Caput Iuliae/Lupiae fluminis

Erinnere dich was Cassius Dio geschrieben hat:

"Die Römer hatten dort (in Germanien) einige Punkte, nicht auf einmal (zeitlich versetzt), sondern wie es sich gerade traf, in ihre Gewalt gebracht, - weshalb auch keine geschichtliche Aufzeichnung darüber vorhanden ist (damit wäre auch der Punkt geklärt, ob noch Aufzeichnungen existieren !); römische Soldaten lagen dort im Winterquartiere ...".
"einmal" ist irreführend. Der Originaltext lautet: Εἶχόν τινα οἱ Ῥωμαῖοι αὐτῆς, οὐκ ἀθρόα ἀλλ' ὥς που καὶ ἔτυχε χειρωθέντα ... Das Wort ἀθρόος, das hier mit "einmal" übersetzt wurde, bedeutet eigentlich "beisammen". Es dürfte räumlich zu verstehen sein, dass also ihre Besitzungen nicht verbunden waren.
 
@ Ravenik,

ja wäre auch möglich. Ich bevorzuge aber die Wortwahl "nicht alles auf einmal" (zeitlich). Warum? Wenn ihre Besitzungen nur nicht verbunden wären, so hätte ich das gleiche Münzspektrum bezüglich der Schlußmünzen in den Lagern. Das habe ich aber nicht. Das ist unterschiedlich - siehe Haltern und Oberaden oder Haltern und Anreppen.

ἀθρόος, zusammengedrängt, versammelt; alles insgesamt, alles zusammen, alles auf einmal; von Soldaten: dicht gedrängt; auch reichlich groß; die Menge, Gesamtheit (er wurde mit ganzer Heeresmacht gesehen); adv. haufenweise, in Menge; im Allgemeinen sagen, bei den Rhetoren, das Ganze statt seines Teils nennen; auch von der Zeit: plötzlich

006 Wörterbuch altgriechisch - deutsch

Grüße
 
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Man liest eben immer was man lesen will.

Und man will ja auch nicht immer das gleiche lesen.


Erinnere dich was Cassius Dio geschrieben hat:

"Die Römer hatten dort (in Germanien) einige Punkte, nicht auf einmal (zeitlich versetzt), sondern wie es sich gerade traf, in ihre Gewalt gebracht

Ich bevorzuge aber die Wortwahl "nicht alles auf einmal" (zeitlich).

Denn Cassius Dio berichtete ja schon, dass die Römer KEINE ZUSAMMENHÄNGENDEN GEBIETE erobert hatten, sondern wie es sich gerade traf. Das scheint aber bis heute niemand wirklich zu kapieren.
 
Auch wenn die Diskussion nicht mehr ganz frisch ist drei Anmerkungen als Nachtrag:

1.) Benennung der "Julia" nach Tiberius' Frau: Tiberius hat sich 2 v.Chr. von Julia scheiden lassen. Wenn er den Fluss nach ihr benannt hat, dann wird man wohl einen besonders hässlichen Fluss zu suchen haben.

2.) Deutung nach Ritter-Schaumburg Ausg. 2008, S. 97: Julia = Gunne, ein Nebenflüsschen der Lippe, das bei Anreppen einmündet (jedenfalls damals). Die Gunne hieß damals lt. Ritter-Schaumburg "Gunio" oder "Gunia", mundartlich "Chunnia/Junnia", für römische Ohren angepasst "Julia".

3.) Deutung nach W. Hartke (Altphilologe, Darstellung nach Johne 2006, S. 145-148): Lager an der Mündung, und zwar an der "(al)llisiae" = Amisiae, also an der Ems-Mündung. Die Konjektur wird unter anderem begründet mit einem Übertragungsfehler des Kopisten, mit strategischen Überlegungen sowie mit dem ansonsten rätselhaften Abstecher des von Italien anreisenden Tiberius im Sommer(!) 4 an den Ärmelkanal (Boulogne-sur-Mer); dies könnte im Zusammenhang stehen mit Flottenvorbereitungen für das Jahr 5 und könnte zu einem Winterlager 4/5 an der Emsmündung passen (Näheres bei Bedarf bitte bei Johne nachlesen).
 
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Die Gunne mündete auch damals nicht bei Anreppen. Ihre Mündung in die Lippe verursacht die Furt bei Ringboke. Der Name wurde erst im Zuge der Kartierung des Gebiets in der ersten Hälfte des 19. Jh. festgelegt. Zuvor waren verschiedene Namen in Gebrauch, für das ganze Gewässer in der Regel Elsener Bach. Obwohl das eine Benennung nach dem Ort war, hat man bei Boke daher Aliso gesucht.
 
