Die Frau als Herrscherin

Richtig übel konnte es werden, wenn Frauen die Regentschaft für einen minderjährigen Monarchen beanspruchten, es aber Männer gab, die das nicht akzeptieren wollten.

Besonders drastische Folgen hatte das im Byzantinischen Reich:
Nach dem Tod von Kaiser Andronikos III. 1341 folgte ihm sein unmündiger Sohn Johannes V. Für ihn wollte seine Mutter Anna von Savoyen die Regentschaft führen, hatte aber das Handicap, als aus dem katholischen Westen stammende „Lateinerin“ von vielen Byzantinern scheel angesehen zu werden. Ebenfalls die Regentschaft beanspruchten der Patriarch von Konstantinopel und ein gewisser Alexios Apokaukos, ein Emporkömmling, der es u.a. bis zum „Megas Dux“ (Flottenoberbefehlshaber) brachte, aber wegen seiner bescheidenen Herkunft ebenfalls einen schweren Stand bei der adelsstolzen byzantinischen Oberschicht hatte.
Das größte Problem war aber Andronikos‘ alter Kumpel Johannes Kantakuzenos, der Andronikos III. bereits in dessen Bürgerkriegen gegen dessen Großvater Andronikos II. maßgeblich unterstützt (und angetrieben) hatte: Andronikos III. wollte zwar die Ehren eines Kaisers, war an den Regierungsgeschäften aber nicht sonderlich interessiert, und nach einem völlig fehlgeschlagenen Feldzug gegen die Türken in Kleinasien scheint er noch mehr an Motivation verloren zu haben. Faktisch überließ er das Regieren Johannes Kantakuzenos, der „Megas Domestikos“ (Heeresoberbefehlshaber) wurde. Nach dem frühen Tod von Andronikos III. war Johannes Kantakuzenos nicht bereit, plötzlich zurückzustecken, und als seine Gegner nicht bereit waren, ihn weiter als Machthaber zu akzeptieren, ließ er sich selbst zum Kaiser proklamieren.
Die Folge war ein jahrelanger verheerender Bürgerkrieg zwischen Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos einerseits und der Gegenpartei um den legitimen Kaiser Johannes V., zu der sich die Kaisermutter Anna, der Patriarch und Apokaukos (nicht friktionsfrei) zusammengeschlossen hatten. Gekämpft wurde eher wenig, dafür aber umso mehr geplündert, wodurch Wirtschaft und Staatseinnahmen weitgehend zusammenbrachen. Noch schlimmer: Der Machtkampf erhielt rasch auch eine soziale Dimension, weil die Oberschicht großteils Johannes VI. Kantakuzenos unterstützte, das Volk hingegen die Partei um Johannes V. In vielen Städten kam es zu – oft gewaltsamen – sozialen Unruhen. In Thessalonike, der zweitwichtigsten Stadt des Reiches, übernahm eine Partei von sozialrevolutionären „Zeloten“ für einige Jahre faktisch die Macht. Noch schlimmer: Nach anfänglichen Misserfolgen verbündete sich Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos mit dem serbischen König Stefan Dusan, der aber alles andere als ein selbstloser Helfer war, sondern etwa die Hälfte des byzantinischen Reiches eroberte und für sich selbst behielt. Noch schlimmer: Beide Parteien, vor allem aber Johannes VI. Kantakuzenos, verbündeten sich mit Türken aus Kleinasien und holten sie nach Europa, wo diese zwar wenig kämpften, aber viel plünderten und vor allem auch versklavten. Ganze Landstriche wurden entvölkert. Die Menschen flohen in die befestigten Städte, die Landwirtschaft wurde völlig vernachlässigt.
Als 1347 Johannes VI. Kantakuzenos endlich Konstantinopel einnehmen konnte, hatte er sich zwar durchgesetzt, regierte jetzt aber über ein stark geschrumpftes Reich, das völlig am Boden lag und sich nie wieder erholte. (Ein paar Jahre später gab es dann obendrein eine Neuauflage des Bürgerkriegs.)
(Anna und ihr Sohn wurden übrigens geschont.)

Meiner Meinung nach war das die Hauptursache für den Untergang des Byzantinischen Reiches (und nicht der 4. Kreuzzug, von dessen Folgen es sich leidlich wieder erholt hatte).
 
