Außenpolitik von Bismarck

Bismarck hatte entscheidenden Anteil an der Gründung des deutschen Nationalstaates und er hat diesen Staat durch seine starke Persönlichkeit und sein überlegenes politisches Können geprägt.

Richtig ist aber auch, wie Gandolf oben bemerkt, dass er schließlich dem Geist seiner Zeit und den stärksten geistigen Strömungen seiner Nation fern stand. Der Sturz Bismarcks setzte daher Kräfte frei, die innenpolitisch den Ausgleich und eine soziale Versöhnung anstrebten. Bismarcks kämpferische Haltung gegenüber dem Sozialismus und dem Parlamentarismus hatte eine Entfaltung solcher Kräfte bislang verhindert.

Außenpolitisch richteten Bismarcks Nachfolger innerhalb von 24 Jahren jedoch einen Scherbenhaufen an, der durch das Geltungsbedürfnis Wilhelms II. und seinem Verlangen, unmittelbare Macht auszuüben und ein "persönliches Regiment" zu führen, vermehrt wurde.

Ich wage die These, dass es unter einem Reichskanzler Bismarck zu keinem Ersten Weltkrieg gekommen wäre, da er die politischen Risiken und Chancen weitaus professioneller abgewogen und in diplomatisches Handeln umgesetzt hätte.
 
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Arne schrieb:
Würde zu Bismarck passen. Über den Abschluß dieses Vertrages wurde der Kaiser auch eher zufällig, nebenbei informiert...(wenn ich mich richtig an die Memoiren erinnere)

Bismarck war der bedeutenste Politiker den Deutschland in den letzten 150 Jahren hervorgebracht hat und WII hat Bismarck richtig eingeschätzt und ihn deshalb nur nebenbei informiert.:pfeif:
 
Repo schrieb:
Hab mal kurz reingeschaut,...
Kurz reingeschaut und gleich gepostet nehme ich an.:D
Repo schrieb:
???
Wenn ich mich richtig entsinne, gab es in den 90ern etliche Staatsstreichpläne, (ausgelöst von den kräftig steigenden Reichtagsmandaten der SPD), die sich mindestens heute, sehr abenteuerlich anhören, wie Auflösung des Reichs durch die Bundesfürsten, daraufhin Neugründung mit Dreiklassenwahrecht für den Reichstag.
Für die Bismarck nun nicht verantwortlich gemacht werden kann.
??? Für seinen eigenen Staatsstreichplan (vgl. Volker Ullrich, Als der Thron ins Waken kam, 1993, S. 11ff., S. 26) ist er natürlich auch selbst verantwortlich.;)
Repo schrieb:
Für seinen Nachruhm scheint Bismarck allerdings sehr besorgt gewesen zu sein, den Rückversicherungsvertrag, der ja geheim war, hat er durch gezielte Indiskretion bekannt gemacht. SM Willi II schäumte vor Wut, und wollte ihn einsperren lassen. Was in einer parlamentarischen Demokratie verm. auch passiert wäre.
Und weiter? Für die Beurteilung der Bismarckschen Aussenpolitik ist dieser Aspekt doch irrelevant, oder?

