Auch Polen kämpft noch immer mit seiner 2.WK-Geschichte.

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Polnische Ausstellung in Danzig setzt sich mit Wehrmacht-Wehrpflicht gegenueber gebuertigen Polen/ Pommeraniern auseinander.

"Aug 21, 2025 „Das waren unsere Jungs, die Jungs ihrer Familien, die gezwungen wurden, sich der feindlichen Armee anzuschließen, um ihre Lieben zu retten“, schrieb er. „Es ist einfacher zu urteilen, als sich einer solchen Gefahr zu stellen.“​
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WWII Wehrmacht conscription exhibit sparks political row in Poland
15.07.2025 09:00
Eine neue Ausstellung mit dem Titel „Nasi chłopcy” (Unsere Jungs) im Museum von Danzig, die sich damit befasst, wie Zehntausende Pommeranier während des Zweiten Weltkriegs zwangsweise in die Wehrmacht eingezogen wurden, ist zu einem Blitzableiter für Polens Erinnerungskriege geworden.​

Bestimmt eine sehr interessante Ausstellung die bis naechstes Jahr in Danzig laeuft.
Bin mir zwar der Ereignisse im Umriss gewahr, jedoch nicht detailliert.
Vielleicht kann der Eine oder Andere hier etwas mehr Licht auf's Thema werfen?
 
Polnische Ausstellung in Danzig setzt sich mit Wehrmacht-Wehrpflicht gegenueber gebuertigen Polen/ Pommeraniern auseinander.
Das mit dem "gebürtig" ist so eine Sache.
Den neuen polnischen Staat, die 2. Polnische Republik gab es ja erst seit 1918/1919 offiziell. Die meisten Personen, die um 1940 herum im wehrfähigen alter waren, waren, sofern sie vor 1918/1919 geboren waren ja durchaus von Geburt an auch mal Staatsbürger des Königreichs Preußen gewesen. (eine tatsächlich deutsche Staatsbürgerschaft war erst von den Nazis eingeführt worden).
Als nach dem 1, Weltkrieg der neue polnische Staat entstand, erhielten erstmal eine Einwohner dieses Gebiets die polnische Staatsbürgerschaft. Sie konnten sich zwar dagegen entscheiden und für die preußische Staatszugehörigkeit entscheiden, wenn sie das taten, mussten sie Polen allerdings verlassen.

"Angehörige der Staaten, die den Krieg verloren hatten, die ihren Dauerwohnsitz in den nun polnischen Gebieten vor dem Stichtag 1. Januar 1919 (Deutsche 1908[7]) gehabt hatten, wurden automatisch polnische Staatsbürger. Sie erhielten jedoch ein Optionsrecht für ihre ehemaligen Heimatländer. Übten sie diese aus, schloss dies Ehefrau und Kinder mit ein. Im Gegenzug galt dies auch für im Ausland lebende Polen.[8] Wurde die jeweilige Option ausgeübt, mussten die Optanten innerhalb zwölf Monate in ihr neues Heimatland umsiedeln. Ähnliches regelte der Friedensvertrag von Riga (1921) für Russen in Art. 6 und 7. Hierbei wurden zunächst alle bei Vertragsschluss auf polnischem Gebiet wohnenden ehemals zaristischen Untertanen automatisch dann Polen, wenn sie dort zum 1. August 1914 ihren Wohnsitz gehabt hatten. Dieser Personenkreis erhielt ein Optionsrecht für Sowjet-Rußland oder die Ukrainische Volksrepublik, das bis 30. April 1922 auszuüben war."


Im Gebiet der freien Stadt Danzig galten andere Regeln.

Diese Regelung, hat bewirkt, dass zwischen den Weltkriegen tatsächlich Teile der deutsprachigen Einwohner Polen verließen, andere dürften, um in ihrer Heimat verbleiben zu können, die polnische Staatsbürgerschaft behalten, diesen Zustand aber nicht unbedingt gemocht haben.
Als Polen 1939 von den deutschen Truppen besetzt wurde, erklärten die Nazis, die ehemaligen Provinzen Westpreußen und Posen zusammen mit einigen darüberhinausgehenden Gebieten als "Reichsgaue" "Danzig-Westpreußen" und "Wartheland" für annektiert und stülpten denjenigen Einwohnern, die vor 1918 mal Staatsbürger des Königreichs Preußen gewesen und deutschsprachig waren, die deutsche Staatsangehörigkeit über - zummindest, sofern diese Personen den rassistischen Vorstellungen der Nazis entsprachen.

Personen, in Polen, die dem nur bedingt entsprachen konnten dabei zum Teil die deutsche Staatsbürgerschaft, allerdings nur auf Widerruf, oder eine Anwartschaft auf eine Staatsbürgerschaft auf Widerruf erhalten:

  • Volksliste 3: entweder so genannte „Stammesdeutsche“, also Menschen, die angeblich ‚deutscher Abstammung‘ waren, obwohl sie in der Regel nicht mehr Deutsch sprachen, oder aber Angehörige der sog. Zwischenschicht, also Kaschuben und Schlonsaken, soweit sie nicht Mitglieder in polnischen politischen Organisationen waren. Sie bekamen die „deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf“.[2]
  • Volksliste 4: sog. Renegaten, d. h. Menschen, die nach Auffassung der deutschen Zivilverwaltung ‚deutscher Abstammung‘ waren, die aber „ins Polentum abgeglitten waren“, d. h. sich selbst als Polen betrachteten. Sie erhielten die „Anwartschaft auf die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf“ und waren von der Wehrpflicht ausgenommen.

Polnisch- oder Kaschubischsprachige Personen, die in diesem rassistischen Hierarchiesystem in die "Volkslisten 3 und 4" eingeordnet wurden, waren also in permanenter Gefahr, ihre deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sie sie erhalten hatten, wieder zu verlieren, oder eine mögliche Anwartschaft darauf zu verlieren.

Der Verlust der Staatsbürgerschaft oder der Anwartschaft, konnte schwerwiegende Repressionen nach sich ziehen, unter anderen Zwangsumsiedlung/Deportation, weil die Nazis das Gebiet "germanisieren" und durch Vertreibung von Minderheiten Platz für ihren rassistischen Kriterien entsprechende Siedler schaffen wollten, oder auch andere Repressionen, wie Zwangsarbeit, im schlimmsten Fall (betraf besonders die polnische Inteligenzija, auch Ermordung).

