G statt J - Ursprung & Ausbreitung einer vergessenen (oberdeutschen?) Lautwandlung

GermagnaMania

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Das wird ein etwas längerer Text.

Es kennt sicherlich jeder die Eigenheit der niederdeutschen Sprachen, dass dort das 'g' zum 'j' ungewandelt wird (jejessen, jejangen, Jott), was sich ebenfalls im Englischen fortgesetzt hat. Nun aber ist mir ein seltsames Gegenteil dieser Sprachregel aufgekommen, welches ich zuerst im Erzgebirgischen verortete, was - wie alle Mundarten in der Moderne - verdrängt, abgeschliffen und nach jeder Generation rund 10% seines Wortschatzes verliert. Dort fiehl mir auf, dass man zwar Jahr, Jacke, Junge (Gahr, Gack, Gung) verwandelt, aber andere Wörter auslässt. Als sprachenignoranter Jugendlicher kümmerte ich mich jedoch dieses "Bauernsprech" gar nicht, was ich dazu kaum verstand. Erst mit dem wachsenden Interesse an Sprachwissenschaft ging mir ein Licht auf: Ich vermutete später, dass hinter dieser vermeintlichen Unregelmäßigkeit ein geregelter Lautwandel verborgen sein muss, welcher viel mehr Wörter umfasste, als heute im erzgebirgischen Gebrauch sind.

Ich wurde später fündig in dem Erzgebirgisch-Deutsch Wörterbuch von Hendrik Heidler, wo ich auch Fürwörter (geder, gene, gens), sowie mehere Tu-Wörter (gammern, gapsn, gaaten [jäten]) und sogar Namen (Gohanna) vorfand, welche von diesem Wandel betroffen waren. Ich setzte dabei meine Suche nach älteren Texten fort, wo ich selbst Namen (Gulus, Gosef), Monatsnamen (Gannewar/Gannuar, Guni, Guli), Ortsnamen (Gerusalem) und statt "Jesus Christus!" ein 'Christes Geeses!' vorfand. Ich hielt das Wort "Ja" für eine Ausnahme, aber fand dann doch in einem Text von 1882 (Unera Hamet) ein "gu" für 'Ja'.

Für den Ursprung von 'G statt J' las ich (Sächsische Mundartenkunde, Horst Becker), dass dieses oberfränkischer Herkunft sein soll ...

S. 90 - 91 - J zu G = oberfränkisch 2 markiert.png


... und (Die slavischen Ortsnamen im Erzgebirge, 1866 , Robert Immisch) hier wurde bestätigt, dass sich 'G statt J' nicht nur im Wortschatz niederschlug, sondern auch auf erzgebirgische und südthüringische Ortsnamen ...

J zu G verkleinert.png



... und Gebirgsnamen. (Sudetenland - Deutsches Land, Ernst Frank, S. 16)

J zu G Jesenky Gesenke.png



Ab dieser Stufe der Forschungen wollte ich schon einen voreiligen Schlußstrich ziehen:
Früher hatten also ostfränkische Bauern 'G statt J'. Das schlug sich auf Namen, Ortsnamen, Monatsnamen, Gebirge und alle möglichen Wörter nieder. Ehemals auch im Altenburgischen und Vogtländischen vertreten, hat sich jedoch im Jahre 2024 'G statt J' nur noch im Erzgebirgischen erhalten.

A B E R

Dann stieß ich neuerdings auf etwas, was mich schon arg beeindruckte.

(Oskar Weise, Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen, S. 1)
J zu G kursachsen Gahr Gunger Gunker.png


Sofern es der Richtigkeit entspricht und dies nicht eine witzige Verallgemeinerung sein sollte, so hatte man in ganz Kursachen im Jahre 1603 'G statt J'. Dieser vermeintlich in Ostfranken erwachsene Lautwandel hatte also nicht nur Eindruck auf das Vogtland, Erzgebirge und Teile Thüringens hinterlassen. Aber ist trotz seiner großen Verbreitung im heutigen Alltag praktisch fast ausgestorben.

Zuerst hielt ich es für eine rein ostfränkische Erfindung, welche durch die Ostsiedlung sich ausgebreitet haben muss. Aber dann zogen die Nachforschungen immer größere Kreise: Aus einer vermeintlich in Ostfranken begrenzten Lautwandlung wurde dann eine allgemein oberdeutsche und ins Mittel- und Niederdeutsche sickernde Spracherscheinung, dessen Wurzeln sogar schon tief ins Althochdeutsche zurückreichen.

J zu G Grimm kleiner.png




Meine Vermutung ist, dass diese Regelung oberdeutschen Ursprunges sein muss. Im Althochdeutschen ist sie, laut den Grimmbrüdern, schon vorhanden, in welchem Ausmaß und wo sie zuerst belegt ist, bei genau welcher althochdeutschen Sprachart und welchem Schreiber, ist mir jedoch unbekannt. Ich vermute weiter, dass es sich hier nicht um eine althochdeutsche Sprachneuerung sein muss, sondern 'G statt J' bereits vorgeschichtlich vor der althochdeutschen Lautverschiebung existiert haben könnte.


