Die Rezeption von Sun Tzu-haben europäische Generalstäbe Sun Tzu (nicht) gelesen

"In all deinen Schlachten zu kämpfen und zu siegen ist nicht die größte Leistung. Die größte
Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen."
Aber auch das ist rein militärisch gemeint.
Man wird das mit der Manöverkriegsführung der europäischen Heere im 18. Jahrhundert vergleichen können. Da wurde mit den relativ kleinen Heeren ja auch sehr viel taktiert und versucht dem Gegner seine Versorgungslinien zu nehmen und ihn zum Rückzug zu zwingen etc. ohne eigentlich große Schlachten schlagen zu müssen.

Sun Tzu schreibt es sei kein Beispiel bekannt, dass je ein Land Nutzen aus einem lang andauernden Krieg gezogen habe.
Es wäre spannend zu wissen, wie er z.B. den "French- and Indian War" aus der Perspektive der Briten betrachtet hätte.
Oder die Revolutions- und Napoléonischen Kriege, in denen GB über 20 Jahre lang Kriegspartei war und aus dieser Auseinandersetzung nicht etwa geschwächt hervorging, sondern als die führende unter den Europäischen Großmächten und nach dem niedergang der iberischen Kolonialreiche als der einzige tatsächlich global agierende Großmachtsakteur für immerhin ein halbes Jahrhundert.

Und dann bedeutet die Festlegung auf das Modell eines konventionellen Staatenkrieges natürlich an an dieser Stelle eine Verengung der Perspektive.
Lange andauernde Kriege sind ruinös für konventionell auftretende Landmächte, aber gerade weil sie das sind und weil die Konsten für sich lange hinziehende militärische Operationen solche Akteure ruinieren können, profitiert natürlich jeder Akteur davon (er sei staatlich oder nicht), der einen Guerillia-Krieg führt.
(Nord)Vietnam z.B. hätte sich in einem kurzen konventionellen Krieg gegen die Franzosen und später die Amerikaner niemals durchsetzen können, in einem langen Krieg, in dem die konventionell agierenden Großmachtsakteure in die Falle der "sunk costs" gerieten, ging das aber durchaus.


Ich würde behaupten, Seemächte, die zu Lande selbst nicht angreifbar sind und Akteure, die auf eine Guerillia-Taktik statt auf ein konventionelles Agieren setzen, unterfallen dieser Regel nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gab es jemals einen Militär oder Politiker, der sehenden Auges einen langen Krieg angestrebt hat?
Wie gesagt, da sollte man vielleicht über die Thematik "Seemächte" nachdenken.

Akteure, die über wenig konventionelle Landstreitkräfte verfügen, aber die Seewege des Kriegsgegners abschneiden und ihn darüber wirtschaftlich strangulieren können, sind dazu prädestiniert Erschöpfungskriege führen.

Vor allem deswegen, weil ihnen die Mittel um in einem kurzen Krieg schnell eine Entscheidung herbei zu führen in der Regel nicht zu verfügung stehen (adäquates Landheer), zum anderen, weil etwa eine Blockade einige Zeit benötigt, bis sie die gewünschten Effekte zeitigt.
 
Guter Einwand, Shinigami. Wobei man fragen kann, ob solche Kriege von den Seemächten begonnen wurden. Aber gut, eingeplant mag hier ein langer (Verteidigungs-) Krieg gewesen sein. (Ich denk natürlich zuerst an den Peloponnesischen Krieg, hellenophil, wie ich bin...)

Allerdings spielten Flotten in der chinesisschen Geschichte mWn selten eine große Rolle; hat also auch nicht wirklich was mit Sun Tzu tzu sun... äh zu tun... ;)
 
Man wird das mit der Manöverkriegsführung der europäischen Heere im 18. Jahrhundert vergleichen können. Da wurde mit den relativ kleinen Heeren ja auch sehr viel taktiert und versucht dem Gegner seine Versorgungslinien zu nehmen und ihn zum Rückzug zu zwingen etc. ohne eigentlich große Schlachten schlagen zu müssen.


Es wäre spannend zu wissen, wie er z.B. den "French- and Indian War" aus der Perspektive der Briten betrachtet hätte.
Oder die Revolutions- und Napoléonischen Kriege, in denen GB über 20 Jahre lang Kriegspartei war und aus dieser Auseinandersetzung nicht etwa geschwächt hervorging, sondern als die führende unter den Europäischen Großmächten und nach dem niedergang der iberischen Kolonialreiche als der einzige tatsächlich global agierende Großmachtsakteur für immerhin ein halbes Jahrhundert.

Und dann bedeutet die Festlegung auf das Modell eines konventionellen Staatenkrieges natürlich an an dieser Stelle eine Verengung der Perspektive.
Lange andauernde Kriege sind ruinös für konventionell auftretende Landmächte, aber gerade weil sie das sind und weil die Konsten für sich lange hinziehende militärische Operationen solche Akteure ruinieren können, profitiert natürlich jeder Akteur davon (er sei staatlich oder nicht), der einen Guerillia-Krieg führt.
(Nord)Vietnam z.B. hätte sich in einem kurzen konventionellen Krieg gegen die Franzosen und später die Amerikaner niemals durchsetzen können, in einem langen Krieg, in dem die konventionell agierenden Großmachtsakteure in die Falle der "sunk costs" gerieten, ging das aber durchaus.


Ich würde behaupten, Seemächte, die zu Lande selbst nicht angreifbar sind und Akteure, die auf eine Guerillia-Taktik statt auf ein konventionelles Agieren setzen, unterfallen dieser Regel nicht.

