Cassius Dio als Überlieferer älterer Quellen - seine Glaubwürdigkeit

Mir fallen vor allem die deutlichen Abweichungen zwischen dem „Bellum Alexandrinum“ und Plutarch auf (nicht nur wegen der Papiere).
Bei Plutarch springt Caesar ins Wasser, weil sich von allen Seiten Ägypter seinem Gefährt näherten, und rettet sich schwimmend unter Beschuss, wobei er in einer Hand die Schriften hält. Keine Rede ist von einem Gedränge auf seinem Fahrzeug.
Im „Bellum Alexandrinum“ hingegen ist die Rede davon, dass eine „multitudo hominum“ auf sein Fahrzeug drängt. Das können Feinde oder römische Soldaten sein. (Ich vermute Letzteres, weil später berichtet wird, dass das Fahrzeug wegen der Menge der Soldaten unterging. Ich nehme an, dass mit „militum“ römische Soldaten gemeint sind.) Von Schreiben und Beschuss ist dann keine Rede.
Ich würde daher vermuten, dass Plutarch nicht einfach die Darstellung im „Bellum Alexandrinum“ ausgeschrieben hat, sondern eine (heute verlorene) andere Quelle verwendete.
 
Ich würde daher vermuten, dass Plutarch nicht einfach die Darstellung im „Bellum Alexandrinum“ ausgeschrieben hat, sondern eine (heute verlorene) andere Quelle verwendete.
Zumindest gibt Plutarch an, dass er das nicht selbst erfunden hat: ὅτε καὶ λέγεται βιβλίδια κρατῶν πολλὰ μὴ προέσθαι βαλλόμενος καὶ βαπτιζόμενος, ἀλλ᾽ ἀνέχων ὑπὲρ τῆς θαλάσσης τὰ βιβλίδια τῇ ἑτέρᾳ χειρὶ νήχεσθαι τὸ δὲ ἀκάτιον εὐθὺς ἐβυθίσθη.

Und mehr noch:

Und während gesagt wird.... oder in der Reihenfolge der griechischen Worte Während auch gesagt wird... - nun bin ich befangen und wegen meiner Befangenheit nicht sicher, ob mein Urteil nicht getrübt ist, aber ich würde hier zumindest einen Zweifel Plutarchs an der Plausibilität der Erzählung lesen.
 
Noch eine Erwähnung des Vorfalls gibt es, nämlich bei Appian (Bürgerkriege 2,90). Dort springt Caesar auf der Flucht ins Meer. Schriftrollen werden keine erwähnt, aber dass die Alexandriner seinen Mantel (Chlamys) in die Finger bekommen und als Trophäe aufhängen.

Bei Florus wird der Vorfall knapp auch erwähnt: "inde depulsus in maria mira felicitate ad proximam classem enatavit, relicto quidem in fluctibus paludamento seu fato seu consilio, ut illud ingruentibus hostium teli saxisque peteretur."
Interessant ist hier vor allem das Wort "depulsus". Man kann es verschieden interpretieren, aber es läuft darauf hinaus, dass Caesar nicht "freiwillig" ins Meer sprang, sondern gestoßen, gedrängt, getrieben wurde.
Schriftrollen werden hier ebenfalls nicht erwähnt, aber dass er seinen Mantel in den Fluten zurückließ, eventuell um ihn zur Zielscheibe für die Feinde zu machen.
Bei Florus ist außerdem zu beachten, dass seine Hauptquelle Livius war. Er folgt ihm zwar nicht immer präzise, aber dennoch ist es wohl nicht ganz unwahrscheinlich, dass seine Darstellung auf Livius zurückging. (Livius' eigene Darstellung ist ja leider verloren.)

Auch Orosius (6,15) erwähnt den Vorfall: "Caesar vi insistentium hostium pressus scapham escendit: qua mox pondere subsequentium gravata ac mersa, per ducentos passus ad navem una manu elevata, qua chartas tenebat, nando pervenit, mox navali certamine pulsatus, magna felicitate classem regiam aut depressit aut cepit."
Hier besteigt Caesar also, von der Macht der Feinde bedrängt, ein Boot, das allerdings wegen der Masse der Nachfolgenden sinkt, und Caesar schwimmt, wobei er in einer Hand die Papiere hält. Ob er sprang oder fiel, bleibt offen. Der Mantel fehlt.

