Bewusstsein und Altertum?

Die Hauptthese von Julian Jaynes, die er selbst "grotesk" ("preposterous") nennt, besagt: Bewusstsein hat sich in historisch nachweisbarem Ausmaß erst in dem Jahrtausend vor der klassisch-griechischen Hochkultur entwickelt, etwa zwischen 1300 und 700 v. Chr. Die Menschen vor dieser Zeit hatten kein Bewusstsein, eben sowenig wie Tiere und Kinder vor dem 3. bis 5. Lebensjahr.
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Das Entstehen des Bewusstseins geht nach Jaynes mit dem Zusammenbruch des von ihm so genannten "bikameralen Geistes" einher. Die Menschen in der vorhomerischen Zeit hatten, und das ist die zweite Hauptthese von Jaynes, einen "Zwei-Kammer-Geist", einen ausführenden und einen befehlenden, beide nicht-bewusst. In Krisenzeiten, wenn eine Situation eine Entscheidung erforderte, "halluzinierte" der ausführende Geist die Stimme von Göttern, die ihm sagte, was zu tun sei.

Die Entstehung der bikameralen Zivilisation setzt Jaynes in die Zeit der Entstehung der ersten Städte, um das Jahr 9000 v. Chr. Zivilisation, sagt Jaynes, ist die "Kunst in Städten zu leben, in denen nicht jeder jeden kennt". Für das Funktionieren dieser Gesellschaften, seien die halluzinierten Stimmen von Königen und/oder Göttern notwendig gewesen.
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Klingt das möglich? Nach dem, was ich gelesen habe, schien manches recht schlüssig zu sein.

Möglich schon, aber nicht schlüssig, dafür haben die Überlegungen zu wenig Gehalt und Sachverstand über die betrachteten Zeiträume bewiesen.
Städte um 9.000 v.chr., eher nicht, die Fundorte in Anatolien wie Göbekli Tepe u.A. sind keine Städte, einfach mal selbst zum Einstieg die Wikiartikel lesen.

Vielleicht führst du erstmal aus, warum du manches für schlüssig hältst, dann kann man daran weiter diskutieren.
 
Was bei diesem Ansatz möglicherweise als plausibel erscheint, dürfte meiner Ansicht nach zunächst die zugrundeliegende m. E. evolotionstheoretische Überlegungen sein, daß sich Bewußtsein entwickelt haben muß, in Kombination mit einer kulturhistorischen Überlegung, daß verschiedene Epochen ggf. sehr unterschiedliche Bewußtseinsformen ausgebildet haben könnten.

Im übrigen wurde schon einmal Jaynes These im GF lanciert:
http://www.geschichtsforum.de/55934-post30.html
 
Mal ganz subjektiv muss ich Jaynes These erst mal ablehnen. Was mir als erstes dabei ins Bewusstsein kam, war die minoische Kultur, mit ihren Städten, Palästen, der Schrift und vor allem der farbenfrohen und vielfältigen Kunst, die auch schon so vieles der späteren Mittelmeer-Zivilisationen vorweg nahm. Und das schon um 1700 v. Chr.!

Wer farbige Porträts seiner Städte herstellte:
Datei:Akrotiri minoan town-2.jpg ? Wikipedia

mag wohl schon ein Bewusstsein gehabt haben.
 
Julian Jaynes Der Ursprung des Bewusstsein,
Das Buch mal insgesamt als E-Book anzusehen ist sicherlich hilfreicher als die wenigen Zeilen bei WIKI.
http://www.conspiracyresearch.org/forums/index.php?act=attach&type=post&id=347

Julian Jaynes hat in „Die bikamerale Psyche" daraus die Theorie entwickelt, das der Gedanke, den wir heute als innere Stimme wahrnehmen, ursprünglich als externe Stimme wahrgenommen wurde, die einem Gott zugeschrieben wurde.
Nach Jaynes bricht diese Art des Denkens zusammen, wenn viele Menschen an einem Ort wohnen und/oder es zu Kontakten zu anderen Kulturen kommt. Es entstehen Gruppen- oder Stadtgötter, die in gewisser Entfernung zu den Menschen wohnen, z.B. auf Türmen oder Bergen und Vermittler, wie z.B. Priester, Medien oder Propheten brauchen.