Sun Tzu sagte, die schlechteste Strategie sei, befestigte Städte zu belagern. Für den Standard der Kriegsführung mochte Sun Tzu damit auch recht haben, die hellenistische Kriegsführung, insbesondere die Belagerungskunst erreichte eine so hohe Perfektion in der Poliorketik, dass Sun Tzus Maxime so eben nicht mehr stimmte.

Im 17. und 18. Jahrhundert zog man Belagerungen sogar vor, bei einer offenen Feldschlacht war das Risiko, dass "die Stärke ermattet", dass die Armee ausblutet größer, während man an einer Belagerung selbst risikolos teilnehmen konnte. Louis XIV. nahm dazu nicht nur Vauban für die Festung, sondern auch seine Mätressen Louise de La Valliere und Athenais de Montespan mit.

Die Reformen Vaubans hatten dafür gesorgt, dass es keine uneinnehmbaren Festungen mehr gab.

Manche glauben, die Römer hätten Masada drei Jahre belagert. In dem Spielfilm Masada von 1981 schmachten die Römer vor Durst in der Wüste am Toten Meer und Eleazar wiederholt einen Trick, den Flavius Josephus bei Jotapata angewendet hat, als er Wasche an den Mauern aufhängte.

Tatsächlich waren die Römer aber nicht so blöd, im Sommer Masada zu belagern. Sie nahmen sich Masada vor, nachdem sie den Widerstand in Judäa systematisch niedergekämpft hatten, und sie kamen im Winter 72/73 oder 73/74. Sie brauchten auch nicht allzu lange. Die Schätzungen, die Wissenschaftler wie Jodi Magess nach Ausgrabungen gehen von einem Zeitraum maximal von 6 Monaten und nach den kürzesten Schätzungen hätten die Römer es sogar in 6 Wochen schaffen können.

Sun Tzu schreibt zweifellos geistreiche Aphorismen von zeitloser Gültigkeit, viele seiner Vorschläge sind aber allgemein gehalten, über Kampftechnik, Bewaffnung, kombinierte Waffen, Exerzierreglement, Logistik geht er im Detail ja gar nicht ein.

So gesehen ist Sun Tzu eher weniger ein militärisches Handbuch, als eine Sammlung von Aphorismen und Maximen zur Kriegsführung. Die sind zweifellos zeitlos aber eben auch sehr allgemein gehalten.
 
Sun Tzu sagte, die schlechteste Strategie sei, befestigte Städte zu belagern. Für den Standard der Kriegsführung mochte Sun Tzu damit auch recht haben, die hellenistische Kriegsführung, insbesondere die Belagerungskunst erreichte eine so hohe Perfektion in der Poliorketik, dass Sun Tzus Maxime so eben nicht mehr stimmte.
Selbst wenn wir jetzt den Stand der Belagerungstechnik mal außen vor lassen:

Eine Belagerung kann natürlich auch einfach als Mittel benutzt werden einen potentiellen Feind zu zwingen, sich einer Schlacht zu stellen, jedenfalls wenn es sich nicht um einen Stadtstaat, sondern um eine Stadt in einem größeren Herrschaftsgebiet handelt.
Unternimmt ein Herrscher oder eine Regierung nichts um eine unter Belagerung befindliche Stadt freizukämpfen, kann dadurch die Legitimität der Herrschaft selbst in anderen Territorien beschädigt werden.

Somit kann eine Belagerung natürlich auch als Sepkulation eingesetzt werden, um einen Entsatzversuch zu provozieren und eine Entscheidungsschlacht zu erzwingen.
Hängt halt davon ab ob rein militärisch gedacht oder der politische Backlash, in Reaktion auf die militärische Aktion einkalkuliert wird.

Natürlich kann Belagern für Zermürbung in der eigenen Armee sorgen und diese Armee an einem bestimmten Ort längere Zeit binden, was erstmal schlecht ist, weil sie dann nicht für anderes zur Verfügung steht.
Wenn es aber den Gegner zwingt sich in einer Entsatzaktion zu verausgaben und darum eine Schlacht unter für ihn unvorteilhaften Bedingungen anzunehmen, würde ich sagen, dass es das unabhängig vom Stand der Belagerungstechnik wert sein kann/konnte.

Kommt halt darauf an, ob das vom rein militärischen Standpunkt betrachtet wird oder darüber hinaus.
 
Man wird das mit der Manöverkriegsführung der europäischen Heere im 18. Jahrhundert vergleichen können. Da wurde mit den relativ kleinen Heeren ja auch sehr viel taktiert und versucht dem Gegner seine Versorgungslinien zu nehmen und ihn zum Rückzug zu zwingen etc. ohne eigentlich große Schlachten schlagen zu müssen.


Es wäre spannend zu wissen, wie er z.B. den "French- and Indian War" aus der Perspektive der Briten betrachtet hätte.
Oder die Revolutions- und Napoléonischen Kriege, in denen GB über 20 Jahre lang Kriegspartei war und aus dieser Auseinandersetzung nicht etwa geschwächt hervorging, sondern als die führende unter den Europäischen Großmächten und nach dem niedergang der iberischen Kolonialreiche als der einzige tatsächlich global agierende Großmachtsakteur für immerhin ein halbes Jahrhundert.

Und dann bedeutet die Festlegung auf das Modell eines konventionellen Staatenkrieges natürlich an an dieser Stelle eine Verengung der Perspektive.
Lange andauernde Kriege sind ruinös für konventionell auftretende Landmächte, aber gerade weil sie das sind und weil die Konsten für sich lange hinziehende militärische Operationen solche Akteure ruinieren können, profitiert natürlich jeder Akteur davon (er sei staatlich oder nicht), der einen Guerillia-Krieg führt.
(Nord)Vietnam z.B. hätte sich in einem kurzen konventionellen Krieg gegen die Franzosen und später die Amerikaner niemals durchsetzen können, in einem langen Krieg, in dem die konventionell agierenden Großmachtsakteure in die Falle der "sunk costs" gerieten, ging das aber durchaus.


