Abriss des P. d. R.

Warst du drin?
sanierungsbedürftige asbestverseuchte Gebäude stehen noch genug in Deutschland rum, ist sozusagen nichts besonders.
 
Strupanice schrieb:
Mag man zur Architektur des Palastes stehen, wie man will. Es geht ja im Grundtenor um die "Wiedergutmachung" des Stadtschloßabrisses.
Weder Palastabriss, noch Nachbau des Stadtschlosses, werden das Original wiederbringen.
Wenn hier keine Sponsoren gefunden werden, hat Berlin bald eine weitere große Grünfläche.

Ich persönlich bin ja aus rein architektonischer Sicht für den Aufbau des Stadtschlosses in den Abmaßen des 15. Jh. Da haben wir gleich auch noch ein wenig Cölln wiederaufzubauen.:yes:

Ein seltsamer und merkwürdiger Grundtenor.

Man kann zwar nichts wiedergutmachen,... man kann aber wieder ein Stück Geschichte plattmachen.

Wer hier glaubt, dass sachliche Argumente den Ausschlag gegeben hätten, der möge auch bitte erklären, warum man noch nicht weiss, was denn anstelle des P.d.R. aufgebaut werden solle, und warum ausgerechnet der Abriss des P.d.R. nicht in die Abrissorgie fällt, mit der unser Land seit Kriegsende überzogen wird. Zu dieser Orgie zähle ich auch den Abriss des Berliner Stadtschlosses, sowie den Abriss der Ostdeutschen Industrie.

Man weiss zwar nicht, was man anstelle des P.d.R. aufbauen will, aber man weiss was man zerstören will. Das genügt scheinbar.

Das Ganze erinnert mehr an die Bilderstürmerei des Mittelalters ausgelöst von religiösem Wahn oder Aberglauben.

mfG Jürgen
 
Jürgen schrieb:
Man weiss zwar nicht, was man anstelle des P.d.R. aufbauen will, aber man weiss was man zerstören will. Das genügt scheinbar.

Nein. Was man bauen will ist per Bundestagsbeschluß gesagt, nur nicht wann es fertig wird....
 
Historisierendes Bauen ist eine immer ein wenig zwiespältige Sache. Einerseits steckt dahinter ein ganz einfaches "Unser Dorf soll schöner werden", also wird es herausgeputzt, wie es auf Spitzwegbildern aussehen könnte; andererseits möchte man gerne etwas an die kulturelle Tradition vergangener Zeiten anschließen: so erklärt sich der Umstand, dass fast alle Kirchen aus der Kaiserzeit in spätromanischem Stauferstil gebaut sind; Gotik ist zu aufwendig und teuer, und mit der Romanik schließt man an den Kaiserdom in Speyer an.
Ich kann es verstehen, wenn mit einer großen Kraftanstrengung ein einmaliges Kunstwerk wie die Dresdner Frauenkirche rekonstruiert wird: auch wenn der Bau danach ein Phantom seiner selbst ist, wird die Zeit daraus wieder einen akzeptierten und "gewöhnten" Bau machen. Das ist ein bisschen so wie beim Kölner Dom, bei dem auch keiner* heute den Anspruch stellt, die mittelalterliche Bauruine wieder freizulegen und die "Preussenkirche" als Symbol einer ungeliebten Okkupationszeit abzureissen.

Das Berliner Stadtschloss in seiner letzten Bauphase ist nicht zu vergleichen mit der Frauenkirche. Seine Rekonstruktion trägt etwas dazu bei, die wüst verbaute Berliner Innenstadt wieder etwas zu "verschinkeln" und sie somit wieder gediegener, kaiserlicher, wohnzimmeriger zu machen: Anknüpfung an das prosperierende Berlin der Kaiserzeit, wie gesagt. Klar werden die deutschen Innenstädte auf absehbare Zeit immer noch - auch bei den größten Anstrengungen der Rekonstruktion - aussehen wie das zusammengeklebte Porzellanservice der Familie. Aber es gibt eben keine "Rückkehr" zu einem vorherigen Status, nur verschiedene Formen der Annäherung.

An was nähert sich das "Humboldt-Forum formerly known as 'Stadtschloss'" an? Keine Ahnung. Die Pläne eines Wirtschafts- und Kongresszentrums sind verzweifeltes Angeln nach "Investoren", d. h. ein weiterer Ausschluss der unbetuchten Öffentlichkeit, wie sie auch schon heute in vielen Innenstädten stattfindet (ich sage nur: "Kö"). Eine (Frauen- oder Dom-)kirche ist ein integrierendes Element, das Touristen wie Einheimische anzieht und ihnen zumindest (je nach Religion) eine Art geistiges zuhause gibt. Ein Palast, sei es der "Republik" (mit der Partei als Inhalt) oder des "Kaisers" (auch mit Wirtschaftsmagnaten als Inhalt) ist Symbol der Herrschaft und Dominanz. Ob das jetzt so unbedingt wünschenswert ist, das eine durch das andere zu ersetzen, bleibt dahingestellt, ich für meinen Teil würde aber keinen müden Cent dafür spenden.