Übrigens veränderte die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages in von Aussen erkennbarer Weise auch das Verhalten der deutschen Diplomatie, insb. in London:
  • Vor der Nichterneuerung des Rückversicherngsvertrages trat Berlin bei britischen Bitten, Russlands Einfluss auf dem Balkan auszutarieren, sicher und desinteressiert auf. Insgeheim hatte man ja Enfluss auf Russland. ABER die Briten sollten sich schon selbst auf dem Balkan als Gegengewicht zu Russland positionieren.
  • Nach der Nichterneurung des Rückversicherungsvertrages drängte Berlin unter Hinweis auf den angeblichen Interessengleichklang im Balkanraum und zunehmender Panik vor einem drohenden Zweifrontenkrieg auf ein Bündnis mit GB.
Den Briten konnte diese Veränderung gar nicht verborgen bleiben. Premier Salisbury vermutete aufgrunddessen auch, dass Bismarck zu Russland geheime diplomatische Kontakte unterhielt, die seinem Nachfolger Caprivi abhanden gekommen waren.
Repo schrieb:
Die Briten wollten bei allen diesen Gesprächen lediglich Unterstützung bei ihren jeweiligen überseeischen Problemen, während die Deutschen dies ständig davon abhängig machen wollten, dass die Briten in den Dreibund eintreten würden. Man ging davon aus, dass insbesondere die britisch/russischen Gegensätze unüberbrückbar sein würden. Notabene kann man im russ/japan. Krieg die Japaner durchaus als Stellvertreter Englands sehen.
Du lässt den Gesamtzusammenhang ausser Acht: die Deutschen verwarfen die russische Option, wünschten ein Bündnis mit den Briten und zerstritten sich dann - unvernünftigerweise - mit diesen über Belanglosigkeiten wie die anatolische Eisenbahn und die britische Ägyptenpolitik und zwar so heftig, dass Berlin wieder versuchte mit den Russen ins Geschäft zu kommen. Die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages hatte Caprivi (rhetorisch) damit begründet, die Glaubwürdigkeit der deutschen Aussenpolitik stärken zu wollen. Tatsächlich führte seine Politik zu einem Zickzackkurs, der das Ausland (zunehmend) irritierte und die deutsche Aussenpolitik als unberechenbar und unglaubwürdig erscheinen liess.
Repo schrieb:
Die entscheidenden Fehler sind vermutlich 1911 2. Marokkokrise und 1912 als man Haldane ergebnislos nach Hause schickte, gemacht worden.
Und dann natrülich der Einmarsch in Belgien, ohne hätten die Briten mindestens nicht sofort einen Kriegsgrund gehabt.
Man kann nicht früh genug aus Fehlern lernen.;) So wäre den Engländern vielleicht auch das Krüger-Telegramm (3.1.1896) erspart geblieben.
Repo schrieb:
Der Rückversicherungsvertrag, der Zweibund mit ÖU und der Dreibund mit ÖU und Rumänien weisen Verpflichtungen auf, die Deutschland auf beiden Seiten in entsprechende Kriege verwickelt hätten. Dasselbe gilt für den Rückversicherungsvertrag und die von Deutschland initiierte Mittelmeer-Entente England-ÖU-Italien.
??? Der Rückversicherungsvertrag sah deutsche Neutralität bei einem Angriff AUF Russland vor; Dreibund I (DR/ÖU/I), Dreibund II (ÖU/Rum/DR) und Zweibund (DR/ÖU) sahen eine deutsche Beistandspflicht für den Fall eines Angriffs VON Russland vor. An der Mittelmeerentente war das DR gar nicht beteiligt. Woraus soll sich die Bündnisunverträglichkeit konkret ergeben?

Zudem übersiehst Du, dass BismarcksAussenpolitik darauf abzielte, den Bündnisfall zu verhindern. Um diesen Zweck zu erreichen, vermied er gerade (!) die verführerische Option, kriegstaugliche Bündnisse einzugehen.
Repo schrieb:
Bismarck hätte den Rückversicherungsvertrag persönlich auch für fast nutzlos gehalten, laut seinem Nachlaß hätte er geäußert, dass er uns die Russen 6-8 wochen länger vom Hals hält als sonst.
Auf den KRIEGSFALL bezogen hielt Bismarck den Rückversicherungsvertrag tatsächlich nur für ein Mittel, welches dem Reich die Russen ein paar Monate vom Leib hält. ABER auf die Diplomatie bezogen hielt er den Rückversicherungsvertrag für eine Art Schutzimpfung, mit der die Russen davon abgehalten werden, mit den Franzosen eine Entente einzugehen.
Repo schrieb:
So Kunde ist da, Tschüss
Viel Erfolg!
 
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heinz schrieb:
Bismarck war der bedeutenste Politiker den Deutschland in den letzten 150 Jahren hervorgebracht hat und WII hat Bismarck richtig eingeschätzt und ihn deshalb nur nebenbei informiert.:pfeif:

Deine Einschätzung der Bismarckschen Meinung über Wilhelm II. in allen Ehren, nur dieser dürfte Bismarck so oder so nie in den Sinn gekommen sein, wenn er seinen Kaiser über den geheimen Rückversicherungsvertrag (nicht) informieren wollte. Denn dieser Vertrag datiert vom 18.06.1887 - da war noch Wilhelm I. Kaiser...
 
Kirlon schrieb:
Deine Einschätzung der Bismarckschen Meinung über Wilhelm II. in allen Ehren, nur dieser dürfte Bismarck so oder so nie in den Sinn gekommen sein, wenn er seinen Kaiser über den geheimen Rückversicherungsvertrag (nicht) informieren wollte. Denn dieser Vertrag datiert vom 18.06.1887 - da war noch Wilhelm I. Kaiser...