Ich würde behaupten, Seemächte, die zu Lande selbst nicht angreifbar sind und Akteure, die auf eine Guerillia-Taktik statt auf ein konventionelles Agieren setzen, unterfallen dieser Regel nicht.

Es kommt halt immer darauf an, wie sehr ein Staat gezwungen ist, in einem Krieg an seine demographische Substanz zu gehen, ob er die Kriegskosten einem besiegten Gegner aufbürden kann, welchen Preis das kostet.


Rom hat auch jahrelange Kriege geführt, und im 2. Punischen Krieg hat es verheerende Niederlagen eingesteckt, an denen wohl jedes andere antike Staatswesen zerbrochen wäre, und es hat einen hohen Blutzoll bezahlt, aber nach den Punischen Kriegen, den Makedonischen, den Kriegen gegen Antiochos und Mithridates hat Rom aber auch enorme Beute gemacht, die Römische Republik ist durch die Verwerfungen in ein Zeitalter von 100 Jahren Bürgerkrieg geraten und am Ende war es auch mit der Republik vorbei.

Die Kriege im 18. Jahrhundert, der Spanische Erbfolgekrieg, Österreichische Erbfolgekrieg (King George´s War) die Jakobitenkriege, der Siebenjährige Krieg das waren aber noch alles Kriege, die nicht extrem das demographische Gefüge GBs in Mitleidenschaft zogen. GB engagierte sich seit Marlboroughs Zeiten wieder stärker auf kontinentalen Kriegsschauplätzen, und da waren durchaus auch größere britische Verbände im Feld, dennoch basierte GBs Schlagkraft bei den Landstreitkräften auch stark auf deutschen, dänischen Söldnern, auch aus niederländischen Truppen, wo schon im Spanischen Erbfolgekrieg hessische Söldner stark vertreten waren, aus der Landgrafschaft, bei den Niederländern aber auch Soldaten aus Waldeck. In Nordamerika waren relativ wenige Truppen engagiert, selbst die meisten der großen Schlachten des Unabhängigkeitskrieges waren nach europäischen Maßstäben Scharmützel. In ganz Nordamerika lebten nicht mehr als 100-150.000 Franzosen, die Franzosen hatten die glücklichere Hand bei der Unterhandlung mit den Indianern. Die meisten Stämme schlossen sich den Franzosen an, die Briten hatten dagegen die Irokesen-Föderation auf ihrer Seite, und in den 13 Kolonien lebten bereits mehr als 2-2,5 Millionen Menschen. Der Franzosen und Indianerkrieg war eigentlich der Krieg, der Amerika geschaffen hat, und er wurde nicht zuletzt durch die Amerikaner entschieden.

Die großen Kriege des 18. Jahrhunderts waren durchaus globale Konflikte, der Siebenjährige Krieg war auch im Bewusstsein der einfachsten Zeitgenossen ein globaler Krieg. Ein Berliner Bäckermeister begann ein Kriegstagebuch, und er vermerkte nicht bloß die Schlachten und Ereignisse in Mitteleuropa, sondern auch die Einnahme von Manila und Havanna, die Ereignisse in Quebec.

Trotzdem waren die Kabinettskriege des 18. Jahrhunderts, Kriege, bei denen Zivilisten allenfalls an Inflation viel vom Krieg beeinträchtigt wurden, im Briefwechsel zwischen Lessing und Nikolai, wird der Große Krieg der gerade in Europa tobt kaum auch nur erwähnt, und in GB nahm das zivile Leben während des Spanischen Erbfolgekrieges seinen Lauf, Swift, Steed schrieben ihre Kolumnen, Swift zuweilen eine Satire, aber auch da könnte man, wenn man sich die britische Literatur des 18. Jahrhunderts ansieht, nicht vermuten, dass GB dabei jahrelang in globale Konflikte verstrickt war.

Sun Tzu geht ja nie en Detail auf die Kriegskunst ein. Er sagt nicht. Für Ermattungsstrategie gilt das und das, für Vernichtungsstrategie gilt dieses und jenes, er führt nicht aus, wie man denn nun genau den Gegner aushungert, er stellt kein Exerzierreglement, kein militärisches Handbuch, kein Rezept "so und genau so musst du es machen, wenn du es mit XY zu tun hast.

Das alles tut Sun Tzu nicht, was er schreibt, das sind im Grunde Aphorismen, er fasst bestimmte Grundannahmen und Maximen zusammen.
Da ist sicher sehr vieles, was absolut einleuchtend und nachvollziehbar klingt, da sind sicher auch sehr viele Passagen bei denen man Sun Tzu zustimmen möchte, und zweifellos sind da auch viele Passagen, die von einer zeitlosen Gültigkeit sind.

Sun Tzu ist aber kein Handbuch für das Dogma der Vernichtungsschlacht, keine Anleitung, keine Rezeptesammlung, nach deren Anleitung man einen militärischen Gegner kunstgerecht in die Pfanne hauen kann.

Die Lektüre von Sun Tzu, seine Maximen befähigen allenfalls dazu, einigermaßen zuverlässig voraussagen zu können, welche Armee vermutlich siegen wird: Die, die den besseren Anführer hat, die die Vorteile von "Himmel" und "Erde" von Topographie, Geographie, Klima, auf ihrer Seite hat, die Methodik und Disziplin besser perfektioniert hat.

Den Ausgang eines Konfliktes, eines Krieges vorhersagen zu können, dazu braucht es aber nicht unbedingt die Lektüre von Sun Tzu.
 