Meine Fragen für die Belesenen:
1. Wo liegt der Ursprung des 'G statt J'-Wandels? Ist es möglich diesen zu datieren?
2. Was war sein geschichtliches Ausbreitungsgebiet, welche genauen Gegenden betraff er noch und welche anderen Schreiber und Dichter benutzten 'G statt J'?
3. Kennt ihr Gegenden, wo 'G statt J' heute noch existiert?
 
Ich werfe mal was ganz anderes rein, ohne direkt zur Lösung beizutragen:
Im Norwegischen wird "g" oft als "j" ausgesprochen, manchmal gibt es sogar "gj".
Der Ort Geilo --> "Jeilo"
Gast --> gjest "jest"
gerne --> gjerne "jerne"

gehen --> gå "go", aber: gikk "jick" (ging)

Vielleicht gibt es da irgendwie einen Zusammenhang mit deinen Überlegungen...
 
@GermagnaMania wie ist es denn kleinräumig/regional mit Unterschieden in erzgebirgischen Mundart? Ich erinnere mich an "Arzgeberch" für Erzgebirge, also ohne g-zu-j Wechsel. Ich frage das, weil z.B. auf der schwäbischen Alb die dialektalen Unterschiede von Dorf zu Dorf beträchtlich sein können - ob im Erzgebirge vielleicht auch?

Übrigens ist mir dieser Wechsel neu, davon habe ich noch nie gehört - g zu j und g zu stimmhaftem/weichem CH kommt andernorts vor (genug - jenuch)
 
Ich erinnere mich an "Arzgeberch" für Erzgebirge, also ohne g-zu-j Wechsel.
Natürlich, im Erzgebirgischen ist es ja gerade andersherum: Jauche heißt Gauche, jung ist gung, der Jäger ist dr Gaachr.
Seit wann und warum, kann ich leider nicht sagen.

Übrigens ist mir dieser Wechsel neu, davon habe ich noch nie gehört - g zu j und g zu stimmhaftem/weichem CH kommt andernorts vor (genug - jenuch)
Das -ch ist nicht stimmhaft, sondern stimmlos. (Wenn ich mich nicht schwer irre, auch beim Gaachr.)

Ich werfe mal was ganz anderes rein, ohne direkt zur Lösung beizutragen:
Im Norwegischen wird "g" oft als "j" ausgesprochen, manchmal gibt es sogar "gj".
Auch im Dänischen und im Schwedischen, hier hängt es von Stellung und Vokalfarbe ab. Göteborg lautet wie Jöteborj, Gotland aber nicht wie *Jotland.
 
@GermagnaMania wie ist es denn kleinräumig/regional mit Unterschieden in erzgebirgischen Mundart? Ich erinnere mich an "Arzgeberch" für Erzgebirge, also ohne g-zu-j Wechsel. Ich frage das, weil z.B. auf der schwäbischen Alb die dialektalen Unterschiede von Dorf zu Dorf beträchtlich sein können - ob im Erzgebirge vielleicht auch?

Übrigens ist mir dieser Wechsel neu, davon habe ich noch nie gehört - g zu j und g zu stimmhaftem/weichem CH kommt andernorts vor (genug - jenuch)
Da kann ich @Sepiola nur bestätigen. Die gebirgige Landschaft (änhlich wie in Schweiz und Kaukasus) begünstigt eine starke Mundartsvielfalt von Ort zu Ort. Die Siedler waren hierbei oberdeutscher (fränkisch, oberpfälzisch, bayrisch) und mitteldeutscher Herkunft, sowie einiger Einsprengsel aus dem niederdeutschen Raum (laut einer Chronik die Friesen), welche aber keinen besonderen Spracheinfluss hinterließen; sofern die Silbe "-ing" statt "-ung" (de Rachning, de Wuhning, de Ohwachsling [Abwechslung]) nicht davon stammt.

Das Erzgebirgische kann man dabei in ungefähr in 2 Großgruppen zusammenfassen: Westerzgebirgisch und Osterzgebirgisch.
Flurnamen im Westerzgebirge sind fast vollständig oberdeutsch [1] und es ist sprachlich dem Oberdeutschen am nächsten, während das Osterzgebirgische ein Ausgleich zwischen Erzgebirgisch, Meißnisch und der obersächsischen Umgangssprache (auch bekannt als obersächsische Kolonialsprache) darstellt, aber trotzdem stark an oberdeutschen Elementen. In allen findet sich das 'G statt J'.

