@El Quichote
Ich versuche zu widerlegen, dass die Massnahmen gegen die jüdischen Bürger nicht immer durch Gesetze und Verordnungen gedeckt gewesen waren. So wie es @jschmidt andeutet.
Ich habe mittlerweile auch recherchieren können, dass es die Finanzämter waren, die die Enteignungen durchgeführt haben.
Laut gegen Nazis | Das Blog Enteignungen
@El Quichote: Einstweilen Dank für den Versuch!
@Hurvinek: "widerlegen, dass ...
nicht immer"
Ich möchte aber im Folgenden weniger auf das eingehen, wer was "angedeutet" haben könnte, sondern auf (I) die Kraftfahrzeuge, (II) die Arisierung und (III) die politische Linie als solche.
I.
Ich bin nahezu sicher, dass die generelle Einziehung von Kraftfahrzeugen in jüdischem Eigentum im Zuge der (rechtlichen!) Maßnahmen erfolgte, die ab dem 12.11.1938 (Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben, RGBl. S. 1580) getroffen wurden.
Ausgangspunkt war der von Poliakov/Wulf (Das Dritte Reich und die Juden, S. 75) so genannte "Generalplan der Ausplünderung", der an jenem Tage in einer Konferenz bei Göring in den Grundzügen festgelegt wurde. [1] Bei den einzelnen Maßnahmen kam die Rede gegen Sitzungsende auch auf Mobilien: "Daluege: Kann die [Anweisung zur] Kraftfahrzeugbeschlagnahme heraus?"
Das scheint - auf noch zu klärendem Wege - erfolgt zu sein. In einen Dokument über die Ereignisse im Gau Franken wird der "für die Arisierung von Kraftfahrzeugen" Verantwortliche in der Kanzlei des Gauleiter Streicher [sic] mit der Aussage genannt, dieser habe "anläßlich der Judenaktion in Nürnberg [...] etwa 40 Kraftwagen durch die Arisierungsstelle des Gaues Franken [sic] der NSDAP erfassen und an Parteigenossen, von denen ein größerer Teil der Gauleitung angehörte, zum Preise von 50,- bis 200,- RM verkaufen lassen". [2]
Die Umsetzung der zitierten Verordnung erfolgte vermutlich nicht einheitlich, obwohl grundsätzlich eine Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministeriums (RWM) gegeben war; dieses hatte auch die schon erwähnte "Straßenbild"-Verordnung erlassen, ebenso die spätere Verordnung vom 23.11.1938 (RGBl. S. 1642) zur Auflösung und Abwicklung der jüdischen Einzelhandels- und Handwerksbetriebe sowie der "Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens" vom 3.12.1938 (RGBl. S. 1709), die zwangsweise eingesetzten "Treuhändern" gestattete, über beliebige Vermögenswerte jüdischer Betriebe zu verfügen.
II.
Während die Arisierung der Wirtschaft grundsätzlich in die Zuständigkeit des RWM bzw. des Beauftragten für den Vierjahresplan (Göring) fiel, gehörte die Eintreibung der sog. "Sühneleistung der Juden" über 1 Mrd. RM in die Zuständigkeit des Reichsfinanzministeriums, also der Finanzämter (Durchführungsverordnung über die Sühneleistung der Juden vom 21.11.1938, RGBl. S. 1638).
Der von Hurvinek verlinkte Blog will nicht die verwaltungsmäßigen Zuständigkeiten oder rechtlichen Hintergründe beleuchten; dass die Finanzämter generell für "Enteignungen" zuständig gewesen wäre, trifft jedenfalls nicht zu.
III.
Für den Link auf
Judenboykott ? Wikipedia bin ich Hurvinek insoweit dankbar, als dort sehr plausibel die Generallinie gegenüber den Juden von 1933 bis 1938 skizziert wird: Der 1933er Boykott - als vorgeblich "spontane" Aktion - war eben kein "Erfolg" gewesen, bzw. die politische Demontration war begleitet durch die überaus negative Reaktion im Ausland (bei großer Zurückhaltung weitester Bevölkerungskreise im Inland).
In der darauf folgenden Zeit verlegte man sich deshalb schwergewichtig, wie schon gesagt, auf die "verwaltungs- und justizförmige" Ausgrenzungs-Strategie, als deren vorläufiger Höhepunkt die "Nürnberger Gesetze" (1935) galten. "Bis 1938", so Gellately (Hingeschaut und weggesehen - Hitler und sein Volk, S. 177), "war es Juden noch möglich, die uniformierte Polizei oder andere örtliche Stellen um Hilfe zu ersuchen, wenn sie von Rowdys belästigt wurden. Danach blieben sie oft sich selbst überlassen."
Die Ereignisse vom November 1938 markierten zweifellos einen neuen Wendepunkt. Die "spontane" Schädigung jüdischen Eigentums wurde dabei in Kauf genommen, aber dieses Verfahren sollte keineswegs als Muster dienen! "Denn", so sagte Göring in der schon erwähnten Sitzung am 12.11.1938 (Poliakov/Wulf, S. 76 [3]), "diese Demonstrationen habe ich satt. Sie schädigen nicht den Juden, sondern schließlich mich, der ich die Wirtschaft als letzte Instanz zusammenzufassen habe". Es sei "irrsinnig, z. B. "ein jüdisches Warenhaus auszuräumen und anzuzünden [...] und die Waren, die ich dringend brauche", zu verbrennen.
Das andere Verfahren erschien allen Beteiligten schlicht rationeller, und das ist ja gerade
auch einer der Punkte, welche die Judenverfolgung in Deutschland nach 1933 von "gewöhnlichen Pogromen" früherer Jahrhundert unterscheiden. - Können wir uns insoweit einigen?
[1] Auszüge dort S. 75-80; auch: Nürnberger-Prozess-Dokument PS-1816
[2] Poliakov/Wulf, S. 40; auch: Nürnberger-Prozess-Dokument PS-1757; jedenfalls zum Teil waren also die "Gauwirtschaftsstellen" bei der "Arisierung" beteiligt.
[3] Teilnehmer war übrigens auch Reichsbankdirektor Karl Blessing. In der entsprechenden WP-Seite
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Blessing_(Bankier) heisst es, B. habe Bedenken gegen die Judenvermögensabgabe angemeldet. Im Protokoll (S. 79 f.) liest sich das ein wenig anders: B. äußerte "Bedenken", daß die Juden in den nächsten Tagen ab Montag für Hunderttausende Reichsanleihe verkaufen, um sich Mittel zu beschaffen" - und gegen diese denkbare Reaktion empfahl er den Erlaß einer Verordnung, worin der Verkauf der Reichsanleihe für drei Tage gesperrt wurde. - Seine Fachkunde wurde bekanntlich mit der Ernennung zum Bundesbankpräsidenten (1.1.1958) honoriert.