Selbst wenn wir jetzt den Stand der Belagerungstechnik mal außen vor lassen:

Eine Belagerung kann natürlich auch einfach als Mittel benutzt werden einen potentiellen Feind zu zwingen, sich einer Schlacht zu stellen, jedenfalls wenn es sich nicht um einen Stadtstaat, sondern um eine Stadt in einem größeren Herrschaftsgebiet handelt.
Unternimmt ein Herrscher oder eine Regierung nichts um eine unter Belagerung befindliche Stadt freizukämpfen, kann dadurch die Legitimität der Herrschaft selbst in anderen Territorien beschädigt werden.

Somit kann eine Belagerung natürlich auch als Sepkulation eingesetzt werden, um einen Entsatzversuch zu provozieren und eine Entscheidungsschlacht zu erzwingen.
Hängt halt davon ab ob rein militärisch gedacht oder der politische Backlash, in Reaktion auf die militärische Aktion einkalkuliert wird.

Natürlich kann Belagern für Zermürbung in der eigenen Armee sorgen und diese Armee an einem bestimmten Ort längere Zeit binden, was erstmal schlecht ist, weil sie dann nicht für anderes zur Verfügung steht.
Wenn es aber den Gegner zwingt sich in einer Entsatzaktion zu verausgaben und darum eine Schlacht unter für ihn unvorteilhaften Bedingungen anzunehmen, würde ich sagen, dass es das unabhängig vom Stand der Belagerungstechnik wert sein kann/konnte.

Kommt halt darauf an, ob das vom rein militärischen Standpunkt betrachtet wird oder darüber hinaus.

Vaubans Belagerungstechnik sparte Menschenleben, aber bei allem anderen ging Vauban durchaus sehr großzügig mit den Ressourcen um. Er hat insgesamt mehr als 50 Städte erobert ohne einen einzigen Misserfolg zu erleiden, seine Belagerungen waren aber auch so kostspielig, dass Frankreich sich oft nur leisten konnte, 2 oder maximal 3 Städte im Jahr zu erobern.

Der Kriegsminister Louvois zog es vor, für eine Festung lieber mehr Soldaten zu opfern. Selbst Vaubans Meisterwerk, die Festung Lille wurde 1708 von Eugen und Marlborough erobert. Die Eroberung von Lille kostete die Alliierten aber auch 16.000 Mann Verluste, und die Zitadelle noch mal weitere 4000 Mann an Toten und Verletzten.
 
Selbst wenn wir jetzt den Stand der Belagerungstechnik mal außen vor lassen:

Eine Belagerung kann natürlich auch einfach als Mittel benutzt werden einen potentiellen Feind zu zwingen, sich einer Schlacht zu stellen, jedenfalls wenn es sich nicht um einen Stadtstaat, sondern um eine Stadt in einem größeren Herrschaftsgebiet handelt.
Unternimmt ein Herrscher oder eine Regierung nichts um eine unter Belagerung befindliche Stadt freizukämpfen, kann dadurch die Legitimität der Herrschaft selbst in anderen Territorien beschädigt werden.

Somit kann eine Belagerung natürlich auch als Sepkulation eingesetzt werden, um einen Entsatzversuch zu provozieren und eine Entscheidungsschlacht zu erzwingen.
Hängt halt davon ab ob rein militärisch gedacht oder der politische Backlash, in Reaktion auf die militärische Aktion einkalkuliert wird.

Natürlich kann Belagern für Zermürbung in der eigenen Armee sorgen und diese Armee an einem bestimmten Ort längere Zeit binden, was erstmal schlecht ist, weil sie dann nicht für anderes zur Verfügung steht.
Wenn es aber den Gegner zwingt sich in einer Entsatzaktion zu verausgaben und darum eine Schlacht unter für ihn unvorteilhaften Bedingungen anzunehmen, würde ich sagen, dass es das unabhängig vom Stand der Belagerungstechnik wert sein kann/konnte.

Kommt halt darauf an, ob das vom rein militärischen Standpunkt betrachtet wird oder darüber hinaus.


Dass man gezielt eine wichtige Festung angreift, um den Gegner zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen, kam allerdings so häufig dann auch wieder nicht vor. Denn damit setzt man sich ja gleich zwei Risiken aus: Man muss das Risiko einer offenen Feldschlacht in Kauf nehmen, und bürdet sich noch das Risiko auf, eine unbezwungene Festung mitsamt feindlicher Garnison im Rücken zu haben.
Dazu waren meist nur Strategen bereit, die wie Caesar, Marlborough, Eugen oder Friedrich bereit waren, eine Festung, eine Schlacht, einen Feldzug und notfalls ein Königreich aufs Spiel zu setzen bei einer Entscheidungsschlacht.

Caesars Alesia-Feldzug war riskant, und als Prinz Eugen die Schlacht von Peterwardein mit der Festung Belgrad im Rücken zu riskieren, hielt man ihn in Wien schon für verloren.

Im 18. Jahrhundert gab es zahlreiche spektakuläre Schlachten, Leuthen, Zorndorf, Fontenoy haben über Generationen Militärhistoriker beschäftigt. Dennoch waren es nur wenige Schlachten, bei denen man sagen kann, dass sie einen Krieg entschieden haben, dass sie einen totalen Wendepunkt markierten. Die Schlacht von Poltawa 1709 war ein solcher Wendepunkt. Sie markierte den Aufstieg der neuen Großmacht Schweden. Aber selbst Poltawa 1709 hat nicht den Krieg entschieden. Neun weitere Jahre führte Karl XII. Krieg, und zeitweilig hatte er gute Chancen, einen Teil der Provinzen durch Diplomatie zurückzugewinnen, was militärisch verloren war.

