Part 2
- Inwieweit unterschied sich die angelsächsische Kirche von der fränkischen in Organisation und Vorstellungen?
Das genau zu differenzieren dürfte spätestens nur noch Kirchenhistoriker beantworten können. M.E. ist die Frage vermutlich sogar zu eng gefasst um sie verstehen zu können. Faktisch handelnde „Kirchen“ dieser Zeit waren meiner Ansicht nach 4 kirchliche Ausrichtungen. Ich hole daher nochmals weiter aus, weil die Grenzen fließend sind:
Als die christliche Urkirche durch die Folgen der konstantinschen Reformen in die Reichspolitik des römischen Reiches eingebunden wurde, entstand aus ihr eine reichsweite, allumfassende Kirchenorganisation mit erheblichen Möglichkeiten. Versuchten doch die spätrömischen Kaiser mit ihrer Hilfe das wankende Römische Reich zu festigen. Tatsächlich überstand die kirchliche Organisation den Kollaps des Reiches weit besser als zumindest der westliche Teil des alten Reiches. Diese „Reichskirche“ stand im bewussten und erheblichen Gegensatz zu den meist arianischen „Stammeskirchen“ der germanischen Völkerwanderungszeit. Die Reichskirche gewann, nicht zuletzt durch den Erfolg der katholischen Auslegung den Frankenkönig Chlodwig zum katholischen Bekenntnis zuzuführen. Als Kompromiss erlaubte man dem Franken eine Sonderstellung mit hohem königlichem Einfluss auf kirchliche Positionen, während die Liturgie auf römischen Vorbildern basierte. Das erlaubte die Fiktion der Einheit.
Im Wesentlichen blieb die feste Kirchenorganisation auch nachher nahezu auf die Grenzen des ehemaligen römischen Imperiums begrenzt: Eine weitere Fiktion der Einheit, hatten sich doch längst Gegensätze zwischen der Westkirche unter dem Primat der Bischöfe von Rom als Päpste und der im alten Sinne als Stütze des (jetzt byzantinischen) oströmischen Reiches herausgebildet. Die Kaiser von Byzanz verlangten weiterhin Einfluss auf die Kirche, genau wie die Franken dies in ihrem Königreich erfolgreich behauptet hatten. Im ganzen Gebiet des ehemaligen Imperiums war für neu geweihte Bischöfe in ihrem Amtseid eine Formel vorgesehen, in dem die Treue zu den (byzantinischen) Kaisern enthalten war. Diese Formel leisteten fränkische Bischöfe nicht, für sie war der fränkische König bindend!
Indirekt kann man also auch die fränkische Kirche durchaus als katholische Kirche ansehen. Man sollte nicht vergessen das in der Zeit von Bonifatius der römische Papst in direkter Konfrontation mit dem Kaiser von Byzanz stand (Gregor II. wegen Tributforderungen, sein Nachfolger Gregor III. wegen dem byzantinischen Bilderstreit mit Kaiser Leo III. den er sogar exkommunizierte). Auch fielen damals unglaublich viele ehemalige Provinzen des römischen Imperiums der stürmischen Expansion der Mohammedaner zum Opfer, darunter die stark christianisierten nordafrikanischen Küsten und Spanien. Gerade Nordafrika war lange eine große Stütze der westlichen Reichskirche und damit der Päpste gewesen. Es gab aber noch eine Kirche, die rein gar nichts mit der ehemals imperialen Kirche zu tun hatte!