Danke für diesen sehr konzisen Überblick!
Meiner Meinung nach war das die Hauptursache für den Untergang des Byzantinischen Reiches (und nicht der 4. Kreuzzug, von dessen Folgen es sich leidlich wieder erholt hatte).
Das klingt jedenfalls sehr plausibel. Auch wenn 1204 sicherlich nicht geholfen hat. Oder die Tatsache, dass "Ostrom" sozusagen das Spiel der Reiche auf der höchsten Schwierigkeitsstufe spielte, was Geographie, Ökonomie und Militär anlangte. Die Byzantiner waren auf Anatolien und das Nildelta angewiesen, um Überschüsse zu generieren, und beide Gebiete waren nach dem Aufkommen des Islam eigentlich kaum mehr zu verteidigen.
 
Noch nicht genannte Herrscherinnen aus eigenem Recht:

Åsa Haraldsdottir (fl. 830), nur durch literarische Quellen greifbare (Klein-)königin von Agder im heutigen Norwegen, das sie zwanzig Jahre beherrscht haben soll. Harald Schönhaar soll ihr Enkel gewesen sein. Manche Historiker halten sie für die Frau aus dem Oseberg-Schiff.

Æthelflæd von Wessex (870-918), durch Heirat Königin von Mercia. Anscheinend wurde sie bereits von ihrem Mann Æthelred zur Mitherrscherin gemacht und nach dessen Tod von den Großen Mercias als neue Königin (explizit nicht: als Regentin) akzeptiert. In den Quellen erscheint sie als militärisch starke Herrscherin, die ihre Grenzen befestigen ließ und ein Heer ins Feld geführt hat.

Marie von Ponthieu (1199-1250) Gräfin von Ponthieu und Montreuil. Nach dem Tod ihres Vaters herrschte sie fast dreißig Jahre lang an der Seite ihres Mannes, Simon von Dammartin. Ihr Handlungsspielraum war weniger durch ihren Mann begrenzt als durch den politischen Fallout der Tatsache, dass Simon bei Bouvines auf Seiten von Kaiser Ottos IV. gegen Frankreich gekämpft hatte.

Tamar Bagration (1160-1213), König von Georgien. Sie ließ sich mit 25 zur Ehe mit Juri von Nowgorod überreden, den sie aber nach drei Jahren verstieß, im Zuge seiner Rebellion militärisch besiegte und verbannte. Sie herrschte unangefochten selbständig, in Georgien wird sie bis heute verehrt, ihre Herrschaft gilt als goldenes Zeitalter.

Rusudan Bagration (1194-1245), König von Georgien als Erbin ihrer Mutter. Weit weniger erfolgreich als diese.

Isabel de Redvers (1237-1293), Gräfin von Devon und der Isle of Wight, durch Heirat auch Gräfin von Aumale. Zu ihren Lebzeiten die reichste Frau Englands, herrschte sie über ihre Ländereien umsichtig, wurde im Krieg der Barone jedoch zum Spielball der Politik und musste sich Versuchen, sie zu heiraten, durch Flucht entziehen. Auf dem Sterbebett wurde sie von Eduard I. um ihr Erbe gebracht.

Mathilde von Artois (1268-1332), Gräfin von Artois, durch Heirat auch Freigräfin von Burgund. Sie bekämpfte den Anspruch des männlichen Erben ihres Vaters, ihres Neffen Robert, und regierte das Artois lange erfolgreich und mit harter Hand. Nach französischem Recht hätte Robert die Erbfolge wohl antreten dürfen, verhielt sich aber so ungeschickt (u.a. wurde er der Fälschung überführt), dass Mathilde ihr Land behaupten konnte.

Maria von Anjou (1371-1395), König von Ungarn und Kroatien. Anfangs akzeptiert, verlor sie vor allem durch das Taktieren ihrer Mutter, der Regentin Elisabeth von Bosnien, im ungarischen Reichsteil an Popularität, wurde entmachtet und beinahe ermordet. Als Gemahlin Sigismunds von Luxemburg kam sie als Mit-Herrscherin wieder auf den Thron, war aber Sigismunds Expansionsplänen untergeordnet.

Hedwig von Anjou (1373-1399), Schwester der Vorgenannten, ebenfalls als König von Polen gekrönt. Ihr Herrschaftsantritt wurde von den polnischen Großen sogar gefördert, da er die politische Balance in Polen wahrte. Die Quellen gehen stark auseinander—manchmal erscheint sie als passiv und machtlos, Jan Długosz zufolge trat sie jedoch als König aus eigenem Recht auf, es seien sogar eine Rüstung und ein Schwert für sie gefertigt worden. Nach der Heirat mit Jogaila von Litauen herrschten sie gemeinsam. Der als Heide geborene nachmalige Władysław II. war um Legitimität bemüht und stets auf Konsens mit ihr bedacht.

Was mir beim Durchschmökern der Wikipedia auffällt:

Herrscherinnen treten in dieser Epoche offenbar eher im östlichen als im westlichen Europa auf, ausgenommen die britischen Inseln.