Blenheim/ Höchstädt war ein eindrucksvoller Sieg, weltentscheidend aber eher dadurch, was er verhinderte: eine mögliche französische Hegemonie.

Sonst gab es wenige Schlachten, die wie Poltawa eine so weitreichende Entscheidung bewirkten. Die Schlacht am Kalenberg 1683 kann man dazuzählen. Von der Truppenbeteiligung waren die Schlacht auf der Abrahams-Ebene vor Quebec, Die Schlacht von Plassey 1757 oder Saratoga 1777 nicht mehr als Scharmützel, doch sie hatten weitreichende Folgen:

Quebec 1759 und Plassey 1757 brachen Frankreichs Macht in Nordamerika und auf dem indischen Subkontinent.

Es gab Schlachten, die an einem Tag das politische Gefüge extrem veränderten, die weltpolitische die Weichen nachhaltig veränderten, doch im 18. Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert gab es extrem spektakuläre Schlachten, viele, die über Generationen die Aufmerksamkeit von Strategen und Militärautoren erregten.

Doch wenige nur waren es, bei denen man sagen kann, "von hier geht ein neues Kapitel der Menschheit aus". Wenige Schlachten nur haben wie Poltawa 1709 das Gefüge so nachhaltig geändert, und auch Poltawa hat nicht den Krieg beendet, Karl XII. machte noch weitere 9 Jahre weiter, bis er 1718 bei Frederickshald fiel, erst 1721 beendete der Frieden von Nystad den Großen Nordischen Krieg.
 
ad Festungskrieg im 18. Jahrhundert:

Die gegnerische Hauptstadt belagern oder die Hauptstadt einer Provinz eine Entscheidungsschlacht zu forcieren und mit einem Schlag den Krieg beenden, kam seltener vor. Dazu brauchte ein Kommandeur auch ein großes Selbstvertrauen. Etwa so wie Karl XII. Der setzte mit britisch-niederländischer Unterstützung über den Sund, belagerte Kopenhagen und kickte Dänemark mit einem Schlag aus der Koalition, erzwang den Frieden von Travendal und zog dann vor Narwa.

Friedrich II. nahm die sächsische Armee bei Pirna gefangen, und er zog vor Prag, und er hätte bei Kolin 1757 vielleicht sogar den Krieg beenden können, doch dazu brauchte man sehr viel Selbstvertrauen, und Va Banque zu spielen nicht jedermanns Sache. Karl XII. konnte das nur riskieren, weil die Seemächte keine völlige Niederlage Schwedens wünschten und ihre Flotten die amphibische Operation unterstützten.

In der Regel backte man aber deutlich kleinere Brötchen. Statt vor die feindliche Residenz zu ziehen und sie belagern, um eine Entscheidungsschlacht zu forcieren, zog man es meist vor, eher eine Grenzfestung zu belagern, die die eigenen Besitzungen nett abrundeten, dass man eine nicht allzu schwierige Belagerung vorzog, an der man relativ risikolos selbst teilnehmen konnte, wo man vielleicht noch die Mätresse 1 und 2 mitnehmen konnte. 1-2 Festungen im Jahr, die man erobern und verdauen konnte, die man sich dann von einem Vauban ausbauen lassen kann. Belagerungskrieg sozusagen als etwas blutiges Manöver, bei dem man nicht riskierte, die schöne Armee zu verheizen, die man mühsam aufgebaut hatte.
 
Das hört sich fast nach Friedens- und Entspannungspolitik an. Ich versteh nicht viel von Sun Tzu, aber das halte ich doch eher für unwahrscheinlich. Einen Krieg schnell zu gewinnen, ist nicht das gleiche, wie einen Krieg zu verhindern.
Als man nach der Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges in Europa zu der Erkenntnis kam, dass sich eine solche Katastrophe, in der Gesellschaftsverträge aufgelöst wurden, sich nicht wiederholen durfte, da ging es keineswegs um Frieden und Entspannungs-Politik, im 17. Jahrhundert und 18. Jahrhundert war der Krieg ein völlig selbstverständliches Instrumentarium der Politik, selbstverständliche Fortsetzung der Politik. Dieses Zeitalter hat Methoden entwickelt, Soldaten zu disziplinieren, dass einem Grausen kann, dennoch aber wurde in dieser Zeit auch Kriegsgesetze und Kriegsregeln sehr stark formalisiert und im Vergleich zum Dreißigjährigen Krieg zweifellos eingehegt worden.

Ich halte auch nicht viel davon, wie es häufig bei Coaching-Seminaren geschieht, dass Sun Tzu als universaler Ratgeber für Unternehmensführung, für Lebensplanung für alles Mögliche interpretiert wird.

Sun Tzus Die Kunst des Krieges handelt vom Krieg, es geht dabei um Bedingungen im Krieg, auf dem Schlachtfeld, um Strategie, Menschenführung, Behandlung von Spionen. List und Täuschung, Hinterhalte, der Einsatz von Spionen, das sind für ihn legitime Mittel der Kriegsführung.

