Inwieweit war die britische Seeblockade von 1914 völkerrechtswidrig?

Sepiola

Aktives Mitglied
Bekanntermaßen starteten die Briten gleich mit Beginn des Krieges ihre völkerrechtswidrige Seeblockade Deutschlands.

Wir hatten vor einiger Zeit einen (inzwischen gelöschten Thread) über die Seeblockade. Zu Beginn der Diskussion war ich davon ausgegangen, dass die Völkerrechtswidrigkeit eine anerkannte Tatsache sei (und hatte dies auch mehrfach zitiert). Im Lauf der Diskussion sind mir Zweifel gekommen, gegen welche Vereinbarungen Großbritannien genau verstoßen haben soll. Genannt wurde die Londoner Deklaration, die von Großbritannien jedoch gar nicht ratifiziert worden war. Diese sei vom Haager Schiedshof in dem Carthage- und Manoubafall als maßgebend angesehen worden, las ich in einem Aufsatz des Völkerrechtlers Hans Wehberg, Das Seekriegsrecht im gegenwärtigen Kriege, in: Weltwirtschaftliches Archiv 5 (1915).

Die Carthage- bzw. Manouba-Affären wurden am 6. Mai 1913 entschieden:


Eine Erwähnung der Londoner Deklaration finde ich hier lediglich in einer gemeinsamen Note des französischen Botschafters und des italienischen Außenministers vom 26. Januar 1912, jedoch in keinem der Schiedssprüche. Wenn ich das richtig verstehe, konnte die Londoner Deklaration in dem Verfahren nur deswegen eine Rolle spielen, weil die beiden beteiligten Mächte sich vorab darauf verständigt hatten. Zum einem für andere Mächte bindenden Recht wurde die Londoner Deklaration dadurch keinesfalls. Das schreibt auch Wehberg ziemlich unmissverständlich:

"Die Londoner Deklaration würde, so glaubte man, eine neue Epoche des Seekriegsechts einleiten. Durch die Regelung des Konterbande- und Blockaderechts schien gleichzeitig die Ratifikation des Abkommens über den internationalen Prisenhof möglich gemacht.​
Leider hat sich diese Hoffnung nicht verwirklicht. An England setzte bald eine Opposition ein, die die Londoner Deklaration für gefährlich erklärte und insbesondere die Konterbandebestimmungen tadelte. Das englische Oberhaus lehnte die englische Prisenbill, deren Annahme die Vorbedingung zur Ratifikation der Londoner Erklärung und des Prisenhofabkommens war, ab, und so sind bis heute die beiden Abkommen nicht ratifiziert worden.​
So war das Seekriegsrecht bei Beginn des europäischen Krieges im August 1914 keineswegs in der Hauptsache geregelt. Das letztere wäre der Fall gewesen, wenn die Londoner Erklärung ratifiziert worden wäre."​

Zur Frage des Rechtsbruchs lese ich dann weiter unten:
"Zwar wird es schwer sein, in allen Fällen England einen glatten Rechtsbruch nachzuweisen, weil tatsächlich ein anerkanntes Seerecht in den Fragen der Konterbande leider nicht besteht; aber es gibt doch gewisse Grundsätze, die der modernen Zeit entsprechen, andere, die im wesentlichen einer vergangenen Zeit angehören und von der Mehrzahl der Kulturstaaten nicht mehr als maßgebend betrachtet werden. Englands Standpunkt in den Konterbandefragen ist nicht fortschrittlich. Aber wer weiß, daß es den Völkern nicht darauf ankommt, in einem Kriege möglichst als human zu gelten, sondern daß sie den Hauptwert auf den Sieg legen, der wird berücksichtigen müssen, daß Englands Lage eine merkwürdige ist und Englands Interessen auf dem Gebiete des Seekriegsrechts mit denen der anderen Staaten nicht übereinstimmen. In der Tat haben auch die neutralen Staaten gar nicht energisch verlangt, daß England die Grundsätze der Londoner Deklaration anwende und seine Modifikation dieser Erklärung aufgebe. Nur schüchterne Versuche sind im ersten Halbjahre des Krieges in dieser Richtung gemacht worden, und auch die berühmte Note der Vereinigten Staaten vom 28. Dezember 1914 stellt in dieser Richtung keine bedeutsame Forderung auf."​

Meine konkrete Frage wäre: Gegen welche völkerrechtlich bindenden Bestimmungen hat Großbritannien mit welchen Handlungen verstoßen?
 