Na ja, aber seit Juni 1888 war KWII am Ruder und Bismarck ging im März 1890, wie du natürlich weißt...
 
Arne schrieb:
Na ja, aber seit Juni 1888 war KWII am Ruder und Bismarck ging im März 1890, wie du natürlich weißt...

Klar weiß ich... aber nicht informiert wurde Wilhelm I.

Wenn man das jetzt in Zusammenhang mit Heinz' Aussage stellt, heißt das, dass Bismarck von Wilhelm I. auch nichts gehalten hat.

Und das erscheint mir irgendwie falsch... :D
 
Ja, ja, aber mein Beitrag (Nr.59) mit den kaiserlichen Memoiren (auf den sich heinz bezog) bezog sich tatsächlich auf KWII, der bei seinem Amtsantritt ganz offensichtlich von seinem Kanzler nur ungenau über die bestehenden Bündnisverträge informiert wurde.
 
Arne schrieb:
Ja, ja, aber mein Beitrag (Nr.59) mit den kaiserlichen Memoiren (auf den sich heinz bezog) bezog sich tatsächlich auf KWII, der bei seinem Amtsantritt ganz offensichtlich von seinem Kanzler nur ungenau über die bestehenden Bündnisverträge informiert wurde.

Ich nehme einfach alles zurück... :pfeif: :D :winke:
 
Mal wieder zwischen 2 Gesprächen:
Du lässt den Gesamtzusammenhang ausser Acht: die Deutschen verwarfen die russische Option, wünschten ein Bündnis mit den Briten und zerstritten sich dann - unvernünftigerweise - mit diesen über Belanglosigkeiten wie die anatolische Eisenbahn und die britische Ägyptenpolitik und zwar so heftig, dass Berlin wieder versuchte mit den Russen ins Geschäft zu kommen.
Zum Gesamt-zusammenhang ist zu sagen, dass die Verhandlungen über den Bau der Eisenbahn von Istambul über Ankara nach Konya 1888 abgeschlossen waren, grundsätzlich war man sich auch bereits über den Weiterbau bis zum Schatt el Arab einig. Also klar noch zu Zeiten Bismarcks.
Das Teilstück bis Ankara war 1892 fertig, bis Konya 1896. Die Deutsche Bank als konzessionsträger hatte sich beiderseits der Bahnstrecke die Bodenschätze in einem 32 km breiten Streifen gesichert. In einem Gebiet indem seit dem Altertum Ölvorkommen nachgewiesen waren! Die Deutsche Bank war damals maßgeblich am rum. Erdöl beteiligt.
Die ganze Story über die Bagdadbahn ist mehr als umfangreich, liest sich zum Teil wie ein Krimi. zusammenfassend und kurz, das ist der einzige Punkt in den ganzen deutschen imperialistischen Bemühungen, die sich tatsächlich gelohnt hätten! wir sprechen hier von den Erdölgebieten von Mossul und Kirkuk!
Es gab "unvernüftigeres" um sich zu kabbeln.
Und am Rande, die Russen hat die Bagdadbahn wie die Engländer aufgeregt, beide haben damals sehr auf Persien reflektiert.

Bismarcks "Indiskretion" mit dem Rückversicherungsvertrag hat mit seiner Außenpolitik nix zu tun. Hast du natrülich recht. Aber denkbar ist doch, dass die sehr negative Einschätzung seiner Nachfolger auch auf diese seine Bemühungen zurückzuführen ist. Wäre doch immerhin möglich.

Leider nur Fragmente. Keine Zeit, keine zeit.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Zum Gesamt-zusammenhang ist zu sagen, dass die Verhandlungen über den Bau der Eisenbahn von Istambul über Ankara nach Konya 1888 abgeschlossen waren, grundsätzlich war man sich auch bereits über den Weiterbau bis zum Schatt el Arab einig. Also klar noch zu Zeiten Bismarcks.
Das Teilstück bis Ankara war 1892 fertig, bis Konya 1896. Die Deutsche Bank als konzessionsträger hatte sich beiderseits der Bahnstrecke die Bodenschätze in einem 32 km breiten Streifen gesichert. In einem Gebiet indem seit dem Altertum Ölvorkommen nachgewiesen waren! Die Deutsche Bank war damals maßgeblich am rum. Erdöl beteiligt.
Die ganze Story über die Bagdadbahn ist mehr als umfangreich, liest sich zum Teil wie ein Krimi. zusammenfassend und kurz, das ist der einzige Punkt in den ganzen deutschen imperialistischen Bemühungen, die sich tatsächlich gelohnt hätten! wir sprechen hier von den Erdölgebieten von Mossul und Kirkuk!
Es gab "unvernüftigeres" um sich zu kabbeln.
Und am Rande, die Russen hat die Bagdadbahn wie die Engländer aufgeregt, beide haben damals sehr auf Persien reflektiert.
Zum Gesamtzusammenhang ist zu sagen, dass es - von Bismarcks Nachfolger - unklug war, auf ein Bündnis mit den Briten zu setzen und sich dann mit diesen über eine Belanglosigkeit wie die anatolische Eisenbahn zu zerstreiten.