Ganz selbstverständlich war der Krieg für Sun Tzu eine selbstverständliche Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Er sagt, dass es ein sehr ernstes Geschäft ist, dass verantwortungsvoll betrieben werden muss, Sun Tzu weist deutlich auf Risiken und Gefahren hin, er strebt nicht nach militärischem Ruhm, warnt vor Hybris. Der Krieg war ihm aber nicht Vater aller Dinge, sondern ein Ausnahmezustand, ein gefährlicher Zustand, ein Zustand der nicht herbeigeführt werden soll. Die Bedingungen im Krieg werden entschieden nach Sun Tzu nach folgenden Faktoren: 1. Das moralische Recht, 2. Himmel, 3. Erde, 4. der Anführer und Methodik und Disziplin. Anhand dieser Faktoren könne er voraussagen, wer vermutlich gewinnen wird. Himmel und Erde das ist bei Sun Tzu Topographie, Geographie, Klima, Zeit, Jahreszeit, weit oder nah.
Für Sun Tzu ist der Krieg eine Art Ausnahmezustand, Präventiv-oder Eroberungskriege hat Sun Tzu nicht propagiert, seine Aphorismen zur Kriegsführung zeichnen sich durch Mäßigung aus, er warnt vor Hybris, warnt vor den Gefahren des Krieges, den Gefahren von Missmanagement und Fehlentscheidungen. Durchaus auch den Gefahren von allmächtigen Generalen.

Das alles macht Sun Tzu nicht zum Friedensfürsten, nicht zum Entspannungspolitiker, nicht zum Friedenspolitiker. So ist Sun Tzu nicht zu interpretieren, und die Quintessenz seiner Kriegskunst, dass Kriege führen nur Sinn macht, wenn man auch gewinnt.
Wie man den Sieg erreicht dazu bietet er zeitlose aphorrismen.

Was ihn aber unter Militärautoren, meiner Ansicht nach, durchaus sympathisch macht, dass ist, dass er deutlich auf Risiken und Nebenwirkungen verweist, dass er sich für Maß einsetzt, dazu aufruft, Soldaten und Kriegsgefangene freundlich zu behandeln, betont, dass ein kluger Kommandeur nicht zu viel von seinen Soldaten verlangt, dass das Geschäft der Kriegsführung von verantwortungsvollen Menschen gehandhabt werden muss, die sich viele Gedanken machen müssen, er zählt den Preis und das Risiko auf, das moralische Recht ist für ihn ein bedeutender Faktor.

Genau das, eine vernünftige Risikoanalyse, Maßhalten, nicht der Hybris verfallen, nicht zu viel von den eigenen Soldaten verlangen, deren Vertrauen gewinnen durch konsequente Disziplin und humane Behandlung das alles sind Forderungen, die bei vielen Militärautoren seltener vorkommen, wo teilweise das genaue Gegenteil empfohlen wird.
 
Wie gesagt, ich hab von Sun Tzu wenig Ahnung, obwohl ich vor langen Jahren (gefühlt waren da in China noch die Ming an der Macht...) mal dieses Clavell-Buch über ihn gelesen, und war wenig beeindruckt. Wenn der wirklich auch was über die Verhinderung von Kriegen geschrieben hat (erinnere ihc nicht, mag aber sein) ist das ja anerkennswert. In seiner Rezeption heutzutage taucht das Thema jedenfalls so gut wie nicht auf., würd ich sagen, daher mein Einwurf.

Da du den 30jähigen Krieg ansprichst: Der ist das Paradebeispiel für einen Konflikt, in dem keine Seite in der Lage war, einen schnellen Sieg zu erringen, und der genau deshalb zu der Katastrophe mutiert ist, der er war. Dabei konnte sich da anfangs wohl auch keiner vorstellen, dass das Morden so lange dauern würde, und jede Seite dachte, das moralische Recht auf seiner Seite zu haben.

Von der Gefahr der Entgrenzung eines Krieges schreibt auch Clausewitz. Auch dessen Ideen und Schriften haben zu Militärdoktrin beigettragen, die auf eine möglichst schnelle, siegreiche Beendigung eines Krieges forderten. Die Folgen bzw das Scheitern dieser Doktrin konnte man dann im 1. Wk. beobachten...
 
Es kommt halt immer darauf an, wie sehr ein Staat gezwungen ist, in einem Krieg an seine demographische Substanz zu gehen, ob er die Kriegskosten einem besiegten Gegner aufbürden kann, welchen Preis das kostet.
Natürlich.
Aber unabhängig davon, dass es für einen Staat grundsätzlich schlecht ist, wenn er viele Soldaten verliert ist zermürben und leerlaufen lassen eben durchaus eine militärisch sinnvolle herangehensweise, wenn der entsprechende Akteur adäquate demographische Vorteile hat und sich derer bewusst ist.
Im Besonderen auch dann, wenn er die eigenen Truppen durch im Ausland geworbene Söldner ergänzt und die Demographie des eigenen Landes gar nicht so sehr schädigt, wenn er die einsetzt.
Sowas gab es ja in der Neuzeit durchaus auch, wenn wir an die Briten denken.
Die britischen kader selbst bestanden ja gerne zu großen Teilen aus Iren und Schotten, die jetzt nicht unbedingt aus dem britsischen Kernland England-Wales kamen und das ganze dann ergänzt durch alles, was sich an Truppen in Europa so anmieten ließ.

Dass man gezielt eine wichtige Festung angreift, um den Gegner zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen, kam allerdings so häufig dann auch wieder nicht vor.
Das nicht unbedingt aber grundsätzlich ist es eine absolut plausible Vorgehendweise, wenn man sich bewusst für Risiko entscheidet oder dazu gezwungen ist, weil man sich aus welchen Gründen auch immer keinen langen Krieg leisten kann.
Da muss ja duchaus nicht unbedingt in den eigenen Ressourcen begründet sein, sondern kann auch darin begründet sein, dass eine Partei unbedingt schnell Frieden schließen muss um drohender Intervention von anderer Seite vorzubeugen.


Im 18. Jahrhundert gab es zahlreiche spektakuläre Schlachten, Leuthen, Zorndorf, Fontenoy haben über Generationen Militärhistoriker beschäftigt. Dennoch waren es nur wenige Schlachten, bei denen man sagen kann, dass sie einen Krieg entschieden haben, dass sie einen totalen Wendepunkt markierten.
"Entscheidungschlacht" ist natürlich pointiert und plakativ, letztendlich kann sich eine Entscheidung natürlich in einer Kampagne vollziehen in deren Verlauf es zu mehreren Schlachten kommt, die zusammengenommen aber entscheidenden Charakter haben können.