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Wir hatten vor einiger Zeit einen (inzwischen gelöschten Thread) über die Seeblockade.
Warum auch? Gibt's dafuer einen plausiblen Grund?

Meine konkrete Frage wäre: Gegen welche völkerrechtlich bindenden Bestimmungen hat Großbritannien mit welchen Handlungen verstoßen?
Die Fragestellung kann man auch umdrehen: "Gegen welche völkerrechtlich bindenden Bestimmungen hat Großbritannien mit welchen Handlungen nicht verstoßen?"

Ein Versuch Blockade- etc jus in bello zu kodifizieren war in 1909. Das britische Unterhaus entschied sich fuer den neuen Wortlaut, das House of Lords dagegen, weil es befuerchtet hatte, dass die Lebensmittelzufuhr zur Insel dadurch abgeschnitten wuerde.
Ganz allgemein kann gesagt werden, dass das damals als universell bindend betrachtete Blockade-Voelkerrecht, i.e. die Pariser Erklaerung, schnell durch technische Entwicklungen ueberholt und somit in 1914 for all intents and purposes als unmachbar betrachtet wurde. Doch dieser Umstand stellt keinen Freibrief fuer unmenschlisches, barbarisches Verhalten auf See & Landkriegsplaetzen sowie Massenmord an Zivilisten dar. Denn beseelt in all diesen Gesetzesversuchen, angefangen von Hugo Grotius, war doch der Gedanke, unnoetiges Leid und Zerstoerung [pointless sufferings]zu verhindern, 'ritterliches' Verhalten und 'fair play':
"Animated by the desire to serve, even in this extreme hypothesis, the interests of humanity and the ever increasing requirements of civilization". (THE HAGUE CONVENTIONS OF 1899 (II) AND 1907 (IV) RESPECTING THE LAWS AND CUSTOMS OF WAR ON LAND)
 
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Meine konkrete Frage wäre: Gegen welche völkerrechtlich bindenden Bestimmungen hat Großbritannien mit welchen Handlungen verstoßen?
Meiner Auffassung nach gegen den 2. Artikel der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856.

"Die neutrale Flagge schützt die feindliche Ladung, mit Ausnahme der Kriegskontrebande."


Vor dem Hintergrund dieses Artikels war das Aufbringen von Schiffen unter neutraler Flagge und die Verhinderung des Transports von Zivilgütern auf solchen Schiffen (Lebensmittel sind keine Kriegskonterbande) zu deutschen Häfen ein Bruch der Pariser Seerechtsdeklaration, so wie ich das verstehe.


Mit dem raumgreifenden Einsatz von Seeminen (und später Q-Ships) verstieß Großbritannien (nicht das Deutschland in dieser Beziehung irgendwie besser gewesen wäre) nicht expressis Verbis gegen das Seerecht, man wird aber sehr wohl behaupten können, dass das einen Bruch der Genfer Konvention darstellen konnte, wenn Waffen eingesetzt wurden die zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten keinen Unterschied machen, wie das in der Genfer Konvention zum Schutz von Nichtkombattanten, im Besonderen Verwundeten ja mal vorgesehen hatte und unterschiedslos auch Zivilisten bedrohten.
Wobei man die Diskussion dann fairer Weise im Bezug auch auf weitreichende Artillerie und die Aufkommende Luftwaffe führen müsste.
Von britischer Seite ist das im Hinblick auf die deutsche Praxis des U-Boot Krieges mit Recht kritisiert worden, dann gehört aber dazu, dass die britischen Minensperren zur Umsetzung der Blockade ebenso eine Gefahr für die internationale Schiffahrt darstellten.

Minen konnten bei entsprechend rauem Seegang zum Teil abgetrieben werden und in die typischen Schiffahrtsrouten geraten, auch konnte entsprechender Seegang Schiffe (im Besonderen nicht oder nur schwach motorisierte/mit Dampfantrieb versehene) in Richtung der Minensperren treiben, eine Gefährdung der zivilen Schiffahrt wurde also auch hier inkauf genommen.