Auf den britischen Inseln treten zur Zeit der Pentarchie, aber auch später überraschend viele starke Frauengestalten auf. Man könnte sich fragen, ob Frauen es im mittelalterlichen England nicht besser hatten als vielerorts auf dem Kontinent, denn auch Bürgersfrauen genossen einen hohen Status (wie z.B. die Statuten von Lincoln zeigen).

Und: Schon der im mittelalterlichen England erhobene Vorwurf, dass das "salische Gesetz" nur Fassade sei, wirkt mehr oder weniger bestätigt. Vor allem im Hochmittelalter treten in Frankreich viele Erbtöchter auf, die (teils erfolgreich) selbst zu herrschen versuchten.

Außerdem muss ich diese Aussage überdenken:
Und auch wenn die Auffassung, dass Frauen zum Regieren nicht "taugten" (schon weil man sie nicht als waffenfähig ansah), gewiss weit verbreitet war, so war dies doch nur eine Facette der Erwartungshaltung der Feudalgesellschaft an die Person an der Spitze der Staates. Minderjährige, alte, gebrechliche, unfruchtbare oder sonstwie körperlich eingeschränkte Männer wurden ebenso beargwöhnt.
Denn ironischerweise scheinen sich Erbtöchtern die besten Optionen just in Krisenzeiten eröffnet zu haben, wenn man doch argwöhnen konnte, dass gerade in solchen Phasen militärisch potente männliche Herrscher die besten Chancen auf Akzeptanz gehabt hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was mir zum Thema „Herrscherinnen“ immer wieder auffällt:
In der Gegenwart wird vor allem von „linken“ Parteien eine Unterrepräsentation von Frauen in der Politik beklagt und nach Quotenregelungen und mehr Frauen in Führungspositionen gerufen. Tatsächlich sind es aber eher „rechte“ Parteien, die Letzteres tatsächlich verwirklichen. Man könnte auch sagen: Linke kritisieren und fordern, Rechte handeln und stellen gleich.

Beispiele:
In Österreich kamen die erste Bundesministerin, die erste Frau im Präsidium des Nationalrats (Parlamentspräsidium) sowie die erste Landeshauptfrau (Regierungschefin eines Bundeslandes) alle von der konservativen ÖVP. Bei Bundespräsidentenwahlen stellte die ÖVP bis jetzt einmal eine Kandidatin auf, die „rechtspopulistische“ FPÖ sogar schon zweimal, die sozialdemokratische SPÖ hingegen noch nie.
In Großbritannien gab es bis jetzt drei Premierministerinnen (Margaret Thatcher, Theresa May, Liz Truss) – und alle kamen von den Konservativen. Die Labour Party beförderte bislang nur Männer ins höchste Amt.
Die erste deutsche Bundeskanzlerin, die erste italienische Ministerpräsidentin und jetzt die erste japanische Ministerpräsidentin – sie kamen alle von konservativen bzw. „rechten“ Parteien.
 
@Ravenik

Deine Beobachtung ist treffend, doch könnte man Dir erwidern (um mal des Teufels Advokaten zu spielen), dass dies bloß ein Versuch sein könnte, modern und meritokratisch zu wirken. Auch wird man wohl sagen können, dass besagte Politikerinnen "maskulin" handelten und männliche Konfliktbewältigungs- und Machtstrategien übernahmen (was die Linke ablehnt). Margaret Thatcher bspw. wies ja sogar noch den Vorschlag von sich, Frauen in ihr erstes Kabinett zu berufen. Manche dieser Politikerinnen traten/treten auch betont maskulin auf (Hosenanzug, Kurzhaarschnitt).

Allgemein gesagt, scheint mir, dass die politische Linke sich heute in einer ähnlichen Position befindet wie die Rechte in den 1960er Jahren. Sie versteht den politischen Gegner nicht, deswegen scheitert sie auch so kläglich dabei, ihn zu stellen. Die starre Links-Rechts-Dichotomie stößt bei Neuerungen und Umwälzungen rasch an ihre Grenzen als Deutungsgrundlage, wozu auch die Medien durch Verallgemeinerungen und Projektion beitragen (indem sie etwa Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Rechten verwischen).

Wenn z.B. die politische Linke im Deutschen Bundestag glaubt, Alice Weidels Glaubwürdigkeit zu untergraben, indem sie rhetorisch fragt, was eine mit einer Sri-Lankerin liierte Frau in einer als fremdenfeindlich, misogyn und homophob eingestuften Partei zu schaffen hat, greift ihr Denken zu kurz. Ohne auf ideologische Details eingehen zu wollen, nur so viel: Sie unterschätzen, dass Weidels Geschlecht und Sexualität der Mehrheit der Wähler und Parteimitglieder egal (oder zumindest weniger wichtig ist), weil sie sie für diejenige halten, die ihnen geben wird, was sie wollen.