Ich denke da ganz konkret gerade an die Belagerung der Festung Mantua durch Napoléon und daran, wie sich die österreichische Italienarmee in nicht weniger als 4 gescheiterten Entsatzversuchen, die unter anderem in die Schlachten von Arcole und Rivoli führten mehr oder minder ausblutete.

Hätte Napoléon Mantua links liegen gelassen und es nicht angegriffen, sondern versucht die verbliebenen Österreichischen Truppen irgendwo in Norditalien zu stellen, hätten die immer wieder in Richtung Tirol und Friuli in günstiges Gelände ausweichen können, während die Garnison von Mantua, bzw. die in Mantua liegenden Österreichischen Truppen gleichzeitig seine Manöver hätten blockieren können.

Nachdem die Belagerung von Mantua die Österreicher allerdings gezwungen hatte ihre in Italien verfügbaren Kräfte für die Entsatzversuche in aufreibende Gefechte zu schicken, die letztendlich dazu führten, dass Österreich im Süden nichts mehr entgegen zu setzen hatte, war für Napoléon der Weg nach Kärnten und in die Steiermark mehr oder weniger frei und der 1. Koalitionskrieg beendet.

Das war maximal erfolgreich.
 
Zuletzt bearbeitet:
So ist Sun Tzu nicht zu interpretieren, und die Quintessenz seiner Kriegskunst, dass Kriege führen nur Sinn macht, wenn man auch gewinnt.
Selbst über die Richtigkeit dieser Weisheit könnte man übrigens streiten.

Auch eine Beteiligung an Kriegen, die man wahrscheinlich nicht gewinnt, kann Gelegenheit sein, sich wirkungsvoll als harte Nuss zu präsentieren, die man besser nicht ohne weiteres angreift oder um die eigene außenpolitische Situation zu verbessern und sich für die Zukunft bündnisfähig zu machen.
Jedenfalls dann, wenn man davon ausgehen kann eine Niederlage einigermaßen unbeschadet zu überstehen, weil der Gegner andere Prioritäten hat.
 
Selbst über die Richtigkeit dieser Weisheit könnte man übrigens streiten.

Auch eine Beteiligung an Kriegen, die man wahrscheinlich nicht gewinnt, kann Gelegenheit sein, sich wirkungsvoll als harte Nuss zu präsentieren, die man besser nicht ohne weiteres angreift oder um die eigene außenpolitische Situation zu verbessern und sich für die Zukunft bündnisfähig zu machen.
Jedenfalls dann, wenn man davon ausgehen kann eine Niederlage einigermaßen unbeschadet zu überstehen, weil der Gegner andere Prioritäten hat.
Interessant, aber ich suche nach Beispielen.
 
Interessant, aber ich suche nach Beispielen.
Die Beteiligung Sardinien-Piemonts im Krimkrieg könnte man in diese Kategorie einordnen.

Die Sardinier/Piemontesen konnten mit dem, was sie an Beitrag leisten konnten kaum davon ausgehen, den Russen ernsthafte Schwierigkeiten zu machen und ob die Westmächte diesen Krieg in irgendeiner Form gewinnen konnten, war durchaus nicht sicher (hing unter anderem auch am Verhalten Österreichs).
Zu gewinnen hatte Sardinien-Piemont im Schwarzmeerraum ohnehin nichts, der Gewinn für Sardinien-Piemont bestand am Ende darin die Allianz mit Napoleon III. zu ermöglichen, in dem man sich als zuverlässiger Juniorpartner empfahl, die sich im Krieg von 1859-1860 gegen Österreich in den Gewinn zunächst der Lombardei und dann die die Einigung Italiens unter dem savoyischen Königshaus ermöglichte.

Es war aber für Sardinien/Piemont relativ risikolos.
Da die Russen keine Interessen in Italien hatten und auch keine haben konnten, wenn sie nicht mit Österreich aneinandergeraten wollten, hätte Turin aus der Aktion vermutlich sogar Profit gezogen, wenn das eigene kleine Truppenkontingent sang-und-klanglos untergegangen wäre und man sich aus dem Krieg hätte zurückziehen müssen, oder wenn man bei schlechtem Verlauf am Ende zusammen mit den Franzosen und Briten die Niederlage hätte hinnehmen müssen.
 
Wie gesagt, ich hab von Sun Tzu wenig Ahnung, obwohl ich vor langen Jahren (gefühlt waren da in China noch die Ming an der Macht...) mal dieses Clavell-Buch über ihn gelesen, und war wenig beeindruckt. Wenn der wirklich auch was über die Verhinderung von Kriegen geschrieben hat (erinnere ihc nicht, mag aber sein) ist das ja anerkennswert. In seiner Rezeption heutzutage taucht das Thema jedenfalls so gut wie nicht auf., würd ich sagen, daher mein Einwurf.

Da du den 30jähigen Krieg ansprichst: Der ist das Paradebeispiel für einen Konflikt, in dem keine Seite in der Lage war, einen schnellen Sieg zu erringen, und der genau deshalb zu der Katastrophe mutiert ist, der er war. Dabei konnte sich da anfangs wohl auch keiner vorstellen, dass das Morden so lange dauern würde, und jede Seite dachte, das moralische Recht auf seiner Seite zu haben.

Von der Gefahr der Entgrenzung eines Krieges schreibt auch Clausewitz. Auch dessen Ideen und Schriften haben zu Militärdoktrin beigettragen, die auf eine möglichst schnelle, siegreiche Beendigung eines Krieges forderten. Die Folgen bzw das Scheitern dieser Doktrin konnte man dann im 1. Wk. beobachten...

