Das Lied vom SA Mann

rebecca.meier

Neues Mitglied
Hallo miteinander,

ich schreibe zur zeit eine Arbeit über das Lied vom SA-Mann. bevor ich aber damit anfangen kann, sollte ich es interpretieren. Das heisst, die personen, welche darin vorkommen historisch zuzuordnen.

kennt sich jemand mit Brecht oder dem lied aus?

Könnt ihr mir die Fettgedruckten sache zuordnen?


DAS LIED VOM SA-MANN

Als mir der Magen knurrte, schlief ich
Vor Hunger ein.
Da hört ich sie ins Ohr mir
Deutschland erwache! schrein.

Da sah ich viele marschieren
Sie sagten: ins dritte Reich.
Ich hatte nichts zu verlieren
Ich lief mit, wohin war mir gleich.

Als ich marschierte, marschierte
Neben mir ein dicker Bauch
Und als ich „Brot und Arbeit“ schrie
Da schrie der Dicke das auch.

Ich wollte nach links marschieren
Nach rechts marschierte er
Da ließ ich mich kommandieren (von wem?)
Und lief blind hinterher. (hinter wem?)

Und die da Hunger hatten
Marschierten matt und bleich
Zusammen mit den Satten
In irgendein (??) drittes Reich.

Sie gaben mir einen Revolver
Sie sagten: Schieß auf unsern Feind!
Und als ich auf ihren Feind schoß
Da war mein Bruder gemeint.

Jetzt weiß ich: drüben steht mein Bruder.
Der Hunger ist 's, der uns eint
Und ich marschiere, marschiere
Mit seinem und meinem Feind.

So stirbt mir jetzt mein Bruder
Ich schlacht' ihn selber hin
Und weiß nicht, daß, wenn er besiegt ist
Ich selber verloren bin.

Vielen Dank im Voraus.

Liebe Grüsse aus Magdeburg
rebecca
 
Auskennen mit Brecht: ein wenig, mit diesem Lied: Nein, war mir bis heute unbekannt. Aber einige Gedankenansätze:

Zu bedenken ist, dass Brecht (zur Zeit des 3. Reiches) kommunistisch eingestellt war (Marx und seine Theorien hatten wir hier ja schon, dass will ich nicht wieder vom Zaun brechen..).

Insofern würde ich den Bruder als "Mit-Proletarier" betrachten. Trotz der (von Marx und Brecht so gesehenden) gleichen Klasseninteressen stehen sich Arbeiter als Feinde (sogar Todfeinde) gegenüber, einer Kommunist, der andere Faschist ("Ich wollte nach links marschieren, nach rechts marschierte er", deutlicher gehts kaum).

Im Dicken weiter oben sehe ich den Bourgouise, also aus Sicht des marxistischen Arbeiters (die Brecht ja einnimmt) den Klassenfeind. Die Stellen, in denen dieser Dicke die gleichen Interessen zu haben scheint (oder dies vorspiegelt, so hier: "Und als ich „Brot und Arbeit“ schrie
Da schrie der Dicke das auch"
) verdeutlicht einen der Hauptkritikpunkte, die Brecht u.a. am Faschismus hatten: Er verwische die Klassengegensätze unter dem Hirngespinst einer behaupteten "Volksgemeinschaft", obwohl für den Autor doch offensichtlich ist, das ein Dicker und ein Hungernder (also Bürgertum und Arbeiterschaft) mitnichten die gleichen Interessen haben können.

"...so stirbt mir jetzt mein Bruder..." usw.: Würde ich so interpretieren:
Die Nazis können nur von der Arbeiterschaft (bzw. den Kommunisten) gestoppt und überwunden werden. Da die Nazis aber unter den Arbeitern viele Anhänger hatten, bedeutet dies nicht weniger als Bruderkampf mit allen Konsequenzen. (Wobei die Arbeiterschaft nach jahrzehntelangem Bruderkampf Sozialdemokraten versus Kommunisten daran gewöhnt gewesen sein sollte...).

