Polnische Ausstellung in Danzig setzt sich mit Wehrmacht-Wehrpflicht gegenueber gebuertigen Polen/ Pommeraniern auseinander.
Das mit dem "gebürtig" ist so eine Sache.
Den neuen polnischen Staat, die 2. Polnische Republik gab es ja erst seit 1918/1919 offiziell. Die meisten Personen, die um 1940 herum im wehrfähigen alter waren, waren, sofern sie vor 1918/1919 geboren waren ja durchaus von Geburt an auch mal Staatsbürger des Königreichs Preußen gewesen. (eine tatsächlich deutsche Staatsbürgerschaft war erst von den Nazis eingeführt worden).
Als nach dem 1, Weltkrieg der neue polnische Staat entstand, erhielten erstmal eine Einwohner dieses Gebiets die polnische Staatsbürgerschaft. Sie konnten sich zwar dagegen entscheiden und für die preußische Staatszugehörigkeit entscheiden, wenn sie das taten, mussten sie Polen allerdings verlassen.
"Angehörige der Staaten, die den Krieg verloren hatten, die ihren Dauerwohnsitz in den nun polnischen Gebieten vor dem Stichtag 1. Januar 1919 (Deutsche 1908
[7]) gehabt hatten, wurden automatisch polnische Staatsbürger. Sie erhielten jedoch ein Optionsrecht für ihre ehemaligen Heimatländer. Übten sie diese aus, schloss dies Ehefrau und Kinder mit ein. Im Gegenzug galt dies auch für im Ausland lebende Polen.
[8] Wurde die jeweilige Option ausgeübt, mussten die
Optanten innerhalb zwölf Monate in ihr neues Heimatland umsiedeln. Ähnliches regelte der
Friedensvertrag von Riga (1921) für
Russen in Art. 6 und 7. Hierbei wurden zunächst alle bei Vertragsschluss auf polnischem Gebiet wohnenden ehemals
zaristischen Untertanen automatisch dann Polen, wenn sie dort zum 1. August 1914 ihren Wohnsitz gehabt hatten. Dieser Personenkreis erhielt ein Optionsrecht für Sowjet-Rußland oder die
Ukrainische Volksrepublik, das bis 30. April 1922 auszuüben war."
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Im Gebiet der freien Stadt Danzig galten andere Regeln.
Diese Regelung, hat bewirkt, dass zwischen den Weltkriegen tatsächlich Teile der deutsprachigen Einwohner Polen verließen, andere dürften, um in ihrer Heimat verbleiben zu können, die polnische Staatsbürgerschaft behalten, diesen Zustand aber nicht unbedingt gemocht haben.
Als Polen 1939 von den deutschen Truppen besetzt wurde, erklärten die Nazis, die ehemaligen Provinzen Westpreußen und Posen zusammen mit einigen darüberhinausgehenden Gebieten als "Reichsgaue" "Danzig-Westpreußen" und "Wartheland" für annektiert und stülpten denjenigen Einwohnern, die vor 1918 mal Staatsbürger des Königreichs Preußen gewesen und deutschsprachig waren, die deutsche Staatsangehörigkeit über - zummindest, sofern diese Personen den rassistischen Vorstellungen der Nazis entsprachen.
Personen, in Polen, die dem nur bedingt entsprachen konnten dabei zum Teil die deutsche Staatsbürgerschaft, allerdings nur auf Widerruf, oder eine Anwartschaft auf eine Staatsbürgerschaft auf Widerruf erhalten:
- Volksliste 3: entweder so genannte „Stammesdeutsche“, also Menschen, die angeblich ‚deutscher Abstammung‘ waren, obwohl sie in der Regel nicht mehr Deutsch sprachen, oder aber Angehörige der sog. Zwischenschicht, also Kaschuben und Schlonsaken, soweit sie nicht Mitglieder in polnischen politischen Organisationen waren. Sie bekamen die „deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf“.[2]
- Volksliste 4: sog. Renegaten, d. h. Menschen, die nach Auffassung der deutschen Zivilverwaltung ‚deutscher Abstammung‘ waren, die aber „ins Polentum abgeglitten waren“, d. h. sich selbst als Polen betrachteten. Sie erhielten die „Anwartschaft auf die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf“ und waren von der Wehrpflicht ausgenommen.