Er unterstellt, dass die Menschen der frühen Stammesgesellschaften eine bikamerale Psyche gehabt hätten. Die eine Hälfte der Psyche sei für Wahrnehmungen, Erleben und Gefühle zuständig gewesen, die andere Hälfte habe die Kommandos gegeben. Der frühe Mensch habe also Stimmen gehört. Ein zur Reflexion fähiges Bewusstsein habe er nicht besessen. Der Geist dieser frühen Menschen sei mit dem Seelenzustand heutiger Schizophrener vergleichbar gewesen. In der heutigen zeit würden wir dies wohl als Multiple-Persönlichkeit bezeichnen. Ich halte es für eine interessante aber überaus streitbare These/Theorie.

Eine gute Seite zur Klärung der Vielfältigkeit des Begriffes:
http://www.bewusstsein.ws/wissen/definition.htm
 
Jaynes definiert ja einen besonderen Begriff des Bewußtseins. Dessen Inhalt wird mir aus dem Wiki-Artikel nicht genügend klar. Ein Bewußtsein in dem Sinne, die Welt und sich selbst als scheinbar getrennte Wesenheiten zu begreifen, scheint er schon immer zuzubilligen. Oder? Die Tatsache, die mir auch immer als besonders fremd vorkommt, daß Menschen früherer Zeit bestimmte äußere oder innere Vorgänge als von den Göttern kommend interpretiert haben, spricht meiner Ansicht nach aber nicht generell gegen ein eigenes Bewußtsein. Man kann es auch als Eingebungen verstehen. Der Mensch denkt also nicht, dort flüstert der Gott in mir, sondern, ich denke, was der Gott mich denken lassen will. Die These vom bikameralen Bewußtsein zwischen 9000 bis 1000 v. Chr. verstehe ich nicht: was soll sich in der homerischen Zeit geändert haben? Warum hatten die steinzeitlichen Jäger, die große Jagden organisieren mußten, weniger Anlaß, auf Einflüsterungen von Göttern oder kundigen Menschen zu hören? Brauchten die überhaupt kein Bewußtsein, nicht mal ein bikamerales? Was hat die Tatsache, daß in den frühen Städten nicht jeder jeden kannte (eine kühne These), damit zu tun?

Man müßte sich näher mit Jaynes Thesen beschäftigen und seine Argumente im einzelnen lesen. Bis auf weiteres glaube ich nicht, daß sich die frühen Gesellschaften und ihre Menschen (Kreta ist da ein gutes Beispiel) so stark von den späteren unterschieden haben sollen.
 
Ich finde diese These völlig absurd. Zudem wüsste ich gern mal, wie man auf die Idee kommen soll, schizophrene Menschen würden in dieser zurückgebliebenen Weise denken? Ich habe oft Anlass mich mit Menschen, die unter ausgeprägter Schizophrenie leiden, länger zu unterhalten (da diese Erkrankung sehr häufig ist, habt Ihr auch diese Möglichkeit, wenn Ihr danach sucht). Schizophrene haben ein ebenso ausgeprägtes ICH wie andere Menschen auch. Das ÜBER-ICH scheint mir aber wesentlich dominanter und insbesondere die Fähigkeit sich von Gedanken, die vom ÜBER-ICH stammen zu distanzieren erheblich vermindert.

Wenn dieser Jaynes Recht hätte, wäre auf jeden Fall die Zuordnung schlicht nach Jahreszahlen unsinnig. Es könnte lediglich um Entwicklungsstufen vom ganz naturverbundenen Leben in ganz kleinen Gruppen bis zu einer hochtechnisierten hochkomplexen Kultur gehen. Es ist mir überhaupt nicht plausibel warum Menschen etwa in der Levante vor 10.000 Jahren nicht mindestens so weit entwickelt gewesen sein sollten wie weitgehend isolierte versprengt lebende Naturvölker heute. Dass es irgendeine Kultur auf der Welt geben sollte, die in dieser sub-animalischen Weise ihre Hirnströme fließen läßt, scheint mir ohne jeden Hinweis zu sein.

Warum sollten genetisch vermutlich nicht wesentlich anders ausgestattete Menschen als wir vor 10.000 Jahren derart grundlegend anders funktioniert haben als irgendjemand heute?

Mal andersherum gedacht: Mir will doch schinen, dass Tiere durchaus Bewusstsein haben, auch wenn sie kaum über sprachliche Fähigkeiten verfügen. Was ein Schimpanse intellektuell auf die Reihe brint, sollte einem Steinzeitmenschen doch noch alle Male möglich sein.

Ich denke dieser Ansatz versucht nur mühselig die Krone der Schöpfung herbeizureden, damit bewiesen werde, was erwünscht ist.