Dementsprechend war es für Familien mit teilweise polnischen Wurzeln, sofern sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten, sinnvoll alles erdenkliche zu tun um sie nicht zu verlieren, oder sich den Nazis anzudienen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten und wenigstens einigermaßen von den rassistischen Repressionen im NS-System verschohnt zu werden.

In diesem Zusammenhang konnte es z.B. für junge Männer, die und deren Familien in der "Volksliste 4" eingeordnet waren und die nicht direkt der Wehrpflicht unterfielen, Sinn ergeben, sich "freiwillig" dem deutschen Militär zur Verfügung zu stellen, um die eigene Loyalität zu beweisen und die Chancen der eigenen Familie auf die Anerkennung als deutsche Staatsbürger zu verbessern.
Für diejenigen, die in die "Volksliste 3" eingeordnet waren, die deutsche Staatsbürger auf Widerruf waren, wiederrum, ergab es Sinn, nicht zu versuchen sich der von den Nazis verordneten Wehrpflicht zu entziehen, oder Befehle zu verweigern, weil dass die eigenen Familien womöglich in Gefahr gebracht hätte die deutsche Staatsbürgerschaft wieder zu verlieren und vom NS-Regime als Feinde behandelt zu werden.


Dafür, warum genau sich Personen aus polnischen Kontexten der deutschen Besatzungsmacht angeschlossen hatten, interessierten sich die Sowjets und auch die polnischen Kommunisten unmittelbar nach dem Krieg allerdings wenig, so dass solche Personen zum Teil in der Nachkriegsgesellschaft zummindest Repressionen und Benachteiligungen ausgesetzt waren und bei Nachbarn, die diesen Weg nicht eingeschlagen hatten (sei es weil sie nicht wollten, oder die Vorraussetzungen nicht gegeben waren) und die massiver unter den deutschen Repressionen zu leiden hatten, dürften diejenigen, die mit den deutschen collaboriert hatten, auch nicht besonders beliebt gewesen sein.

Das Phänomen der Collaboration und deren Aufarbeitung war ja durchaus nicht nur für Polen nach dem Krieg ein Problem, das gab es in ähnlicher Weise auch in anderen besetzten Ländern wie Frankreich oder Italien.
Mit dem Unterschied nur, dass auch wenn dass z.B. in Frankreich bis heute ein schwieriges Thema ist, dort nach dem Krieg eine offene, demokratische Gesellschaft vorhanden war, in der man sehr viel früher anfangen konnte diese Dinge zu debattieren.
In den unter sowjetischem Einfluss stehenden Ländern war dass natürlich nicht so einfach, so dass viele Themen, die eigentlich diskutiert werden müssten eingefrohren blieben und die anzugehen, vielleicht auch im Klima der nationalen Aufbruchsstimmung der 1990er Jahre nicht unbedingt erwünscht war.
In Deutschland hat es ja durchaus auch eine lange Zeit gebraucht, bis bestimmte Themen angegangen worden sind und gerade bei sensiblen Themen, die man nicht auf das Regime allein schieben konnte, sondern in die Teile der normalen Bevölkerung verwickelt waren (oder die daran partizipierten oder davon profitierten), wie die Verbrechen der Wehrmacht oder die mörderische Zwangsarbeit und Debatten um Entschädigung dafür, sind auch erst seit den 1980er und 1990er Jahren in Deutschland wirklich breit diskutierte Themen geworden.

Da verwundert es durchaus nicht, wenn man sich auch in Polen oder anderen Ländern mit er der Aufarbeitung und dem Bruch verschiedener Narrative eher schwer tut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den neuen polnischen Staat, die 2. Polnische Republik gab es ja erst seit 1918/1919 offiziell. Die meisten Personen, die um 1940 herum im wehrfähigen alter waren, waren, sofern sie vor 1918/1919 geboren waren ja durchaus von Geburt an auch mal Staatsbürger des Königreichs Preußen gewesen. (eine tatsächlich deutsche Staatsbürgerschaft war erst von den Nazis eingeführt worden).
Als nach dem 1, Weltkrieg der neue polnische Staat entstand, erhielten erstmal eine Einwohner dieses Gebiets die polnische Staatsbürgerschaft. Sie konnten sich zwar dagegen entscheiden und für die preußische Staatszugehörigkeit entscheiden, wenn sie das taten, mussten sie Polen allerdings verlassen.


Ein kleine Ergänzung zunächst: eine deutsche Staatsbürgerschaft gab es schon mindestens seit 1913 mit dem RuStAG, das die deutsche Staatsangehörigkeit mittelbar über die Staatsangehörigkeit der Bundessstaaten definierte. Also man war deutscher Staatsbürger, wenn man die Staatsbürgerschaft von Preußen, Bayern, Sachsen etc. hatte. Das wäre vergleichbar mit der Regelung zur Europäischen Staatsbürgerschaft, die man ebenfalls durch die Staatsbürgerschaft eines der EU-Mitgliedstaaten automatisch erhält. Eine unmittelbare deutsche Staatsbürgerschaft wurde erst 1934 unter dem Nazi-Regime eingeführt und gilt bis heute.

Hier noch ein Artikel zu den Polen in der Wehrmacht:



Mit Polen ist hier natürlich die Gruppe polnischer Staatsbürger gemeint, die nach der Besetzung zu Deutschen mehr oder weniger freiwillig oder sogar zwangsweise wurden. Das ist eine in sich sehr heterogene Gruppe. Das reicht von nach eigenem Selbstverständnis Deutschen, die nach 1918 auf einmal in einem fremden Staat ansässig waren, ohne ihre angestammte Heimat zu verlassen, bis hin zu Nachfahren von deutschen Siedlern, die Generationen zuvor ins Land kamen, mittlerweile mit der angestammten polnischen Bevölkerung sich vermischt haben, nicht mehr deutsch sprachen und vielleicht nur noch in der Eltern oder Großelterngeneration einen deutschen Nachnamen (oftmals dann in polnischer Schreibweise) hatten. In ganz extremen Fällen wurden sogar Deutsche aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes identifiziert, wo man dann gemutmaßt hat, hier die genetischen Spuren von mittelalterlichen deutschen Siedlern oder sogar die Nachfahren der antiken Ostgermanen zu finden.
 