Auch wenn die Diskussion nicht mehr ganz frisch ist drei Anmerkungen als Nachtrag:

1.) Benennung der "Julia" nach Tiberius' Frau: Tiberius hat sich 2 v.Chr. von Julia scheiden lassen. Wenn er den Fluss nach ihr benannt hat, dann wird man wohl einen besonders hässlichen Fluss zu suchen haben.

Um noch eine Variante ins Spiel zu bringen: In der Provinz Raetia gab es durchaus einen Fluss, der "Julia" hiess und auch heute noch so heisst (rätorom. Geglia). Der Fluss entspringt am Julierpass und von diesem hat er auch seinen Namen.

Die Herkunft des Pass-Namens ist unbekannt, eine Herleitung von Tiberius Frau Julia oder von Julius Cäsar oder überhaupt von den Juliern wird aber abgelehnt (obwohl eine Römerstrasse vorhanden wäre :)). Als wahrscheinlichste Variante gilt die Erklärung, dass sich der Name auf den keltischen Wortstamm "julo" für "Joch, Pass" beziehen würde.
 
Die Gunne mündete auch damals nicht bei Anreppen. Ihre Mündung in die Lippe verursacht die Furt bei Ringboke. Der Name wurde erst im Zuge der Kartierung des Gebiets in der ersten Hälfte des 19. Jh. festgelegt. Zuvor waren verschiedene Namen in Gebrauch...

Echt, die Gunne heißt erst seit dem 19. Jh. so? Dann hätte sich Ritter-Schaumburg allerdings ordentlich vergaloppiert. Wie auch immer, besonders stichhaltig war seine Argumentation wohl ohnehin nicht.
Allerdings: Ringboke mit Gunnemündung liegt, wenn mich Google nicht täuscht, ca. 2,5 km vom Lager Anreppen entfernt. Insofern durchaus "bei" i.S. von "nahe" - so hat es auch Ritter-Schaumburg geschrieben und so war's gemeint.
 
Sie trug in verschiedenen Orten verschiedene Namen. Der Vermesser musste sich entscheiden. Bis zu der erwähnten Furt war die Lippe schiffbar. Nur in Teilen des Jahres ging es bis nach Neuhaus. Die Römer werden die Gunne also im Blick gehabt haben. Zwischen Gunne und Römerlager mündet noch der Stemmecke-Bach. Der antike Verlauf ist nicht ganz klar, heute erscheint er geradezu als zusätzliches Annäherungshindernis.

(Heute führt die Gunne recht wenig Wasser. Das liegt daran, dass in Elsen Wasser entnommen wird. Bis ins 20. Jh. führte sie wesentlich mehr Wasser. Auch ist die Lippe durch den Boker Kanal 'entlastet'. Heute steht das Gelände östlich der Furt selten unter Wasser, damals wohl in jedem Winter. Einige erhöhte Stellen ragten daraus empor. U.a. das Lager. Nicht das ich hier etwas unterschlage.)
 
Dann hätte sich Ritter-Schaumburg allerdings ordentlich vergaloppiert. Wie auch immer, besonders stichhaltig war seine Argumentation wohl ohnehin nicht.
Das kann man wohl sagen.
Es ist ja eigentlich keine Argumentation, eine 2000 alte "Mundart", für die es überhaupt keine Anhaltspunkte gibt, zu "rekonstruieren".

Dass römische Ohren nicht zwischen "Junia" und "Julia" (oder zwischen "Junius" und "Julius") unterscheiden konnten, ist vollends absurd.
 
Auch wenn die Diskussion nicht mehr ganz frisch ist drei Anmerkungen als Nachtrag:

1.) Benennung der "Julia" nach Tiberius' Frau: Tiberius hat sich 2 v.Chr. von Julia scheiden lassen. Wenn er den Fluss nach ihr benannt hat, dann wird man wohl einen besonders hässlichen Fluss zu suchen haben.

2.) Deutung nach Ritter-Schaumburg Ausg. 2008, S. 97: Julia = Gunne, ein Nebenflüsschen der Lippe, das bei Anreppen einmündet (jedenfalls damals). Die Gunne hieß damals lt. Ritter-Schaumburg "Gunio" oder "Gunia", mundartlich "Chunnia/Junnia", für römische Ohren angepasst "Julia".