Ach ja, Nachtrag - mal so ganz grob:
ES - das triebhafte, das wollende, schreiende, zeternde
ICH- das Bewußtsein von mir selbst, die Vernunft, das Maßvolle
ÜBER-ICH - die moralische Instanz, das was wir für Gott halten, der Übervater
 
Zuletzt bearbeitet:
Er unterstellt, dass die Menschen der frühen Stammesgesellschaften eine bikamerale Psyche gehabt hätten.

Hat man das in historisch bekannten bzw heutigen Stammesgesellschaften beobachtet? Oder gibt Jaynes eine Erklärung, falls dem nicht so sein sollte?

Ich finde die Saxche durchaus interessant, wenn man nicht diesen Wiki-Artikel wörtlich liest: "Die Menschen hatten früher kein Bewusstsein", ist natürlich Humbug; aber evtl funktionierte das anders. Aber wenn man behauptet, dass dieser Wandel in historischer Zeit stattgefunden hat, wird es schwierig, daran alle heute lebenden Menschen teilhaben zu lassen...
 
@Muspilli: Mist, danke für den Hinweis. Hab ihn nicht gefunden. Leider wird diese These ja wenig ernst genommen. :(

Die Tatsache, die mir auch immer als besonders fremd vorkommt, daß Menschen früherer Zeit bestimmte äußere oder innere Vorgänge als von den Göttern kommend interpretiert haben, spricht meiner Ansicht nach aber nicht generell gegen ein eigenes Bewußtsein. Man kann es auch als Eingebungen verstehen. Der Mensch denkt also nicht, dort flüstert der Gott in mir, sondern, ich denke, was der Gott mich denken lassen will. Die These vom bikameralen Bewußtsein zwischen 9000 bis 1000 v. Chr. verstehe ich nicht: was soll sich in der homerischen Zeit geändert haben?

Dazu folgendes: Jaynes geht davon aus, dass die bikamerale Psyche ebenfalls ein Modell neuerer Tage ist. Die ursprüngliche Jäger- und Sammlergesellschaft hatte noch keine bikamerale Psyche.
Erst die komplexere soziale Struktur, die durch die neolithische Revolution ausgelöst worden ist, hat ein bikamerales Bewusstsein bedingt. Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, wer das wünscht möge sich das Buch kaufen/leihen. Dabei spielte aber die Autorität des Häuptlings eine große Rolle, deren leitende Stimme die Untergebenen dann bei sonstiger Arbeit gehört haben. Da gewisse äussere Reize Halluziationen triggern, kam es zur Entstehung von Göttertstuen und so weiter (ähnlich Schizophrenen, die behaupten, die Stimmen kommen von einem bestimmten Ort...).
Diese dienten den Menschen dazu, ihre Probleme zu lösen. Durch sie konnten die Menschen ihre eigenen "Götterstimmen" wieder hören und so Zugang zu einem Teil ihrer Psyche erlangen.

Zum Bild des Bewusstsein ist zu sagen, dass die These in der Tat davon ausgeht, dass wir die meisten Handelungen unbewusst ausüben (Rasieren, Bogenschiessen, Texte fürs Internet tippen..., die Beispiele aus dem Buch auch...;)). Das Bewusstsein dient nur dazu, Probleme zu lösen, bzw. neue "Arbeitsroutinen" aufzunehmen (übrigens: Interessant für die Interpretation gewisser Experimente im Bezug auf den Freien Willen, würde aber zu weit führen...). Die eigentliche Lösung, zum Beispiel einer vertrakten Matheaufgabe ergibt sich laut dieser Definition aus dem Unbewussten.
Ich verweise darauf, dass Bewusstsein ein eher unscharfer, philosophischer Begriff ist, so dass eine solche Klarstellung, was Bewusstsein ist zu seiner wissenschaftlichen Untersuchung notwendig sein kann.