Mein Großvater wurde 1917 in der Nähe von Posen geboren. Die Gegend wurde nach dem 1.Weltkrieg polnisch. Er ist dort zur Schule gegangen und aufgewachsen und sprach dem zufolge auch polnisch. Es scheint - nach dem was er erzählt hat - oft nicht unproblematisch gewesen dort in der Öffentlichkeit deutsch zu sprechen, was wohl auch für die Schule galt. 1939 wurde er natürlich zur polnischen Armee eingezogen, ist aber desertiert und zur Wehrmacht übergelaufen. Seine anti-polnischen Resentiments konnte er leider bis zu seinem Tod in den 90ern nicht ablegen.
 
Mein Großvater wurde 1917 in der Nähe von Posen geboren. Die Gegend wurde nach dem 1.Weltkrieg polnisch. Er ist dort zur Schule gegangen und aufgewachsen und sprach dem zufolge auch polnisch.

Ich vermute, dass Dein Großvater von zu Hause aus Deutsch sprach und erst in der Schule Polnisch lernen mußte. Weißt Du, ob und wann die Vorfahren Deines Großvaters in das Gebiet eingewandert sind? Weißt Du, welcher Konfession Dein Großvater zugehörte (ich vermute, er war evangelisch)?

Es scheint - nach dem was er erzählt hat - oft nicht unproblematisch gewesen dort in der Öffentlichkeit deutsch zu sprechen, was wohl auch für die Schule galt.

Die deutsche Minderheit in Polen (wie auch die anderen Minderheiten) stand in Polen der Zwischenkriegszeit unter Assimilationsdruck, ähnlich wie die polnische Minderheit (wie auch die anderen Minderheiten) vor dem ersten Weltkrieg im Kaiserreich. Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass die alte deutsche (oder preußische?) Gesetzgebung bezüglich der Amtssprache 1:1 von Polen übernommen wurde. Natürlich wurde "Deutsch" durch "Polnisch" ersetzt. Eine Ausnahme bildete Ostoberschlesien, das innerhalb der Polnischen Republik einen Autonomiestatus hatte, und dort gewisse Minderheitenrechte für die Deutschen bot (spiegelbildlich galten entsprechende Regelungen für das beim Reich verbliebene Westoberschlesien, die neu gebildete Provinz Oberschlesien).

Ich habe vor längerer Zeit eine Dokumentation über die Deutschen in der alten Provinz Westpreußen, das nach dem ersten Weltkrieg polnisch wurde, gesehen. Da wurde erwähnt, dass in der Stadt Thorn (?) es eine deutsche Schule gab, in der auf Deutsch unterrichtet wurde, aber es einen verpflichtenden Anteil an Polnischunterricht gab.
 
Noch eine winzige Ergänzung: RuSTAG , Deutscher ist, wer im Reichsgebiet in den Grenzen vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat
 
Ich vermute, dass Dein Großvater von zu Hause aus Deutsch sprach und erst in der Schule Polnisch lernen mußte. Weißt Du, ob und wann die Vorfahren Deines Großvaters in das Gebiet eingewandert sind? Weißt Du, welcher Konfession Dein Großvater zugehörte (ich vermute, er war evangelisch)?
Ja, die Eltern meines Großvaters haben mit ihren Kindern deutsch zu Hause gesprochen. Er war formal evangelisch, aber nicht sonderlich gläubig, wenn ich mich richtig erinnere. Ich weiß nicht, wann seine Vorfahren in das Umland von Posen gezogen sind. Sein Nachname ist ein geläufiges deutsches Adjektiv.
Er hat von diesem polnischen Assimilierungsdruck erzählt. Dass in seiner Schulzeit auf polnisch unterrichtet wurde, ist nicht erstaunlich. Er berichtete aber auch, dass es Ärger gab, wenn man in Pausen auf dem Schulhof oder auch auf dem Schulweg deutsch gesprochen hat. Ein Fach Deutsch als muttersprachlichen Unterricht gab es nicht.
Ich denke ähnlich wie du, dass in Polen der Zwischenkriegszeit - nicht zuletzt auch als Reaktion auf die kaiserzeitliche Germanisierungspolitik - eine Polonisierungspolitik praktiziert wurde, die bei meinem Großvater zu einer Art "Polenhaß" geführt hat. Ich bin froh, dass ich heute ungezwungen mit polnischen Freunden ein Bier trinken kann.
 
Ich denke ähnlich wie du, dass in Polen der Zwischenkriegszeit - nicht zuletzt auch als Reaktion auf die kaiserzeitliche Germanisierungspolitik - eine Polonisierungspolitik praktiziert wurde, die bei meinem Großvater zu einer Art "Polenhaß" geführt hat.

Die Politik der Assimilierung sprachlicher Minderheiten war kein Spezifikum der deutschen bzw. polnischen Politik. Das wurde in anderen Nationalstaaten genauso gehandhabt. Ausnahme ist die Schweiz mit ihrer Mehrsprachigkeit, eine andere Besonderheit war Belgien, in der die flämischsprachige Mehrheit französisch assimiliert werden sollte.


Er war formal evangelisch, aber nicht sonderlich gläubig, wenn ich mich richtig erinnere. Ich weiß nicht, wann seine Vorfahren in das Umland von Posen gezogen sind.

Ein deutscher Nachname deutet auf eine Zuwanderung aus dem deutschen Kerngebiet, die Zugehörigkeit zur evangelischen Konfession eine nationale Identifikation mit Deutschland. Im 19. Jahrhundert gab es eine staatlich geförderte Zuwanderung von Deutschen in die Provinz Posen. Möglicherweise sind die Vorfahren damals zugezogen.