* Ausser mir, ich fände das groovy. Und ich hätte gerne den mittelalterlichen Baukran wieder als Symbol der Stadt, mit seiner jahrhundertealten Aussage "kütts'te hück nit, kütts'te morje".
 
Arne schrieb:
Wenn Honeckers Lampenladen irgendwo in einem modernen Bauviertel gestanden hätte, wäre ich auch aus Denkmalschutzgründen mit einer Erhaltung einverstanden. Aber nicht an dieser Stelle.

Das ist eine sehr eigenartige Sicht von "Denkmalschutz", die Du hier vertrittst.

Wenn ein Gebäude ein schützenswertes Denkmal ist, dann ist es tunlichst auch an dem Ort zu erhalten, für den es gebaut ist.

Sonst könnte man auch sagen: Mit der Erhaltung des kitschigen Schlosses Neuschwanstein wäre ich aus Denkmalschutzgründen einverstanden, aber nicht an dieser Stelle, wo es die schöne Berglandschaft verschandelt.
 
hyokkose schrieb:
Das ist eine sehr eigenartige Sicht von "Denkmalschutz", die Du hier vertrittst.
Ist halt die Sicht den Grad der Schutzwürdigkeit in ein Verhältnis zu anderen Interessen zu setzen. Beim PdR steht nach meiner Einschätzung die Schutzwürdigkeit gegenüber anderen Interessen zurück. Und dies scheint ja wohl auch die Ansicht der Berliner Denkmalschutzbehörde gewesen zu sein.

Wenn ein Gebäude ein schützenswertes Denkmal ist, dann ist es tunlichst auch an dem Ort zu erhalten, für den es gebaut ist.

Sonst könnte man auch sagen: Mit der Erhaltung des kitschigen Schlosses Neuschwanstein wäre ich aus Denkmalschutzgründen einverstanden, aber nicht an dieser Stelle, wo es die schöne Berglandschaft verschandelt.
Gerade weil es so schwierig ist festzulegen, was unter Denkmalschutz gestellt werden soll und was nicht, arbeiten ja viele Leute im Beamtenapparat daran.
Hier in Wolfsburg wurde eine alte Tankstelle aus den 50er Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Das brachte nicht nur Diskussionen in der Bevölkerung, was daran erhaltenswert sei sondern auch den Mineralölkonzern in Schwierigkeiten, weil er einerseits den neuen Bauvorschriften genügen sollte und andererseits das äussere Bild nicht verändern durfte. Da wurde dann einige Jahre dran rumgebut, bis es mit vielen Kompromissen eine Tankstelle im alten Stil aber mit neuer Technik wurde - nach drei Jahren war Schluß und jetzt kommt ein BurgerKing rein...mit der gleichen Diskussion wie einige Jahre vorher: Denkmalschutz vs. Nutzung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Anish schrieb:
@Joinville Du schreibst: "Denn die meiste Zeit diente der Palast eher der Unterhaltung oder für Parteiveranstaltungen auf denen eh nichts großes entschieden wurde."
Und weiter oben, dass es nichts gibt, was es wert wäre sich daran zu erinnern....

Zum Ersten:
Es war ein Palast des Volkes, allen zugänglich, mit Restaurants, Konzerten Tanz usw. Man konnte auch einfach in irgendeiner der gemütlichen Ecken sitzen und sein mitgebrachtes Brötchen essen. Es war immer Leben drin und zu Großveranstaltungen war da was los. Da spielte mal eine Newcomerband in einer Ecke und wer wollte, konnte zuhören oder vorbei gehen und mit irgendwem ins Gespräch kommen.

Zum Zweiten: es haben Menschen gelebt, es haben sich auch viele zu Hause gefühlt. Diese Menschen haben gearbeitet, etwas aufgebaut, sich etwas geschaffen. Sie haben gelebt, gelacht, geliebt, geweint wie überall. Ich weiß nicht, ob man da nichts "Erinnerungsfähiges" findet.

Ich jedenfalls fühle mich beleidigt.

Anish spricht einige wichtige Dinge an. Meine Eltern lebten auch zum großen Teil ihres Lebens in der DDR und verbinden durch die kulturellen Veranstaltungen im P.d.R. durchaus positive Erinnerungen. Außerdem war er ein Ort des Treffens und Innehaltends in einer hektischen Großstadt.