3.) Deutung nach W. Hartke (Altphilologe, Darstellung nach Johne 2006, S. 145-148): Lager an der Mündung, und zwar an der "(al)llisiae" = Amisiae, also an der Ems-Mündung. Die Konjektur wird unter anderem begründet mit einem Übertragungsfehler des Kopisten, mit strategischen Überlegungen sowie mit dem ansonsten rätselhaften Abstecher des von Italien anreisenden Tiberius im Sommer(!) 4 an den Ärmelkanal (Boulogne-sur-Mer); dies könnte im Zusammenhang stehen mit Flottenvorbereitungen für das Jahr 5 und könnte zu einem Winterlager 4/5 an der Emsmündung passen (Näheres bei Bedarf bitte bei Johne nachlesen).

Salve Malan,
ein paar Gedanken hierzu:
1. Klar, kann sein. Es muss aber nicht zwangsläufig Tiberius den Namen gegeben haben, Drusus (oder seine Soldaten) war ja wohl auch schon in Hedemünden,
3. Das scheidet für mich aus. Eine Mündung in den Rhein ist viel zu nah am angestammten Römergebiet, eine Nennung "Media in Germania" wäre dann lachhaft. Ems - Mündung? Naja, was sollte man soweit im Norden? Ausserdem gab es auch damals schon Ebbe und Flut, aber eine Küste ohne Deiche. Aus meiner norddeutschen Sicht ein enormes Risiko für ein größeres Lager.
2. Klar, jeder Nebenfluss der Lippe wurde schon in die Diskussion gebracht. Aber war dass eine Ortsbezeichnung, bei der man sich halbwegs vorstellen kann, wo das sein soll? Für mich jedenfalls nicht. Ich denke, ein erstmaliges Überwintern im ehemaligen Feindesland ist mehr als ein Zeltlager, es ist ein Symbol: Schaut her, zu was wir fähig sind! So etwas darf weder lächerlich sein noch schief gehen oder abgebrochen werden.

[mod]Beitrag geteilt. Restbeitrag hier: http://www.geschichtsforum.de/f77/siedlungshistorie-hann-m-nden-50687/[/quote]
 
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Ems - Mündung? Naja, was sollte man soweit im Norden? Ausserdem gab es auch damals schon Ebbe und Flut, aber eine Küste ohne Deiche. Aus meiner norddeutschen Sicht ein enormes Risiko für ein größeres Lager.

Dass der Zugang zu Germanien über die Nordseeküste mit Ems, Weser und Elbe eine wichtige strategische Rolle für die Römer gespielt hat, dürfte wohl unstrittig sein. Starke Flut war natürlich grundsätzlich ein Problem (hat ja auch einiges angerichtet anno 15). Wenn die Römer aber in der Gegend von Benutmersiel gelegen haben sollten, hatten sie damals über 30 Km Fluss zwischen sich und der Mündung (heutige Küstenform erst im MA entstanden, früher war die Ems länger). Ich weiß nicht, wieviel Tide derart weit flussaufwärts noch ankommt, aber gefährlich dürfte es doch nicht mehr gewesen sein. Zumal um das Jahr 0 der Meeresspiegel knapp 0,5 Meter tiefer war als heute.
Mein Fazit: Durchaus machbar. Dass die Emsmündung "mitten in Germanien" ist, könnte ich auch noch einsehen, man darf das nicht mit den Augen des heutigen Kartenlesers sehen, sondern mit denen des Römers, für den sich die Emsmündung weit entfernt vom Rhein auf halbem Weg zum Feind befindet.
Aber es ist nicht meine Theorie, ich habe nur auf sie hinweisen wollen.
 
Wo ist das eigentlich her?

Das Deutsche Ortsnamenbuch nennt folgende älteste Belege:

932 Merseburc
949 Mersapurac
952 Merseburg
968 Merseburg
973 Mersiburg
Man findet die Form Mesaburi... bei Widukind (siehe auch Thread zur "Merseburger Legion" 936) und beim Annalista Saxo. Inwieweit es sich dabei um (Ab)Schreibfehler, Verschleifungen des -r- und des -g- oder gar die ursprünglichere Namensforn handelt, sei dahingestellt.
 
Man findet die Form Mesaburi... bei Widukind (siehe auch Thread zur "Merseburger Legion" 936) und beim Annalista Saxo. Inwieweit es sich dabei um (Ab)Schreibfehler, Verschleifungen des -r- und des -g- oder gar die ursprünglichere Namensforn handelt, sei dahingestellt.

Ah, vielen Dank!