Ein Versuch Blockade- etc jus in bello zu kodifizieren war in 1909. Das britische Unterhaus entschied sich fuer den neuen Wortlaut, das House of Lords dagegen, weil es befuerchtet hatte, dass die Lebensmittelzufuhr zur Insel dadurch abgeschnitten wuerde.
Ganz allgemein kann gesagt werden, dass das damals als universell bindend betrachtete Blockade-Voelkerrecht, i.e. die Pariser Erklaerung, schnell durch technische Entwicklungen ueberholt und somit in 1914 for all intents and purposes als unmachbar betrachtet wurde. Doch dieser Umstand stellt keinen Freibrief fuer unmenschlisches, barbarisches Verhalten auf See & Landkriegsplaetzen sowie Massenmord an Zivilisten dar.
Ganz allgemein könnte man durchaus darüber diskutieren, welchen Anteil London daran hatte, dass es zu derartigen Handlungen kam, in dem es eine von den anderen europäischen Mächten gewünschte Reform des Seerechts um den Krieg auf See auf eine realistische Grundlage zu stellen schlicht blockierte und damit dafür sorgte, dass es keinen wirklich brauchbaren Rahmen gab, der den beteiligten eines modernen Seekrieges tatsächlich Rechtssicherheit in ihremm Handeln verschaffte.

Das betrifft nicht nur die Deutsche Seite, sondern auch die Britische.


Vor dem Problem den tradierten Regeln eines Krieges nach Prisenordnung nicht entsprechen zu können, vor dem die U-Boot-Fahrer standen, weil sie im Zweifel gar nicht die Möglichkeit hatten die Besatzung eines aufgebachten Schiffes zu übernehmen und irgendwo abzusetzen oder ein aufgebachtes Schiff ins Schlepp zu nehmen standen ja nicht nur die Deutschen U-Boof-Fahrer, sondern auch die Britischen und diejenigen anderer Nationen.
Bei Deutschland fällt es besonders ins Auge, weil angesichts der maritimen Machtverhältnisse die strategische Bedeutung der U-Boote für Deutschland besonders hoch war, was zu verstärktem Einsatz führte.

Aber im Prinzip handelten alle Nationen, die während des 1. Weltkriegs U-Boote einsetzten damit irgendwo in einem Raum, in dem sie bewusst inkauf nehmen mussten, dass die eigenen U-Boot-Kommandanten gar nicht anders konnten, als internationales Recht zu verletzen, wenn man von ihnen tatsächlich erwartete Handelsschiffe unter feindlicher Flagge ohne gegebene Unterstützung von Überwasser-Einheiten gemäß den traditionellen Gepflogenheiten des Seekriegs aufzubringen.

Es hat einen etwas seltsamen Nachgeschmack, wenn sich ein Akteur der wissentlich die Modernisierung internationaler Regeln kalkuliert verhindert hat anschließend darüber empört, dass sich Kriegsteilnehmer (wozu übrigens auch die eigenen U-Boot-Fahrer gehörten, über die sich London allerdings nicht beschwerte) nicht an antiquierte Regelwerke halten, die nicht mehr den technischen Realitäten entsprechen.
 
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Über die Rechtmäßigkeit der Blockade ab 1914 bis zum Waffenstillstand lässt sich vortrefflich streiten; persönlich tendiere ich dazu, sie als wahrscheinlich rechtmäßig anzusehen, obwohl sich auch die gegenteilige Argumentation begründen lässt.

Die Fortführung der Blockade nach Eintritt des Waffenstillstands war hingegen offensichtlich völkerrechtswidrig, da sie dem schon damals völkergewohnheitsrechtlichen Prinzip der militärischen Gebotenheit widersprach. Die Waffen schwiegen, und sowohl die zivile Regierung als auch die Streitkräfte des Deutschen Reiches waren augenscheinlich nicht dazu in der Lage, auf operativer oder gar strategischer Ebene den Krieg weiterzuführen.

Das, was die Blockade vermeintlich bezwecken sollte, nämlich die Niederringung der deutschen Wehrfähigkeit, war bereits erreicht.
 
Meiner Auffassung nach gegen den 2. Artikel der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856.

"Die neutrale Flagge schützt die feindliche Ladung, mit Ausnahme der Kriegskontrebande."

"Die Pariser Erklärung schweigt aber über die äußerst bedeutsame Frage, wann Konterbande vorliegt." (Wehberg)
Und auch auf den Haager Konferenzen wurde dieser entscheidende Punkt nicht geklärt.
Eben weil "die Schaffung eines materiellen Rechts über die Konterbande- und Blockadefrage nicht gelungen war", wurde ja die Londoner Konferenz einberufen.