Wir haben hier also ein Vielzahl Erwähnungen, die mal dieses, mal jenes Detail enthalten.

Wenn wir zu Cassius Dio zurückkehren, zeigt sich, dass er eigentlich nichts erwähnt, was nicht schon in mindestens einer älteren Quelle (Orosius lasse ich beiseite, da er ja erst nach Cassius schrieb) stand:
- Die Schriftrollen finden sich bei Plutarch und Sueton.
- Dass er seinen Mantel abwarf, findet sich bei Florus.
- Das mit dem Mantel und dem Beschuss findet sich zumindest ähnlich bei Florus.
- Dass die Ägypter den Mantel in die Finger bekamen und als Trophäe verwendeten, findet sich bei Appian.
- Dass Caesar nicht freiwillig sprang, entspricht Florus.

Cassius hat also nur allerhand zusammenkompiliert, was bereits in älteren Quellen vorhanden war. (Sofern er nicht alles einer verlorenen älteren Quelle entnommen hat, zeigt das obendrein, dass er tatsächlich intensives Quellenstudium betrieb.) Echtes "Sondergut" bietet er nicht.
Oder, um den Titel dieses Themas aufzugreifen: Cassius ist hier tatsächlich Überlieferer älterer Quellen.

Bei dieser Episode haben wir das Glück, etliche ältere Quellen zu haben. Dieses Glück haben wir bei der Varusschlacht leider nicht. Dennoch bleibe ich bei meiner Mutmaßung, dass Cassius auch bei der Varusschlacht auf Quellen zurückgegriffen haben könnte statt sein (angebliches) "Sondergut" selbst zu erfinden.
 
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bei Appian (Bürgerkriege 2,90). Dort springt Caesar auf der Flucht ins Meer. Schriftrollen werden keine erwähnt, aber dass die Alexandriner seinen Mantel (Chlamys) in die Finger bekommen und als Trophäe aufhängen.
Dabei könnte eine Rolle spielen, dass der ansonsten ja - sofern ich das überblicke - romfreundlich schreibende Appian etwas Lokalpatriotismus durchscheinen lässt, kam er doch selber aus Alexandria.
 
Bei dieser Episode haben wir das Glück, etliche ältere Quellen zu haben. Dieses Glück haben wir bei der Varusschlacht leider nicht. Dennoch bleibe ich bei meiner Mutmaßung, dass Cassius auch bei der Varusschlacht auf Quellen zurückgegriffen haben könnte statt sein (angebliches) "Sondergut" selbst zu erfinden.

Keine weiteren Fragen.

Die Germanenkriege des Plinius dürften die Varusschlacht sicherlich enthalten haben:

Die nicht erhaltenen bella Germaniae (Germanenkriege)[10] waren nach dem Brief Plinius’ des Jüngeren an Baebius Macer das dritte veröffentlichte Werk seines Onkels und umfassten 20 Bücher.[11] Das Werk wurde bald von den Historien des Tacitus verdrängt. Es ist schon in der Spätantike nur schwer zugänglich gewesen, wie aus einem Brief des Quintus Aurelius Symmachus aus dem Jahr 396 hervorgeht.[12] Tacitus verwendete es als Quelle und bezeichnet Plinius an einer Stelle ausdrücklich als „Geschichtsschreiber der Germanenkriege“.[13] Auch Sueton erwähnt in seiner Vita des Plinius kurz dessen Bellorum Germaniae. Petrarca beklagte den Verlust des Werks.[14]​
aus: Plinius der Ältere – Wikipedia

Plinius war übrigens auch um 47 n. Chr. (also eine gute Generation nach der Varusniederlage und den Feldzügen 15 bzw. 16 n. Chr.) in Niedergermanien (Castra Vetera beim heutigen Xanten) als Reiterpräfekt eingesetzt. Er könnte durchaus vor Ort noch mit Veteranen dieser Feldzüge oder vielleicht sogar mit Überlebenden der Varuslegionen Kontakt gehabt haben. Vetera war eins der römischen Kastellle direkt an Rhein und strategisch nahe des Zusammenflusses von Rhein und Lippe gelegen, dürfte also für die damaligen Militäroperationen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Da das Werk leider nicht erhalten, kann ich natürlich auch nur über seine Quellen spekulieren, aber gerade seine Stationierung vor Ort und seine zeitliche Nähe zur Schlacht, lassen es für mich sehr wahrscheinlich erscheinen, dass Plinius mehr erfahren haben könnte als jemand der Jahrhunderte später weit von Germanien entfernt nur die Literatur auswertet.