Die homerische Zeit ist nicht unbedingt ausschlaggebend, eher die zunehmende Komplexität der Gesellschaft und die Schrift...
 
ich kann mich da eigentlich ashigaru anschließen und diese These erst einmal ablehnend beurteilen. Für mich sprechen einige archäologische Funde gegen diese Definition des Bewusstseins. So gibt es entlang der Levante ettliche Funde von von Schädeln, die mittels Ton ein Gesicht nachmodeliert bekommen haben. Dieser Art Totenkult ist neu und entsteht meines Erachtens nicht aus einer Notwendigkeit, denn das "Behalten" der Schädel hat keinen Grund.
Andere Beispiele bei denen für mich ein menschliches Bewusstsein erkennbar ist, sind die Aufnahme von Göttern in den Hethitischen Pantheon oder auch der Bau von großen Anlagen, die alleine oder in einer kleinen Gruppe nicht machbar sind. Allerdings stimme ich dir uneingeschränkt zu, dass der Bewusstseinsbegriff sehr unscharf und schwammig ist, und man sich daher schwer tut eine Basis zu finden auf der sich eine Diskussion austragen läßt.
 
ich kann mich da eigentlich ashigaru anschließen und diese These erst einmal ablehnend beurteilen. Für mich sprechen einige archäologische Funde gegen diese Definition des Bewusstseins.

Definitionen können nicht falsch sein, nur schlecht zum Arbeiten. ;)
Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass der unbewusste Mensch weder irgendwie weniger intelliegnt sei, noch nicht grundsätzlich diesselben psychologischen Bedürfnisse usw. hätte. So zumindest habe ich das verstanden. Beim bikameralen Menschen stellen sich diese Mechanismen nur anders dar. Wie Wikipedia zu entnehmen ist, sind laut These sogar Kleinkinder bikameral!

So gibt es entlang der Levante ettliche Funde von von Schädeln, die mittels Ton ein Gesicht nachmodeliert bekommen haben. Dieser Art Totenkult ist neu und entsteht meines Erachtens nicht aus einer Notwendigkeit, denn das "Behalten" der Schädel hat keinen Grund.

Das ist leider nicht befriedigend.
Ein bikameraler Mensch behält den Schädel vielleicht, weil er die Stimme des Verstorbenen immernoch hört und sie so durch betrachten "auslösen" kann.

Wieso sollte der bikamerale Mensch nur das tun was notwendig ist? Das ist jedenfalls nicht teil der These.

Andere Beispiele bei denen für mich ein menschliches Bewusstsein erkennbar ist, sind die Aufnahme von Göttern in den Hethitischen Pantheon oder auch der Bau von großen Anlagen, die alleine oder in einer kleinen Gruppe nicht machbar sind.

Die Aufnahme von Göttern in "fremde" Pantheen ist ein anderes, interessantes Thema. Allerdings widerspricht das der These nicht unbedingt. Die organisation von kleiner Gruppen ist laut These auch ohne Bewusstsein möglich. Die Stimmen, die den Göttern zugeschrieben werden, regeln eben die Organisation und die Kontrolle der Arbeiter, bzw. die "Chefs" erledigen das, nur werden die auch "bikameral unterstützt" von den Göttern.

Allerdings stimme ich dir uneingeschränkt zu, dass der Bewusstseinsbegriff sehr unscharf und schwammig ist, und man sich daher schwer tut eine Basis zu finden auf der sich eine Diskussion austragen läßt.

Mir ging es nur um Diskussion dieser einen speziellen These!

Dass die Menschen laut dieser These kein Bewusstsein haben, bedeutet nicht, dass sie nur einfache, tierische Handlungen durchführten oder sowas. Eher im Gegenteil. Bedreits der Bikamerale Mensch ist zu sehr viel mehr fähig.

So, ich werde mich wohl anmelden müssen?
 
Die Reduzierung des Menschen auf diesen "bikameralen" Begriff, also pure Triebhaftigkeit und Über-Vater ist doch letztlich eine Zombifizierung. Man stelle sich einmal sehr alte s/w-Filme vor, wo irgendwelche sich tierhaft verhaltenden dummen Negercher klugen und über alles erhabenen Weißen Massas gegenüberstehen. Diese dummen Untermenschen sind nun also völlig tierhaft - so wie der Christenmensch sich ein Tier vorstellt - von Trieben hin und hergerissen, bestialisch und extrem blöd. Aber ab und an, hört die Bestie im Tier die quasi göttliche Stimme, die dumpf und tragend sagt: Nein, dem weißen Massa, dem darfst du nichts tun. Und die Hand des dummen Negers verharrt in der Luft, mit dem großen Messer, das er gerade seinem Herrn in den Rücken stoßen wollte. Ich meine solche Szenen in Stummfilmen gesehen zu haben.

Habe ich damit das "bikamerale Bewußtsein" plastisch genug beschrieben?

Ich habe den Verdacht, daß mancher Schoßhund eine differenziertere Psyche hat als das.