Mit dem raumgreifenden Einsatz von Seeminen (und später Q-Ships) verstieß Großbritannien (nicht das Deutschland in dieser Beziehung irgendwie besser gewesen wäre) nicht expressis Verbis gegen das Seerecht
"Daß die Minenlegung auf hoher See erlaubt ist, darf als herrschende Meinung angesehen werden". Wehberg diskutiert lediglich die Frage, ob eine dauernde Absperrung legitim ist, in Hinsicht auf die negativen Auswirkungen auf die Handelsschiffahrt. Auf die Genfer Konvention kommt er in diesem Zusammenhang nicht zu sprechen.
 
Meiner Auffassung nach gegen den 2. Artikel der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856.

Ja.
Um die Blockade als rechtmäßig anzuerkennen, hätten die Briten sich an der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 halten müssen.
Das hätte konkret bedeutet, das die Blockade den Zugang zur Küste des Feindes an Ort und Stelle unterbunden hätte werden müssen, also eben auch die unmittelbare Absperrung der deutschen Häfen.
Die Briten praktizierten aber ein Fernblockade an den Nordseeausgängen zu den Weltmeeren, weitab von den deutschen Küsten und Häfen und das war m.E. nach nicht mit dem Blockaderecht vereinbar. Und diese war eben auch der Grund, weshalb viele deutsche Militärs eine von Großbritannien gegen Deutschland aufgebaute Fernblockade ausgeschlossen hatten. Man glaubte nicht daran, das die Briten das Völkerrecht brechen würden.

Und es ging den Briten nicht nur um die Blockade, nein, es ging auch um die Kontrolle und Überwachung des Seehandels Deutschlands. Dies wurde durch die Blockade des gesamten Nordseeraumes, die sogenannte military area, erreicht. Das war ein besonders krasser Bruch der Pariser Seerechtsdeklaration, da die Blockade gemäß Artikel 4 eben nur auf die Küsten des Feindes beschränkt.
 
Die Pariser Erklärung schweigt aber über die äußerst bedeutsame Frage, wann Konterbande vorliegt." (Wehberg)
Und auch auf den Haager Konferenzen wurde dieser entscheidende Punkt nicht geklärt.
Eben weil "die Schaffung eines materiellen Rechts über die Konterbande- und Blockadefrage nicht gelungen war", wurde ja die Londoner Konferenz einberufen.

Insofern sie aber eine Unterscheidung zwischen Konterbande und sonstiger Fracht macht, macht sie durchaus klar, dass es nicht im Sinne der Deklaration gewesen sein konnte, mal eben jede erdenkliche Fracht zu Konterbande zu erklären, genau das tat London allerdings.
Denn würde die Pariser Seerechtsdeklaration das vorgesehen haben würde sie diese Unterscheidung nicht gemacht haben.

Wenn keine eindeutige Regelung vorlag, was unter Konterbande zu verstehen sei, dann dürften hier gewohnheitsrechtliche Kategorien dahingehend greifen, was von den in die Situation involvierten Parteien traditionell als Bannware erachtet wurde und angesichts der Empörung, auch in den USA und in diversen neutralen Ländern darüber, was London alles für Bannware erklären wollte, scheint da so einiges an tradiertem Rechtsempfinden von britischer Seite her verletzt worden zu sein.
 
Ja.
Um die Blockade als rechtmäßig anzuerkennen, hätten die Briten sich an der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 halten müssen.
Das hätte konkret bedeutet, das die Blockade den Zugang zur Küste des Feindes an Ort und Stelle unterbunden hätte werden müssen, also eben auch die unmittelbare Absperrung der deutschen Häfen.
Die Briten praktizierten aber ein Fernblockade an den Nordseeausgängen zu den Weltmeeren, weitab von den deutschen Küsten und Häfen und das war m.E. nach nicht mit dem Blockaderecht vereinbar. Und diese war eben auch der Grund, weshalb viele deutsche Militärs eine von Großbritannien gegen Deutschland aufgebaute Fernblockade ausgeschlossen hatten. Man glaubte nicht daran, das die Briten das Völkerrecht brechen würden.