Ob Cassius Dio Plinius benutzt hat oder haben könnte, ist natürlich auch nur Mutmaßung, aber ich finde eine begründete. Zu Plinius Lebzeiten (163 - 235) könnte das Pliniuswerk wahrscheinlich noch in diversen Bibliotheken erhalten gewesen sein.

Dann gab es doch irgendeinen anderen römischen Autoren, der auch noch ein Werk schreiben wollte, ich meine Velleius Paterculus – Wikipedia war das. Falls das Werk geschrieben wurde, könnte Cassius das auch benutzt haben.

Das sind nur zwei Werke, die mir spontan einfallen, die Cassius Dio benutzt haben könnte. Ob es noch weitere Werke gab, die aber leider nicht erhalten geblieben sind, aber die zumindest bekannt waren, ist noch eine andere Frage.

Das alles ist sehr konjunktivistisch geschrieben, aber ich finde es zumindest plausibel.

Was dann vorherige Autoren geschrieben haben und was dann Cassius vielleicht dazu erfunden hat, ist natürlich ungeklärt (falls nicht noch irgendwo eine Abschrift auftauchen sollte).
 
Keine weiteren Fragen.
Ist das alles, was Dir dazu einfällt?
Ja natürlich kann ich nicht streng juristisch beweisen, dass Cassius auch bei der "Varusschlacht" sein angeblich selbst erfundenes "Sondergut" älteren Quellen entnommen hat. Aber Du hast oft die Caesar-Episode als Beispiel dafür genommen, dass Cassius "Sondergut" biete, das in keiner älteren Quelle vorhanden gewesen sei und das er somit offenbar selbst erfunden habe. Nun habe ich nachgewiesen, dass er in der Caesar-Episode keineswegs Neues bietet, sondern sich sehr wohl alles bereits in älteren Quellen findet. (Womit nebenbei auch belegt ist, dass er tatsächlich intensives Quellenstudium betrieben zu haben scheint.) Das lässt es doch wohl nicht ganz unplausibel erscheinen, dass auch sein angeblich selbst erfundenes "Sondergut" zur Varusschlacht sehr wohl älteren Quellen entstammt.
 
Die Germanenkriege des Plinius dürften die Varusschlacht sicherlich enthalten haben:
Und wenn nicht die, dann Aulus Hirtius, vollkommen klar. In seinem Brief an Protadius (wer auch immer der wer) sagt Quintus Aurelius Symmachus:

Enitar, si fors uotum iuuet, etiam Plinii Secundi Germanica bella conquirere.​
Ich werde mich bemühen, wenn das Glück diesen wunsch fördert, auch die Germanischen Kriege des Plinius Secundus zu finden.​
Ich war bislang immer davon überzeugt, dass Plinius im 4. Jhdt. schwer aufzufinden gewesen sei, aber ich lese den Satz jetzt fast so, als wolle er den Text in seiner eigenen Bibliothek suchen. Denn Protadius hat ihn wohl um eine spezielle Schrift gebeten und er sendet Protadius mit diesem Brief eine Schrift zu und nennt auch - unmittelbar zuvor - noch andere Schriften, die er Protadius zur Lektüre vorschlägt.

Unde ergo est, quod iisdem litteris a me poscis historiam, quibus canum tuorum festos ac profestos dies praedicas? Dissimulari studia vera non possunt. Nam fateris invitus inter figmenta ludicra morbum legendi. Non ibo longius. Priscas Gallorum memorias deferri in manus tuas postulas. Revolve Patavini scriptoris extrema, quibus res Caesaris explicantur, aut si impar est desiderio tuo Livius, sume Ephemeridem C. Caesaris, decerptam bibliotheculae meae, ut tibi muneri mitteretur. Haec te origines, situs, pugnas, et quidquid fuit in moribus aut legibus Galliarum docebit.​

Da Tacitus - der freilich die Schlachtfeldbegehung des Germanicus, nicht den eigentlichen Schlachtverlauf beschreibt - Plinius verwendet hat ("tradit C. Plinius Germanicorum bellorum scriptor, stetisse apud principium ponti laudes et grates reversis legionibus habentem"), dieses Sondergut nicht hat (sonst wäre es ja kein Sondergut) können wir nicht sagen, ob Cassius das von Plinius hat. Cassius erwähnt seine Quellen ja weitgehend nicht.
 