Hinsichtlich der Bedeutung der anatolischen Eisenbahn argumentierst Du über eine andere Bahnstrecke und anachronistisch: Erst 1902 wurde links und rechts der Schienen der Bagdadbahn (!) Erdölvorkommen entdeckt. Die Bagdadbahn fuhr quasi über einen unterirdischen See aus Erdöl. Erst 1912 erhielt die Deutsche Bank vom türkischen Sultan eine Konzession auf alle Öl- und Mineralvorkommen entlang eines übrigens nur 20 km breiten Streifens zu beiden Seiten der Bahnlinie bis Mosul. Quelle: http://angelika-franz.net/babahn.html

Der Zeitzeuge Georg von Siemens, immerhin seinerseits Vorstandssprecher der Deutschen Bank, beurteilte die Bedeutung der anatolischen Eisenbahn noch 1899 viel nüchterner als DU: "Die anatolische Bahn wird ja augenblicklich von der deutschen Presse, die ja sonst so wenig hat, in den Himmel gehoben. Aber als Geschäft? Du lieber Himmel! Da bleibt sie immer eine Nebensache wie der Club der Harmlosen. (...) Diese Bahn selbst ist nur ein toter Strang, und die Begeisterung seiner Majestät für Mesopotamien ist ohne tieferen Wert für die deutschen Interessen" - Quelle: http://angelika-franz.net/babahn.html.

Um so unverständlicher, dass sich Berlin 1892 mit seinem Wunschbündnispartner England über diesen "toten Strang" zerstritt - finde ich jedenfalls.
Repo schrieb:
Bismarcks "Indiskretion" mit dem Rückversicherungsvertrag hat mit seiner Außenpolitik nix zu tun. Hast du natrülich recht. Aber denkbar ist doch, dass die sehr negative Einschätzung seiner Nachfolger auch auf diese seine Bemühungen zurückzuführen ist. Wäre doch immerhin möglich.
Möglich ist vieles. ABER die Aussenpolitik von Bismarck und die neue seines Nachfolgers sollte auf der Basis von Fakten und nicht von Verschwörungstheorien beurteilt werden. Also: erläutere doch mal Deine Behauptung, dass sich die Bismarckschen Bündnisse widersprochen haben sollen.
Repo schrieb:
Leider nur Fragmente. Keine Zeit, keine zeit.
Lass Dich nicht hetzen! Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst. Das Forum rennt Dir schon nicht weg.;)
 
Hinsichtlich der Bedeutung der anatolischen Eisenbahn argumentierst Du über eine andere Bahnstrecke und anachronistisch: Erst 1902 wurde links und rechts der Schienen der Bagdadbahn (!) Erdölvorkommen entdeckt. Die Bagdadbahn fuhr quasi über einen unterirdischen See aus Erdöl. Erst 1912 erhielt die Deutsche Bank vom türkischen Sultan eine Konzession auf alle Öl- und Mineralvorkommen entlang eines übrigens nur 20 km breiten Streifens zu beiden Seiten der Bahnlinie bis Mosul.

Ich sagte ja, die Story ist deutlich vielschichtiger.
Dem Padischah hat einer gesteckt, (Brite? Russe?) dass da mehr dahinter stecken muss. Er hat einen jungen Geologen (Gulbenkian) beauftragt die Sache abzuklopfen, der ohne viel Mühe herausbekam um was es ging. Der Sultan hat einseitig den Vertrag für ungültig erklärt. Was so natürlich auch nicht ging. Inzwischen, 1896, gab es armenier-Pogrome und Gulbenkian musste aus Istanbul fliehen.
Siemens, als DB-Chef (beim telefon hat er auch daneben gelegen) hat 1898 dann die ganzen konzessionen dem russ. Bankier Witte angeboten. Der aber ablehnte.