Deutschland erwache: Damals wie heute eine beliebte Floskel von Nazis, Faschos und anderem rechtsextremen Gesindel

Auch wenn mir dieses Gedicht wie gesagt neu ist erkenne ich viele Parallelen zum "Lied vom Klassenfeind" von Brecht. Manche Passagen sind sich sehr, sehr ähnlich...

Interessant wäre der Zeitpunkt, zu dem dieses Gedicht entstand.
 
Es sind keine historischen Personen gemeint, sondern Charaktertypen: das lyrische Ich stellt sich selbst als Hungernder dar (Arbeitslosenproblematik der späten Weimarer Republik!), der Dicke dagegen ist jemand, dem es eigentlich gut geht, der also die Interessen des lyrischen Ichs nicht teilt, trotzdem schreit er "Brot und Arbeit". Da kann man sich sicher einige Gedanken drüber machen, warum. Diese Motive vom Hungernden und vom Satten ziehen sich durch das ganze Gedicht.

Ich wollte nach links marschieren
Nach rechts marschierte er
Da ließ ich mich kommandieren (von wem?)
Und lief blind hinterher. (hinter wem?)

Die Fragen "von wem" und "hinter wem" erübrigen sich, wenn man sich die Überschrift des Gedichtes noch einmal zu Gemüte führt.

Der "Bruder" ist, wenn man sich daran erinnert, dass der Dicke und der Hungernde nur Charaktere, aber keine Figuren sind, als jemand, mit dem das lyrische Ich eigentlich mehr teilt, als mit dem Dicken. Hier wäre besonders Brechts und Eislers politischer Standort für die Interpretation zu berücksichtigen. Da der Text von 1931 ist, wäre ich allerdings vorsichtig mit allzu weitreichenden Interpretationen (WK II). Dagegen könntest Du Dir mal anderes sozialistisches Liedgut zu Gemüte führen, etwa "Brüder zur Sonne, zur Freiheit".
 
Einschränkungen nach nochmaligen Lesens des Gedichts und meines obigen Post:

Der Ich-Erzähler ist ein unpolitischer Arbeiter, auch wenn in seinen Worten Brechts Position zum Ausdruck kommt.
Immerhin war es ein Ziel Brechts als Künstler, die Arbeiter zu "erziehen", das sie ihre "Klasseninteressen" erkennen und ein entsprechendes "Klassenbewußtsein" entwickeln.
 
Einige Anmerkungen zum Umfeld des Brechtgedichtes:
Das Lied vom SA-Mann ist einer von vielen Titeln des SA-Proleten.
Uruafführung: Rote Revue “Wir sind ja sooo zufrieden” 17 November 1931 in Berlin.

Eisler: berichtete "Es war keine Kneipe zu klein, wo Ernst Busch, Helene Weigel, Brecht und ich nicht auftraten, und es gab keinen Saal zu groß und kein Theater zu vornehm, wo wir nicht ebenfalls auftraten.".
Immer wieder gab es - wie Brecht es ausdrückte - rasch etwas zu machen.
So unter anderem die Rote Revue: "Wir sind ja soo zufrieden..." der jungen Volksbühne, als Gemeinschaftsarbeit von Brecht, Ottwalt, Weinert, Eisler und Hollaender. Aus dieser Revue kam das Bankenlied, Das Lied vom SA-Mann, Die Ballade zu §218 und das Lied des SA-Proleten.

Benutzer:Hubertl/Eisler - Wikipedia

Es steht zu dieser Zeit damit noch in der Tradition des Bänkelsangs.
 
Danke für die guten Antworten!

Zwei Fragen hätte ich noch:
1. Wie darf ich die letzten beiden Abschnitte interpretieren?
2. Wieso ist der Bruder mitproletarier? Sprich, kommunist und Faschist? waren auch Kommunisten bei der SA?

Grüsse
rebecca
 
Danke für die guten Antworten!