Ist das alles, was Dir dazu einfällt?
Was erwartest du, wenn du Spekulationen präsentierst?

Ja natürlich kann ich nicht streng juristisch beweisen, dass Cassius auch bei der "Varusschlacht" sein angeblich selbst erfundenes "Sondergut" älteren Quellen entnommen hat.
Du musst Sondergut nicht in Anführungszeichen setzen. Sondergut nennt man in der Quellenkunde Informationen, die nur ein Autor bietet, aber kein anderer. Insbesondere dann, wenn mehrere Autoren sich zum Sachverhalt äußern. Es ist über die Information der anderen hinausgehende Information, noch nicht zwingend falsch, aber es ist quellenkritisch festzuhalten, dass es sich um Sondergut handelt.


Aber Du hast oft die Caesar-Episode als Beispiel dafür genommen, dass Cassius "Sondergut" biete, das in keiner älteren Quelle vorhanden gewesen sei und das er somit offenbar selbst erfunden habe. Nun habe ich nachgewiesen, dass er in der Caesar-Episode keineswegs Neues bietet, sondern sich sehr wohl alles bereits in älteren Quellen findet.
Ja, das hast du. Allerdings, wenn man das alles nebeneinander stellt, sieht man eben, dass es da verschiedene Varianten gibt.
Da gibt es eben Abweichungen der Quellen untereinander, auch wenn man die bei der flüchtigen Lektüre vielleicht nicht bemerkt, bieten sie jeweils doch eine andere Geschichte.

(Womit nebenbei auch belegt ist, dass er tatsächlich intensives Quellenstudium betrieben zu haben scheint.) Das lässt es doch wohl nicht ganz unplausibel erscheinen, dass auch sein angeblich selbst erfundenes "Sondergut" zur Varusschlacht sehr wohl älteren Quellen entstammt.
Da hast du durchaus recht, dass er es nicht notwendigerweise selbst erfunden hat. Aber es ändert ja nichts daran, dass - auch wenn das hier nicht das Threadthema ist - einiges davon inhaltlich nicht plausibel ist (Sturz ins Wasser und Überbringen der Papiere, gegen Bäume laufen...) und mehr dem Drama als der Überlieferung historischer Sachverhalte dient.
 
Ist das alles, was Dir dazu einfällt?
Ja natürlich kann ich nicht streng juristisch beweisen, dass Cassius auch bei der "Varusschlacht" sein angeblich selbst erfundenes "Sondergut" älteren Quellen entnommen hat. Aber Du hast oft die Caesar-Episode als Beispiel dafür genommen, dass Cassius "Sondergut" biete, das in keiner älteren Quelle vorhanden gewesen sei und das er somit offenbar selbst erfunden habe. Nun habe ich nachgewiesen, dass er in der Caesar-Episode keineswegs Neues bietet, sondern sich sehr wohl alles bereits in älteren Quellen findet. (Womit nebenbei auch belegt ist, dass er tatsächlich intensives Quellenstudium betrieben zu haben scheint.) Das lässt es doch wohl nicht ganz unplausibel erscheinen, dass auch sein angeblich selbst erfundenes "Sondergut" zur Varusschlacht sehr wohl älteren Quellen entstammt.
Ich lese durchaus ein gewisses Genervtsein aus deinen Worten hinaus, dass ich anscheinend einfach nicht einsehen will, dass Cassius Dio sein Sondergut nicht selbst erfunden hat. Aber bitte verstehe, dass ich genauso wenig Verständnis dafür habe, dass Cassius Dio mit so wenig kritischer Distanz gelesen wird, das versucht wird, auch seine unglaubwürdigsten Passagen noch irgendwie für die Ereignisgeschichte zu retten. Bzw. ein gewisses Verständnis dafür habe ich ja, weil er der einzge ist, der scheinbar Details liefert. Aber ich halte das aus obigen und bekannten Gründen für unvernünftig.
 