Hier sieht man die nordbayrischen, mainfränkischen und mitteldeutschen Siedlerzüge, welche das damalige Meißen und heutige Obersachsen besiedelten und zum Erzgebirgischen beigetragen haben:
Siedlungszug nach Sachsen.png

(Kartenquelle: Sächsische Mundartenkunde, Horst Becker)

Christian Lehmann (1611-1688) war Pfarrer und Chronist während des Dreißigjährigen Krieges und dokumentierte mit peinlicher Genauigkeit und sehr kleiner, platzsparender Schrift alles, was er für aufschreibenswert hielt, von allen Ständen. Was aber für diese Disskusion wichtig ist, ist der Fakt, dass er Orte mundartlich widergibt und immer mal erzgebirgische Begriffe einfließen lässt. Er schreibt z.B. nicht 'jählings' sondern schon 'gahling' (Erzgebirgsannalen des 17. Jahrhunderts), was heute noch im Erzgebirgischen üblich ist. Ebenfalls schrieb er wohl mehr als 100 Texte in Mundart, welche durch den 2. Weltkrieg aber verschollen, oder sogar zerstört wurden:

Das Erzgebirgische ist wenig sprachlich erforscht, die einzige wirklich tiefgründige Erforschung fand durch Ernst Goepfert statt, welcher damals (1872) noch sagte, dass es typisch für das Erzgebirgische ist, dass man das 'R' mit der Zunge rollt, statt - wie nun im Hochdeutschen und Französischen, woraus das Hochdeutsche auch diesen Laut im 17. Jahrhundert entlehnt hat - mit dem heutigem Zäpfchen-R gebildet wird. Das Zungen-R findet in den 1930ern aber nur noch in Liedern von Anton Günther. Es ist also heute vollkommen ausgestorben. Die heutige Mundart befand sich laut einer sächsischen Chronisten (die ich leider vergessen habe) schon 1830(?) in einer langsamen Auflösung, durch die Bewegung und Zuwanderung bedingt durch die Industrialisierung und befindet sich Mitte des 20. Jahrhunderts in völliger Auflösung, [2] dass von der Mundart, von der der Sprachforscher Georg Körner (1717 - 1772) noch sagte: "eine Mundart [die vom] meißnischen, fränkischen und thüringischen gewaltig abweicht, der bayrischen und pfälzischen sehr gleichkommt" nicht mehr viel übrig gebliegen ist.

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[1] Sie zeigen durchaus oberdeutsches,zumeist fränkisches und bayrisches Gepräge. Solche mitteldeutscher Herkunft, sind nur Einsprengsel.
Walter Fröbe, Herrschaft Schwarzenberg, S. 228
[2] Der durch die Siedler aus dem oberfränkischen Altland mit den Städten Bamberg, Würzburg, Nürnberg begründete
oberfränkische Charakter der westerzgebirgischen Mundart wird jedoch - vor allem seit dem 19. Jh. - durch Einflüsse
des Obersächsischen und der obersächsischen Umgangssprache bedroht. Die von Nordwesten und von Nordosten
vordringenden Sprachströmungen, die von den Kultur- und Industriezentren Zwickau und Leipzig einerseits
und von Meißen und Dresden andererseits ausgehen, beeinflussen die westerzgebirgische Mundart derartig,
daß bereits von Verfall und Auflösungserscheinungen gesprochen wird.

- Dr. H. Clauß, Sächs. Heimblätter 3/93
 
Wenn ich so von Konsonanten lese, kommt mir immer als erstes „Boy Gopert“ in den Sinn.
Ich meine seine Rolle als Eugen Rümpel in den Film „Pension Schöller“ aus dem Jahr 1960.

Diesen Film habe ich sowohl im Kino, als auch später dann im Fernsehen gesehen.
Eugen Rümpel konnte kein „L, l“ sprechen und ersetzte das „L, l“ im Wort mit „N, n“.
Er wurde im Film u.a. als Fan von Friedrich v. Schiller dargestellt.
Sein Lieblingsgedicht war das „Nied von der Gnocke“ von Friedrich Schinner:

„Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Nehm gebrannt.
Heute muss die Gnocke werden...“

Gnocke Concordia-1.jpg
 
Während im Norden Sachsens Richtung Sachsen-Anhalt das anlautende g zum j wird, wird im Süden Sachsens Richtung Franken und Oberpfalz das anlautende j zum g. Ich habe es immer für eine Art Hyperkorrektur gegenüber dem vordringenden nördlichen j gehalten, aber du zeigst, dass sich j und g bereits in althochdeutschen Wörtern abwechseln konnten.
 
Wenn ich so von Konsonanten lese, kommt mir immer als erstes „Boy Gopert“ in den Sinn.
Ich meine seine Rolle als Eugen Rümpel in den Film „Pension Schöller“ aus dem Jahr 1960.

Diesen Film habe ich sowohl im Kino, als auch später dann im Fernsehen gesehen.
Eugen Rümpel konnte kein „L, l“ sprechen und ersetzte das „L, l“ im Wort mit „N, n“.
Er wurde im Film u.a. als Fan von Friedrich v. Schiller dargestellt.
Sein Lieblingsgedicht war das „Nied von der Gnocke“ von Friedrich Schinner:

„Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Nehm gebrannt.
Heute muss die Gnocke werden...“

Anhang anzeigen 23988
Dazu habe ich noch ein gegenteiliges Beispiel, wo 'L statt N' vorkahm:

Firtz Körner (1873 - 1930) schrieb in einem seiner Bücher (De Gesungene Speisekart. Seine schönsten Geschichten, S. 27) Eine Geschicht mit dem Titel "Ludeln" Ich dachte mir: "Das kann doch itze unmöglich 'Nudeln' meinen!" und hielt es für einen Druckfehler, der "Fehler" wiederholte sich aber durchgehend, es hieß wirklich so. Das 'N' wurde zu 'L', auf Seite 30: "Schiene Ludeln sei do!". Als allgemeine erzgebirgische Sprachregel, welche auf andere Wörter Wirkung hat, ist mir das aber nicht bekannt.