Das mit der Dauer sollte nicht so eng gesehen werden, wir haben Äras wie die Napoleons, die nur 15 Jahre dauerten und dennoch so in der Geschichte ihre Berechtigung haben. Das soll kein Vergleich sein, sonst werde ich gleich gehauen.:vermoebeln:

Dabei ist die DDR und ihr Geschichte etwas besonderes durchaus. Eine Zeit einer Diktatur, welche eigentlich etwas beispielloses hat. Eine Diktatur, welche sich der Vorbilder in der Geschichte, einmal wo ganz anders suchte, oft auch widersprüchlich, gerade auf dem Gebiet des "nationalen" Geschichtsverständnisses.
Gerade zur Darstellung eines nicht unbedeutenden Ausschnittes dieser Ära, den Faktor Kultur, hätte man bis auf die Entfernung des Asbest das Gebäude unverändert erhalten können, aber das geht manchen Leuten dann doch zu weit, diese Art von Auffassung, was Geschichte eben auch ist.
 
Arne schrieb:
Ist halt die Sicht den Grad der Schutzwürdigkeit in ein Verhältnis zu anderen Interessen zu setzen. Beim PdR steht nach meiner Einschätzung die Schutzwürdigkeit gegenüber anderen Interessen zurück.

Das steht wiederum auf einem anderen Blatt.

Der Grad der Schutzwürdigkeit ist aus dem Objekt selber zu entscheiden und hängt nicht davon ab, ob das Denkmal an dem mir passenden Ort steht oder ob andere Interessen bestehen.


Arne schrieb:
Und dies scheint ja wohl auch die Ansicht der Berliner Denkmalschutzbehörde gewesen zu sein.

Ich kenne die Stellungnahme nicht, möchte den Mitarbeitern der Behörden aber unterstellen, daß sie alle Aspekte abgewogen haben, um zu einem fundierten Urteil zu gelangen.

Ich für meinen Teil kann nur sagen, daß ich mit den einzelnen Argumenten nicht so gut vertraut bin, sondern - lediglich aus dem Bauch heraus - mich anders entschieden hätte.


Arne schrieb:
nach drei Jahren war Schluß und jetzt kommt ein BurgerKing rein...mit der gleichen Diskussion wie einige Jahre vorher: Denkmalschutz vs. Nutzung.

Da dreht sich mir der Magen um - rein denkmalschützerisch gesprochen, natürlich...
 
Ich halte Egons Lampenladen nicht für schutzwürdig und bin froh, dass diese Scheußlichkeit endlich aus Berlin-Mitte verschwindet. Das beharrliche Festhalten mancher DDR-Bürger (längst nicht aller!) kann ich mir nur aus einer nostalgischen und romantisch verklärten Gemütslage erklären.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin durchaus dafür, dass zentrale Baudenkmäler erhalten werden, die bestimmte Abschnitte unserer Geschichte symbolisieren - seien es positive oder negative Erinnerungsstücke. So gibt es z.B. eine Reihe markanter Marx-Lenin-Denkmäler in ostdeutschen Städten, die ich in exemplarischer Auswahl für unbedingt schutzwürdig halte. Hierzu zählen auch Mauerreste in Berlin, die Autobahn-Abfertigungsstätte Marienborn, das sowjetische Ehrenmal in Berlin usw. usw. - Der Palazzo Protzo allerdings zählt nicht dazu, da er Berlin-Mitte verschandelt und ein Hindernis für eine neue, ansprechendere Bebauung ist (ob nun Schloss oder modernes Bauwerk, will ich hier nicht kommentieren).
 
Dann erlaube ich mir auch noch einige Anmerkungen dazu...

1. Ich finde den Wiederaufbau bzw. Neubau des Berliner Stadtschlosses bzw. seiner wichtigsten Teile gut und richtig; denn bereits zu Ulbrichts Zeiten hatten sich auch verschiedene Kulturgremien sowie die Akademie der Wissenschaften dafür ausgesprochen und die Sprengung des Schlosses entschieden kritisiert.
Erich Honecker hatte später den Abriß des Schlosses sogar öffentlich als Fehler eingestanden...
Anm. hierzu: Man mag zu den Hohenzollern und dem preußisch-deutschen Kaiserreich stehen, wie man will, aber dieses Gebäude ist Teil der deutschen Geschichte - und v.a. zudem außerordentlich symbolträchtig, da es nicht nur Winterresidenz war, sondern an seinem Portal auch von Karl Liebknecht am Ende des Kaiserreichs die "sozialistische Republik" ausgerufen wurde.

