Ich glaube, der König war in einem riesen Dilemma.
Vllt. betrachten wir den König zu sehr aus der heutigen Sicht als sachlich über den Ständen stehend.
Der Versuch einer Einschätzung in Ergänzung zu diesen Aussagen. Mit dem Ableben von Ludwig xiv wurde von allen Seiten die absolutistische Ordnung zunehmend in Frage gestellt (vgl. beispielsweise W. Doyle: Old Regime France) und es traten ähnliche Konflikte auf wie vor der Zeit von Ludwig xiv.
Die Konfliktdimensionen waren vielfältig verbunden und betrafen sowohl das Verhältnis von König zur Kirche aber auch massiv zum Adel, die sich aus der "Domestizierung" befreien wollten. Gleichzeitig war in hohem Maße sein Verhältnis zu den jeweiligen regionalen Parlamenten (12 und 3 "Gerichtshöfe" mit ähnlichen Aufgaben), vor allem in Paris, und der sich damit zusammenhängenden organisierenden „öffentlichen Sphäre“ (vgl. T.C.W. Blanning, Das alte Europa ) betroffen.
Die wohl entscheidende Konfliktlinie, so die Arbeiten beispielsweise von Cobban, Blanning oder Doyle betraf religiöse Aspekte. So stellt beispielsweise Cobban (A History of Modern France, Vol. 1, S. 62ff) fest, dass die Historie Frankreichs drei aufeinanderfolgende religiös motivierte Konflikte durchlief. Der erste Konflikt betraf die portestantisch bzw. calvinistisch orientierten Hugenotten. Und ein königliches Edikt von 1729 stellte jegliche Form abweichender konfessioneller Zusammenkünfte, also protestantischer Natur, oder das Verbreiten der Botschaften als Häresie unter Todesstrafe. Beispielsweise wurde eine protestantische Versammlung 1751 in den Cervennen durch Schusswaffengebrauch royalistischer Truppen brutal unterdrückt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hugenotten
Der zweite Konflikt betraf einen Konflikt zwischen Versailles und dem Papst über die Interpretation gallikanischer Freiheiten und wurde 1715 beigelegt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gallikanismus
Der dritte und wichtigste Konflikt betraf die Rolle und die Interpretation des Jansenismus, in Anlehnung an die Lehre von Bischof C. Jansen (gestorben 1638). Seine Lehre verschärfte vor allem den Konflikt innerhalb der katholischen Kirche und führte zu einer Reihe von harten Reaktionen von Seiten des Papstes. Am deutlichsten wurde dieser Konflikt an der Auflösung des Klosters Port Royal (vgl. dazu: D. Kostroun: Feminism, Absolutism and Jansenism ) 1709 noch durch Ludwig xiv und die Formulierung der pästlichen Bulle „Unigenitus“ als Reaktion auf das jansenitische Buch von Quesnel und die „Lettres Provinciales“ von Pascal.
http://de.wikipedia.org/wiki/Jansenismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Unigenitus_%281713%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Port_Royal_des_Champs
Verschärft wurde dieser Konflikt innerhalb der katholischen Kirch durch den Erzbischof von Paris, der als Jesuit, die Gegenspieler der Jansenisten, massiv gegen jansenistische Priester vorging und ihnen verbot das heilige Sakrament vorzunehmen und schloss somit ein Teil der Bevölkerung von der Absolution aus, bevor sie starben.
Parallel zu diesem innerkirchlichen Konflikt griff beispielsweise das Parlament in Paris Ideen des Jansenismus, bzw. des Gallikanismus auf, und betonte auf dieser Grundlage die relative Unabhängigkeit der Parlamente von der Kirche und ihre besondere Position in Beziehung zum König.
In diesem Konflikt ergriff der König normalerweise die Partei der Kirche und die öffentliche Meinung stellte sich auf die Seite des Parlaments.
Die Position von Ludwig xiv um 1750 kann man, im Vergleich zu seinem Vorgänger, als deutlich schwächer bezeichnen. Die Legitimationskrise des Absolutismus läßt sich an vielen Aspekten ablesen. Teils ist es der Machtkonflikt zwischen den tragenden Institutionen des Ancien Regime, aber auch die direkte Rolle des Monarchen und seines Hofes.
So weist Blanning (Das Alte Europa, S. 345 ff) auf die vielfältige Entfremdung hin, die zwischen Ludwig xiv und Paris sich entwickelt hat. Der Hof hatte seine integrierende Rolle verloren, da er nicht mehr die Fähigeit besass, ein kulturelles Zentrum zu sein.
Zu dieser Entfremdung trat zudem der Lebensstil von Ludwig xiv, der mit einer Madame Pompadour und ihrem „plebeischen sozialen Ursprung“ und seinen sexuellen Exzessen eine umfangreiche Schmäh-Literatur inklusiver „pornographischer“ Anspielungen provozierte.
In diesem politischen, religiösen und sozialen Kontext wurde das Attentat 1757 ausgeführt und man ging davon aus, dass Damiens nicht als Einzeltäter gehandelt hätte (vgl. dazu: D.v.Kley: The Damiens Affair and the Unravelling oft he Old Regime). Als Begründung für seine Tat führte er die Schwere des Schicksals der „kleinen Leute“ an, denen durch die Erlasse des Pariser Erzbischoffs das letzte Sakrament teilweise vorenthalten wurde und verwies somit auf eine jansenistische Begründung als Motiv für seine Tat.
In „Persuit of Glory“ weist T. Blanning darauf hin, dass sich Repräsentaten des Pariser Parlaments deutlich von der Tat Damiens distanzierten und als Beweis ihrer Position für eine harte Bestrafung eingetreten sind. Wenngleich in Paris der Jansenismus sehr verbreitet war und als die eigentliche soziale Basis für die FR angesehen wird (T.Kaiser: From Deficit to Deluge und auch noch stärker aus sozialhistorischer Perspektive D. Garrioch: The Making of Revolutionary Paris.
Vor diesem Hintergrund hatten die unterschiedlichen Akteure eine zwar völlig unterschiedliche Begründung, aber dennoch ein gemeinsames Interesse, die Hinrichtung entsprechend den traditionellen Rechtsnormen durchführen zu lassen.
Die konkrete Hinrichtung wurde aufgrund der widrigen Umstände, ergänzt durch Schlamperei in der Vorbereitung noch wesentlich bestialischer durchgeführt als es die Norm vorgab.
Dennoch markiert dieses Ereignis einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu FR. Im Konflikt um den Jansenismus drückt sich das Problem aus, die absolutistische Monarchie im Zuge des zunehmenden Nationalismus neu zu definieren und entsprechende Legitimationsdefizite zu entschärfen D.A. Bell: The Cult of the Nation in France)
Deutlich besser löste beispielsweise der aufgeklärte Absolutismus FdG dieses Problem, indem er den Pietismus integrierte und die staatserhaltende Funktion einer religiösen Haltung frühzeitig erkannte. Im Rahmen der Formel des „Ersten Diener des Staates“ verlängerte der Pietismus die Legitimation durch seine Untertanen und schuf so, unter anderem, mit das preußische Modell des Nationalstaates (vgl. H. Duchardt: Barock und Aufklärung).