Was dahinter steht ist doch ganz deutlich: Machtverhältnisse, deren Ungerechtigkeit nicht zu übersehen sind, werden für natürlich erklärt, indem die Unterdrückten zu Untermenschen abqualifiziert werden. Da sind dann die Unterdrückten eben keine richtigen Menschen mehr, weshalb ihre Unterdrückung sich aus der Natur selbst ergibt. Dieses System hat immer gut funktioniert. Sowohl die Sklavenhalter in den Südstaaten als auch die Herren im Aparheid-System waren doch sämtlich gute Christenmenschen, die immer auf ihren Pfarrer gehört haben.

Das Prinzip, wonach was nicht passt passend gemacht wird, ist aber auch immer wieder beliebt, um religiöse Vorstellungen gegen alle Unbilden der Wissenschaft zu verteidigen. Dann sind eben alle Menschen die vor der biblischen Erschaffung des Menschen schon existiert haben, keine Menschen gewesen.
 
Was bei diesem Ansatz möglicherweise als plausibel erscheint, dürfte meiner Ansicht nach zunächst die zugrundeliegende m. E. evolotionstheoretische Überlegungen sein, daß sich Bewußtsein entwickelt haben muß, in Kombination mit einer kulturhistorischen Überlegung, daß verschiedene Epochen ggf. sehr unterschiedliche Bewußtseinsformen ausgebildet haben könnten.
Oder verschiedene Epochen das innere Denken anders interpretiert, verstanden und beschrieben haben.

Ach ja, Nachtrag - mal so ganz grob:
ES - das triebhafte, das wollende, schreiende, zeternde
ICH- das Bewußtsein von mir selbst, die Vernunft, das Maßvolle
ÜBER-ICH - die moralische Instanz, das was wir für Gott halten, der Übervater
Das Freud´sche Strukturmodell der Psyche ? Wikipedia versucht auch nur zu beschreiben, wie Menschen denken und da gibt es eben unterschiedliche Ebenen, die jedoch alle ihre evolutionär nützliche Funktion haben.

Definitionen können nicht falsch sein, nur schlecht zum Arbeiten. ;)
Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass der unbewusste Mensch weder irgendwie weniger intelliegnt sei, noch nicht grundsätzlich diesselben psychologischen Bedürfnisse usw. hätte. So zumindest habe ich das verstanden. Beim bikameralen Menschen stellen sich diese Mechanismen nur anders dar. Wie Wikipedia zu entnehmen ist, sind laut These sogar Kleinkinder bikameral!
Mit dem Begriff "bikameral" kann ich noch nicht viel anfangen. Wenn du mit dem unbewußten Menschen aber den intuitiven meinst, möchte ich anmerken, dass der intuitiven Einschätzung und Entscheidung in letzter Zeit eine gesteigerte Anerkennung zuteil wird. Im Sinne von "je komplexer und undurchsichtiger die Systeme" desto schneller und angemessener ist die intuitive Einschätzung im Vergleich zur bewußt-rationalen.




Ein bikameraler Mensch behält den Schädel vielleicht, weil er die Stimme des Verstorbenen immernoch hört und sie so durch betrachten "auslösen" kann.
Die These gefällt mir, der Ahnenschädel als Erinnerungsort des Wissens und der Anweisungen der Vorfahren.
So, ich werde mich wohl anmelden müssen?

Ja, so wissen wir nicht, ob du die Fragende bist oder ein anderer Gast.:winke:
 
Die Reduzierung des Menschen auf diesen "bikameralen" Begriff, also pure Triebhaftigkeit und Über-Vater ist doch letztlich eine Zombifizierung. Man stelle sich einmal sehr alte s/w-Filme vor, wo irgendwelche sich tierhaft verhaltenden dummen Negercher klugen und über alles erhabenen Weißen Massas gegenüberstehen. Diese dummen Untermenschen sind nun also völlig tierhaft - so wie der Christenmensch sich ein Tier vorstellt - von Trieben hin und hergerissen, bestialisch und extrem blöd. Aber ab und an, hört die Bestie im Tier die quasi göttliche Stimme, die dumpf und tragend sagt: Nein, dem weißen Massa, dem darfst du nichts tun. Und die Hand des dummen Negers verharrt in der Luft, mit dem großen Messer, das er gerade seinem Herrn in den Rücken stoßen wollte. Ich meine solche Szenen in Stummfilmen gesehen zu haben.

