Analphabetismus in der Weimarer Republik

wenn man sich vorstellt das heute im Grunde Idealbedingungen vorherrschen und wir dennoch Riesenprobleme haben, dann wird es in der recht chaotischen Weimarer Zeit wahrscheinlich nicht besser gewesen sein.

Zitat:"Etwa 13% aller Hauptschüler, die heute die Schule verlassen, können offensichtlich nicht ausreichend lesen und schreiben."


Tja, die Quelle meiner Rechtschreibung!
 
Wenn wir schon "off topic" sind, dann möchte ich nur auf die Rechtschreibkünste mancher (vor allem Neuer) hier im Forum erinnern. Sorry, ich bin da ein wenig pedantisch, und zuweilen juckt es mich in den Fingern, einen passenden Kommentar dazu abzugeben.

Zurück zum Thema:

Mein Großvater war Lehrer zur Zeit der Weimarer Republik. Sowohl in der Großstadt (Nürnberg) als auch auf dem umliegenden Land.

Er lebt zwar schon lange nicht mehr, ich kann mich aber an viele Gespräche über die damalige Zeit erinnern.

Es war zu Weimar immer noch so, dass gerade auf dem Land die Kinder nur das Nötigste zu lernen brauchten. Ab 13, spätestens 14 mussten sie zuhause mithelfen. Damals kam natürlich die hohe Arbeitslosigkeit hinzu, die eine angestrebte Berufsausbildung von Anfang an oft als sinnlos und ohne Perspektive erscheinen ließ. Man war also froh, wenn die Kinder entweder daheim oder bei bekannten Bauern mitarbeiten konnten. Da es auch kaum landwirtschaftliche Maschinen gab, war die Arbeit (ein Knochenjob!) nie endend. Aber dafür sicher. Der Lohn war gering und wurde oft in den begehrten Naturalien ausbezahlt - gerade für die Städter ein wichtiges Motiv.

Auf gute Lese- und Schreibkenntnisse wurde somit weniger Wert gelegt. Bei Mädchen war dies aber manchmal genau umgekehrt. Es gab 2 große Strömungen, die einander gegenüberstanden:
1.) Mädchen brauchen keine Ausbildung, die heiraten eh'.
2.) Mädchen gehören in ein Bureau (oder Kontor, wie Büros damals genannt wurden) und mussten daher die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen.

Alternative 1) war eher auf dem Land und in der Unterschicht verbreitet, Nr 2) ab Kleinbürger/Handwerker aufwärts.

Natürlich sind das nur subjektive Erfahrungen und vielleicht auch nur Einzelfälle. Da sie jedoch von einem Lehrer gemacht wurden, messe ich ihnen doch eine gewisse Bedeutung zu.

Nach 1933 wurde die Einhaltung der Schulpflicht wesentlich rigoroser gehandhabt als zuvor; die Entschuldigung "Landarbeit" wurde nicht mehr so leicht akzeptiert.

Jacobum
 
Jacobum schrieb:


Natürlich sind das nur subjektive Erfahrungen und vielleicht auch nur Einzelfälle. Da sie jedoch von einem Lehrer gemacht wurden, messe ich ihnen doch eine gewisse Bedeutung zu.



Ich habe für eine Ortschronik einer kleinen badischen Landgemeinde die Protokolle der Ortsschulbehörde ausgewertet. Es gab kaum Unterrichtsbefreiungen, es gab nach 1900 auch kaum noch Rügen wegen unentschuldigter Schulversäumnisse (die zogen auch Geldstrafen nach sich).
Möglicherweise gab es damals schon länderunterschiedliche Maßstäbe.
 
Mercy schrieb:
Ich habe für eine Ortschronik einer kleinen badischen Landgemeinde die Protokolle der Ortsschulbehörde ausgewertet. Es gab kaum Unterrichtsbefreiungen, es gab nach 1900 auch kaum noch Rügen wegen unentschuldigter Schulversäumnisse (die zogen auch Geldstrafen nach sich).
Möglicherweise gab es damals schon länderunterschiedliche Maßstäbe.

Ganz interessant. Kann durchaus sein...

Waren diese Protokolle auch noch zur Weimarer Zeit geführt worden? (Du hast was von 1900 geschrieben.)

Gruß

Jacobum
 
Jacobum schrieb:
Ganz interessant. Kann durchaus sein...

Waren diese Protokolle auch noch zur Weimarer Zeit geführt worden? (Du hast was von 1900 geschrieben.)

Nein, da galt reichseinheitlich der von mir schon zitierte Verfassungsartikel Art. 145.
Die Schulaufsicht ging auf die Staatlichen Schulämter über.
 
Mercy schrieb:

Aber sie leben auch.
Und soll ich euch was sagen? Die, die ich kenne, haben keine Sorgen.
Die müssen sich nicht über Zeitungsartikel ärgern.
Da muss man eben mit umgehen können. Ein Freund kommt immer zu mir, wenn er einen Brief bekommen hat. Und ich mache das gerne für ihn.
 
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