Anscheinend handelt es sich um eine slawisierte Namensform (falls die Gleichsetzung Mesaburii=Merseburger stimmt):

"In dem Namen Mesaburii steckt wahrscheinlich die slavische Bezeichnung für Merseburg." (Fußnote 73)

http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a056457.pdf
 
Guten Tag,

Wo ist das eigentlich her?

Das Deutsche Ortsnamenbuch nennt folgende älteste Belege:

932 Merseburc
949 Mersapurac
952 Merseburg
968 Merseburg
973 Mersiburg

Ergänzungen:

800/805 in Martis Urbe
880-899 - Urbs Merseburg, Civitas Mersiburc
Anfang 10. Jh. - in urbe predicta, quam Antiquam civitatem nominamus, maximam tenuit partem
933 Meresburg
936 Antiquum pous Romanorum muro rex predictus in Mersburg decoravit lapideo
962 Merseburg
972 Merseburg
979 civitac vel castellum Meresburch
1004 Merseburg
1012 aecclesiam in antiqua urbe sitam

Im Chronicon Holsatiae findet sich folgender Eintrag:

"Nam Legitur, quod illo tempore Karolus propter fidem sepius contra Saxones dimicauit, tandem collecto exercitu magno in Martis Urbe, vulgariter Merseborg."

Merseburg ist auf keinen Fall slawisch zurückzuführen. Die meisten Forscher gehen von der "Altenburg" am Schloss als älteste Burganlage aus. Jedoch sehe ich das nicht so. Die einstigen kaiserzeitlichen Grabanlagen, einschließlich der Fürstengräber von Leuna (https://de.wikipedia.org/wiki/Haßleben-Leuna-Gruppe) lagen alle links und südlich in der Nähe der einstigen "Finkenburg" (Heinrich der Finkler/Vogler) an der Saale, welche vollkommen überbaut ist. Wenn schon, dann stand wahrscheinlich dort das "alte römisch Werk". Flurnamen mit Finkenburg (auch Finkeburg) waren ehem. Vogelherde, geweihte Orte oder Brandsignalplätze. Dort fließen auch die Geisel und die Klia in die Saale. Der Ort war ideal gewählt für eine Befestigung.
 
800/805 in Martis Urbe
Quellenstelle? Denn eigentlich ist der Erstbeleg Merseburgs etwa 100 Jahre später. Aber so oder so, daraus wird aus Stadt immer noch keine römische.

Was die Thietmarstelle angeht: Auf Altersangaben im Mittelalter kann man nicht viel geben, vor allem dann nicht, wenn der Schreiber aus der Stadt kommt, so wie eben Thietmar. Im Mittelalter gilt immer je älter desto edler. So machten sich die Trierer älter als Rom und erfanden einen assyrischen Königssohn Trebetas, der Trier gegründet habe oder die schottischen König bestimmten, dass ihr Krönungsstein das Kofkissen Isaaks gewesen sein. Zu dieser Theamtik der Veredlung durch Alter im Mittelalter gibt es ganze Bibliotheken.
 
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Merseburg ist auf keinen Fall slawisch zurückzuführen. [...] Die einstigen kaiserzeitlichen Grabanlagen, einschließlich der Fürstengräber von Leuna (https://de.wikipedia.org/wiki/Haßleben-Leuna-Gruppe) lagen alle links und südlich in der Nähe der einstigen "Finkenburg" (Heinrich der Finkler/Vogler) an der Saale, welche vollkommen überbaut ist.

Ohne damit eine Aussage darüber zu treffen, woher der Name Merseburg stammt, ob es sich um einen genuin germanischen bzw. althochdeutschen Namen oder um einen slawischen Namen handelt (lateinische Herkunftshypothesen können wir getrost verwerfen), es geht mir ausschließlich um die Argumentation(!): die Argumentation ist nicht ganz stimmig. Nur weil ein Gebiet zu einem Zeitpunkt n1 germanisch besiedelt war und zu einem Zeitpunkt n2 deutsch besiedelt war, ist dies noch lange kein sicheres Indiz für eine Siedlungskontinuität. Ein zwischenzeitliches Eindringen von Slawen in besiedelte oder auch siedlungsfreie Gebiete ist nicht nur möglich sondern an zahlreichen Orten entlang des erweiterten Elbesaums belegbar. Insofern ist die Argumentation, dass die Siedlungskammer um Merseburg in der Kaiserzeit eine als zur germanischen Kultur gehörig angesprochenen Gruppe beherbergte, kein Grund auszuschließen, dass der Name Merse(burg) aus dem Slawischen käme. Wobei ich jetzt im Umkehrschluss nicht in der Richtung missverstanden werden möchte, dass ich eine solche Ableitung verträte.
 
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