Hat einer von euch die ARD Serie über Herrhausen mit Oliver Masucci gesehen?
Hat ja wirklich gute Kritiken bekommen.
Eine wirklich sehr guter Vierteiler, der auch in meinem Umfeld sehr viele Leute begeistert hat, darunter welche, denen Herrhausen noch ein Begriff war, als auch Jüngere. Mich hat der Vierteiler bewogen, mich näher mit der Person Alfred Herrhausen zu beschäftigen.
Herrhausen (und seine Frau Traudl) genossen über Partei- und Landesgrenzen großen Respekt. Der Bankier beriet nicht nur Helmut Kohl, sondern bereits zuvor Helmut Schmidt. So schreibt dieser:
"Ob Regierung oder Opposition, die Politiker insgesamt brauchen ökonomischen Überblick. Deshalb sind sie auf den Kontakt mit den Wirtschaftenden angewiesen, mit Unternehmen, Managern und Gewerkschaftern. Ich jedenfalls habe es so gehalten. In der Summe waren meine Gespräche mit Bankern am ergiebigsten. Die Liste derer, mit denen ich mich über ökonomische und finanzpolitische Fragen austauschte, reichte von Hermann Josef Abs und seinen Nachfolgern an der Spitze der Deutschen Bank bis
Alfred Herrhausen, von Karl Klasen an der Spitze der Deutschen Bank bis zu Paul Volcker und Alan Greenspan an der Spitze, der amerikanischen Fed (Federal Reserve System), von Horst Köhler an der Spitze des IMF (International Monetary Fund) bis zu Zhou Xiaochuan an der Spitze der People’s Bank of China. Am meisten haben mir einige Chefs von kleineren Privatbanken gefallen, die umsichtig und vorsichtig das Vermögen ihrer Kunden verwalteten. Inzwischen ist mein Vertrauen in die Klugheit von Bankvorständen leider einer erheblichen Skepsis gewichen."
(Schmidt, Helmut: Außer Dienst – Eine Bilanz, München 2010, S. 37 f.)
"Als ein großes Aktienpaket der Daimler-Benz AG in iranische Hände überzugehen drohte (Schah Reza Pahlevi saß noch auf dem Thron, aber der Umsturz war absehbar und Ayatollah Khomeini im Anmarsch), habe ich die Deutsche Bank gebeten, einzugreifen, was sie mit Erfolg getan hat."
"Einige Zeit später stellte sich heraus, dass die verstreuten Reste der aus Kriegszeiten überkommenden Luftfahrtindustrie dem Wettbewerb mit den amerikanischen Flugzeugherstellern nicht gewachsen waren. Ich wandte mich abermals an die Deutsche Bank. Alfred Herrhausen, inzwischen Sprecher des Vorstands, übernahm es auf meine Bitte, die Zusammenführung der deutschen Luftfahrtindustrie in die Wege zu leiten. Dies ist ihm bis zu seiner Ermordung durch die RAF nicht gelungen; erst später gelang der Aufstieg der Deutschen Airbus GmbH."
"Ich erwähne diese Beispiele, weil sie zeigen, dass es eine deutsche Großbank gab, die ihr Geschäft weltweit betrieb und weltweites Ansehen genoss, der es gleichwohl aber selbstverständlich war, im deutschen Interesse Anregungen und sogar Aufträge der eigenen Regierung entgegenzunehmen. Und die Regierung konnte sich ohne Bedenken an den Vorstand der Deutschen Bank wenden."
(ebenda S. 264 f.)
"Helmut Schmidt - wie Herrhausen Anhänger des Philosophen Sir Karl Popper - kurz und bündig wie es seine Art ist: "Ein herausragender Kerl mit politischem Weitblick; ein schneller Denker und harter Arbeiter, der nicht vom Apparat manipuliert werden kann; einer der wenigen, die international gehört werden."
(Balkhausen, Dieter: Alfred Herrhausen - Macht, Politik und Moral, Düsseldorf 1990, S. 83)
Helmut Kohl schreibt über Herrhausen:
"Wolfgang Schäuble überbrachte mir dann die Nachricht, dass Alfred Herrhausen, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank und einer der führenden Köpfe der deutschen Wirtschaft, am 30. November auf der Fahrt von seiner Wohnung in Bad Homburg nach Frankfurt ermordet worden war. Mein Freund und Ratgeber war tot - menschlich wie politisch war das ein schwerer Schlag für mich. Auf der Tagung bat ich um Verständnis dafür, dass ich sofort zurück nach Bonn musste. Im stillen Gebet dachte ich gemeinsam mit den Anwesenden meines toten Freundes und ging nach fünf Minuten wieder fort.