In diesen Gegenden folgte meist die nationale Identität (Deutsch/Polnisch) der religiösen (Protestantisch/Katholisch). Ein mittlerweile verstorbener Nachbar stammte aus dem früheren Westpreußen und erzählte mir, dass zu Hause Plattdeutsch gesprochen wurde, Konfession evangelisch sei, sein Nachname klang slawisch, aber er sagte, dass seine Vorfahren ursprünglich aus Mecklenburg stammten. Ein anderer Nachbar erzählte mir, dass sein Großvater in den 1920er Jahren aus Westpreußen ins Ruhrgebiet kam. Der Nachname ist einer -ski am Ende und Konfession katholisch. Ob sein Großvater nun aus patriotischen, prodeutschen Gefühlen ins Ruhrgebiet kam oder aus ökonomischen, sei dahingestellt.

Die vereinfachte Gleichung Katholisch = Polnisch und Evangelisch = Deutsch galt übrigens in Oberschlesien nicht, trotz einer mehrheitlich katholischen und polnischsprachigen Bevölkerung stimmte man bei der Volksabstimmung nach dem 1. Weltkrieg mehrheitlich für Deutschland. Ich denke, dass die Protestanten fast alle und die Katholiken in ihrer Mehrheit prodeutsch waren.
 
Die Politik der Assimilierung sprachlicher Minderheiten war kein Spezifikum der deutschen bzw. polnischen Politik. Das wurde in anderen Nationalstaaten genauso gehandhabt. Ausnahme ist die Schweiz mit ihrer Mehrsprachigkeit, eine andere Besonderheit war Belgien, in der die flämischsprachige Mehrheit französisch assimiliert werden sollte.
In den Nationalstaaten ja, in den multinationalen Imperien kam es drauf an.
In der Habsburgermonarchie war das durchaus auch etwas anders, die war da flexibler, als die anderen beiden Teilungsmächte.

In Russland wurden bis zur Revolution 1905, das Polnische, Litauische und das sich als Literatursprache herausbildende Ukrainische unterdrückt, bzw. auf die Sprecher dieser Sprachen wurde Assimilationsdruck ausgeübt, das galt aber nicht für alle Minderheitensprachen.
Während in Russland das Polnische Unterdrückt wurde, gab es z.B. in Tartu/Dorpat (östliches heutiges Estland, in Richtung Ladogasee) eine Universität, in der bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Deutsch offizielle Lehrsprache war.

Ein deutscher Nachname deutet auf eine Zuwanderung aus dem deutschen Kerngebiet, die Zugehörigkeit zur evangelischen Konfession eine nationale Identifikation mit Deutschland. Im 19. Jahrhundert gab es eine staatlich geförderte Zuwanderung von Deutschen in die Provinz Posen. Möglicherweise sind die Vorfahren damals zugezogen.
Unwahrscheinlich, weil sich das als wenig attraktiv erwisen hat. Im 19. Jahrhundert, ging es ja aher umgekehrt, dass wer nicht gerade großen Landbesitz hatte, sondern zu den Unterschichten gehörte, als Ostpreußen, Westpreußen oder Posen, eher in Richtung Oberschlesien, Berlin oder Ruhrgebiet abwanderte oder ggf. auch über den Teich in die USA.
Einen gewissen deutschsprachigen Bevölkerungsanteil in der Region Posen gab es seit der "Ostsiedlung" im Mittelalter, im besonderen in den Städten.
In Poznan/Posen, Gniezno/Gnesen, Bydgoszcz und der näheren Umgebung gab es genau so deutschprachige Gruppen, wie in den unmittelbaren Grenzgebieten vor allem nach Brandenburg und Niederschlesien hin.

Was die Refoermation angeht, war Polen-Litauen im 16. und 17. Jahrhundert ein durchaus vergleichsweise tolerantes Land, dass seine Protestanten nicht vertrieb oder über die Maßen repressierte und für die deutschsprachigen Bewohner war die Reformation natürlich schon deswegen wesentlich interessanter, als für die polnischsprachigen, weil es ja die deutschsprachigen Texte der Reformatoren und Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche gab.
Wahrscheinlich unter anderem deswegen setzte sich auch in Westpreußen bei der deutschsprachigen Bevölkerung weitgehen der Protestantismus durch, genau so gab es protestantische Gemeinden, ale Minderheiten innerhalb von polnischen Städte, die oft mit der deutschsprachigen Minderheit identisch gewesen sein dürften.

Das das polnisch-litauischer Reich machte den Trend zur religiösen/konfessionellen Intolleranz, den es im Heiligen Römischen Reich und in Westeuropa im Zuge der Reformation gab schon deswegen nicht in dem Maße mit, weil das Land im Osten, im Bereich der heutigen Ukraine und des heutigen Belarus tief in orthodoxes Gebiet rein reichte und es ohnehin bereits einen Modus vivendi gab, was das Nebeneinander von Katholiken und Orthodoxen mit einander betrifft.

Einer der Kompromisse, die dort ausgehandelt wurden, war die 1596 entstandene Kirchenunion von Brest

Die im Grunde noch zu einer 3. griechisch-katholischen Glaubensrichtung führte, insofern sie den Orthodoxen, die zu ihr übertraten das Angebot machte, in ihrem Rahmen am orthodoxen Ritus festhalten zu können, wenn sie sich dafür in die katholische Kirchenhierarchie einreihten.
Ein Versuch die Reformation (es bildeten sich in Polens Städten übrigens durchaus nicht nur lutherische Gemeinden heraus, sondern auch Calvinische, für polnischsprachige Anhänger der Reformation in den Städten schein die calvinische Richtung die interessantere gewesen zu sein) zu repressieren und eine agressiv-katholische Religionspolitik zu fahren, hätte die Kompromisse mit den Orthodoxen im Osten gefährdet und womöglich das halbe Reich in Aufruhr versetzt.
Und dann kamen ab dem Ende des 17. jahrhunderts natürlich noch die beiden sächsischen Könige. August II. ("der Starke") war zum Katholizismus konvertiert um zum König von Polen-Litauen gewählt werden zu können, er war aber protestantisch erzogen und beherrschte Kursachsen weiterhin auch ein protestantisches Territorium, auf seinen Sohn August III. traf das gleiche zu. Die hatten wenig Anlass als besondere katholische Eiferer aufzutreten.
Mit der immer stärkeren Festlegung auf den Katholizismus in Polen und der Intoleranz gegen andere Konfessionen ging es erst los, als im Zuge der Auseinandersetzungen mit dem Moskowiter/Russischen Reich immer mehr orthodoxe Territorien im Osten verloren gingen. Zum einen wohl, weil mit der Abnehmenden Zahl orthodoxer Untertanen der Kompromiss mit diesen herrschaftstechnisch weniger von Bedeutung war, zum anderen möglicherweise auch, weil es dadurch natürlich zunehmend einfach war den Orthodoxen zu unterstellen es eigentlich eher mit dem ebenfalls orthodoxen Russischen Reich zu halten und keine besonders loyalen Untertanen zu sein.