Die ganzen Verhandlungen haben sich bis Juni 1914! hingezogen, schließlich die Bahn wird nur bis Basra gebaut, Erdöl wird von einer neuen Gesellschaft ausgebeutet, 25% Deutsche Bank, 25% Shell, 25% BP, 25% Rothschild 10% Provision von den Fördererträgen bekommt Gulbenkian (sein Sohn hat sie bis 1972 eingestrichen!)

Grüße Repo
 
Möglich ist vieles. ABER die Aussenpolitik von Bismarck und die neue seines Nachfolgers sollte auf der Basis von Fakten und nicht von Verschwörungstheorien beurteilt werden. Also: erläutere doch mal Deine Behauptung, dass sich die Bismarckschen Bündnisse widersprochen haben sollen.

Verschwörungstheorien?
Bismarck hat 6 Jahre nach seinem Rücktritt einen mittlerweile nicht mehr gültigen aber geheimen Vertrag publiziert. Wie nennt man sowas? Juristen werden einen Begriff dafür haben.
Also irgend etwas muss er damit schon bezweckt haben.

Ich halte seine Nachfolger samt und sonders auch für keine besonderen Größen.
Aber der direkte Weg vom Rückversicherungsvertrag zum 1. WK, wie es meist dargestellt wird, erscheint mir doch etwas zu einfach.

Grüße Repo

NS Zu den Bismarck´schen Verträgen später mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Repo schrieb:
Ich sagte ja, die Story ist deutlich vielschichtiger.
Dem Padischah hat einer gesteckt, (Brite? Russe?) dass da mehr dahinter stecken muss. Er hat einen jungen Geologen (Gulbenkian) beauftragt die Sache abzuklopfen, der ohne viel Mühe herausbekam um was es ging. Der Sultan hat einseitig den Vertrag für ungültig erklärt. Was so natürlich auch nicht ging. Inzwischen, 1896, gab es armenier-Pogrome und Gulbenkian musste aus Istanbul fliehen.
Siemens, als DB-Chef (beim telefon hat er auch daneben gelegen) hat 1898 dann die ganzen konzessionen dem russ. Bankier Witte angeboten. Der aber ablehnte.

Die ganzen Verhandlungen haben sich bis Juni 1914! hingezogen, schließlich die Bahn wird nur bis Basra gebaut, Erdöl wird von einer neuen Gesellschaft ausgebeutet, 25% Deutsche Bank, 25% Shell, 25% BP, 25% Rothschild 10% Provision von den Fördererträgen bekommt Gulbenkian (sein Sohn hat sie bis 1972 eingestrichen!)
Und was sagt uns das über die deutschen Bündnisbemühungen in den Jahren 1890-92? Ich meine: nichts!

Man kann nicht aus den Erdölvorkommen, die erst im 20. Jahrhundert entdeckt wurden, auf eine zukunftsorientierte deutsche Erdölpolitik im Jahre 1890-92 schliessen. So entzündete sich der von mir erwähnte Streit mit den Briten in diesen Jahren über die Streckenführung nach Konia deshalb, weil dieser auch ohne Öl reiche Ort in einer traditionell britischen und französische Einfluszone lag, der nun dem deutschen (Wirtschafts-)Einfluss geöffnet werden sollte.

Kannst Du eine Quelle dafür nennen, dass sich der Streit der Jahre 1890-92 ums Öl gedreht haben soll?
Repo schrieb:
Verschwörungstheorien?
Bismarck hat 6 Jahre nach seinem Rücktritt einen mittlerweile nicht mehr gültigen aber geheimen Vertrag publiziert. Wie nennt man sowas? Juristen werden einen Begriff dafür haben.
Also irgend etwas muss er damit schon bezweckt haben.
Vermutlich hat er bezweckt, seinen Nachfolger in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.

Aber soll das nun heissen, dass die heutigen Historiker, denen diese Absicht Bismarcks ebenfalls bekannt ist, eine Art Verschwörung eingegangen sind, und die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages deshalb kritisieren, um Bismarcks Aussenpolitik in einem besseren und Caprivis Licht in einem schlechteren Licht erscheinen zu lassen? Für diese Sichtweise fehlen mir einfach die Fakten.
Repo schrieb:
Ich halte seine Nachfolger samt und sonders auch für keine besonderen Größen.
Ich halte Caprivi durchaus für einen klugen Kopf. Aber er war - im Gegensatz zu Bismarck - kein politischer Kopf. Er hatte keinen Sinn für das Erkunden von Interessen, das Wecken von Bedürfnissen, das Ausnutzen von Gegensätzen, etc. - also all dem, was das Wesen der Politik ausmacht. Arne hat diese Eigenschaft mit dem Bild des Ehrlichen umschrieben, der sich dann als der Dumme erweist. Ich würde eher das Bild vom unpolitischen Menschen verwenden, der versucht Politik zu machen und folgerichtig scheitert.
Repo schrieb:
Aber der direkte Weg vom Rückversicherungsvertrag zum 1. WK, wie es meist dargestellt wird, erscheint mir doch etwas zu einfach.
Wird das wirklich "meist" so dargestellt?