Abends fuhr ich nach Bad Homburg zu Herrhausens Witwe Traudl und ihrer Tochter. Auf dem Heimweg vergegenwärtigte ich mir die Namen und Gesichter der von der RAF Ermordeten. Die meisten von ihnen hatte ich gekannt, mit einigen war ich eng befreundet. Alfred Herrhausen war mir ein ebenso guter Freund gewesen wie Hanns-Martin Schleyer. Er war ein aufrechter Patriot, auf dessen klugen Rat ich im Wiedervereinigungsprozess gesetzt hatte. Mit einem enormen persönlichen Einsatz hatte er das Beste für unser Land gewollt.
Es war gerade erst ein Jahr her, dass Alfred Herrhausen sich einer schweren Operation hatte unterziehen müssen. Damals zwang er sich mit ungeheurer Selbstdisziplin, zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder die Geschäfte aufzunehmen."
(Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982 - 1990, München 2005, S. 1000 f.)
Wolfgang Schäuble schreibt über die Herrhausens:
"Tödlich war dagegen der identisch geplante Anschlag auf den Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen im November 1989 ausgegangen. Der schwere Gang zum Kondolenzbesuch bei seiner Witwe wird mir immer im Gedächtnis bleiben. Traudl Herrhausen, eine in jeder Hinsicht beeindruckende Frau, empfing Neusel und mich mit großer Gefasstheit und bekundete mir später sogar noch, wie leid wir ihr in unserer Rolle getan hätten."
(Schäuble, Wolfgang: Erinnerungen – Mein Leben in der Politik, Stuttgart 2024, S. 168)
Traudl und Alfred Herrhausen müssen außergewöhnliche Persönlichkeiten gewesen sein. So berichtet einer der polizeiliche Personenschützer, dass „sich Herr und Frau Herrhausen nicht zu schade waren, eine Kanne Kaffee rauszubringen oder zu sagen, kommen Sie doch rein, es ist kalt.“
(ZDF Info: Phantom RAF – Der ungelöste Fall Herrhausen)
"Der Finanzsektor wurde so zum entscheidenden Treiber der disruptiven Entwicklung in der Weltwirtschaft. Die Balance zwischen wirtschaftlichem Wettbewerb und sozialem Ausgleich – die Grundlage des Stabilitäts- und Wohlstandsversprechens der Sozialen Marktwirtschaft – ging zunehmend verloren. Die Unterschiede zwischen Spitzenbezügen von Managern und Durchschnittslöhnen der Arbeitnehmer explodierten. Im Boom Anfang des neuen Jahrtausends wurde die Grundlage für eine heute schmerzliche Spaltung der Gesellschaft gelegt, global und auch innerhalb jeder einzelnen nationalen Volkswirtschaft. Und wenn heute über mangelnden gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit über die Krise des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats nachgedacht wird, dann liegt in der Entfesselung der Finanzmärkte genau wie im rücksichtslosen Verbrauch ökologischer Lebensgrundlagen, also im Verlust von Maß und Mitte, gerade in dieses Jahren eine Hauptursache.
Die Entwicklungen im Verantwortungsverständnis führender Manager beobachtete ich zunehmend irritiert. Das früher ehrbare Wort „Bankier“ war längst durch „Banker“ ersetzt worden. Und das entspricht in etwa dem Weg von
Alfred Herrhausen zu Josef Ackermann.
Herrhausen betonte stets die gesellschaftliche Macht und Verantwortung der Banken. National wie international setzte er sich nicht nur für den sozialen Zusammenhalt, sondern auch für die die Entschuldung der Entwicklungsländer ein.
Demgegenüber reduzierte Ackermann seine Verantwortung auf die Profite der Anleger. Wenn ich dann erlebte, wie Vorstandsmitglieder von Institutionen, die vom Steuerzahler gerettet werden mussten, Sturm liefen gegen die ihnen vom Haushaltsgesetzgeber auferlegten Vergütungsbeschränkungen, wurde mein Respekt nicht größer. Daher meine in Interviews und Reden gelegentlich geäußerte Bemerkung, man dürfe nicht zu lange Bundesfinanzminister sein, wenn man nicht als grundsätzlicher Kapitalismuskritiker enden wolle."
(Schäuble, Wolfgang: Erinnerungen – Mein Leben in der Politik, Stuttgart 2024, S. 467)
In der Tagesschau vom 30.11.1989 wird berichtet, dass Herrhausen der "mit Abstand bekannste und mächtigste deutsche Bankier [...] und vermutlich der einflussreichste Spitzenmanager in der Bundesrepublik und laut FIAT-Chef Giovanni Agnelli ein Vorbild für Europa war."