Und es ging den Briten nicht nur um die Blockade, nein, es ging auch um die Kontrolle und Überwachung des Seehandels Deutschlands. Dies wurde durch die Blockade des gesamten Nordseeraumes, die sogenannte military area, erreicht. Das war ein besonders krasser Bruch der Pariser Seerechtsdeklaration, da die Blockade gemäß Artikel 4 eben nur auf die Küsten des Feindes beschränkt.
Lese das besser noch mal nach das stimmt nämlich nicht. Fedlex
 
Artikel 4 der Pariser Seerechtsdeklaration:
Die Blockaden müssen, um rechtswirksam zu sein, wirksam sein, das heisst, durch eine Streitmacht aufrecht erhalten werden, welche hinreicht, um den Zugang zu der Küste des Feindes zu verhindern.

Die Präzisierung des etwas schwammigen Artikel 4 Pariser Seerechtsdeklaration, hätte ich in #6 erwähnen sollen, erfolgte durch die Londoner Seerechtsdeklaration Artikel 1:
Die Blockade muss auf die feindlichen oder vom Feinde besetzten Häfen und Küsten beschränkt werden.

In Artikel 18 der Londoner Erklärung ist dann auch noch zu lesen:
Die blockierenden Seestreitkräfte dürfen den Zugang zu neutralen Häfen und Küsten nicht versperren.

Die Londoner Erklärung wurde einstimmig durch alle Vertreter, auch den Großbritannien, angenommen. Gerade Großbritannien hatte in vergangenen Konflikten, beispielsweise 1885 im Zuge der militärischen Auseinandersetzung um die französische Oberhoheit in Indochina, mehrmals gegen die Einbehaltung von Nahrungsmitteln als Verstoß gegen das Völkerrecht gebrandmarkt.
Großbritannien hat sich dann aber später aufgrund der eigenen entsprechenden Planungen, es abgelehnt die Londoner Deklaration zu ratifizieren; und das obwohl ihr eigener Vertreter auf der Konferenz seine Zustimmung erteilt hatte. Dadurch wurde die Londoner Erklärung zwar nicht zu Vertragsrecht, aber gleichwohl ist es durchaus angebracht, diese Erklärung, vor allem in Bezug auf das Prisenrecht als autoritative Aufzeichnung des Gewohnheitsrechts zu charakterisieren. Immerhin heißt es in der Einleitung , das die Signatarmächte, zu denen Großbritannien gehörte, einig in der Feststellung seien, "das die in den folgenden Kapiteln enthaltenden Regeln im wesentlich den allgemein anerkannten Grundsätzen des internationalen Rechts entsprechen." So nahm beispielsweise Deutschland alles Bestimmungen in seiner Prisenordnung 1909 auf. Aber auch die Prisenordnungen Frankreich und Großbritannien folgten in ihren Prisenordnungen den Grundsätzen der Londoner Erklärung.
 
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Die Präzisierung des etwas schwammigen Artikel 4 Pariser Seerechtsdeklaration, hätte ich in #6 erwähnen sollen, erfolgte durch die Londoner Seerechtsdeklaration Artikel 1:
Und die wurde nicht ratifiziert, wie oben schon beschrieben:

"So war das Seekriegsrecht bei Beginn des europäischen Krieges im August 1914 keineswegs in der Hauptsache geregelt. Das letztere wäre der Fall gewesen, wenn die Londoner Erklärung ratifiziert worden wäre."
 
Großbritannien hat sich dann aber später aufgrund der eigenen entsprechenden Planungen, es abgelehnt die Londoner Deklaration zu ratifizieren; und das obwohl ihr eigener Vertreter auf der Konferenz seine Zustimmung erteilt hatte. Dadurch wurde die Londoner Erklärung zwar nicht zu Vertragsrecht, aber gleichwohl ist es durchaus angebracht, diese Erklärung, vor allem in Bezug auf das Prisenrecht als autoritative Aufzeichnung des Gewohnheitsrechts zu charakterisieren. Immerhin heißt es in der Einleitung , das die Signatarmächte, zu denen Großbritannien gehörte, einig in der Feststellung seien, "das die in den folgenden Kapiteln enthaltenden Regeln im wesentlich den allgemein anerkannten Grundsätzen des internationalen Rechts entsprechen.