Insofern es aber sowohl deutschsprachige Communitiys, als auch Protestantische in der Region Wielkopolska (Großpolen, in weiten Teilen mit der heutigen Woiewodschaft identisch) durchaus gab, legt ein deutscher Nachname und eine protestantische Konfession nicht unbedingt eine Einwanderung erst nach den polnischen Teilungen nahe, die Familie der Person kann auch sehr viel früher zugewandert sein.

Die vereinfachte Gleichung Katholisch = Polnisch und Evangelisch = Deutsch galt übrigens in Oberschlesien nicht, trotz einer mehrheitlich katholischen und polnischsprachigen Bevölkerung stimmte man bei der Volksabstimmung nach dem 1. Weltkrieg mehrheitlich für Deutschland. Ich denke, dass die Protestanten fast alle und die Katholiken in ihrer Mehrheit prodeutsch waren.
Sie funktionierte vor allem auch in Ostpreußen, im Besonderen in Ermland und Masuren nicht, insofern Masuren in der Regel von slawischsprachigen Protestanten bewohnt wurde, während auf dem Gebiet des Bistums Ermland, sich die deutschprachigen Einwohner entschieden hatten, bei der Reformation nicht mit zu machen und beim Katholizismus zu bleiben.
Das führte bei der Grenzziehung zwischen Deutschland und Polen 1918/1919, weil vielfach die Gleichung protestantisch = deutsch, katholisch = polnisch angenommen wurde zu einigen Verwirrungen.
Nicht zuletzt, diese Unklarheit, dass in diesem Gebiet das mit den Identitäten nicht so aufkam, wie man es sich theoretisch vorstellte, dürfte dazu geführt haben, dass dass man in Masuren nach dem 1. Weltkrieg eine Abstimmung über die Zugehörigkeit des Gebietes ansetzte.

Nun kann es, was Familiengeschichte etc. angeht, aber durchaus auch sein, dass deutschsprachige Personen in den Gebieten Posen und Westpreußen schon lange lebten, erst nach den Teilungen und im 19. jahrhundert zum Protestantismus übertraten, weil das innerhalb der deutschen Gebiete zunehmend Vorteile bot.
Ich hatte oben angerissen, dass es in Teilen Polen-Litauens seit dem Mittelalter durchaus protestantische Gemeinden gab, aber das war außerhalb der direkten Grenzgebiete und außerhalb von Westpreußen, wo sich das etwas anders entwickelte, vor allem ein städtisches Phänomen, dass deutssprachige Personen/Familien, die irgendwann im Zuge der "Ostsiedlung" mal in den polnischen Gebiete eingewandert waren, nicht unbedingt betraf.
 
Ich denke ähnlich wie du, dass in Polen der Zwischenkriegszeit - nicht zuletzt auch als Reaktion auf die kaiserzeitliche Germanisierungspolitik - eine Polonisierungspolitik praktiziert wurde, die bei meinem Großvater zu einer Art "Polenhaß" geführt hat. Ich bin froh, dass ich heute ungezwungen mit polnischen Freunden ein Bier trinken kann.
Das wird man insofern kaum als eine reine Reaktion auffassen können, als dass sich eine reine Reaktion darauf, auf die ehemals zu Preußen gehörigen Gebiete hätte beschränken müssen. Es betraf aber auch Minderheiten außerhalb davon.

Das in Polen entsprechender Assimilationsdruck entstand, wird man sicherlich zum Teil mit den historischen Erfahrungen erklären können, aber im größeren Kontext, nicht nur durch den Assimilationsdruck in Preußen, sondern vor allem auch den im russischen Zarenreich, wo der weitaus größere Anteil der Polen lebte.

Ich habe vor ein paar Tagen angefangen Wolfgang Templins Biographie von Józef Piłsudski (2022) zu lesen, die das in den ersten Kapiteln recht plastisch beschreibt.
Piłsudski war in den 1860er Jahren in die polnischsprachige Oberschicht in Litauen hineingeboren worden, in eine Familie, die aber relativ zurückgezogen leben musste, weil sich der Vater 1863 an dem polnischen Aufstand gegen den Zaren in Polen und Litauen beteiligt hatte.
Deswegen wurde er von den zarischen Behörden offiziell als gesuchte Person geführt, hatte es aber wohl durch Bestechung erreicht, dass er von der russischen Bürokratie offiziell als "verschollen" geführt wurde, was dafür sorgte, dass nicht aktiv nach ihm gesucht und dass seiner Familie die Konfiskation ihrer Güter in Litauen erspart blieb.