Und ich meine, dass dieser Text zeigt, dass sich hier jemand überhaupt nicht mit der These beschäftigt hat, sie aber gleich mit irgendwelchen Vorurteilen gleichsetzt.

Habe ich damit das "bikamerale Bewußtsein" plastisch genug beschrieben?

Nein, überhaupt nicht. Du hast eher einen Ad Humanin produziert, der bei sachlicher Diskussion nicht weiterhilft!

Ich habe den Verdacht, daß mancher Schoßhund eine differenziertere Psyche hat als das.

Unabhängig von dem was da oben steht: Kann sein. Ich bin auch kein Anhänger der These, aber ich möchte mich einmal damit auseinandersetzen, aus Sicht der Altertumsforscher.

Was dahinter steht ist doch ganz deutlich: Machtverhältnisse, deren Ungerechtigkeit nicht zu übersehen sind, werden für natürlich erklärt, indem die Unterdrückten zu Untermenschen abqualifiziert werden. Da sind dann die Unterdrückten eben keine richtigen Menschen mehr, weshalb ihre Unterdrückung sich aus der Natur selbst ergibt. Dieses System hat immer gut funktioniert. Sowohl die Sklavenhalter in den Südstaaten als auch die Herren im Aparheid-System waren doch sämtlich gute Christenmenschen, die immer auf ihren Pfarrer gehört haben.

Das Prinzip, wonach was nicht passt passend gemacht wird, ist aber auch immer wieder beliebt, um religiöse Vorstellungen gegen alle Unbilden der Wissenschaft zu verteidigen. Dann sind eben alle Menschen die vor der biblischen Erschaffung des Menschen schon existiert haben, keine Menschen gewesen.

Es gibt auch Leute, die lehnen die Evolutionstheorie mit Hinweis auf den Sozialdarwinismus ab. ;)
Dabei hat die Bikamerale These gar nichts mit solchen "Systemen" zu tun. Der bikamerale Mensch ist eindeutig genauso Menschn wie jeder Mensch mit Bewusstsein. Im Buch wird auch an keiner Stelle rassistisch argumentiert, soweit ich gelesen habe. Es würde mich auch sehr überraschen, wenn dies plötzlich kommen würde.
 
Und ich meine, dass dieser Text zeigt, dass sich hier jemand überhaupt nicht mit der These beschäftigt hat, sie aber gleich mit irgendwelchen Vorurteilen gleichsetzt.

Zugegebener Maßen bin ich nun nicht losgelaufen um mir dieses Buch zu besorgen und es eilends zu lesen. Ich bin von dem ausgegangen, was zum Beginn des Threads darüber referiert wurde. Da habe ich im Prinzip verstanden, zum lediglich Triebhaften (also dem Freudschen ES) sei als zweiter Persönlichkeitsaspekt eine höhere Instanz eine Art Übervater in Gestalt der Autorität des Häuptlings oder von Göttervorstellungen (also Freudsches ÜBER-ICH) hinzugetreten. Ein Bewußtsein (also das Freudsche ICH) sei erst später entstanden.

Ich finde es zudem auch immer wieder recht erstaunlich, wie man davon ausgehen kann, es habe Zäsuren in der menschlichen Entwicklung gegeben, die alle Menschen quasi gleichzeitig erfasst hätten, ob diese nun im angesprochenen Zeitraum 3000 bis 12000 vor der Gegenwart in Südamerika, Nordamerika, Australien, Afrika, Europa oder Ostasien gelebt haben. Das erscheint mir schlicht absurd. Entwicklungen, die vor 20.000 Jahren an einem Ort stattfanden mögen woanders erst in 200 Jahren stattfinden. Wer weiß? Wenn dieser Jaynes die Entwicklung der von uns als kulturelle Vorväter gesehenen Kulturen meint, also Römer, Griechen, Juden, Ägypter, darf ich dann annehmen, daß es noch immer Völker auf dieser Erde mit bikameraler Psyche, also ohne jedes Bewußtsein von sich selbst gibt??? Was sollte ich da falsch verstanden haben?