Meistens wird doch auf den Epochenbruch hingewiesen, den die Entlassung Bismarcks für die Zeit von 1871-1914 bedeutete. Anhand der Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages zeigt sich ein Mentalitätswechsel:

Bismarck beurteilte Bündnisse nach ihrem politischen Zweck der Friedenserhaltung. Mit Hilfe einer überlegenen Diplomatie versuchte er den Krieg zu vermeiden. Der Politik/Diplomatie räumte er den Vorrang gegenüber dem Militärischen ein.

Caprivi hingegen beurteilte Bündnisse nach ihrer Kriegstauglichkeit und schloss vom militärisch Notwendigem auf die Anforderungen, die an die Bündnispolitik zu stellen sind. Er räumte insoweit dem Militärischen den Vorrang gegenüber der Politik/Diplomatie ein.

Dass sich dieser Mentalitätswechsel 1914 negativ bemerkbar machte, kann doch gar nicht bestritten werden!
 
Gandolf schrieb:
Und was sagt uns das über die deutschen Bündnisbemühungen in den Jahren 1890-92? Ich meine: nichts!
!

Zustimmung!
Und wer hat dies in diesen Thread eingeführt? Gandolf.:still:

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Zustimmung!
Und wer hat dies in diesen Thread eingeführt? Gandolf.:still:
Grüße Repo
Sorry, die Narrenkappe musst Du Dir schon selbst aufsetzen.:winke:

Ich sprach in meinem Beitrag vom 27.4.2006 - 18.32 Uhr - # 44 - über den politischen Unsinn, einerseits den Rückversicherungsvertrag 1890 nicht zu erneuern und mit den Briten ein Bündnis eingehen zu wollen, und sich dann andererseits mit diesen über eine Belanglosigkeit wie der Anatolischen Eisenbahn zu zerstreiten. Im weiteren Fortgang der Diskussion bist DU es dann gewesen, der mit den Vorzügen der Bagdadbahn, einer anderen Bahnstrecke (!), und des erst viel später, im 20. Jahrhundert, an deren Strecken gefundenen Erdöls (!) darauf geschlosen hat, dass es sich gelohnt hätte, sich mit den Briten über die anatolische Eisenbahn zu zerstreiten.:rolleyes: Wer will, kann das ja alles nachlesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Womit wir wieder beim alten Stil angekommen wären. Mein lieber Freund der Narrenkappe.
OK

Das Teilstück der Bagdadbahn, das Du beliebst "Anatolische Eisenbahn" zu benennen, hat und hätte groß niemand aufgeregt.
Es mag ja sein, dass das bei irgendwelchen Verhandlungen Thema war, aber bestimmt ein kleines.
Wichtig und zum Politikum wurde das ausschließlich durch die Tatsache, dass es eben ein Teilstück der geplanten Bagdadbahn war, von Istanbul zum Persischen Golf.
Laut Helfferich (2. Mann der DB nach Siemens) hat nichts das deutsch/englische Verhältnis mehr belastet.

Die Bahn wurde zum brisanten Politikum zwischen GB und DR, zweifellos, aber als Ganzes und nicht die 300 km im anatolischen Hochland.
Das waren weltpolitische Themen zwischen 1890 und 1914.