Während im Norden Sachsens Richtung Sachsen-Anhalt das anlautende g zum j wird, wird im Süden Sachsens Richtung Franken und Oberpfalz das anlautende j zum g. Ich habe es immer für eine Art Hyperkorrektur gegenüber dem vordringenden nördlichen j gehalten, aber du zeigst, dass sich j und g bereits in althochdeutschen Wörtern abwechseln konnten.
Das hat mich auch stark überrascht. Kannst du noch vergenauern wo genau du 'G statt J' hörtest; wann zuerst und zuletzt in welchen Orten?

(Aus Briefwechsel der Gebrüder Grimm)
Grimm althochdeutsch J zu G - geder.png
 
Lambdazismus (l ersetzt n (oder r*)) ist nicht ganz selten. Das liegt daran, dass bei [n], [l] und Zungenspitzen-[r] die Zunge recht nah beieinander liegt.
[n] ist koronal-dental-alveolar, d.h., die Zungenspitze liegt bei der Realisierung am Übergangsbereich von Zähnen und Zahndamm.
[r] ist apiko-alveolar, die Zungenspitze vibriert am Zahndamm.
[l] ist ein lateraler alveolarer Approximant, die Zunge drückt von unten an den Zahndamm
Also passive (Zahndamm, Übergangszone von Zähnen und Zahndamm) und aktive Artikultaoren sind fast dieselben.



*umgekehrt gibt es auch den Rhotazismus (r ersetzt n (oder l)).
 
Das hat mich auch stark überrascht. Kannst du noch vergenauern wo genau du 'G statt J' hörtest; wann zuerst und zuletzt in welchen Orten?
Weil ich gerade den Text vom "Raachermannel" gelesen habe. Ich bin mit dem vogtländischen Dialekt meiner Großeltern (*1920er) aufgewachsen. Selbst die erste Nachkriegsgeneration hat zumindest im ländlichen Vogtland noch "dr Gung" für den Sohn gesagt. Heutzutage spricht vermutlich bis auf wenige dörfliche Ausnahmen niemand mehr den alten Dialekt. Mit ihm ist auch das Zungenspitzen-R im südlichen Vogtland verschwunden, das man vielleicht bis in die 1990er von Älteren noch hören konnte. Meine Großeltern etwas weiter nördlich haben es allerdings nie gesprochen.

Zum Wechsel g-j fällt mir noch der Kölner Jeck als Alternative zum hochdeutschen Geck und engl. geek ein. Und der Begriff Gauner, der vom Ionier abstammen soll.
 
Weil ich gerade den Text vom "Raachermannel" gelesen habe. Ich bin mit dem vogtländischen Dialekt meiner Großeltern (*1920er) aufgewachsen. Selbst die erste Nachkriegsgeneration hat zumindest im ländlichen Vogtland noch "dr Gung" für den Sohn gesagt. Heutzutage spricht vermutlich bis auf wenige dörfliche Ausnahmen niemand mehr den alten Dialekt. Mit ihm ist auch das Zungenspitzen-R im südlichen Vogtland verschwunden, das man vielleicht bis in die 1990er von Älteren noch hören konnte. Meine Großeltern etwas weiter nördlich haben es allerdings nie gesprochen.

Zum Wechsel g-j fällt mir noch der Kölner Jeck als Alternative zum hochdeutschen Geck und engl. geek ein. Und der Begriff Gauner, der vom Ionier abstammen soll.
Im Hochdeutschen findet sich dazu noch 'gähren' statt 'jähren'.

Neuerdings fand ich auch heraus, dass im Westarzgebirg - in dem Dorf Lauter - noch in den 1920er Jahren das 'R' mit der Zunge gerollt wurde.


Währenddessen sind die Kreise der Nachforschungen immer größer geworden. Ein 'J zu G' bzw. 'G statt J' gab es also noch:

1. Beim Mittelfränkischen ...


J zu G - Mittelfränkisch 2.png

(Quelle: Peter Paul Schweitzer Altdeutscher Wortschatz)



2. In Thüringen ...

Das ursprünglich slawische *Jamno hat sich der deutschen Siedler zum heutigen 'Gahma' mundgerecht gemacht.