Da Tacitus - der freilich die Schlachtfeldbegehung des Germanicus, nicht den eigentlichen Schlachtverlauf beschreibt - Plinius verwendet hat ("tradit C. Plinius Germanicorum bellorum scriptor, stetisse apud principium ponti laudes et grates reversis legionibus habentem"), dieses Sondergut nicht hat (sonst wäre es ja kein Sondergut) können wir nicht sagen, ob Cassius das von Plinius hat. Cassius erwähnt seine Quellen ja weitgehend nicht.

Wir wissen aber auch nicht, ob Tacitus das Werk von Plinius vollständig kompiliert und ob er die Schlachtpassage ausgelassen haben könnte und sich nur auf die Schlachtfeldbegehung konzentriert hat.



Und wenn nicht die, dann Aulus Hirtius, vollkommen klar.

Ironie oder Versehen? :oops: (Aulus Hirtius kann ja nix zur Varusschlacht geschrieben haben, weil er da schon lange tot war.)
 
Ironie oder Versehen? :oops: (Aulus Hirtius kann ja nix zur Varusschlacht geschrieben haben, weil er da schon lange tot war.)
Versehen. Aulus Hirtius ist ein Kandidat für die Niederschrift des Bellum Alexandrinum. Ich meinte natürlich Aufidius Bassus, an den Plinius anknüpft. Es ist denkbar, das Plinius in erster Linie über seine eigene Militärzeit in Germanien schrieb.
 
Du musst Sondergut nicht in Anführungszeichen setzen. Sondergut nennt man in der Quellenkunde Informationen, die nur ein Autor bietet, aber kein anderer. Insbesondere dann, wenn mehrere Autoren sich zum Sachverhalt äußern. Es ist über die Information der anderen hinausgehende Information, noch nicht zwingend falsch, aber es ist quellenkritisch festzuhalten, dass es sich um Sondergut handelt.
"Sondergut" setze ich in Anführungszeichen, um meine Zweifel auszudrücken, dass es sich wirklich um Sondergut handelt. Bei der Caesar-Episode ist das vermeintliche Sondergut ja keines.
Ja, das hast du. Allerdings, wenn man das alles nebeneinander stellt, sieht man eben, dass es da verschiedene Varianten gibt.
Richtig, Cassius hat anscheinend verschiedene Versionen zusammengemengt. Aber er bietet zur Caesar-Episode trotzdem eben kein selbst erfundenes Sondergut, sondern was schon in älteren Quellen zu finden war.
Da hast du durchaus recht, dass er es nicht notwendigerweise selbst erfunden hat. Aber es ändert ja nichts daran, dass - auch wenn das hier nicht das Threadthema ist - einiges davon inhaltlich nicht plausibel ist (Sturz ins Wasser und Überbringen der Papiere, gegen Bäume laufen...) und mehr dem Drama als der Überlieferung historischer Sachverhalte dient.
Ob er etwas selbst erfunden hat oder ob seine Darstellung plausibel ist, sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe.

(Nebenbei: Bei der Caesar-Episode bietet ausgerechnet der gern gescholtene Florus eine der unproblematischen Versionen: Das Hochhalten der Schriftrolle fehlt bei ihm ebenso wie das Nachziehen des Mantels mit den Zähnen. Dass Caesar beim Schwimmen den Mantel zurücklässt, finde ich plausibel. Ob der Grund dafür darin lag, den Feinden kein Ziel zu bieten, oder weil er einfach beim Schwimmen hinderlich war oder weil er mit Wasser vollgesogen zu schwer wurde, sei dahingestellt. Genau wusste das wohl ohnehin nur Caesar selbst.
Wenn man dann auch noch Cassius' "Sondergut" zur Varusschlacht verwirft, könnte man als Verfechter der Lagerschlachtthese durchaus meinen, dass dann eben doch Florus' Lagerschlachtbericht glaubwürdiger sei.)
Ich lese durchaus ein gewisses Genervtsein aus deinen Worten hinaus, dass ich anscheinend einfach nicht einsehen will, dass Cassius Dio sein Sondergut nicht selbst erfunden hat. Aber bitte verstehe, dass ich genauso wenig Verständnis dafür habe, dass Cassius Dio mit so wenig kritischer Distanz gelesen wird, das versucht wird, auch seine unglaubwürdigsten Passagen noch irgendwie für die Ereignisgeschichte zu retten. Bzw. ein gewisses Verständnis dafür habe ich ja, weil er der einzge ist, der scheinbar Details liefert. Aber ich halte das aus obigen und bekannten Gründen für unvernünftig.