Grüße Repo
 
Zitat Gandolf
So entzündete sich der von mir erwähnte Streit mit den Briten in diesen Jahren über die Streckenführung nach Konia deshalb, weil dieser auch ohne Öl reiche Ort

Das meint Meyers Konversationslexikon 1888 zu dem "reichen Ort" Konya

Konia, Hauptstadt des türk. Wilajets K. oder Karaman in Kleinasien, das alte Ikonion (Iconium), die römische Hauptstadt Lykaoniens, später der glänzende Sitz feldschukkischer Sultane, jetzt eine verkommene Stadt mit großen Trümmermassen von Moscheen, Medressen etc., doch als Kreuzungspunkt wichtiger Straßen immer noch ein Hauptstapelplatz für die inländischen Produkte. K. hat 20-30,000 Einw., viele Heiligengräber, zu denen stark gewallfahrtet wird, Fabrikation von Strümpfen und Handschuhen und das erste Kloster der Mevlevi-Derwische im Reich. In der Schlacht bei Ikonion 18. Mai 1190 verrichtete Friedrich Barbarossa seine letzte glänzende Waffenthat. Später ward K. wiederholt erobert, so von Bajesid I. 1392, von Mohammed II. 1460, von Achmed, Sohn Bajesids II., 1511. Hier 30. Mai 1559 Sieg Solimans über seinen Bruder Bajesid, 21. Sept. 1832 Niederlage des türkischen Heers durch die Ägypter.


Grüße Repo
 
Zuletzt bearbeitet:
Repo schrieb:
Womit wir wieder beim alten Stil angekommen wären. Mein lieber Freund der Narrenkappe.
OK
Ich bin weder Dein "Freund", noch mag ich - ausserhalb der Karnevalszeit - Narrenkappen. Und wenn man schon mit dem Feuer spielt (siehe Dein Beitrag # 74), dann sollte man auch eine kleine Dusche einstecken können.
Repo schrieb:
Das Teilstück der Bagdadbahn, das Du beliebst "Anatolische Eisenbahn" zu benennen, ...
wird ganz allgemein "anatolische Eisenbahn" und nicht "Bagdadbahn" genannt. Schau mal bei wiki nach.;)
Repo schrieb:
... hat und hätte groß niemand aufgeregt.
Es mag ja sein, dass das bei irgendwelchen Verhandlungen Thema war, aber bestimmt ein kleines.
Wichtig und zum Politikum wurde das ausschließlich durch die Tatsache, dass es eben ein Teilstück der geplanten Bagdadbahn war, von Istanbul zum Persischen Golf.
Laut Helfferich (2. Mann der DB nach Siemens) hat nichts das deutsch/englische Verhältnis mehr belastet.

Die Bahn wurde zum brisanten Politikum zwischen GB und DR, zweifellos, aber als Ganzes und nicht die 300 km im anatolischen Hochland.
Das waren weltpolitische Themen zwischen 1890 und 1914.
Grüße Repo
Deine Bahntheorien widersprechen sich zunehmend: in Deinem Beitrag Nr. 45 hast Du noch gepostet, dass sich der Streit um die Bagdadbahn "lange nach 1890" entzündet habe; nun behauptest Du, dass dieser schon beim Streit um die "anatolische Eisenbahn" - also 1892 - die entscheidende Rolle gespielt habe. Auf Deine anderen Theorien, demzufolge die Erdölvorkommen, die erst im 20. Jahrhundert entdeckt wurden, bereits 1892 den Streit mit den Briten gerechtfertigt hätten, will ich gar nicht erst eingehen.
Repo schrieb:
Das meint Meyers Konversationslexikon 1888 zu dem "reichen Ort" Konya
"(...) doch als Kreuzungspunkt wichtiger Straßen immer noch ein Hauptstapelplatz für die inländischen Produkte (...) viele Heiligengräber, zu denen stark gewallfahrtet wird, Fabrikation von Strümpfen und Handschuhen [Hervorhebungen durch Gandolf]
"
Ich sehe da keinen Widerspruch; wohl aber sehe ich, dass Du gerne einen konstruieren würdest.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass Du nicht mein Freund bist, nehme ich zur Kenntnis.
Die Narrenkappe hast Du hier eingeführt.

Den wesentlichen Teil meines Lexikoneintrags hast Du leider weggekürzt.

Deshalb hier ein Teilzitat meines Zitates:

Konia, Hauptstadt des türk. Wilajets K. oder Karaman in Kleinasien, das alte Ikonion (Iconium), die römische Hauptstadt Lykaoniens, später der glänzende Sitz feldschukkischer Sultane, jetzt eine verkommene Stadt mit großen Trümmermassen von Moscheen, Medressen etc., doch als Kreuzungspunkt wichtiger Straßen immer noch ein Hauptstapelplatz für die inländischen Produkte. K. hat 20-30,000 Einw.,

Das "jetzt" bezieht sich auf das Jahr 1888

Im übrigen habe ich nun aureichend Nachhilfeunterricht iin Sachen Bagdadbahn geleistet.
Wens interessiert, es gibt Literatur dazu. Kann man kaufen.

