Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Warum sollte man ein oder zwei schwache Einheiten soweit exponiert detachieren?
Kalkriese ist ja schon (und damals wohl auch), was die Lage betrifft aus südlicher, südöstlicher und südwestlicher Richtung nur durch recht unwegsames Gelände zu erreichen. Aus dem nördlichen Bereich kommend sind hier Moore und Feuchtgebiete ernsthafte Hindernisse.
Vielleicht wurden die Kohorten sogar im römischen Gebiet zurückgelassen, zB um dort Bewachungsaufgaben zu übernehmen (Lager, Grenze, was immer). Dann wären die Legionen schon mit weniger Kohorten ins germanische Gebiet marschiert.
 
Wären die Legionen verteilt und dezentral besiegt worden, wären es immer noch drei besiegte Legionen. Arminius Behauptung wäre also immer noch korrekt.
Ja, aber Tacitus, der Arminius diese Rede in den Mund legt, hat ja eine bestimmte Aussageabsicht. Die Römer haben es geschafft, die schwangere Thusnelda - eine Frau und dann noch besonders vulnerabel! - bei ihrem Vater gefangen zu nehmen, er hingegen hat in ehrlichem(!) Kampf drei Legionen besiegt. Es geht hier um die Opposition - Germanicus besiegt eine schwangere Frau, Arminius dre Legionen.


(Nebenbei gibt's noch nen Bericht über eine seperat niedergemachte römische Einheit.
Paterculus berichtete über den Präfekten Numomius Vala, der sich mit ner Reitereinheit davon machte und seperat besiegt wurde.
(Wobei Kalkriese nicht zu Kavallerie passt))
Ja, nachdem Numonius Vala ausdrücklich die Legionen im Stich ließ und ihnen den Flankenschutz entzog.
 
Vielleicht wurden die Kohorten sogar im römischen Gebiet zurückgelassen, zB um dort Bewachungsaufgaben zu übernehmen (Lager, Grenze, was immer). Dann wären die Legionen schon mit weniger Kohorten ins germanische Gebiet marschiert.
Das verstehe ich jetzt nicht so ganz.

Welches ist dann das römische Gebiet und welches das germanische Gebiet?

Ich dachte, es wäre ausreichend geklärt, das Varus auf dem Rückweg vom "Sommerlager" war?

Zumal Kalkriese aus militärischer Sicht eine nicht sehr günstige Position war.
 
Ja, aber Tacitus, der Arminius diese Rede in den Mund legt, hat ja eine bestimmte Aussageabsicht. Die Römer haben es geschafft, die schwangere Thusnelda - eine Frau und dann noch besonders vulnerabel! - bei ihrem Vater gefangen zu nehmen, er hingegen hat in ehrlichem(!) Kampf drei Legionen besiegt. Es geht hier um die Opposition - Germanicus besiegt eine schwangere Frau, Arminius dre Legionen.
Der Kampf gegen drei Legionen und einzeln operierenden Kohorten ist doch auch "ehrenhaft".

Ja, nachdem Numonius Vala ausdrücklich die Legionen im Stich ließ und ihnen den Flankenschutz entzog.
Das ist klar.


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Es ergibt überhaupt keinen Sinn, dass Varus mit 3 Legionen zzgl. Alen zur Weser marschiert ist und alle Römer zusammen geschlossen auf einem Haufen gesessen haben.

Es muss dezententrale Stationierungem in der (angeblich) befriedeten Provinz gegeben haben.

Es muss Patroullien gegeben haben.

Es muss Stützpunkte an den Nachschubwegen gegeben haben.

Es muss Truppenpräsenz in den germanischen Dörfern gegeben haben.

Man kann eine Provinz nicht verwalten, indem man mit allen Truppen in einem Lager sitzt.

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Man stelle sich nur vor: Nach Kriegsende 1945 hätten die Besatzer Deutschlands sich in große Lager zurückgezogen. Wie hätte man denn da das besetzte Deutschland verwalten sollen?!
 
Ja und nein, die Siedlungsstruktur und die möglichen günstigen Verkehrswege in vielen Teilen des damaligen "Germaniens" unterscheiden ich stark von vielen anderen Reichsteilen.
Für mich stellt sich die Frage nach der tatsächlich möglichen militärischen Logistik abseits der Flußsysteme und günstigen Landrouten.
Weitab im Land stationierte Einheiten müßen auch von der Bevölkerung versorgt werden können. Hier gibt es im nordwestlichen Niedersachsen nur wenige landwirtschaftliche Gunstgebiete die dies ermöglichen.

Das Münsterland in NRW bietet hier bessere Möglichkeiten, was wahrscheinlich auch von den an der Lippelinie vorhandenen römischen Einheiten ausgenutzt wurde.

