungen. Solange sie das Hosentragen auf solche Gelegenheiten beschränkten, mochte das vielleicht maximal etwas keck, etwas gewagt, oder gar als anstößig gewesen sein- es war in keiner Weise strafrechtlich relevant. Bei Frauen, die allein und inkognito reisten war die Männerkleidung tatsächlich das einzige Mittel, um peinlichen und schlimmstenfalls auch gefährlichen Situation, unerwünschten Avancen zu entgehen- und aus diesem Grund auch ein durchaus ungewöhnliches, aber im Rahmen akzeptiertes Verhalten.
Schon gar nicht war es strafrechtlich relevant.
Die Fälle, in denen Frauen tatsächlich aber Hosen und Männerkleidung trugen, die waren natürlich weitaus weniger, als all die Hosenrollen in Literatur und auf der Bühne im Theater in Oper und Operette suggerieren können.
Im 16., 17. und 18. Jahrhundert gibt es eine Vielzahl von Hosenrollen, immer wieder auch Frauen, die in bestimmter Situation mal eine Hose/Männerkleidung getragen haben. Sie haben das getan, ohne das das strafrechtlich relevant war,
Sie haben aber mitnichten ständig Männerkleidung getragen im Alltag. Da hätten Kleider- und Luxusordnungen, mögliche Ehrenstrafen, Kirchenbußen, Sozialdisziplinierung vor allem aber soziale Normen dem Einhalt geboten.
Auch Libertins und Transvestiten, wie der Marquis d`Eon, der wirklich ständig Frauenkleidung trug, hätten in den meisten Territorien des Reiches ihren Fetisch ganz sicher nicht so offen ausleben können wie D´Eon das in London und Paris tat.
Ein ausdrückliches Verbot, für Frauen Hosen zu tragen ist mir aus keiner Kleiderordnung aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert bekannt.
In größerem Umfang sind hosentragende Frauen erst seit Ende des 19. Jahrhunderts in Erscheinung getreten, als auch Frauen sich dem Sport widmeten, als auch Frauen anfingen, Fahrrad zu fahren, als der Ruf nach Frauenrechten lauter wurde.
Diese Entwicklung wurde durch die Freizeitkultur und den Sport eingeleitet, und sie wurde durch die beiden Weltkriege massiv beschleunigt, als Frauen in großem Umfang die Rolle der Männer übernehmen mussten, die an der Front lagen.