Grüße Repo
 
Zuletzt bearbeitet:
Repo schrieb:
Dass Du nicht mein Freund bist, nehme ich zur Kenntnis.
Mir wäre es lieber, wenn Du es künftig unterlassen würdest, mich mit "mein lieber Freund" anzusprechen.;)
Repo schrieb:
Den wesentlichen Teil meines Lexikoneintrags hast Du leider weggekürzt.

Deshalb hier ein Teilzitat meines Zitates:

Konia, Hauptstadt des türk. Wilajets K. oder Karaman in Kleinasien, das alte Ikonion (Iconium), die römische Hauptstadt Lykaoniens, später der glänzende Sitz feldschukkischer Sultane, jetzt eine verkommene Stadt mit großen Trümmermassen von Moscheen, Medressen etc., doch als Kreuzungspunkt wichtiger Straßen immer noch ein Hauptstapelplatz für die inländischen Produkte. K. hat 20-30,000 Einw.,

Das "jetzt" bezieht sich auf das Jahr 1888
Und weiter? Ich beschrieb Konya als eine "reiche Stadt" (s. Beitrag Nr. 73) und nicht als eine schöne Stadt.:fs:

Im vollständigen Zitat von Meyers Lexikon (s. Beitrag Nr. 77) findet man viele Hinweise dafür, dass es sich bei Konya 1888 um eine "reiche Stadt" handelte: Kreuzungspunkt wichtiger Straßen, Hauptstapelplatz (=Haupthandelsplatz), stark besuchter Wallfahrtsort, Sitz von Fabriken, etc. Auch Immo Sievers beschreibt in seinem Buch "Der europäische Einfluß auf die türkischen Eisenbahnbauten bis 1914" (1991) die Gegend um Konia als reich (S. 32).

Übrigens lässt sich über Ästhetik vortrefflich streiten. Legt man seinen ästethischen Vorstellungen den preußischen Ordnungssinn zu Grunde, war Konya 1888 vermutlich eine "verkommene Stadt".
Repo schrieb:
Im übrigen habe ich nun aureichend Nachhilfeunterricht iin Sachen Bagdadbahn geleistet.
Wens interessiert, es gibt Literatur dazu. Kann man kaufen.
Soll es jeder Leser für sich entscheiden, ob Du tatsächlich Nachhilfeunterricht erteilt oder ob Du Dich in Wirklichkeit blamiert hast.:pfeif:

Zurück zum Thema:
Bismarcks Nachfolger erneuerte 1890 den Rückversicherungsvertrag nicht mehr und strebte ein Bündnis mit den Briten an.

Im Juli 1891 versicherte Kaiser Wilhelm II. England, es könne stets auf Deutschlands Sympathie und Unterstützung rechnen, wenn es für die Erhaltung und Festigung seines Einflusses im Orient eintrete (Die Große Politik der europäischen Kabinette 1871-1914, Dokument-Nr. 2111). Mit dem Plan, die anatolische Eisenbahn nach Konia auszubauen, versuchten die Deutschen 1892 in ein traditionell englisches und französisches Einflussgebiet vorzudringen (Immo Sievers, aaO., S. 32), ohne dass dies mit London abgestimmt war. Gegen die Konzessionsvergabe protestierte der englische Botschafter beim Sultan und dieser verzögerte seine Entscheidung. Daraufhin erklärte der deuche Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Marschall, daß Deutschland die Vergrößerung des englischen Militärkontigents in Ägypten nicht mehr unterstützen würde. Auf das deutsche Wohlwollen war England in diesem Punkt aber angewiesen. Auf Nachfrage teilte der deutsche Botschafter in London, Hatzfeldt, den Briten mit, dass Deutschland diese Angelegenheit als politische Konfrontation ansah. Daraufhin gab England nach (vgl. Immo Sievers, aaO., S. 71f.).

"Das war nicht nur eine totale Abkehr von der bis 1893 gültigen Zurückhaltung Bismarcks im Orient. (...) England wurde wahrscheinlich gerade durch die deutsche Drohung, die Unterstützung zu entziehen, mehr denn je von einem Allianzgedanken abgeschreckt" (Immo Sievers, aaO., S. 72).

War es klug zu Gunsten eines "toten Strangs" (so DB-Chef Siemens 1898 über die anatolische Eisenbahn), seinen Wunschallianzpartner GB 1892/93 zu verärgern? Ich meine: Nein.
 
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