Da ich nun wenig Lust habe, jedes krude Buch zu lesen, wo irgendwer absonderlichste Thesen zum Besten gibt, würde ich Dich bitten, erforderlichenfalls zu erläutern, was ich denn hier falsch verstanden habe. Zudem würde mich doch mal sehr interessieren, wo der Autor denn seine Weisheit hernimmt. Da er nicht dabei war, mit damaligen Menschen nie sprechen konnte, müßte er sich ja auf allgemein zugängliche Funde, im Zweifelsfall prähistorische Funde beziehen; also auf Zeugnisse die vor der Schriftlichkeit entstanden sind. Er müßte also aus so Dingen wie Grabbeilagen, Gebäuderesten oder der Verzierung von Keramiken und Höhlenmalereien Informationen gewinnen, die einigermaßen zwingend auf die behauptete bikamerale Psyche schließen lassen. Na dann man bei. Wie sollte das denn bitte belegt werden????

Als Beleg Schriften aus historischer Zeit zu verwenden ist recht lustig, wenn das Phänomen sich rund 1.000 Jahre vor der Zeitenwende erledigt haben soll. Sind wir hier bei dem, was ägyptische Priester hinterlassen haben? In der Tat, die werden viel von den Göttern und wenig über sich selbst geschrieben haben. Auch Kant hat wenig über sich selbst geschrieben. War er auch bikameral? ergo ohne Bewußtsein? Womöglich befand es damals niemand für wert, eine Autobiografie zu schreiben, in der er sein Innerstes nach Außen gekehrt hätte, also von seiner Selbstwahrnehmung und seinen Gefühlen gesprochen hätte. Das tun auch heute die meisten Menschen eher ungern. Vielleicht wäre das ja auch als Frevel gesehen worden. Es ist auch viel einfacher zu schreiben, die Götter sähen das eine und das andere mit Mißfallen, anderes aber gerne, anstatt zu schreiben, man wolle das eine oder andere gern, hätte aber gern, anderes würde unterbleiben. Warum sollten wir denn nach der Pfeiffe des Schreiberlings tanzen? Aber, wenn das der Wille der Götter ist, wer wird dann dagegen freveln?

Wenn priesterliche Schreiber dergleichen schrieben, sagt das wenig bis nichts darüber aus, was die normalen Leute dachten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich tu mich zugegebenermaßen sehr schwer mit dem Begriff des bikameralen Bewusstseins. Man möge es mir nachsehen.

Vielleicht nähert man sich dem Begriff "Bewusstsein" als Historiker anders, als es beispielsweise ein Psychologe tun würde. Ich versuche mal mein Verständnis von Bewusstsein und Bewusstseinsentwicklung darzulegen.

Der Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht doch in der Fähigkeit, sich selbst als Individuum wahrzunehmen und sich selbst in Relation zur Umwelt zu setzen. Daraus resultieren unsere "menschlichen" Fähigkeiten. Das wiederum setzt aber das Ich-Bewusstsein voraus.

Dazu ein Beispiel:
Ich male einem Kleinkind (1 1/2 Jahre alt) einen roten Punkt auf die Stirn und setze es vor einen Spiegel.

Reaktion 1: Das Kind versucht nach dem roten Punkt auf seinem Spiegelbild zu greifen
-> Interpretation: das Kind hat noch kein Ich-Bewusstsein, es nimmt seine Umgebung wahr und erforscht sie bereits, setzt sie aber nicht in Relation zur eigenen Person.

Reaktion 2: Das Kind greift an die eigene Stirn.
-> Das Kind hat das Ich-Bewusstsein entwickelt. Auch in seiner Sprache macht sich das bemerkbar, es wird zunehmend häufiger 'Ich' sagen. Ab jetzt stellt das Kind Zusammenhänge zwischen sich und seiner Umwelt her und ist in der Lage, gemachte Eindrücke wiederzugeben.

So, und jetzt versuche ich das ganze auf die frühen Höhlenmenschen zu übertragen: Wir kennen bildliche Darstellungen, z.B. von Jagdszenen, wir kennen figürliche Darstellungen in Form von Statuetten etc. die wir diesen Menschen zuordnen. Um solche Abbildungen seiner Umwelt zu schaffen (das 'Warum' sei mal dahingestellt) muss man sich zwangsläufig in Relation zur Umwelt setzen können, also ein Ich-Bewusstsein haben. Ein Schimpanse hat sicherlich eine Form von Bewusstsein, aber er hat kein Ich-Bewusstsein und ist daher auch nicht in der Lage, seine Umwelt bildhaft wiederzugeben.

Meine ganz persönliche Theorie: Unsere Vorfahren haben sehr früh schon ein Bewusstsein entwickelt, dass unserem heutigen gleicht, nur die Fähigkeiten, die auf diesem Bewusstsein basieren, haben sich weiterentwickelt.