Dieser scheinbare Widerspruch ist auch kein neues Phänomen. Beispiel: Wie viele "Arbeiterführer" des 20. Jahrhunderts kamen denn wirklich aus der Unterschicht? Um aber den Bogen von der Politik zur Historie zu schlagen, ein Punkt aus dem ersten Absatz erscheint mir auch für eine abstrakte Betrachtung des Themas dieses Fadens relevant.

Es gilt ja als Binse, dass Männer eine negative Meinung von wettbewerbsorientierten Frauen haben, die männliche Konfliktbewältigungs- und Machtstrategien übernehmen, nach dem Muster: Setzt sich der Mann durch, ist er ein toller Hecht, setzt sich die Frau durch, ist sie eine Zicke.

Und während Klischees und Rollenbilder selbstverständlich eine Rolle spielen, wird eines doch vielleicht verkannt.

Machtstreben geht mit einem geringen Wert in der Charaktereigenschaft Verträglichkeit einher (siehe: Big Five). Im Mittel weisen Männer und Frauen fast gleiche Werte auf, doch in den hohen Perzentilen (sehr auf Ausgleich bedacht) überwiegen die Frauen, und in den niedrigen (wenig auf Ausgleich bedacht) die Männer. Macht liegt sehr oft bei gering verträglichen Männern. Aber: selten lange! In menschlichen Gesellschaften wie im Tierreich gilt, dass aggressiv-dominante Männchen schnell von weniger aggressiven Männchen gestürzt werden, die sich dazu verbünden.

Aggressivität wird also auch im Patriarchat durchaus nicht rundheraus belohnt. Ich würde vielmehr vermuten, dass es so etwas wie ein richtiges Maß an Verträglichkeit gibt, um sich an die Spitze von Gesellschaften mit konsensbasierten Herrschaftssystemen stellen zu können—und dass prinzipiell immer schon auch Frauen an die Spitze rücken konnten, wenn sie das richtige Maß besaßen und das Glück hatten, nicht von den Fesseln der Männer unterwegs aufgehalten zu werden. Insofern wäre die Herrscherin nicht mehr nur als Frau zu betrachten.

Ich bin auch wirklich der Ansicht, dass in historischen Dimensionen nicht so sehr Sexismus (der gleichwohl natürlich eine sehr wichtige Rolle spielte) Frauen den Zugang zur Macht erschwerte, sondern dass sie auch (oder sogar: vor allem) Opfer einer inhärenten Schwäche des Feudalismus wurden. Denn die Stabilität traditioneller personengebundener Herrschaftsformen (im Sinne Max Webers) des Mittelalters und der Frühneuzeit litt stets darunter, dass Wohl und Wehe des ganzen Staates von einer einzigen Person abhingen.

Jeder neue Kopf unter der Krone bedeutete eine potenzielle Katastrophe: Krieg, Instabilität, Bankrott, Verlust von Rechten und Privilegien, des Eigentums, der Freiheit, des Lebens. So etwas wie Vorschussvertrauen konnte sich der Untertan nicht leisten. Selbst wenn er bspw. frei von Vorurteilen gegenüber Frauen gewesen wäre, wäre es dennoch potenziell riskant für ihn gewesen, sich einer Herrscherin unterzuordnen. Denn die konnte ja jederzeit zum Ziel innerer und äußerer Feinde werden, die ihrerseits eine Herrscherin nicht duldeten oder für schwach hielten.

Minderjährige, gebrechliche oder illegitime männliche Thronerben waren für traditionelle Herrschaften deshalb ebenfalls ein großes Problem, insofern kann man nicht monokausal nur auf die Unterdrückung der Frau an sich abstellen (wie es vor allem das moderne Mittelalterbild tut). Und mag es für intersektionalistisch-identitär denkende Menschen auch verlockend sein, den Feudalstaat auf das Patriarchat zu reduzieren, das nur virile Kraftbolzen an der Spitze duldet, so kann man doch eines konstatieren: Auf jede Maria von Anjou kamen gott-weiß-wie-viele Sigismunds von Luxemburg, "virile Kraftbolzen" eben, an deren Thronen gleichfalls ihr Leben lang gesägt wurde.

Mein Fazit wäre, dass erst die stabile legale Herrschaft (wieder im Sinne Webers) sich dazu finden konnte, einen Prozess zu tolerieren, an dessen Ende weibliche Herrschaft hoffentlich nichts mehr sein wird, das noch Staunen erregt.