Gahma.png


Weiter ließt man im thüringischen Ortsnamenregister mehr Beispiele:
Jena hieß früher (1145) 'Gene' - Gütterlitz früher (1378) 'JFterlicz/Juteliez/Jutterlichs' - Göttern (1290) als 'Jetyrde' - Jesuborn zuerst (1368) bekannt als 'geseborn'. - Jüchsen erscheint zuerst (758) schriftlich als 'Gohhusa', man vermutet dahinter ein ursprüngliches *Juchisā und ein germanisches *Jukisā.
Das Letztere ist erstaunlich, weil somit 'J zu G' also bereits sehr früh zu Beginn der Althochdeutschen Schriftkultur bereits existiert haben muss und seine Wurzeln wohl noch weiter jenseits von 758 zu vermuten sind.


3. in Tschechien und damaligen Böhmen ...

Gablonz [an der Neise] für 'Jabolenc' - Görkau statt 'Jurkow' - Und weiter wohl auch die Ortsnamen der Wüstung Gässing statt 'Jeseň' und der deutsche Name Gesseln für Klášterecká Jeseň.

Und wie schon im Anfangsbeitrag erwähnt, Gesenke statt Jeseník (hohes Gesenke/niederes Gesenke).


4. in Bayern ... (?)

Gösen:
Die erste urkundliche Erwähnung von Gösen (auch: Geizzen, Gesen, Jesen) stammt aus dem Jahr 1261.
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6sen_(Flo%C3%9F)

Garsdorf:
Der Ortsname wird von Dorf des Gozi abgeleitet. Die Schreibweise des Namens änderte sich des Öfteren: Gosdorf (1310), Jarsdorf (1548), Garstorff (1578) und Garstorf (1661).
https://de.wikipedia.org/wiki/Garsdorf_(Ursensollen)

Johannesberg (Koansbäich)
Johannesberg hat seinen Namen von der Kirche St. Johannes der Täufer (heute St. Johannes Enthauptung), die auf dem Gipfel des Berges errichtet wurde.[5] Im Volksmund wird der Ort „Koansbäich“ (Aussprache: [kɑ̃nsbɛːʃ]) genannt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannesberg_(Bayern)#Name

5. in der Schweiz ... (?)

Das Letzte ist höchst mutmaßend. Der Fund war zwar in der Baseler Bibliothek, aber das lässt jedoch erstmal nicht darauf schließen, dass es auch dort geschrieben wurde. Die Mundart ist mir zwar verständlich, aber verorten kann ich sie nicht.

Gesu Gesum 14. Jahrhundert.png

(Quelle: Jesus Dulcis Memoria - Das deutsche Kirchenlied von den ältesten bis zum XVII. Jahrhundert - 1867 - Lied aus dem 14. Jahrhundert)

Dazu ist mir noch ein zeitgenössisches Beispiel aus der Schweiz eingefallen:

Zeidgenosse hatte in seinem Video über das Jesuitenverbot in der Schweiz am Anfang des Videos statt 'Jesuiten' ein 'Gesuiten' gesprochen, aber nur einmal. Mit schweizerischen Mundarten kenne ich mich nicht genügend aus, da sie aber von dem Alemanischen abstammen und im Alemannischen ebenfalls - laut Grimm - 'J zu G' existierte, erscheint es mir net unwarscheinlich, dass es sich hier net um einen Versprechen, sondern um ein Hervorquillen der Mundart handelte. (Zeitstempel)
[mod: YT-Link entfernt]
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mittelfränkischen
Das ist missverständlich. Gemeint ist hier mMn die Mitte des Herzogtums Franken. Der Autor redet von seiner Heimat der mittleren Lahn und dem angrenzenden Westerwald. Ich würde die Gegend Ober- oder Mittelhessen nennen. Es besteht Verwechslungsgefahr mit dem Mittelfranken bei Nürnberg im heutigen Bundesland Bayern, das aber ziemlich sicher nicht gemeint ist.
Ich habe mal gegoogelt und es gibt in Elz (Westerwald) im Landkreis Limburg-Weilburg eine Straße "Im Gäuchen".
 
Schweiz ... (?)
Wegen dem 'Gesuiten' (siehe letzten Beitrag) schrieb ich nochmal direkt den Zeidgenossen an. Auf die Frage antwortete der Zeidgenosse schneller als der Blitz und sehr freundlich. Er sagte, dass 'J zu G' net in seiner Mundartgruppe gesprochen wird und er selber daraus kein 'Gesuiten' hören könne, obwohl ich selber die Stelle im Video mehrmals mir anhörte und mir eigentlich sicher bin, dass das J zum G wurde. Doch egal.

Die erste oberflächliche Suche nach 'G statt J' in den Ortsnamen der Schweiz verlief weniger erfolgreich. Aus den vielen Ortsnamen mit anlautendem 'J-' und 'G-' fand ich nur einen Einzigen, welcher den Lautwechsel beinhalten könnte, aber wohl eher den romanischen ʒ-Laut ausdrücken soll.

Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes erfolgte 1168 unter dem Namen Jaunie. Später erschienen die Bezeichnungen Jalnie und Galniei (im 12. Jahrhundert), Jongnye (1373) und Jongnyez (1522). Die Etymologie des Ortsnamens ist unbekannt.
Jongny – Wikipedia

Hessen
Viel erfolgreicher ging die Spurensuche dagegen bei den hessischen Flurnamen:

Gummirsberge (Jammersberg), Gommernpfadt (Jammer-Pfad), Gehansäcker (Johann-Äcker), Gehanslei (Joahnnesleithe), Gusep (Joseph). Hierbei fand ich schriftlich sogar einen Wechsel von 'J zu K' wie bei dem in Bayern liegenden Johannesberg (Koansbäich). Kommerslohe statt 'Jammer-Loh' und Käuch statt 'Joch'.

Kommerslohe u. Gommernpfadt - Hessen.png


Screenshot 2025-01-20 at 21-48-20 Hessische Flurnamen Registersuche LAGIS Hessen.png




Desweiteren noch bei Jügesheim (mundart.: Giesem):

Jügesheim ist eine fränkische Gründung aus merowingischer Zeit im Waldgebiet des Maingaues. In der Nähe von Römerstraßen, die sich hier kreuzten, errichteten die Franken Militärkolonien, um das Land zu kontrollieren.

Wo ich mir unsicher bin, ob hier der Lautwandel vorliegt, oder der (hypothetische?) Name sich unabhänig von dem 'J zu G' entwickelte.

Jügesheim J zu G.png




Rheinland-Pfalz
Weiter westlich von Hessen setzt sich im benachbarten Bundesland die Fährte des 'J zu G' fort. Hier ein Eintrag zu dem Familienname "Gehenn" in Bergen bei Kirn:
GEHENN

Auch bei diesem Namen stand ich zunächst vor einem Rätsel. In einer französischen WeB-Seite fand ich den Hinweis, dass sich der gesuchte Name offensichtlich über GEHAN > JEHAN > JOHANNES ableitet, da in unserer Mundart die Johannisbeeren als " Gehannstrauwe " bezeichnet werden. Um sicher zu gehen, bemühte ich die UNI Leipzig, die meine Vermutung bestätigte. Der Administrator schrieb mir dazu:


"Gehenn ist rund 900-mal in Frankreich als Familienname verzeichnet. Jehan ist zwar die ältere französische Version des Vornamens Johannes, trotzdem ist der Name Gehenn nicht französischer Herkunft bzw. wenn die Vorfahren nachweislich aus Frankreich stammten, dann natürlich schon. Bei GEHENN handelt es sich um eine Schreibweise von Gehann (rund 50 Einträge im Deutschen Telefonbuch, wobei die meisten in Baden-Württemberg zu finden sind. Dies führt auch zum Namen JOHANNES. Dabei handelt es sich jedoch um einen Siebenbürgischen-Sächsischen Familiennamen. Weitere Formen die da verzeichnet sind: GEHAN, GANESCH, GOHN, HANDEL, HANN usw.. Der Name Johannes ist hebräisch. Hebräisch * jochanan/yochanan ((yôḥānān) * = bedeutet Gott (JHWH=ausgesprochen yahwe) ist gnädig/Gott hat Gnade erwiesen ". In Lohra (Hessen) gibt es den Ortsnamen (Ortsteil) Gehannete. Dieser Ortsnamen geht auch auf den Rufnamen Johannes zurück. Ende des Zitats".
Quelle:



Harz
Hier hat es weniger mit dem Ursprung des 'J zu G'-Wechsels zu tun, sondern mit seiner Ausbreitung. - Ins Harz wanderten im 16. Jahrhundert westarzgebirgsche Bergleute ein ... (für die Lesefreudigen gleich die ganze Seit')

S. 29 - Schlussfolgering un saltsome Wannoring fu Goslar mark.png

(Quelle: Zusammenhänge zwischen den Bevölkerungen des Obererzgebirges und des Oberharzes)

... diese brachten den Lautwandel mit. Aber diese Sprachinsel - zwischen den hiesigen, gefestigten Mundarten - verlor schnell diese Eigenschaft wieder, zugunsten der Einflüsse der alteingesessenen Ortssprachen.

S. 11 - j zu g in Hárz mark.png



Sachsen (Jahre 1817) - Die Grenze zwischen J- (jehen, Jott, jeder) und G- (gehen, Gott, geder)
Johann Gottlieb Radlof - Zeitgenosse der Gebrüder Grimm und von ihnen anerkannt - schreibt, dass in Sachsen erst bei Dresden, im Arzgebirg, besonders in Franken und "dem nahen Oberteutschlande" erst das 'G' richtig ausgesprochen wird und net in ein 'J' übergeht.

S. 303 - Obersächsisch - J und G Unterschied - Oberdeutschland meh G - arzgeb ainer kain - fla...png


(Quelle: Die Sprachen der Germanen in ihren sämmtlichen Mundarten: dargestellt und erläutert durch die Gleichniss-reden vom Säemmanne und dem verlorenen Sohne, samt einer kurzen Geschichte des Names der Teutschen)
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Durchbruch und die Lösung vieler Fragen!

