Das sind jetzt aber zwei völlig andere Themen bzgl. "Rational". Hatl wollte deutlich machen, dass eine psychische Krankheit nicht den Verstand abschafft. Shinigamis Thema dagegen ist die Belastung der Soldaten im Kriegseinsatz.
Zum zweiten (rationales Verhalten im Krieg): Tja, leider liessen sich Deutsche im ersten und zweiten Weltkrieg (genauso wie Soldaten auf der ganzen Welt) durch Propaganda (und Zeitgeist) dazu bringen, für Gott und Vaterland und vielleicht auch für den Führer im Schlamm rumzurobben, Menschen zu töten und vielleicht sogar den Heldentod anzustreben oder zumindest in Kauf zu nehmen.) Wobei es wohl auch Soldaten gab, die nur aus Angst( vor den Strafen im Falle des Desertierens) mitmachten. Also vielleicht doch rational. Ich weiß nicht ob Pervitin (das Speed der Wehrmacht) auch mit dazubeigetragen hat. die Soldaten bei der Stange zuhalten.
Nein, mir geht es nur darum, dass ich den schluss von "nicht in der Lage rationale Entscheidungen zu treffen" auf "kann in einem gefährlichen Umfeld nicht überleben", so nicht teilen kann.
Für Millionen Soldaten in Europa, wäre, als im Spätherbst 1914 sämmtliche militärischen Pläne gescheitert waren, noch wesentlich mehr bei der Weihnachtlichen "Gemeinschaftsaktion" im Winter 1914, die einzig rationale Entscheidung gewesen, sich, wo man dem Feind einmal Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, mit diesem auf den Status Quo ante zu verständigen, die Schlachtfelder zu verlassen und die jeweils eigene Regierung und Generalität zum Teufel zu jagen, statt sich in der Folge dann wieder einem Himmelfahrtskommando nach dem Anderen auszusetzen.
Zu einer solchen rationalen Entscheidung, war die Masse der Soldaten, auch der Subalternoffiziere, die den Frontalltag ja auch kannten, aber offensichtlich nicht fähig, sonst wäre die Geschichte anders verlaufen.
Dennoch haben Millionen Menschen, die diese hochirrationale Entscheidung getroffen haben, sich anschließend wieder gegeneinander zu hetzen und sich mitunter über Jahre hinweg dauerhaft wiederholter Lebensgefahr auszusetzen, die ganze Klamotte ohne lebensgefährliche Beeinträchtigung überlebt.
Warum sollte also ein Hitler oder Stalin, wenn er zu rationalen Entscheidungen nicht fähig gewesen wäre, keine Chance haben sollen, gefährliche Situationen zu überleben?
Ob die Irrationalität nun aus einer Fehlgeleiteten Überzeugung und falsch verstandenem Pflichtgefühl herrührt oder aus einer psychischen Krankheit, macht doch für das Faktum der irrationalen Entscheidung erstmal keinen Unterschied.
Vor dem Hintergrund, dass sich Millionen mehr oder minder freiwillig (wer hätte eine ganze meuternde Armee aufhalten wollen, das funktionierte ja nicht einmal, mit ein paar meuternden Matrosen in Kiel) irrationale Entscheidungen trafen, die sie in Lebensgefahr brachten, wären da wahrscheinlich hochgradig irrationale Entscheidungen Hitlers oder Stalins nichtmals besonders aufgefallen.
Die Diskussion um Aufputschmittel und Strafen, würde ich für die Wehrmacht so stehen lassen. Nur im Ersten Weltkrieg gabs in dem Maße keine Aufputschmittel für die Truppe und angesichts der stehenden Fronten, die frustieren mussten und 1914 auch der Weihnachtlichen Begegnung mit dem Feind auf der anderen Seite, dem es genau so ging, wäre der Gedanke, dass kollektiver Befehlsverweigerung so irrational nicht gewesen. Die Subalternoffiziere saßen, wie angemerkt genau so im Dreck und wer will denn ein ganzes frustritertes und allmählich demoralisiertes Heer entwaffnen und erschießen lassen?
Im späteren Verlauf des Krieges, kam es dann ja zu Akten kollektiver Gehorsamsverweigerung, etwa ausgedrückt in der Weigerung der französischen Truppen im Gefolge der Nivelle-Offensive wieder zum Angriff anzutreten.
Ich würde vor diesem Hintergund behaupten, dass es für die Zeit von 1914-1918 und für einige noch darüber hinaus (Folgekonflikte) gesamtgesellschaftlich etwas vollkommen normales war Entscheidungen zu treffen, die wir heute "irrational" nennen würden und die dauerhaft akkute Lebensgefahr mit sich brachten.