Weiter:

Die USA hatte am 06.August 1914 die kriegführenden Mächte befragt, ob sie willens seien die Londoner Deklaration einzuhalten.
Berlin signalisierte Washington, das es gewillt sei, die Regeln zu befolgen. Die britische Regierung hingegen wich aus. Dafür nahm Großbritannien in eigener Herrlichkeit am 20.August und 29.Oktober 1914 ganz offiziell Zusätze und Änderungen der entsprechenden Artikel der Londoner Deklaration vor und stellte für die deutsche Konterbande eigenmächtig neue Listen zusammen und erklärte schließlich selbst Güter der Freiliste zur absoluten Konterbande. Frankreich und Russland schlossen sich unverzüglich diesen Schritt an. Hier wurde Völkerrecht in eigner Regie für die eigenen Bedürfnisse verändert.
 
Und die wurde nicht ratifiziert, wie oben schon beschrieben:

"So war das Seekriegsrecht bei Beginn des europäischen Krieges im August 1914 keineswegs in der Hauptsache geregelt. Das letztere wäre der Fall gewesen, wenn die Londoner Erklärung ratifiziert worden wäre."
Muss man daraus folgern, dass es keines gab und ergo eigentlich alles erlaubt war?
 
Worüber hier bis dato noch nicht geredet wurde, ist, dass die britische Seekriegsführung und Blockadepraxis faktisch auch darauf hinauslief, neutrale Schiffe aufzubringen und diese oder ihre Ladung zu beschlagnahmen, obwohl sie überhaupt keine "feindliche Ladung" in dem Sinne, dass die Ladung Deutschen oder anderen den Feindstaaten angehörigen Personen oder Organisationen zugehörig war transportierten und die Zielhäfen der aufgebrachten Schiffe auch nicht in Deutschland oder in von Deutschland besetztem Gebiet lagen.

Wenn gemäß Artikel 2 der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 die neutrale Flagge selbst feindliche Ladung schützte (Konterbande ausgenommen), dann allerdings schützte sie neutrale Ladung erst recht.
Und dann gab es keine rechtlich Handhabe neutrale Schiff daran zu hindern mit Ladung neutrale Häfen anzulaufen, es sei denn es ließ sich nachweisen, dass die Ladung bereits während des Transports den Feindstaaten oder ihren Staatsangehörigen gehörte und dass es sich dabei um von der neutralen Flagge nicht geschützte Kriegskonterbande handelte.

Die britische Praxis sah aber so aus, dass von britischer Seite nicht nur Güter aus dem Verkehr gezogen wurden, die bereits während des Transports deutschen Eigentümern gehörten, sondern auch solche, bei denen lediglich die Möglichkeit bestand, dass sie nach Ankunft in Europa an die deutsche Seite veräußert werden könnten, während sie zum Zeitpunkt des Transports in neutrale Zielhäfen allerdings keine "feindliche Ladung" waren, sondern Eigentum neutraler Staaten und deren Staatsangehörigen und Organisationen.


Spätestens das, war allerdings definitiv eine Verletzung rechtlicher Gepflogenheiten und der Neutralität der betroffenen Drittstaaten.
Wahrscheinlich wird man das durchaus auch als staatlich organisierte Kaperei betrachten können.
 
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Richtig.

Die Seeherrschaft Großbritannien ermöglichte es Großbritannien einen massiven Druck auf die Neutralen auszuüben und sie zu zwingen sich einer totalen Kontrollen zu unterwerfen.
Diese Kontrolle blockierte mit zunehmender Kriegsdauer mehr und mehr sowohl den den direkten Import als auch den Transit von Gütern über neutrale Staaten nach Deutschland.
Nach der willkürlichen Verfahrensweise bezüglich der Beschlagnahme von Rohstoffen schon im Jahre 1914, verwischte im Jahr darauf die britische Handhabung der Konterbande jegliche Unterscheidung, bis im Jahre 1916 alle auf irgendeine Weise ökonomisch nutzbaren Waren zur absoluten Konterbande erklärt wurden. Da Großbritannien zusätzlich die Regelungen, nach denen eine Feindbestimmung der auf neutralen Schiffen geladenen Waren war, nach Belieben erweiterte, kam der Handel der neutralen Staaten mit Deutschland schließlich zum Erliegen. Eine Ausnahme bildeten lange Zeit die Wirtschaftsbeziehungen mit den skandinavischen Staaten, da die Kontrolle der Belte die deutsche Seeherrschaft in der Ostsee garantierete.

Fünf Monate nach Beginn des Krieges rafften sich schließlich auch die USA zu einem zurückhaltenden Protest in London auf; auch Washington hatte erkannt, das die Briten da nicht im Rahmen des Völkerrechts operierten.
 
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