Die Forschungen traten auf der Stelle. Ich entschied mich also zu dem Entschluss, dass ich vielleicht die Akademiker direkt fragen sollte. Ich fragte also die Bibliothek der Uni Leipzig an. Nach ein paar Tagen kam dann die höfliche Antwort, dass ich meine Frage dann doch etwas "zu komplex" wäre. - Man leitete meine Anfrage dann weiter an die Spezialisten am Institut für Linguistik der Universität Leipzig ...

Ich war überrascht, als in kaum zwei Tagen ich eine un-glaublich weitgefächerte und die bisher hilfreichste Antwort erhiehlt:






Lieber Herr GermaniaMania,

vielen Dank für Ihre spannende Anfrage!
Da ich selber primär zur gegenwärtigen Sprachsituation des ostmitteldeutschen Regiolekts (v. a. im Obersächsischen Sprachgebiet) forsche, fallen mir auf Anhieb keine rezenten Belege für dieses Phänomen ein. Es dürfte ja, selbst wenn G[abriel?] Rollenhagen [(siehe erster Beitrag)] Recht gehabt hätte, schon länger nur noch auf das Erzgebirgische beschränkt sein.

Ich gehe nicht davon aus, dass es damals im gesamten Kursächsischen Gebiet systematisch verbreitet war und würde die Aussage eher als anekdotische Überspitzung lesen.

Zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass die systematischen und flächendeckenden Erhebungen erst deutlich später einsetzen. Vielleicht lohnt sich auch ein Blick in die Untersuchungen der damaligen Urkundensprache? Vorausgesetzt, die Plosivierung von /j/ zu /g/ wurde, wenn überhaupt gesprochen, auch verschriftlicht.

ABER:

Im Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen (Blaschke, Karlheinz, 1957, 4 Bände) finde ich tatsächlich einzelne Belege außerhalb des Erzgebirgischen, z.B. für Jahna bei Oschatz, 1317 als Gana (Bd. 2, S. 102), Jeesewitz bei Grimma, 1350 als Gesewicz, 1580 als Gestewitz (Bd. 2, S. 59), Jeßnitz bei Döbeln 1488 als Geßnitz (Bd. 2, S. 32), Jessen bei Meißen, 1272 als Gezzen, 1555 als Gesse (Bd. 1, S. 76), Gittersee bei Dresden, 1378 als Jetyrsym (Bd. 1, S. 21), Jeßnitz bei Bautzen 1427 als Gessenicz (Bd. 4, S. 14), Jauer bei Kamenz 1383 als Gauwir (Bd. 1, S. 55) ...

Hier habe ich nur mal kurz und ohne System durchgeblättert, es gab natürlich auch zahlreiche Gegenbelege, die ich hier nicht aufgeführt habe; eine systematische Auswertung wäre sicherlich sinnvoll. Zudem müsste bei jedem Beleg überprüft werden, ob der Beleg auch die tatsächliche Lautung wiedergab (eine einheitliches Schriftsystem gab es ja noch nicht) und ob die Schreiber überhaupt ortsansässig waren.

Ich habe aber kurz mal in den Sprachatlas des Deutschen Reiches geschaut, dort finden sich z. B. auf Karte 86 ("ja" aus Satz: "Das Feuer war zu stark/heiß, die Kuchen sind ja unten ganz schwarz gebrannt."; Link: https://www.regionalsprache.de/SprachGis/RasterMap/WA/86) zahlreiche Belege mit g im Anlaut (blauer Kreis, siehe Karte anbei [arzgeb. 'gu']), vor allem im westlichen Westerzgebirgischen, im Vogtländischen um im angrenzenden Südosthüringischen Raum. Das östliche West- und das Osterzgebirgische hingegen hatten "leider" ein anderes Lexem (dach/doch) angegeben.

Simon Oppermann Karte.png


Ich habe daraufhin aber mal in einen Beiband zum Thüringischen Wörterbuch, dem "Laut- und Formeninventar thüringischer Dialekte" (Karl Spangenberg, 1993) geschaut und auf S. 217–218 ein eigenes Unterkapitel zu "Abweichend g- statt nhd. j-" im Anlaut gefunden. Dort attestiert Spangenberg dem mundartlichen g aus j eine "ehemals viel weitere Geltung" im Ostfränkischen, aber auch in den thüringische und obersächsischen Gebieten. Allerdings weist er darauf hin, dass Belege wie gäde für 'jäten' oder gener für 'jener' sich nicht als Beweis für den Wandel von j zu g eigenen, da hier das g schon im Althochdeutschen belegt wurde und sich somit schwer unterscheiden lässt, ob es nun ein "neues" g (aus älterem j) oder ein "altes", erhaltenes g ist. Allerdings füht der den Garmerd (für 'Jahrmarkt') auf, welches definitiv auf eine Wandelerscheinung hinweist.

Dort finden sich auch weitere Verweise auf u. a. "Die Altenburger Sprachlandschaft" (Peter von Polenz 1954, S. 140–142), welcher eine Verbreitung bis Leipzig beschreibt. Auch Grosses Abhandlung über "Die meissnische Sprachlandschaft" (Rudolf Grosse 1955, S. 123–125) findet sich ein längerer Abschnitt, wo er auch auf die oben aufgeführten Ortsnamen eingeht. Zudem erwähnt er zwar eine großflächige Verbreitung, allerdings zeitgleich eine starke Konzentration auf einzelne Lexeme.