Jedenfalls wurde Piłsudski 1867 in die Zeit mit der schlimmsten antipolnischen Repression in Russland hinein geboren, nachdem nach der Niederschlagung des Aufstands von 1863 dass seit dem Wiener Kongress wieder bestehende, offiziell nur in Personalunion mit Russland regierte "Königreich Polen" (vulgo: "Kongresspolen") als "Weichselland" vom russischen Zarenreich vollständig annektiert und relativ schnell in einzelne Provinzen zerschlagen wurde.
In den ersten Kapiteln, in denen Piłsudski Kindheit und Jugend geschildert werden, bekommt man dahingehend entsprechende Eindrücke, wie er das in seiner Jugend selbst erlebt haben muss. Das polnische und litauische Literatur offiziell verboten war, die Famile diese verstecken und nur auf nicht erlaubtem Wege beziehen konnte, dass in Öffentlichkeit und Schulen die polnische und litauische Sprache verobten waren und repressiert wurden.
Im Kapitel "das verhasste Gymnasium" heißt es zum Schulalltag unter anderem: "[...]Der Gebrauch der polnischen Sprache war streng verboten, und das nicht nur im Unterricht, sondern auch während der Pausen und auf dem Schulhof. Wer polnisch sprach, oder Literatur in polnischer Sprache mit sich führte, riskierte mehrstündigen oder mehrtägigen Arrest. Entdeckte Literatur wurde konfisziert, wiederholte Zuwiederhandlungen konnten zum Ausschluss von der Schule führen. Den Schülern wurde eingebläut, polnische Sprache, Kultur und Geschichte seien etwas Minderwertiges und sogar Feindliches. Im Lehrplan nahm die russische Sprache den ersten Platz ein, gehörten Klassiker der russischen Literatur zum Kanon, wurde die russische Sicht auf die Geschichte vermittelt. Danach war Litauen schon seit Ewigkeiten ein Teil Russlands gewesen und ab dem 15. Jahrhundert von polnischen Eindringlingen eingenommen und niedergedrückt worden. Deren Adelskaste habe sich schließlich durch Misswirtschaft und fremde Einflüsse selbst zugrunde gerichtet.*
Es bedurfte eines besonderen Typus von Lehrern und Schulaufsehern, um ein solches Schulsystem und alle damit verbundenen Schikanen und Strafen rigoros durchzusetzen. Das dafür nötige Personal wurde mit Zulagen und der Hoffnung auf Aufstieg aus der russischen Provinz nach Litauen gelockt. Manche Pädagogen verwandelten sich in Sadisten, andere verbragen ihre Herkunft, wenn sie aus polnischen Familien stammten. In der Menge der brutalen und gefügigen Staatsdiener gingen die wenigen Lehrer unter, die sich menschlich verhielten. Was die russischen Bajonette nicht geschafft hatten, sollte nun das russische Schulwesen vollenden.
Zahlreiche Szenen dieses Schulregimes hielt Bronisław** in seinem Tagebuch fest. Wenn er fragte, warum sie im Unterricht nicht die Muttersprache gebrauchen dürften, schäumte der Lehrer vor Wut. Wer das russische Brot esse, alle Rechte eines Untertanen des Zaren in Anspruch nehme, solle gefälligst auch russisch sprechen. Als wenn ein Untertan des Zaren wirkliche Rechte besaß. Wenn Józef Piłsudski Jahrzehnte später von seinen Lebensabenteuern sprach, stellte sich heraus, dass es nicht die schlimmsten Erlebnisse in Sibirien waren, die seine Albträume beherrschten. Es war der eine oder andere seiner verhassten Wilnaer Lehrer, der ihn im Schlaf heimsuchte.[...]"


Templin, Wolfgang, Revolutionär und Staatsgründer, Józef Piłsudski - eine Biographie 2022, e-book, S.35-37
(Interessantes Buch übrigens und erstaunlich, dass es da bislang kaum deutschsprachige Biographien zu gibt).

Insofern, der sicherlich einflussreichste Mann, in der polnischen Politik der 1920er und der ersten Hälfte der 1930er Jahre bis zu seinem Tod, selbst von der Repression im Zarenreich geprägt war, die auch seinen weiteren Weg, in den sozialdemokratisch/sozialistischen Untergrund des Zarenreiches, nach Sibirien und schlussendlich in die Reihen der Österreichisch-Ungarischen Armee beeinflusst haben dürfte, wird man sich, was Assimilationspolitik in Polen zwischen den Weltkriegen betrifft, wahrscheinlich stark an Russland, sowohl als verhasstem Gegner, als auch ein Stück weit als Modell orientiert haben, was Assimilationsdruck von offizieller, staatlicher Seite her betrifft.

Das das durchaus nicht nur als "Retourkutsche" gegenüber früheren Unterdrückern oder mit diesen assoziierten Bevölkerungsteilen zu verstehen ist, sondern schon auch eine eigene Programmatik hatte, kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Assimilationsdruck und einige Repressionen, die mittlerweile herausgearbeitet sind, auch die Ukrainer in Ostgalizien und Wolhynien betrafen.
Die konnten im Gegensatz zu den Deutschen im Westen und den Belarussischen Bevölkerungsteilen im Osten, die vielleicht noch stärker als die Ukrainer als irgendwie russisch verstanden wurden, kaum mit den Machthabern der ehemaligen Teilungsmächte assoziiert werden. Die Ukrainier in Galizien bildeten in der multinationalen Habsburgermonarchie genau so eine im Bezug auf die Wiener Politik relativ wenig einflussreiche Gruppe, die in der sozialen Hierarchie der galizischen Provinz selbst, da wo sich die Gruppen mischten eher am unteren Ende standen, da es in galizien viele katholischen polnischsprachige Gutsbesitzer mit ukrainischsprachigen, teilweise orthodoxen de facto von der Gutswirtschaft abhängigen Arbeitskräften gab, während das umgekehrt eher selten der Fall war.
Im Zarenreich wurde die kulturelle Entfaltung der Ukrainer (vor 1905, seit dem 19. Jahrhundert teilweise Publikationsverbote in ukrainischer Sprache etc.) ähnlich repressiert, wie die der Polen und dass dürfte in Polen selbst auch durchaus bekannt gewesen sein, dass die russische Teilungsmacht, die zwar versuchte, den Ukrainern eine "kleinrussische" Identität überzustülpen, diese sich aber durchaus nicht unbedingt als russisch verstanden. Das hatte auch das verschiedentliche Bemühen der Ukrainer um Unabhängigkeit nach dem 1. Weltkrieg und der Versuch der Gründung der "Westurkainischen Volksrepublik" in Ostgalizien (nicht mit dem zu verwechseln, mit dem, was später die Sowjets als "Ukrainische Volksrepublik" gründeten) eindrucksvoll bewiesen.
Zumindest in diesem Fall kann Assimilationsdruck also nicht als Reaktion auf Unterdrückung durch diese Gruppe angesehen werden, sondern hier ging es daraum die seit der Jahrhundertwende stärker werdende ukranische Nationalbewegung, die für sich selbst Rechte einforderte niederzuhaten, ohne dass die irgendwie den historischen Unterdrückern Polens zugerechnet werden könnte.