Profan ausgedrückt, die Region des Teutoburger Waldes und die Masse der nördlich angrenzenden Regionen werden damals relativ uninteressant
gewesen sein.
 
Welches ist dann das römische Gebiet und welches das germanische Gebiet?
Mit römischen Gebiet meine ich das linkrheinische Gebiet, dass für Rom als gesichert gelten konnte, und wo sich wohl auch die Stammlager der drei Legionen befanden. Wie gesagt, es war nicht ungewöhnliches, dass Kohorten von ihrer Legion getrennt eingesetzt waren; daher seh ich auch kein Problem in der Annahme, dass die Legionen schon mit weniger als 10 Kohorten zu diesem Sommerlager gezogen sind.
 
Mit römischen Gebiet meine ich das linkrheinische Gebiet, dass für Rom als gesichert gelten konnte, und wo sich wohl auch die Stammlager der drei Legionen befanden. Wie gesagt, es war nicht ungewöhnliches, dass Kohorten von ihrer Legion getrennt eingesetzt waren; daher seh ich auch kein Problem in der Annahme, dass die Legionen schon mit weniger als 10 Kohorten zu diesem Sommerlager gezogen sind.
Es kann sein, das ich Dich völlig mißverstanden habe.
Ich dachte, Du meinst, das in/bei Kalkriese eine Kohorte stationiert war oder zumindest dort in der Nähe!?

Ob die Legionen tatsächlich vollständig waren oder "kleinere" Einheiten fehlten, ist ja zuvorderst erst einmal nicht relevant oder hab ich hier im Thread etwas überlesen?
 
Für mich stellt sich eine Relevanz bezüglich Vollständigkeit der Legionen nicht. Ich denke, aus militärischer Sicht sind hier in der Gesamtansicht 2-3 Kohorten mehr oder weniger nicht der "Bringer":)

Nicht pro Legion, sondern bei allen zusammen wird sich ein Fehlen wohl kaum ausgewirkt haben.
 
Nicht pro Legion, sondern bei allen zusammen wird sich ein Fehlen wohl kaum ausgewirkt haben.
Es ging darum, zu überlegen, ob in Kalkriese auch abgetrennte Varus-Einheiten untergegangen sein könnten.

Darauf aufbauend ergab sich die Frage, ob einzelne Einheiten überhaupt abgetrennt vom Hauptheer operierten.

Ich meine: Ja, auf jeden Fall, anders kannste ne Provinz nicht verwalten.
 
Der Kampf gegen drei Legionen und einzeln operierenden Kohorten ist doch auch "ehrenhaft".


Das ist klar.


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Es ergibt überhaupt keinen Sinn, dass Varus mit 3 Legionen zzgl. Alen zur Weser marschiert ist und alle Römer zusammen geschlossen auf einem Haufen gesessen haben.

Es muss dezententrale Stationierungem in der (angeblich) befriedeten Provinz gegeben haben.

Es muss Patroullien gegeben haben.

Es muss Stützpunkte an den Nachschubwegen gegeben haben.

Es muss Truppenpräsenz in den germanischen Dörfern gegeben haben.

Man kann eine Provinz nicht verwalten, indem man mit allen Truppen in einem Lager sitzt.

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Man stelle sich nur vor: Nach Kriegsende 1945 hätten die Besatzer Deutschlands sich in große Lager zurückgezogen. Wie hätte man denn da das besetzte Deutschland verwalten sollen?!
Wenn wir den ausschmückenden Cassius Dio nicht hätten, würden wir das gar nicht diskutieren, weil Tacitus und Velleius Paterculus nun mal ausdrücklich sagen, dass drei Legionen+ (drei Legionen+ heißt genauso viele Alen und sechs Korhorten) in Wäldern und Sümpfen eingeschlossen, vernichter UND (Tacitus) bestattet wurden. Zudem wird das erste Lager ausdrücklich als von der Hände dreier Legionen bezeichnet.

Erst Cassius Dio, der auch sonst häufiger mal ausschmückt, Römer slapstickmäßig gegen Bäume oder gegeneinander laufen lässt, Caesar vom Schiff und Wasser fallen lässt und diesen an Land schwimmen lässt, ohne das die Schriftrollen, die er bei sich trug, nass wurden, berichtet uns 200 Jahre nach der Schlacht von diesem (¿)Sachverhalt(?).

Es ging darum, zu überlegen, ob in Kalkriese auch abgetrennte Varus-Einheiten untergegangen sein könnten.
Dass in Kalkriese nicht drei Legionen untergingen, liegt auf der Hand, aber Angehörige einer ersten Kohorte waren dort.
 
Es ging darum, zu überlegen, ob in Kalkriese auch abgetrennte Varus-Einheiten untergegangen sein könnten.

Darauf aufbauend ergab sich die Frage, ob einzelne Einheiten überhaupt abgetrennt vom Hauptheer operierten.