2. Ob deswegen der Palast der Republik zwangsläufig weichen muß, ist eine andere Sache - IMHO wäre eine "Lokalitätsverschiebung" evt. auch möglich gewesen (aber das ist nur meine Meinung; und ich bin kein Stadtarchitekt o.ä.).
Anm. dazu: Archtitektonisch schön finde ich ihn wirklich nicht, aber auch er ist trotz allem Teil der deutschen Geschichte.

3. Zum Thema Vorbeugen der Stabilitätsgefahr für die benachbarten Gebäude bei Abriß des P.d.R.: dazu sind ca. 20000 t Sand notwendig, mit denen der Palastkeller verfüllt werden muß - wobei ein Teil des Kellers weiter nutzbar wäre. Lt. Plan wird der Keller aber volständig verfüllt (mit ca. der 10-fachen Menge Sand) - was übrigens auch ein heftiger Streitpunkt ist...

PS: Noch zum Thema "Asbest" - einerseits war bereits während des Baues vor der Feuerisolierung mittels Spritzasbest gewarnt worden, anderseits wurde mW nach der deutschen Einheit bis etwa 2001(?) eine sehr intensive (sowohl bzgl. Aufwand wie auch bzgl. Kosten) Asbestbeseitigung durchgeführt...

Fazit:
Ich trauere dem Palast der Republik nicht nach, denn obgleich ich meine ersten zwanzig Lebensjahre in der DDR verbracht habe, sehne ich mich zum einen nicht nach diesem Staat zurück und kann zudem als unverbesserlicher "Burgen-und Gotik-Fan" zu derartigen Gebäuden wie dem P.d.R. auch keine innige Beziehung entwickeln.
Um evt. Mißverständnissen gleich vorzubeugen: das selbe gilt auch für Nazi-Architektur - einmal abgesehen davon, daß ich das Dritte Reich gottseidank nicht selbst erlebt habe!
Dennoch bleibt dabei aber ein unangenehmer Beigeschmack, da es aus den Aspekten des Denkmalschutzes heraus gesehen mE nicht in Ordnung ist, derart politisierende Gebäude einfach abzureißen...
 
timotheus schrieb:
Anm. hierzu: Man mag zu den Hohenzollern und dem preußisch-deutschen Kaiserreich stehen, wie man will, aber dieses Gebäude ist Teil der deutschen Geschichte - und v.a.

... ist es genauso weg wie sein mittelalterlicher Vorgängerbau.


Man mag auch zur DDR und zu Erich Honecker stehen, wie man will, aber...


timotheus schrieb:
2. Ob deswegen der Palast der Republik zwangsläufig weichen muß, ist eine andere Sache - IMHO wäre eine "Lokalitätsverschiebung" evt. auch möglich gewesen

Weichen müßte er dem Stadtschloß auf jeden Fall.


timotheus schrieb:
PS: Noch zum Thema "Asbest" - einerseits war bereits während des Baues vor der Feuerisolierung mittels Spritzasbest gewarnt worden, anderseits wurde mW nach der deutschen Einheit bis etwa 2001(?) eine sehr intensive (sowohl bzgl. Aufwand wie auch bzgl. Kosten) Asbestbeseitigung durchgeführt...

So steht es in http://de.wikipedia.org/wiki/Palast_der_Republik.
 
Gestern habe ich auf SWR2 ein Interview mit dem heutigen Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau gehört, was anlässlich eines 90-jährigen Jubiläums aufgenommen wurde. Der Direktor Oswalt gilt laut der Moderatorin als Gegner des historisienden Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses. Ob er den, immerhin in strenger Quarderform gehaltenen, Palast der Republik besser fand, wurde leider nicht gefragt. Während in Dresden der historische Eindruck des Gebäudes des Militärgeschichtlichen Museums zerstört werden soll (Modell des Büros Libeskind Militärhistorisches Museum der Bundeswehr - Neugestaltung ), soll dann in Berlin historisierend gebaut werden? Das erscheint mir doch, gerade im Verhältnis zu den Bauten und auch Veränderungen am Reichstagsgebäude bsw. unwahrscheinlich.
 
Während in Dresden der historische Eindruck des Gebäudes des Militärgeschichtlichen Museums zerstört werden soll (Modell des Büros Libeskind Militärhistorisches Museum der Bundeswehr - Neugestaltung ), soll dann in Berlin historisierend gebaut werden? Das erscheint mir doch, gerade im Verhältnis zu den Bauten und auch Veränderungen am Reichstagsgebäude bsw. unwahrscheinlich.

Unwahrscheinlich? Das ist doch feststehende Tatsache. Ich habe den Eindruck in Dresden haben sie sich bewußt für so einen modernen Schwachsinn Kunstgriff entschieden, um den Kritikern eines Militärmuseums etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. In Berlin waren sicher viele der Entscheidungsträger vom Gedanken beseelt, den Touristen ein schönes, historisches Stadtbild zu geben. :cool:
 
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