Gemeint ist die Iroschottische Kirche, auch Keltische Kirche genannt. Irland hatte niemals zum römischen Imperium gehört, war aber schon in der ausgehenden Antike christianisiert worden. Während der Völkerwanderung war dieses Gebiet nicht von den fremden Wanderungen betroffen, im Gegenteil siedelten sich die Skoten von Irland kommend im heutigen Schottland an! Im 5. Jahrhundert wurden die Iroschotten durch während ihrer Beutezüge in Britannien gemachten christlichen Sklaven missioniert. Eine interessante Parallele zur Gotenmission mit ihrem Höhepunkt in Bischof Wulfia übrigens. Im Gegensatz zu den Goten (und später zeitweise der meisten Germanenstämme) übernahmen die Iroschotten aber die Lehre der Trinität und nicht die arianische Variante! Die Iroschotten erhielten wesentliche Impulse aus der Ostkirche, vor allem aus dem syrischen Raum. Dort und in Ägypten war das Ideal des Mönchstums entstanden, welches wohl bei den westlichen Kelten auf besonders fruchtbaren Boden viel. Hier war der Kernpunkt ihrer Kirche zu finden! Ihre Klöster wurden zu einem Hort der Gelehrsamkeit. Man kannte im Gegensatz zur Kirche des ehemaligen Imperiums aber keine höhere Hierarchie oberhalb von Bischöfen. Auch Kleriker standen nicht außerhalb normalen Rechts, sie durften auch durchaus in der Schlacht kämpfen. Diese Mönche waren leicht an ihrer anderen Frisur von „römischen Mönchen“ zu unterscheiden und wurden von missionarischem Eifer beseelt überall in Nordeuropa angetroffen. Diese Kirche war der echte Gegenentwurf zur Kirche des Mittelmeeres. Zum Leidwesen des Papstes leisteten sie dem Christentum viele wertvolle Dienste, ließen sich aber nicht in die bestehende Organisation einreihen! Die Bedeutung der keltischen Kirche in der frühen Christianisierung Mittel- und Nordwesteuropas wird leicht übersehen. Ihre Klöster entstanden auch auf dem Festland und während der Missionierung der Angelsachsen in England. Nachteilig wirkte sich die mangelnde organisatorische Tiefe der keltischen Kirche darin aus, die Missionserfolge nachhaltig zu festigen. Nur wo Klöster hinterlassen wurden blieb der Einfluss lange bestehen. Die fränkische Reichskirche oder die fränkischen Großen ließ die Iroschotten gewähren, banden sie sogar örtlich in ihre Pläne ein
Erst jetzt komme ich zu der Angelsächsischen Kirche! Papst Gregor I. (gen. Der Gr.: 540 bis 604, dem Begründer der Gregorianik) hatte eine Vision die fernen Angelsachsen christianisieren zu lassen. Interessanterweise begannen fast zur gleichen Zeit iroschottische Missionare mit dem gleichen Projekt von einer anderen Richtung aus! Gregor wusste um die Bedeutung von Klöstern für nachhaltige Missionsarbeit. Aus altem senatorischen Adel stammend wurde eine politische Laufbahn durch die Gotenkriege in Italien immer Aussichtsloser. Dem Trend der Zeit entsprechend wandelte er die elterliche Villa auf dem Monte Celino in ein Benediktinerkloster um und führte es zur Blüte. Später als Papst bildete dieses Kloster sein „Eigenkloster“ und Stütze zur Christianisierung der Angelsachsen. Er sandte 40 Benediktiner unter Leitung von Abt Augustin von dieser Kaderschmiede zu diesem Zwecke in den Norden aus. Dort bekamen sie es mit der direkten Konkurrenz der iroschottischen Mission zu tun. Beide Auslegungen stritten um die Vorherrschaft in England, die erst mit der Synode von Whitby (664) zugunsten der päpstlichen Missionare entschieden wurde.
Gregor forderte die größtmögliche Anpassung der Predigt an die Landessitten, ganz im Gegensatz zu den Iroschotten. Er verlangte nicht die Zerstörung heidnischer Tempel, sondern ihre Umwandlung in christliche Kirchen. Ebenso waren die Benediktiner bereit Feierlichkeiten der Bevölkerung einen christlichen Rahmen zu geben. Einen ganz bedeutsamen Anteil an der Christianisierung Englands hatten benediktinische Frauenklöster, deren Äbtissinnen sehr gelehrt und geistig hoch stehend waren. In der Folge wurde die angelsächsische Kirche fest an den Papst in Rom gebunden. Auch Bonifatius ist ein Produkt dieses Prozesses! Dadurch auch sein starker Gegensatz zu den Iroschottischen Mönchen. Bonifatius leistete in Rom vor seiner Ernennung als Bischof einen besonderen Treueid. Auch er musste nicht auf den Kaiser schwören, dafür aber ging er die schriftliche Verpflichtung ein, er werde mit Bischöfen, die nicht „die alten Einrichtungen der heiligen Väter“ beachten keine Gemeinschaft zu haben. Gerne wird diese Verpflichtung im Kontext mit den sittlich fragwürdigen Elementen in der fränkischen Reichskirche gesehen, sie ist aber direkt auch gegen die iroschottische Mission gerichtet mit der er im direkten, fast schon ererbten Gegensatz stand!