Der Böhmisch-Pfälzische Krieg (1618-1623) war jedenfalls sehr schnell, nach einer einzigen Schlacht 1620 am Weißen Berg entschieden. Die Eskalation im Dreißigjährigen Krieg, die lange Kriegsdauer war auch nicht darauf zurückzuführen, dass keine Seite mehr einen Sieg erreichen konnte. Das war auch in der Endphase des Spanischen Erbfolgekrieges, des Siebenjährigen Krieges der Fall, ohne dass es in diesen Konflikten zu derartig exzessiven Exzessen kam. Der Dreißigjährigen Krieges aber entwickelte sich schon am Ende des Böhmisch-Pfälzischen Krieges zum großen europäischen Krieg. Spanien, die Niederlande, Dänemark, Schweden und Frankreich stiegen ein, der Krieg verwob sich mit anderen Konflikten, mit dem 80 Jährigen Krieg, dem Mantuanischen Erbfolgekrieg, dem Nordischen Krieg. So wurde der 30 Jährige Krieg zum großen europäischen Krieg, und die Eskalation resultierte vor allem daraus, dass eigentlich keine Seite große stehende Heere besaß und auf private Militärunternehmer und Kondottiere angewiesen waren, die nach der Maxime handelten, der Krieg müsse den Krieg ernähren.

Die Landsknechthaufen ließen sich schwer nur disziplinieren, zu Beginn des Krieges gab es Militärunternehmer, die es für unmöglich hielten, eine Armee größer als 20.000 Mann in Disziplin zu halten. Marodierende Söldnerbanden wurden zur Plage ganzer Landstriche, und das war es, was vor allem zur Eskalation beitrug.

Das Kriege in ihrer Endphase zu einer Patt-Situation führten, dass keine Seite mehr einen Sieg garantieren kann, dass alle erschöpft sind, das ließ sich in unzähligen Konflikten beobachten. Es lässt sich auch kaum bestreiten, dass lange Kriege vielfach auch zu einer Verwilderung der Kriegsführung beitrug, aber solche Exzesse wie im Dreißigjährigen Krieg hat es davor und danach nur sehr selten und nie so krass gegeben.
 
Selbst über die Richtigkeit dieser Weisheit könnte man übrigens streiten.

Auch eine Beteiligung an Kriegen, die man wahrscheinlich nicht gewinnt, kann Gelegenheit sein, sich wirkungsvoll als harte Nuss zu präsentieren, die man besser nicht ohne weiteres angreift oder um die eigene außenpolitische Situation zu verbessern und sich für die Zukunft bündnisfähig zu machen.
Jedenfalls dann, wenn man davon ausgehen kann eine Niederlage einigermaßen unbeschadet zu überstehen, weil der Gegner andere Prioritäten hat.

Sun Tzu jedenfalls hätte das auf gar keinen Fall so geraten.

In einem Kapitel sagt er, wenn der Sieg zweifelhaft ist, darf man keinesfalls kämpfen, auch auf Befehl des Lehensherren nicht.
Ist aber der Sieg zu erreichen, dann musst du kämpfen- selbst wenn der Lehensherr es verbietet.

Sun Tzu handelt da so, wie der Prinz von Homburg der den Befehl seines Königs missachtet, aber die Schlacht von Fehrbellin gewinnt oder York von Wartenburg, der nicht erst seinen König fragte, ob die Konvention von Tauroggen genehm ist.


Ich bin ehrlich gesagt immer noch bei Brainstorming, eigentlich fällt mir nur ein einziges Beispiel ein, bei der ein Militärführer eine Niederlage in Kauf nahm, um sich als ganz harter Hund zu präsentieren:

Leonidas und die 300 Spartiaten bei den Thermophylen. Die Spartaner haben keine Tempel, kein Parthenon, keine steinernen Zeugen hinterlassen, aber die Schilderung Herodots von den Thermophylen, die kennt jeder. In der klassischen Zeit waren spartanische Kindermädchen in ganz Griechenland sehr beliebt.
 
Ist vielleicht auch eine Frage der Ebene.

Das Verhalten macht letztendlich vor allem für einen politischen Entscheidungsträger wahrscheinlich mehr sinn, als für einen militärischen Führer.

Das Problem an theoretischen Werken zum Krieg ist ja, dass diese Funktionen, sofern Zustände vor dem 19. jahrhundert beschrieben werden schonmal durcheinandergehen können.

Ein militärischer Führer der sich in eine Schlacht einlässt, die er ziemlich klar verliert hat selbst keinen Vorteil davon, weil er damit rechnen muss, dass er dabei selbst über die Klinge springt.
Für einen politischen Entscheidungsträger der die Entscheidung über Krieg und Frieden zu treffen hat, kann das anders aussehen.
 
In einem Kapitel sagt er, wenn der Sieg zweifelhaft ist, darf man keinesfalls kämpfen, auch auf Befehl des Lehensherren nicht.
Ist aber der Sieg zu erreichen, dann musst du kämpfen- selbst wenn der Lehensherr es verbietet.

Sun Tzu handelt da so, wie der Prinz von Homburg der den Befehl seines Königs missachtet, aber die Schlacht von Fehrbellin gewinnt...
Da hat Friedrich der Große den Sun Tzu wohl gelesen. Von ihm soll der Spruch* kommen:
"Sie wurden zum Generalstabsoffizier ausgebildet, damit Sie wissen, wann Sie nicht gehorchen dürfen."

*da gibt es wohl mehrere Varianten, die aber das selbe meinen
 
Zurück
Oben