*Tatsächlich, dass wird weiter vorne im Buch erwähnt, fuhr die zaristische Regierung nicht nur eine gezielte Repressionspolitik gegen den polnischsprachigen Adel, sondern versuchte auch ganz gezielt diesen, sofern nicht assimilationswillig wirtschaftlich zu ruinieren und zum Teil, wenn er sich rebellisch verhielt, seine Güter zu konfiszieren und in somit, mindestens teilweise zu enteignen.
**Józef Piłsudskis älterer Bruder

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By the way, wegen deines Kommentars an anderer Stelle. Können wir uns darauf einigen, dass es ganz schlechter Stil ist hinter dem Rücken anderer über diese abzulästern und das sowas in Zukunft unterbleibt, auch wenn man den anderen nicht besonders mag?
 
Zuletzt bearbeitet:
@Carolus
Das würde mich wundern. Gibt es dazu eine Quelle?
Gut, dann wundere Dich:
Statusdeutsche sind Personen deutscher Volkszugehörigkeit, die im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937 als Flüchtlinge oder Vertriebene Aufnahme gefunden haben. Dieses Datum wurde gewählt, weil das Deutsche Reich zu diesem Zeitpunkt noch in anerkannten Grenzen bestand.
 
Gut, dann wundere Dich:
Statusdeutsche sind Personen deutscher Volkszugehörigkeit, die im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937 als Flüchtlinge oder Vertriebene Aufnahme gefunden haben. Dieses Datum wurde gewählt, weil das Deutsche Reich zu diesem Zeitpunkt noch in anerkannten Grenzen bestand.

Das paßt jetzt nicht so richtig zu Deiner Aussage hier:

Noch eine winzige Ergänzung: RuSTAG , Deutscher ist, wer im Reichsgebiet in den Grenzen vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat

Das RuStAG war dafür auch nicht Grundlage, sondern Art. 116 GG. Der Begriff "Statusdeutscher" stammt auch aus der Nachkriegszeit, s. Statusdeutscher – Wikipedia und Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit – Wikipedia .

Das RuStAG beruhte grundsätzlich auf dem ius sanguinis. Ob und wieweit Nachfahren von ausgewanderten Deutschen oder Volksdeutsche die deutsche Staatsangehörigkeit bereits vor 1945 erworben konnten, habe ich nicht recherchiert. Ich halte es für wahrscheinlich, dass es ähnliche Normen wie in der Nachkriegszeit bereits früher gegeben haben dürfte.
 
Sie funktionierte vor allem auch in Ostpreußen, im Besonderen in Ermland und Masuren nicht, insofern Masuren in der Regel von slawischsprachigen Protestanten bewohnt wurde, während auf dem Gebiet des Bistums Ermland, sich die deutschprachigen Einwohner entschieden hatten, bei der Reformation nicht mit zu machen und beim Katholizismus zu bleiben.
Das führte bei der Grenzziehung zwischen Deutschland und Polen 1918/1919, weil vielfach die Gleichung protestantisch = deutsch, katholisch = polnisch angenommen wurde zu einigen Verwirrungen.
Nicht zuletzt, diese Unklarheit, dass in diesem Gebiet das mit den Identitäten nicht so aufkam, wie man es sich theoretisch vorstellte, dürfte dazu geführt haben, dass dass man in Masuren nach dem 1. Weltkrieg eine Abstimmung über die Zugehörigkeit des Gebietes ansetzte.

Das sind auch wieder Sonderfälle:

Das Ermland war deutschsprachig, gehörte zwar zwischen dem 15. und 18. Jhdt. zum Königreich Polen, war aber innerhalb dessen eigenständig. Nach dem 1. Weltkrieg gab es zwar polnische Gebietsansprüche, die sich letztendlich nicht durchsetzen ließen. Es gab auch kein Plebiszit im Ermland. Kirchlich war das Bistum auch nicht mit den polnischen Bistümern verbunden. Ob es überhaupt eine nennenswerte polnische Minderheit in dem Bistum gab, ist mir nicht bekannt.

Masuren war polnischsprachig (sofern man den dortigen Dialekt nicht als eigenständige slawische Sprache definiert), aber evangelisch. Das Gebiet war nie Teil des polnischen Staates, sondern wurde von Polen besiedelt. Deswegen wurde ein Plebiszit abgehalten, in dem die überwältigende Mehrheit für Deutschland stimmte.
 
Es gab auch kein Plebiszit im Ermland.
Im südlichen Teil des Ermlandes, in den Landkreisen Rößel und Allenstein-Land, so wie der Stadt Allenstein wurde im Juli 1920 durchaus abgestimmt.
Die beiden nördlichen Landkreise Heilsberg und Braunsberg (weiß gerade nicht, ob historisch auch ein Teil des Landkreises Elbing dazu gehörte), waren hingegen nicht Teil des Abstimmungsgebiets.

Kirchlich war das Bistum auch nicht mit den polnischen Bistümern verbunden.
Was daher kommt, dass es historisch seit dem Hochmittelalter als Suffragan dem Erzbistum Riga als dem für die Länder des Deutschodesnsstaats in Preußen und Livland zuständigen Metropolitansitz unterstand*, während es am Anfang des 16. Jahrhunderts Rom Rom gelang gegenüber der polnischen Krone für Ermland den Status eines exemten Bistums, also eines direkt dem Papst unterstellten Bistums ohne zwischengschalteten Metropolitansitz oder Kirchenprovinz durchzusetzen.

*Zummindest offiziell, inoffinzell mischte der Ordensstaat bei der Besetzung der Domkapitel und Bischofsstühle im Baltikum ordentlich mit.
 
@ carolus, Deine Aussagen sind richtig.
Allerdings hätte ich mir mehr Mühe geben sollen hinsichtlich Art. 116 als Grundlage, typisch Flüchtigkeitsfehler
 
Ich habe vor ein paar Tagen angefangen Wolfgang Templins Biographie von Józef Piłsudski (2022) zu lesen, die das in den ersten Kapiteln recht plastisch beschreibt.
Mich wuerde interessieren was Józef Piłsudski in Wolfgang Templins Biographie ueber 1. David Lloyd George und 2. President Wilson waehrend der Friedenkonferenz in Paris/Versailles zu sagen hatte.
Er selber wurde von den Grossen Vier - auf gut franzoesisch - als 'pain in the ass' bezeichnet.
 