Ich habe nie ausgeschlossen, dass Cassius sein "Sondergut" selbst erfunden hat, sondern halte lediglich die Argumentation "es steht sonst nirgends, also muss er es selbst erfunden haben" für nicht stichhaltig.
Ob er nur "scheinbar Details liefert", erscheint auch fraglich. Bei der Caesar-Episode bietet er eine Fülle an Details, die zwar in "De bello Alexandrino" noch fehlten, die er aber trotzdem nicht selbst erfunden hat.

Ich möchte noch einmal betonen, dass man zwischen "unglaubwürdig" und "selbst erfunden" unterscheiden muss. Auch (tatsächlich oder vermeintlich) unglaubwürdige Details können trotzdem einer älteren Quelle entnommen sein. Auch in der Caesar-Episode hat er die fragwürdigeren Details (Schriftrolle) übernommen.
 
"Sondergut" setze ich in Anführungszeichen, um meine Zweifel auszudrücken, dass es sich wirklich um Sondergut handelt. Bei der Caesar-Episode ist das vermeintliche Sondergut ja keines.
Selbst wenn Cassius Dio es irgendwo abgeschrieben hat: Es ist nun mal nur bei Cassius Dio auf uns gekommen. Ergo Sondergut.
 
Und wenn nicht die, dann Aulus Hirtius, vollkommen klar. In seinem Brief an Protadius (wer auch immer der wer) sagt Quintus Aurelius Symmachus:

Enitar, si fors uotum iuuet, etiam Plinii Secundi Germanica bella conquirere.​
Ich werde mich bemühen, wenn das Glück diesen wunsch fördert, auch die Germanischen Kriege des Plinius Secundus zu finden.​
Ich war bislang immer davon überzeugt, dass Plinius im 4. Jhdt. schwer aufzufinden gewesen sei, aber ich lese den Satz jetzt fast so, als wolle er den Text in seiner eigenen Bibliothek suchen.
Das lese ich genau anders:
Protadius fragt nach alten Erwähnungen der Gallier. Symmachus empfiehlt ihm Livius und Caesar; er würde ihm Caesar als Geschenk aus seiner eigenen Bibliothek zukommen lassen. Dann stellt er in Aussicht, auch die Germanienkriege des Plinius aufzuspüren, wobei der das Glück/Schicksal beschwört. Wenn er in seiner eigenen Bibliothek suchen würde, müsste er nicht pathetisch das Glück beschwören. Das klingt für mich schon so, als würde er die Suche für ein eher schwieriges Unterfangen halten.
 
Das lese ich genau anders:
Protadius fragt nach alten Erwähnungen der Gallier. Symmachus empfiehlt ihm Livius und Caesar; er würde ihm Caesar als Geschenk aus seiner eigenen Bibliothek zukommen lassen. Dann stellt er in Aussicht, auch die Germanienkriege des Plinius aufzuspüren, wobei der das Glück/Schicksal beschwört. Wenn er in seiner eigenen Bibliothek suchen würde, müsste er nicht pathetisch das Glück beschwören. Das klingt für mich schon so, als würde er die Suche für ein eher schwieriges Unterfangen halten.
So habe ich die Stelle bisher auch immer gelesen. Aber heute...
 
Das Militär war nicht seine Welt, und das merkt man ihm an. Anders als Thukydides, Josephus, Velleius Paterculus oder Ammianus Marcellinus hat Cassius Dio wohl nie Truppen ins Feld geführt-
Cassius Dio wird vermutlich Erfahrungen als Stabsoffizier und Militärtribun gesammelt haben. Er war anscheinend bei den Soldaten und besonders bei den Prätorianern sehr unbeliebt wegen seiner Strenge. Er hatte einmal enormes Glück, dass er nicht das Schicksal von Helvius Pertinax teilte und von den Prätorianern nicht umgebracht wurde, und er stand auch später sehr schlecht mit ihnen, und sie sorgten dafür, dass er sein 2. Konsulat gemeinsam mit Severus Alexander 229 nur außerhalb von Rom wahrnehmen konnte.
 
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