Ich meine: Ja, auf jeden Fall, anders kannste ne Provinz nicht verwalten.
Ja und nein, wie ich schon dargestellt habe ist hier Kalkriese militärisch sehr ungünstig gelegen!

Deshalb denke ich nicht!!! das es sich hier um "abgetrennte" Einheiten/ eine abgetrennte Einheit handelte. Eher halte ich es für wahrscheinlich, das es sich hier um Reste der drei Legionen handelt.
 
Zudem wird das erste Lager ausdrücklich als von der Hände dreier Legionen bezeichnet.
Das Argument hast Du bereits genannt und darauf habe ich in Beitrag 6.157 geantwortet, sowie @Ravenik in den Beiträgen davor.
Wie ich geschrieben habe, bin ich autark zu Ravenik zur selben Schlussfolgerung gekommen,.

einer ersten Kohorte
Das ist das ERSTE für mich nachvollziehbare Argument, was massiv gegen eine abgetrennte Einheit spricht.
Die erste Kohorte ist quasi die Legion, da dort der Adler getragen wurde.
Du meinst die Schwertscheide "LPA".

Ist denn sicher, dass das LPA für die erste Kohorte steht? Ich habe in Erinnerung, dass es da verschiedene Interpretationen gibt.

Die Pontes Longi Befürworter hatten das doch glaube ich mal als erste Legion ausgelegt.
 
Darauf aufbauend ergab sich die Frage, ob einzelne Einheiten überhaupt abgetrennt vom Hauptheer operierten.

Ich meine: Ja, auf jeden Fall, anders kannste ne Provinz nicht verwalten.
Hier stellt sich aber zuerst einmal die Frage, ob man überhaupt schon eine Verwaltung installieren konnte. Das geht ja nunmal erst dann, wenn ein gewisses Maß an "Befriedung" erreicht ist!
 
Um das zu diskutieren, führe ich fehlende Metalle der 17. und 18. an. Oder habe ich überlesen, daß dies geklärt ist?Dann sorry
 
Um das zu diskutieren, führe ich fehlende Metalle der 17. und 18. an. Oder habe ich überlesen, daß dies geklärt ist?Dann sorry
Hat man denn von der 17. und 18. Legion überhaupt einen metallischen Fingerabdruck?
Außerdem ist das Fehlen eines solchem am Fundort Kalkriese kein Argument für ein nicht vorhanden sein von Resten!!!!!!! der beiden Legionen.
 
Du meinst die Schwertscheide "LPA".
Nein!
Es sind Inschriften aus Kalkriese auf Loten überliefert die auf die erste Kohorte COHI eines Vibius verzeichnet ist. (edit: Irrtum entfernt, edit 2: Irrtum war doch kein Irrtum, Erinnerung funzt doch noch.)
1750881030409.png
aus: Wiegels, Rainer: Im Kampf mit den Germanen. Cohors I in Kalkriese, Varus-Kurier 12 (2006).

Ist denn sicher, dass das LPA für die erste Kohorte steht? Ich habe in Erinnerung, dass es da verschiedene Interpretationen gibt.
Wenn denn dieses LPA überhaupt ein LPA ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es sind Inschriften aus Kalkriese auf Loten überliefert die auf die erste Kochort COHI eines T. Vibius hinweisen. Leider kennen wir T. Vibius nicht.
Loten? Du meinst ein Lot, das Bauwerkzeug?
Der von dir zitierte Name wurde "Vibius" wurde auf einer Schwertscheide gefunden, auf dem Mundblech.

Die selbe Schwertscheide, von der ich bereits geredet habe.
Die mit (vermutlich) LPA.
Habe ich doch gesagt.

Erstaunlicherweise wird in dem Artikel sogar die Scheide als Interpretationsmöglichkeit für den Unterang einer abgetrennte Einheit in Kalkriese benutzt:
"Mögliche Erklärungen für das Mundblech in Kalkriese:
1. Der entsprechende Soldat ist bereits 30 Jahre im Dienst und gehörte früher der Legio I Augusta an.
2. Ein Detachement der Legio I, unter Umständen in Kohortenstärke, gehörte zu den bei Kalkriese vernichteten Einheiten."


Dazu gibt es eine Zusammenfassung der Uni Graz, wie diese nach Kalkrise gekommen sein könnte.
Von einer ersten Kohorte steht da nichts.

(Quelle: Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK) )



Der Artikel ist allerdings von 2007.
Gibt es da neuere Erkenntisse, die belgen, dass das Mundblech einer ersten Kohorte zuzuordnen ist?
Hast Du da eine Quelle @El Quijote ?

Falls das Mundblech wirklich einer ersten Kohorte zuzuordnen ist, ist das ein starkes Argument gegen Detachements in Kalkriese.
 
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