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Polnisch- oder Kaschubischsprachige Personen, die in diesem rassistischen Hierarchiesystem in die "Volkslisten 3 und 4" eingeordnet wurden, waren also in permanenter Gefahr, ihre deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sie sie erhalten hatten, wieder zu verlieren, oder eine mögliche Anwartschaft darauf zu verlieren.
Der Verlust der Staatsbürgerschaft oder der Anwartschaft, konnte schwerwiegende Repressionen nach sich ziehen, unter anderen Zwangsumsiedlung/Deportation, weil die Nazis das Gebiet "germanisieren" und durch Vertreibung von Minderheiten Platz für ihren rassistischen Kriterien entsprechende Siedler schaffen wollten, oder auch andere Repressionen, wie Zwangsarbeit, im schlimmsten Fall (betraf besonders die polnische Inteligenzija, auch Ermordung).
Dementsprechend war es für Familien mit teilweise polnischen Wurzeln, sofern sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten, sinnvoll alles erdenkliche zu tun um sie nicht zu verlieren, oder sich den Nazis anzudienen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten und wenigstens einigermaßen von den rassistischen Repressionen im NS-System verschohnt zu werden.
In diesem Zusammenhang konnte es z.B. für junge Männer, die und deren Familien in der "Volksliste 4" eingeordnet waren und die nicht direkt der Wehrpflicht unterfielen, Sinn ergeben, sich "freiwillig" dem deutschen Militär zur Verfügung zu stellen, um die eigene Loyalität zu beweisen und die Chancen der eigenen Familie auf die Anerkennung als deutsche Staatsbürger zu verbessern.
Für diejenigen, die in die "Volksliste 3" eingeordnet waren, die deutsche Staatsbürger auf Widerruf waren, wiederrum, ergab es Sinn, nicht zu versuchen sich der von den Nazis verordneten Wehrpflicht zu entziehen, oder Befehle zu verweigern, weil dass die eigenen Familien womöglich in Gefahr gebracht hätte die deutsche Staatsbürgerschaft wieder zu verlieren und vom NS-Regime als Feinde behandelt zu werden.
Dafür, warum genau sich Personen aus polnischen Kontexten der deutschen Besatzungsmacht angeschlossen hatten, interessierten sich die Sowjets und auch die polnischen Kommunisten unmittelbar nach dem Krieg allerdings wenig, so dass solche Personen zum Teil in der Nachkriegsgesellschaft zummindest Repressionen und Benachteiligungen ausgesetzt waren und bei Nachbarn, die diesen Weg nicht eingeschlagen hatten (sei es weil sie nicht wollten, oder die Vorraussetzungen nicht gegeben waren) und die massiver unter den deutschen Repressionen zu leiden hatten, dürften diejenigen, die mit den deutschen collaboriert hatten, auch nicht besonders beliebt gewesen sein.
Das Phänomen der Collaboration und deren Aufarbeitung war ja durchaus nicht nur für Polen nach dem Krieg ein Problem, das gab es in ähnlicher Weise auch in anderen besetzten Ländern wie Frankreich oder Italien.
Mit dem Unterschied nur, dass auch wenn dass z.B. in Frankreich bis heute ein schwieriges Thema ist, dort nach dem Krieg eine offene, demokratische Gesellschaft vorhanden war, in der man sehr viel früher anfangen konnte diese Dinge zu debattieren.
In den unter sowjetischem Einfluss stehenden Ländern war dass natürlich nicht so einfach, so dass viele Themen, die eigentlich diskutiert werden müssten eingefrohren blieben und die anzugehen, vielleicht auch im Klima der nationalen Aufbruchsstimmung der 1990er Jahre nicht unbedingt erwünscht war.
In Deutschland hat es ja durchaus auch eine lange Zeit gebraucht, bis bestimmte Themen angegangen worden sind und gerade bei sensiblen Themen, die man nicht auf das Regime allein schieben konnte, sondern in die Teile der normalen Bevölkerung verwickelt waren (oder die daran partizipierten oder davon profitierten), wie die Verbrechen der Wehrmacht oder die mörderische Zwangsarbeit und Debatten um Entschädigung dafür, sind auch erst seit den 1980er und 1990er Jahren in Deutschland wirklich breit diskutierte Themen geworden.
Da verwundert es durchaus nicht, wenn man sich auch in Polen oder anderen Ländern mit er der Aufarbeitung und dem Bruch verschiedener Narrative eher schwer tut.