Zwei Fragen hätte ich noch:
1. Wie darf ich die letzten beiden Abschnitte interpretieren?
2. Wieso ist der Bruder mitproletarier? Sprich, kommunist und Faschist? waren auch Kommunisten bei der SA?

Grüsse
rebecca

"Bruder" ist hier als Metapher zu verstehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
2. Wieso ist der Bruder mitproletarier? Sprich, kommunist und Faschist? waren auch Kommunisten bei der SA?

Das Lied hat doch ein Ziel, es will doch etwas erreichen, und zwar von einer ganz bestimmten Personengruppe!
Und: warum sollte in einem SA-Sturm der Befehl gegeben werden, auf "Kameraden" zu schießen?
 
National SOZIALISTISCHE Deutsche ARBEITER Partei ...

Sieht man sich das Parteiprogramm an, wird man feststellen, dass durchaus sozialistische Gedanken enthalten sind.

Ja, es gab wohl in der SA auch linksgerichtete Arbeiter / Arbeitslose - was dann nach der Machtergreifung unter anderem dazu führte, dass Hitler die SA als bedeutende Institution und Machtsäule ausschaltete, da er nicht bereit war, die sozialistischen Forderungen (denen er selbst Nahrung gegeben hatte) zu erfüllen.
 
National SOZIALISTISCHE Deutsche ARBEITER Partei ...

Sieht man sich das Parteiprogramm an, wird man feststellen, dass durchaus sozialistische Gedanken enthalten sind.

Ja, es gab wohl in der SA auch linksgerichtete Arbeiter / Arbeitslose - was dann nach der Machtergreifung unter anderem dazu führte, dass Hitler die SA als bedeutende Institution und Machtsäule ausschaltete, da er nicht bereit war, die sozialistischen Forderungen (denen er selbst Nahrung gegeben hatte) zu erfüllen.


Widerspruch!

Das Ausschalten der SA geschah auf Forderung der Reichswehr hin. Und hatte nun doch ganz andere Gründe.

Der Strasser-Flügel, wenn man den nun als "sozialen-Flügel" bezeichnen will, wurde schon Ende 1932 ausgeschaltet.

Die sozialen Errungenschaften der Nazis waren so klein nicht, das begann schon damit, dass die Sozialistische "Uraltforderung" nach dem 1. Mai als Tag der Arbeit sofort 1933 verwirklicht wurde. In Weimar war er nur am 1.5.1919 gesetzlicher Feiertag, dann nie wieder. "Mai-Geld" musste von den Betrieben bezahlt werden, damit die Arbeiter auch ein paar Mark in der Tasche hatten, und ihren Feiertag richtig begehen konnten. (Gabs bis Anfang der 70er Jahre)

Im übrigen verweise ich auf Götz Aly und "Hitlers Volksstaat" zu bekommen bei der Bundeszentrale für kleines Geld.

Hitler wusste zweifellos wie man die Massen hinter sich bekommt, und behält.
 
Widerspruch!

Das Ausschalten der SA geschah auf Forderung der Reichswehr hin. Und hatte nun doch ganz andere Gründe.

Der Strasser-Flügel, wenn man den nun als "sozialen-Flügel" bezeichnen will, wurde schon Ende 1932 ausgeschaltet.

Die sozialen Errungenschaften der Nazis waren so klein nicht, das begann schon damit, dass die Sozialistische "Uraltforderung" nach dem 1. Mai als Tag der Arbeit sofort 1933 verwirklicht wurde. In Weimar war er nur am 1.5.1919 gesetzlicher Feiertag, dann nie wieder. "Mai-Geld" musste von den Betrieben bezahlt werden, damit die Arbeiter auch ein paar Mark in der Tasche hatten, und ihren Feiertag richtig begehen konnten. (Gabs bis Anfang der 70er Jahre)

Im übrigen verweise ich auf Götz Aly und "Hitlers Volksstaat" zu bekommen bei der Bundeszentrale für kleines Geld.

