GermagnaMania
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Das wird ein etwas längerer Text.
Es kennt sicherlich jeder die Eigenheit der niederdeutschen Sprachen, dass dort das 'g' zum 'j' ungewandelt wird (jejessen, jejangen, Jott), was sich ebenfalls im Englischen fortgesetzt hat. Nun aber ist mir ein seltsames Gegenteil dieser Sprachregel aufgekommen, welches ich zuerst im Erzgebirgischen verortete, was - wie alle Mundarten in der Moderne - verdrängt, abgeschliffen und nach jeder Generation rund 10% seines Wortschatzes verliert. Dort fiehl mir auf, dass man zwar Jahr, Jacke, Junge (Gahr, Gack, Gung) verwandelt, aber andere Wörter auslässt. Als sprachenignoranter Jugendlicher kümmerte ich mich jedoch dieses "Bauernsprech" gar nicht, was ich dazu kaum verstand. Erst mit dem wachsenden Interesse an Sprachwissenschaft ging mir ein Licht auf: Ich vermutete später, dass hinter dieser vermeintlichen Unregelmäßigkeit ein geregelter Lautwandel verborgen sein muss, welcher viel mehr Wörter umfasste, als heute im erzgebirgischen Gebrauch sind.
Ich wurde später fündig in dem Erzgebirgisch-Deutsch Wörterbuch von Hendrik Heidler, wo ich auch Fürwörter (geder, gene, gens), sowie mehere Tu-Wörter (gammern, gapsn, gaaten [jäten]) und sogar Namen (Gohanna) vorfand, welche von diesem Wandel betroffen waren. Ich setzte dabei meine Suche nach älteren Texten fort, wo ich selbst Namen (Gulus, Gosef), Monatsnamen (Gannewar/Gannuar, Guni, Guli), Ortsnamen (Gerusalem) und statt "Jesus Christus!" ein 'Christes Geeses!' vorfand. Ich hielt das Wort "Ja" für eine Ausnahme, aber fand dann doch in einem Text von 1882 (Unera Hamet) ein "gu" für 'Ja'.
Für den Ursprung von 'G statt J' las ich (Sächsische Mundartenkunde, Horst Becker), dass dieses oberfränkischer Herkunft sein soll ...
... und (Die slavischen Ortsnamen im Erzgebirge, 1866 , Robert Immisch) hier wurde bestätigt, dass sich 'G statt J' nicht nur im Wortschatz niederschlug, sondern auch auf erzgebirgische und südthüringische Ortsnamen ...
... und Gebirgsnamen. (Sudetenland - Deutsches Land, Ernst Frank, S. 16)
Ab dieser Stufe der Forschungen wollte ich schon einen voreiligen Schlußstrich ziehen:
Früher hatten also ostfränkische Bauern 'G statt J'. Das schlug sich auf Namen, Ortsnamen, Monatsnamen, Gebirge und alle möglichen Wörter nieder. Ehemals auch im Altenburgischen und Vogtländischen vertreten, hat sich jedoch im Jahre 2024 'G statt J' nur noch im Erzgebirgischen erhalten.
A B E R
Dann stieß ich neuerdings auf etwas, was mich schon arg beeindruckte.
(Oskar Weise, Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen, S. 1)
Sofern es der Richtigkeit entspricht und dies nicht eine witzige Verallgemeinerung sein sollte, so hatte man in ganz Kursachen im Jahre 1603 'G statt J'. Dieser vermeintlich in Ostfranken erwachsene Lautwandel hatte also nicht nur Eindruck auf das Vogtland, Erzgebirge und Teile Thüringens hinterlassen. Aber ist trotz seiner großen Verbreitung im heutigen Alltag praktisch fast ausgestorben.
Zuerst hielt ich es für eine rein ostfränkische Erfindung, welche durch die Ostsiedlung sich ausgebreitet haben muss. Aber dann zogen die Nachforschungen immer größere Kreise: Aus einer vermeintlich in Ostfranken begrenzten Lautwandlung wurde dann eine allgemein oberdeutsche und ins Mittel- und Niederdeutsche sickernde Spracherscheinung, dessen Wurzeln sogar schon tief ins Althochdeutsche zurückreichen.
Meine Vermutung ist, dass diese Regelung oberdeutschen Ursprunges sein muss. Im Althochdeutschen ist sie, laut den Grimmbrüdern, schon vorhanden, in welchem Ausmaß und wo sie zuerst belegt ist, bei genau welcher althochdeutschen Sprachart und welchem Schreiber, ist mir jedoch unbekannt. Ich vermute weiter, dass es sich hier nicht um eine althochdeutsche Sprachneuerung sein muss, sondern 'G statt J' bereits vorgeschichtlich vor der althochdeutschen Lautverschiebung existiert haben könnte.
Meine Fragen für die Belesenen:
1. Wo liegt der Ursprung des 'G statt J'-Wandels? Ist es möglich diesen zu datieren?
2. Was war sein geschichtliches Ausbreitungsgebiet, welche genauen Gegenden betraff er noch und welche anderen Schreiber und Dichter benutzten 'G statt J'?