Denn zwar hängt natürlich der Erfolg eines Gemeinwesens immer noch (auch) von seinem jeweiligen Anführer ab. Andererseits kann man Machtwechseln nun entspannter entgegensehen, weil es einen Staatsapparat und Gesetze gibt, die den Anführer gleichermaßen einhegen wie stützen. Der Feudalstaat suchte pausenlos Kapitäne für das raueste Fahrwasser, der moderne Rechtsstaat kann andere Qualitäten priorisieren. Und bevor jemand meint, ich würde hier Frauen die Fähigkeit absprechen, ein Schiff durch raue See zu steuern—ganz und gar nicht, und außerdem: Der Kapitän, der nur dann taugt, wenn das Schiff unterzugehen droht, ist in allen anderen Situationen unnützer Ballast.
 
Nur ganz kurz: Es mag sein, dass es bisher eher konservative bis rechte Parteien waren, die Frauen in Regierungschefämter gehoben haben (es gibt Leute, die der Auffassung sind, dass die Entscheidung der Grünen für Baerbock als Kanzlerkandidatin 2021 die Grünen die Kanzlerschaft gekostet habe und Scholz vor allem deswegen Kanzler geworden sei, wenn sie sich damals für Harbeck entschieden hätten, wäre der spielend Kanzler geworden - ich halte das mehr für Kaffeesatzleserei als politische Analyse, aber sei's drum).
Der Blick auf den Regierungschef ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Man muss auch in die Kabinette und Parlamente schauen.
Am österreichischen Bsp. Der Frauenanteil insgesamt im Parlament liegt bei ca. 36 %. Während die SPÖ und die NEOs auf fast 50 % kommen, liegen die Grünen auf über 50 %. ÖVP und FPÖ hingegen liegen bei einem Drittel bzw. einem Viertel Frauenanteil. Die Frau als Regierungschefin ist nicht alles, das Gesamtbild muss beleuchtet werden, wenn man dieses Fass aufmacht.
 
Ich bezog mich in meinem Beitrag aber ausdrücklich auf die „Führungspositionen“ (da es in diesem Thema ja um „Herrscherinnen“ geht). In der Masse der Abgeordneten für einen hohen Frauenanteil zu sorgen, ist das eine, die wirklich wichtigen Posten aber dann doch Männern vorzubehalten (oder vorsichtshalber Männer kandidieren zu lassen), das andere.

Ich habe schon den Verdacht, dass manche Parteien mitunter auf „Nummer Sicher“ gehen wollen und ihnen dann die Erringung des Spitzenamtes im Zweifel doch wichtiger ist als die Gleichberechtigung. Denn immerhin wird es nach wie vor Männer geben, die aus Prinzip für Männer stimmen.

Um auf Österreich zurückzukommen:
Bei der Bundespräsidentenwahl 2004 trat erstmals eine Frau mit echten Siegesaussichten an. Das Duell lautete Mann (SPÖ) gegen Frau (ÖVP). Der Mann gewann.
Bei der nächsten „echten“ (die Wahl 2010 war eher belanglos, da von Vornherein klar war, dass der Amtsinhaber wiedergewählt würde) Wahl 2016 schickten dann alle Parteien (auch Sozialdemokraten und Grüne) Männer ins Rennen. (Lediglich als Unabhängige trat eine Frau an, die von den NEOS eher halbgar-inoffiziell unterstützt wurde.) Zufall? Oder wollte niemand etwas riskieren?
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann setzt du aber für die die Demokratie (Souverän: das Volk) die gleichen Kriterien an, wie für die Monarchie (Souverän: Der Monarch, in Konkurrenz mit dem Adel und den Ständen).
 
Beispiel: Wie viele "Arbeiterführer" des 20. Jahrhunderts kamen denn wirklich aus der Unterschicht? Um aber den Bogen von der Politik zur Historie zu schlagen, ein Punkt aus dem ersten Absatz erscheint mir auch für eine abstrakte Betrachtung des Themas dieses Fadens relevant.
Ist die Frage, was genau "Unterschicht" ist. August Bebel (Drechsler), Friedrich Ebert (Sattler), Ernst Thälmann (Transportarbeiter) entstammten jedenfalls der Arbeiterschaft, und ich könnte mehr Beispiele nennen. Die beiden ersten mögen mit einer ordentlichen Ausbildung zu den besser (aus-) gebildeten Arbeitern gehört haben, aber immer noch zur der Klasse, die gesellschaftlich ausgeschlossen war und die sie vertraten
 
Zurück
Oben