Eine Welle gut ausgebildeter Kleriker und Mönche konnte so herangebildet werden, die sich auch bald bereit erklärten auf dem Festland zu missionieren. Wie die Iroschotten erfüllte auch sie starker Missionseifer. Die festen Mönchsregeln erlaubten ihrer Mission aber den Aufbau von sicheren Missionsbasen und tiefer gehenderen Unterweisung im neuen Glauben. Sie reagierten auch flexibler auf örtliche Eigenheiten und waren fest in die hierarchische Ordnung der katholischen Kirche eingebunden. Diese Benediktiner gehorchten dem Papst und waren nicht an örtliche Fürsten gebunden, wie die führenden Repräsentanten der fränkischen Reichskirche an ihren König, an ihre Gönner und an ihre adeligen Familien! Die reichhaltigen Bibliotheken Roms und der katholischen Kirche stand diesen Mönchen offen sich zu bilden und zu studieren. Dabei vergaßen sie nicht zu kopieren und das Wissen in ihre Klöster mit zu nehmen. Der 735 gestorbene angelsächsische Mönch Beda galt zu seiner Zeit als der gebildetste Zeitgenosse. Das war die Basis aus der heraus Bonifatius seine Reform begann.
Um auf Deine Frage zurückzukommen: Die angelsächsische Kirche unterschied sich auf dem ersten Blick kaum von der fränkischen Kirche. Liturgien und Organisationsform waren sehr ähnlich. Der Unterschied liegt in den angesprochenen Details. Die Angelsachsen waren ebenso eifrige Missionare wie die Iroschotten, ganz im Gegensatz zu den kaum missionierenden Franken. Wenn die Franken missionierten, griffen sie auf Mönche des Mittelmeerraumes und der britischen Inseln zurück (Iroschotten wie Angelsachsen!). Das Mönchstum hatte im Frankenreich noch keine aktive, sich überall selbst tragende Ausstrahlung angenommen. Genau dieses Mönchstum war jedoch der Schlüssel für eine nachhaltige Missionstätigkeit.
@Bischofseid von Bonifatius
Der Bischofseid des hl. Bonifatius
30. XI. 722
Im Namen des Herrn und unseres Erlösers Jesus Christus!
Im VI. Regierungsjahr des erhabenen, von Gott gekrönten Kaisers Leo -
im VI. Jahr nach seinem Konsulat - und
im IV. Regierungsjahr seines Sohnes und Mitkaisers, des erhabenen Konstantin -
in der VI. Indiction
ICH,
BONIFATIUS,
DURCH GOTTES GNADE BISCHOF
GELOBE
DIR, heiliger APOSTELFÜRST PETRUS
und Deinem Stellvertreter,
dem heiligen PAPST GREGOR,
und SEINEM NACHFOLGERN
bei der unteilbaren DREIFALTIGKEIT
dem VATER + dem SOHN + dem HL. GEIST +
und bei diesem Deinem HOCHHEILIGEN LEIB:
In voller Treue und Einheit zum heiligen katholischen Glauben zu stehen und mit Gottes Beistand in der Einheit dieses Glaubens, auf dem ohne Zweifel alles Heil der Christen beruht, zu verharren -
In keiner Weise jemals irgendwelche Machenschaften gegen die Einheit der gemeinsamen und allgemeinen Kirche zuzustimmen - sondern, wie ich gesagt habe, meinen Glauben, meine Glaubensreinheit und meinen Beistand Dir und dem Wohl Deiner Kirche, der von Gotte dem Herrn die Gewalt zu binden und zu lösen verliehen ist, und Deinem eben genannten Stellvertreter und seinen Nachfolgern in allem zu weihen. -
Mit Bischöfen jedoch, die gegen die altehrwürdigen Satzungen der heiligen Väter verstoßen, keinerlei Gemeinschaft und Verbindung zu halten - ihrem Treiben vielmehr Einhalt zu tun, soweit ich vermag, oder zumindest meinem Apostolischen Herrn gewissenhaft darüber zu berichten. -
Sollte ich - was fern sein möge! - jemals versuchen, in irgendeiner Weise oder in irgendeiner Absicht oder aus irgendeinem Anlaß, gegen den Inhalt dieses Versprechens zu verstoßen, dann möge ich im ewigen Gerichte schuldig befunden werden und der Strafe des Ananias und der Saphira verfallen, die durch falsche Angaben über ihren Besitz Dich zu betrügen versuchten.
Diese eidliche Erklärung habe ich,
der unwürdige Bischof Bonifatius,
eigenhändig niedergeschrieben und
auf Deinen hochheiligen Leib gelegt.
Gott zum Zeugen und Richter anrufend
habe ich den vorstehenden Eid geleistet
und ich gelobe, ihn zu halten.
(entnommen:
http://www.heiliger-bonifatius.de/home/html/leben___werk.html#Eid)