Hitler wusste zweifellos wie man die Massen hinter sich bekommt, und behält.


Auch hier Widerspruch. Die Ausschaltung der SA nur mit der Reichswehr zu begründen greift in ihrer Monokausalität meiner Ansicht nach zu kurz. Dass es auch nicht nur wegen den sozialistischen Tendenzen geschah, habe ich oben mit dem "unter anderem" ja angedeutet.

Übrigens lässt gerade Götz Aly wenig Zweifel daran, dass die NSDAP - und damit auch die SA - gerade wegen der sozialistischen Tendenzen für viele eher linksorientierte Menschen eine verlockende Alternative war.

Ich sehe außerdem nicht, wo ich die "sozialen Errungenschaften" der Nazis grundsätzlich in Frage gestellt hätte - das war ja gar nicht Thema.

Ja, es gab "Errungenschaften" durch das NS-Regime für die Arbeiter, jedoch geschahen viele mit Hintergedanken oder hatten unerwartete Konsequenzen - den 1. Mai als "Errungenschaft" zu loben sehe ich als etwas weit hergeholt, wurde doch gleich darauf ein Schlag gegen die organisierte Arbeiterschaft geführt.

Die "sozialistischte" aller Uraltforderungen dürfte allerdings die Forderung nach einer Umverteilung des Besitzes gewesen sein - und da steht im NS-Parteiprogramm:

"13) Wir fordern die Verstaatlichung aller (bisher) bereits vergesellschafteten (Trusts) Betriebe.
14) Wir fordern Gewinnbeteiligung an Großbetrieben. ...
17) Wir fordern eine unseren nationalen Bedürfnissen angepaßte Bodenreform, Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation."

Dies konnte erst gesehen, wenn die NSDAP die Macht errungen hatte. Bis dahin konnten mit diesen Programmpunkten sehr gut Wählerstimmen geholt werden. Nachdem die Machtergreifung abgeschlossen und die Macht mehr oder weniger gesichert war, erhofften sich nun Teile der SA die Umsetzung dieser Programmpunkte und forderten eine "Zweite Revolution". Da Hitler jedoch eine funktionierende Großindustrie für den geplanten Krieg brauchte, konnte er darauf nun nicht mehr eingehen.

Aus dem gleichen Grund war er auch bereit, der Forderung der Reichswehr nach Ausschaltung der SA nachzukommen (Röhm plante ein Volksheer, bei dem die Reichswehr in die SA eingegliedert werden sollte). Hitler sah die
100 000 Mann Reichswehr für den kommenden Krieg (insbesondere wohl das Offizierskorps) als wichtiger an, als die ca. 4 Millionen SA-Mitglieder.

Dass Hitler nun auch innenpolitisch Ruhe haben wollte und der fortgesetzte SA-Terror in der Bevölkerung ein schlechtes Licht auf das Regime warf, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Frage von Rebecca: "Waren auch Kommunisten in der SA?"

Und wenn Du auf diese Frage hin meine Beiträge liest, wirst Du sehen, dass es zur Frage hier durchaus einen Zusammenhang gibt.
 
Auch hier Widerspruch. Die Ausschaltung der SA nur mit der Reichswehr zu begründen greift in ihrer Monokausalität meiner Ansicht nach zu kurz. Dass es auch nicht nur wegen den sozialistischen Tendenzen geschah, habe ich oben mit dem "unter anderem" ja angedeutet.

verlockende Alternative war.

schlechtes Licht auf das Regime warf, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben.


Haben wir uns ja schon ein paarmal ausgetauscht. Sind wir konträrer Meinung, sowas gibts halt.

Der 1. Mai war als Fanal gedacht. (10 Jahre war die SPD mit in der Regierung und hat es nicht geschaft... Aber jetzt der Adolf.....)
Und wurde auch so verstanden.
Aber OK

Vielleicht interessieren den Anfrager noch diese Seiten:
 
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