Abschließend sieht es also so aus, als sei der Wandel von j zu g in den ostmitteldeutschen Basisdialekten durchaus weiter verbreitet und nicht nur auf das Erzgebirge beschränkt gewesen zu sein. Allerdings scheint er gleichzeit stark lexemgebunden gewesen zu sein. Rollenhagens Zitat würde ich also nur teilweise zustimmen. Ein tieferer Blick in die alten Ortsmonographien (Spangenberg, von Polenz, Grosse usw.) ist sicher spannend, auch hier habe ich aus Zeitgründen nur kurz reinschauen können. Dort finden sich auch zahlreiche weitere Verweise.

Ich hoffe, dass ich Ihnen erst einmal neue Impulse für Ihre Recherche geben konnte? Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, was Ihre Recherchen noch so ergeben werden.
Beste Grüße,
Simon Oppermann



Das war eine riesige Hilfe!
In Betrachtung dessen, dass ich nun recht viel angesammeltes Wissen angesammelt und bereigestellt bekommen habe, will ich nun auch meine ersten Schlussfolgerungen spinnen.







Der erste Versuch meine eigenen Fragen zu beantworten, sowie meine vorläufigen Annahmen und fantastischen Mutmaßungen

Wo liegt Ursprung und Ausbreitungsgebiet des 'G statt J'-Wandels? Ist es möglich diesen zu datieren?
Die erste Erwähnung der ersten Welle des "alten" 'J zu G'-Wandels liegt im heutigen Thüringen in Jüchsen und erscheint zuerst (758) schriftlich als 'Gohhusa', und ist wohl sicher noch älter. Ich vermute daher frühesten Ursprung im Alt-Thüringischen, aber vielleicht sogar im Hermundurischen. Von dort aus könnte es durch das Thüringerreich (oder deren zersprengte Reste) auf andere Gebiete übertragen worden sein.

3.5 Thüringerreich Restgermanen.png


Der "alte" 'J zu G'-Wandel könnte dabei auch den Bajowaren und die Alemannen ursprünglich bereits zuvor eigen gewesen sein und wäre somit net nur eine alt-thüringisch/hermundurische Erscheinung, sondern sogar eine allgemein irmionische bzw. elbgermanische Spracheigenheit gewesen sein, denn laut Grimm ist alemannisch 'geger' (Jäger) belegt (siehe erster Beitrag) ... ABER *wenn* es so wäre, dann stellt sich die Frage, wieso dann bei den hoch- und höchstalemannischen Schweizern kein 'J zu G' ist, welche die Schweiz im 6. Jahrhundert besiedelten? Schließlich bewahrt das Höchstalemannische viele althochdeutsche Eigenschaften.

(Westgermanische Sprachen, um 580. n.Chr)
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Der Zeitraum der "alten" Welle von 'J zu G' hat also noch net auf den alemannischen Sprachraum übergegriffen und könnte erst später eingeschleppt worden sein ... zudem gab es noch Vorkommen von 'J zu G' in Nordhessen bei Ziegenhain (https://www.regionalsprache.de/SprachGis/RasterMap/WA/86), welche die bereits aufgeführten Flurnamen (z.B. Gummirsberge), Namen (Gusep) und den Familiennamen 'Gehann' (Johannes) untermauern.

In Böhmen machten sich die aus dem heutigen Sachsen, Franken und Bayern stammenden Siedler die tschechischen Namen mundgerecht:
Jurkow (1352) -> Gyrkow (1395) = Görkau
Jablonec -> Gablonz
Jehla -> Giglaue (1226), Gyglava (1233) = Iglau
Jeseň -> Gessing
Jesen -> Gesseln
Jeseniky -> Gesenke

Einen weiteren Hinweis bietet auch Johannesberg (Ortssprache: Koansbäich), welches zwischen 1200 - 1300 AD gegründet wurde. Im Oberdeutschen soll es für bestimmte Zeit (genaue Ausbreitung und Zeitraum mir unbekannt) der Fall gewesen sein, dass man 'G' zu 'K' wandelte, z.B. keban/kepan (geben). Wenn wir das auf Koansbäich übertragen, dann würde dies bedeuten, dass es einst soviel wie *Goansbäich hieß. Das Gleiche mit den nordhessischen "in der Käuich" (Jauche) und der "Kommerslohe" (Jammer-Loh).

Fazit:
Von Böhmen, Sachsen, Altenburg, Thüringen, Franken, nördlichen Bayern (Oberpfalz) und Hessen scheint also das anlautende 'G- statt J-' im 13.-14. Jahrhundert sich erstreckt zu haben, später belegte Grimm noch Formen im "Oberrh[einischen]", Alemannischen, mit Neidhart (1190 – c. 1240) auch Oberbairisch-Salzburgischen.
 
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