Fazit: Ich glaube nicht an die Theorie des Julian Jaymes, zumindest nicht nach der vorliegenden Argumentation. Man darf aber gern versuchen, mich eines Besseren zu belehren...

Liebe Grüße
KeineAhnung
 
Interessantes Thema,wenngleich mir die These von Jaynes auch nicht logisch nachvollziehbar erscheint.Insbesondere fahlt es an nachvollziehbaren Grundlagen.
Psychologen arbeiten bei der Feststellung von Bewußtseinszuständen von Menschen damit,daß sie aus Gespräch und Beobachtung des Verhaltens des Probanden entsprechende Rückschlüsse ziehen.
Beides fällt bei historischen Personen weg, insbesondere soweit keine persönlichen schriftlichen Quellen von und über sie vorhanden sind.Und genau das ist für die Zeiten vor dem ersten vorchristlichen Jahrtausend im Wesentlichen der Fall.
Die überleiferten Texte aus dieser Zeit sind normierte rituelle Texte ohne Aussagekraft über die individuelle Persönlichkeit und deren Verhalten.
Insoweit verbieten sich meines Erachtens auch mangels entsprechender nachvollziehbarer Anknüpfungspukte Rückschlüsse auf ein bikamerales Bewußtsein und die Negierung eines Bewußtseins im Sinne des Freudschen ICH.
Umgekehrt gibt es jedoch erhebliche Anknüpfungspunkte,die für ein "echtes" Bewußtsein auch vor dem fraglchen Zeitraum sprechen.Und die liegen in den Abbildungen der Mitwelt und der eigenen Person. Solche Abbildungen sind bereits in den südfranzösischen Höhlen und den Petroglyphen der Sahara (individuelle Handabdrücke !) zu finden und auch die Errichtung von Großbauten (Kreisgrabenanlagen,Megalithbauten, frühe Kulturen im nahen und mittleren Osten,Asien und in Südamerika) setzt Abstraktionsvermögen ,Visionen ,Fantasie und individuelle Planungsfähigkeit und damit die von Jaynes dem Bewußtsein zugeordneten Fähigkeiten der analogen Simulation von tatsächlichem Verhalten und der analogen Entsprechung von wahrnehmender Aufmerksamkeit und Assimilation voraus. Das alles deutet auf ein Erkennen des eigenen Ichs und seine Beziehung zur Umwelt und damit auch auf ein eigenständiges Bewußtsein hin.
 
Dazu ein Beispiel:
Ich male einem Kleinkind (1 1/2 Jahre alt) einen roten Punkt auf die Stirn und setze es vor einen Spiegel.

Reaktion 1: Das Kind versucht nach dem roten Punkt auf seinem Spiegelbild zu greifen
-> Interpretation: das Kind hat noch kein Ich-Bewusstsein, es nimmt seine Umgebung wahr und erforscht sie bereits, setzt sie aber nicht in Relation zur eigenen Person.

Reaktion 2: Das Kind greift an die eigene Stirn.
-> Das Kind hat das Ich-Bewusstsein entwickelt. Auch in seiner Sprache macht sich das bemerkbar, es wird zunehmend häufiger 'Ich' sagen. Ab jetzt stellt das Kind Zusammenhänge zwischen sich und seiner Umwelt her und ist in der Lage, gemachte Eindrücke wiederzugeben.

So, und jetzt versuche ich das ganze auf die frühen Höhlenmenschen zu übertragen: Wir kennen bildliche Darstellungen, z.B. von Jagdszenen, wir kennen figürliche Darstellungen in Form von Statuetten etc. die wir diesen Menschen zuordnen. Um solche Abbildungen seiner Umwelt zu schaffen (das 'Warum' sei mal dahingestellt) muss man sich zwangsläufig in Relation zur Umwelt setzen können, also ein Ich-Bewusstsein haben. Ein Schimpanse hat sicherlich eine Form von Bewusstsein, aber er hat kein Ich-Bewusstsein und ist daher auch nicht in der Lage, seine Umwelt bildhaft wiederzugeben.

Meine ganz persönliche Theorie: Unsere Vorfahren haben sehr früh schon ein Bewusstsein entwickelt, dass unserem heutigen gleicht, nur die Fähigkeiten, die auf diesem Bewusstsein basieren, haben sich
weiterentwickelt.

Der Schimpanse hat sehr wohl ein ich-Bewusstsein, denn auch der Schimpanse versucht, den Flecken aus seinem Gesicht zu entfernen.
 
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