Mich wuerde interessieren was Józef Piłsudski in Wolfgang Templins Biographie ueber 1. David Lloyd George und 2. President Wilson waehrend der Friedenkonferenz in Paris/Versailles zu sagen hatte.
Er selber wurde von den Grossen Vier - auf gut franzoesisch - als 'pain in the ass' bezeichnet.
So weit bin ich in dem Buch noch nicht, kann aber gerne schauen, was dazu geschrieben wird, wenn ich so weit bin.

Angesichts dessen, dass die Westmächte eher den Konzeptionen seines politischen Rivalen Roman Dmowski und dessen Vorstellungen eines polnischen Nationalstaates, statt Piłsudskis Wunsch das polnisch-litauische Imperium wieder aufleben zu lassen nahestanden, wird aber die Vermutung erlaubt sein, dass er über die Anführer der Westmächte wahrscheinlich nicht so viel positives zu sagen hatte.

Im Besonderen den Vorschlag der Curzon-Line, dürfte Piłsudski höchst inskzeptabel gefunden und als Versuch gesehen haben, seine eigenen Bemühungen um ein Polen als multiethnisches Großreich mit mehr östlichem Schwerpunkt zu sabotieren.
 
So weit bin ich in dem Buch noch nicht, kann aber gerne schauen, was dazu geschrieben wird, wenn ich so weit bin.
o.k. 1919 war ja der groesste highlight seines Lebens. Seine Raffgier in Paris stand der des Emirs von Mekka, bzw Faysal, in nichts hinternach.
Angesichts dessen, dass die Westmächte eher den Konzeptionen seines politischen Rivalen Roman Dmowski und dessen Vorstellungen eines polnischen Nationalstaates, statt Piłsudskis Wunsch das polnisch-litauische Imperium wieder aufleben zu lassen nahestanden, wird aber die Vermutung erlaubt sein, dass er über die Anführer der Westmächte wahrscheinlich nicht so viel positives zu sagen hatte.
Von Dmowski weiss ich nix, nur eben die Parameter nach denen in Paris nach langen Debatten und Konsultationen die poln. Grenzen festgesetzt wurden: Ethnik, Geschichte, Geographie. Ein Mammutjob der auch recht lange gedauert hatte
Im Besonderen den Vorschlag der Curzon-Line, dürfte Piłsudski höchst inskzeptabel gefunden und als Versuch gesehen haben, seine eigenen Bemühungen um ein Polen als multiethnisches Großreich mit mehr östlichem Schwerpunkt zu sabotieren.
Du bist erstaunlich gut informiert. Und ja, Lord Curzon's Praesentationen in Paris wurden zum Teil auch beruecksichtigt. Aber nicht alle. Es war eben sehr vertrakt.. Pres. Wilson schenkte Piłsudski in Paris ein sympathisches Ohr, weil Polen ihm im Wahlkampf zum Sieg mitgeholfen hatten, quid-pro-quo eben.
Und spaeter dann spielte die Curzon Linie in Yalta wieder eine grosse Rolle, weil Stalin darauf bestand, sie in die neue Grenzlinie zu inkorporieren was auch geschah.
In der Tat, diese kleine Episode wird von Churchill im Yalta-Kapitel beschrieben, wie Stalin mit gruenem Stift die Curzon Linie auf einer Karte, die Roosevelt mitgebracht hatte, eintrug. Diese Karte war mal in der Roosevelt Library ausgestellt worden, ich kopierte sie und habe sie immer noch irgendwo. Hat mir aber nichts gesagt weil ich nix von der Gegend und ihrer Geschichte weiss.
Vielleicht ist 'dokumatland' oder jemand anders daran interessiert. Vielleicht ist sie auch noch in der Roosevelt Library.
Anyway, wenn Du soweit bist, wuerde ich mich freuen wenn Du Piłsudski's Meinungen ueber Lloyd George und Wilson wiedergeben koenntest. Ich vermute mal, dass sie nicht sehr rosig sind, weil nicht alles nach seinem stursinnigem Kopf ging wie er wollte. Danke Dir.
 
Die Verhältnisse in der Provinz Posen und in Westpreußen dürften in der Zwischenkriegszeit sehr untschiedlich gewesen sein. Posen war polnisch geprägt. Deshalb hat der deutsche Staat nach August 1939 die angestammte polnische Bevölkerung (teilweise) vertrieben. Das Gebiet war dann als Aufsiedelungsgebiet für Volksdeutsche aus osteuropäischen Gebieten vorgesehen. Eine kolportierte Ansiedlung der für Deutschland optierten Südtiroler ist wohl nur Propaganda gewesen, faktisch wohl nicht.
Westpreußen dagegen hatte einen bedeutenden deutschen Bevölkerungsanteil und die Kaschuben waren nun auch keine Polen. Der deutsche Bevölkerungsanteil ist strittig. Je nach Bewertung wird dieser mit mindestens 40% bis höchstens 60% angegeben. Man nahm auf diese deutsche Bevölkerung bei der polnischen Staatsneugründung nur an den Randgebieten Rücksicht. Da man unbedingt mit dem polnischen Korridor einen polnischen Zugang zum Meer etablieren wollte, wurden die Wünsche der dortigen Deutschen ignoriert. Irgendwo lief in den ÖRR vor ein paar Jahren eine interessante Doku über deutsche Westpreußen unter polnischer Herrschaft in der Zwischenkriegszeit. Demnach gab es in Westpreußen deutsche Schulen - bis hin zum Gymnasium. Ebenso war das Kulturleben mit deutschen Vereinen und Theatern eigenständig. Adelige deutsche Gutsbesitzer lebten nach der Doku auch weiterhin als abgeschottete Kaste weiter. Für die Deutschen war es jedoch problematisch, dass die Behörden und die Justiz polnisch war. Wurden die Polen in deutschen Augen eher als Unterschicht (Landarbeiter auf den Gütern) wahrgenommen, mussten sie gegenüber staatlichen Stellen als Bittsteller vor polnischen Beamten auftreten.
 
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