3. Kennt ihr Gegenden, wo 'G statt J' heute noch existiert?
Es kennt sicherlich jeder die Eigenheit der niederdeutschen Sprachen, dass dort das 'g' zum 'j' ungewandelt wird (jejessen, jejangen, Jott), was sich ebenfalls im Englischen fortgesetzt hat. Nun aber ist mir ein seltsames Gegenteil dieser Sprachregel aufgekommen, welches ich zuerst im Erzgebirgischen verortete, was - wie alle Mundarten in der Moderne - verdrängt, abgeschliffen und nach jeder Generation rund 10% seines Wortschatzes verliert. Dort fiehl mir auf, dass man zwar Jahr, Jacke, Junge (Gahr, Gack, Gung) verwandelt, aber andere Wörter auslässt. Als sprachenignoranter Jugendlicher kümmerte ich mich jedoch dieses "Bauernsprech" gar nicht, was ich dazu kaum verstand. Erst mit dem wachsenden Interesse an Sprachwissenschaft ging mir ein Licht auf: Ich vermutete später, dass hinter dieser vermeintlichen Unregelmäßigkeit ein geregelter Lautwandel verborgen sein muss, welcher viel mehr Wörter umfasste, als heute im erzgebirgischen Gebrauch sind.
Ich wurde später fündig in dem Erzgebirgisch-Deutsch Wörterbuch von Hendrik Heidler, wo ich auch Fürwörter (geder, gene, gens), sowie mehere Tu-Wörter (gammern, gapsn, gaaten [jäten]) und sogar Namen (Gohanna) vorfand, welche von diesem Wandel betroffen waren. Ich setzte dabei meine Suche nach älteren Texten fort, wo ich selbst Namen (Gulus, Gosef), Monatsnamen (Gannewar/Gannuar, Guni, Guli), Ortsnamen (Gerusalem) und statt "Jesus Christus!" ein 'Christes Geeses!' vorfand. Ich hielt das Wort "Ja" für eine Ausnahme, aber fand dann doch in einem Text von 1882 (Unera Hamet) ein "gu" für 'Ja'.
Für den Ursprung von 'G statt J' las ich (Sächsische Mundartenkunde, Horst Becker), dass dieses oberfränkischer Herkunft sein soll ...
... und (Die slavischen Ortsnamen im Erzgebirge, 1866 , Robert Immisch) hier wurde bestätigt, dass sich 'G statt J' nicht nur im Wortschatz niederschlug, sondern auch auf erzgebirgische und südthüringische Ortsnamen ...
... und Gebirgsnamen. (Sudetenland - Deutsches Land, Ernst Frank, S. 16)
Ab dieser Stufe der Forschungen wollte ich schon einen voreiligen Schlußstrich ziehen:
Früher hatten also ostfränkische Bauern 'G statt J'. Das schlug sich auf Namen, Ortsnamen, Monatsnamen, Gebirge und alle möglichen Wörter nieder. Ehemals auch im Altenburgischen und Vogtländischen vertreten, hat sich jedoch im Jahre 2024 'G statt J' nur noch im Erzgebirgischen erhalten.
A B E R
Dann stieß ich neuerdings auf etwas, was mich schon arg beeindruckte.
(Oskar Weise, Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen, S. 1)
Sofern es der Richtigkeit entspricht und dies nicht eine witzige Verallgemeinerung sein sollte, so hatte man in ganz Kursachen im Jahre 1603 'G statt J'. Dieser vermeintlich in Ostfranken erwachsene Lautwandel hatte also nicht nur Eindruck auf das Vogtland, Erzgebirge und Teile Thüringens hinterlassen. Aber ist trotz seiner großen Verbreitung im heutigen Alltag praktisch fast ausgestorben.
Zuerst hielt ich es für eine rein ostfränkische Erfindung, welche durch die Ostsiedlung sich ausgebreitet haben muss. Aber dann zogen die Nachforschungen immer größere Kreise: Aus einer vermeintlich in Ostfranken begrenzten Lautwandlung wurde dann eine allgemein oberdeutsche und ins Mittel- und Niederdeutsche sickernde Spracherscheinung, dessen Wurzeln sogar schon tief ins Althochdeutsche zurückreichen.
Meine Vermutung ist, dass diese Regelung oberdeutschen Ursprunges sein muss. Im Althochdeutschen ist sie, laut den Grimmbrüdern, schon vorhanden, in welchem Ausmaß und wo sie zuerst belegt ist, bei genau welcher althochdeutschen Sprachart und welchem Schreiber, ist mir jedoch unbekannt. Ich vermute weiter, dass es sich hier nicht um eine althochdeutsche Sprachneuerung sein muss, sondern 'G statt J' bereits vorgeschichtlich vor der althochdeutschen Lautverschiebung existiert haben könnte.
Meine Fragen für die Belesenen:
1. Wo liegt der Ursprung des 'G statt J'-Wandels? Ist es möglich diesen zu datieren?
2. Was war sein geschichtliches Ausbreitungsgebiet, welche genauen Gegenden betraff er noch und welche anderen Schreiber und Dichter benutzten 'G statt J'?
3. Kennt ihr Gegenden, wo 'G statt J' heute noch existiert?