Sicherlich kann man einiges ableiten, es handelt sich nicht um gänzlich unbekanntes Terrain. Wenn aber der oben genannte Autor z.B. die zahlreichen Feiertage nennt um damit ein "besseres" Leben der damaligen Bauern zu belegen, muss man das hinterfragen dürfen.
Sicher darf man das hinterfragen. Man sollte das sogar tun. :winke:
Selbstverständlich gab es erhebliche Unterschiede, und nicht jeder Bauer befand sich am Rande des Existenzminimums, aber die Quellenlage ist nun einmal äußerst dünn.
Auch hier kann ich dir voll zustimmen. Mir ging es ja auch eher um deine Aussage, dass das Leben der Bauern sozusagen "nicht mal in Ansätzen dokumentiert" sei.
Also Ansätze gibt es zumindest...
Die wichtige Frage war doch unter anderen: Waren die Lebensbedingungen für einen mittelalterlichen Bauern wirklich besser als die eines Arbeiters während der "industriellen Revolution"?
Mein Standardsatz zu jedem Mittelalterthema: Das Mittelalter dauerte ca. 1000 Jahre und in diesem Zeitraum gab es eine ganze Menge Veränderungen. Auch dürften regionale Unterschiede im Hinblick auf fast jede Fragestellung gegeben haben. Den standardisierten "Normalbauer", der als Vergleichsmaßstab taugt, wird man wohl nicht ermitteln können.
Ebenso war die Phase der Industrialisierung, obwohl deutlich kürzer als das Mittelalter, von erheblichen Veränderungen und Umwälzungen geprägt. Auch hier wird es schwer sein, den Standardarbeiter auszumachen.
Es lassen sich allenfalls Tendenzen ausmachen, die man dann vergleichen kann. Und selbst das ist nicht so einfach, wenn man die lückenhafte Quellenlage für das Mittelalter, die ja schon angesprochen wurde, berücksichtigt.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich kann diese Frage nicht so einfach beantworten. Vielleicht finde ich aber noch was zum lesen...
Ein Punkt, den man aber mit einiger Sicherheit annehmen kann. Der mittelalterliche Bauer hatte gegenüber dem Industriearbeiter Vorteile im Hinblick auf seine soziale Sicherung, da er in die Dorfgemeinschaft eingebunden war und somit das Prinzip der gegenseitigen Unterstützung nicht nur innerhalb der Familie gelten musste. Sein soziales Netz war enger gewebt, als das des Industriearbeiters. Der Industriearbeiter hatte eigentlich erst mit Einführung der Sozialversicherung (in Deutschland) eine halbwegs passable Absicherung, die über die Armenfürsorge der Gemeinden hinaus ging).
Auch die Wohnsituation des Bauern hat sich wohl von der des Industriearbeiters unterschieden: Hier eine feste Hofstelle - dort eine "Wohnung" in einer oft miserablen Mietskaserne, manchmal aber auch nur ein Bett zur Untermiete. Der mittelalterliche Bauer dürfte seinen Wohnort nur selten gewechselt haben, der Arbeiter ist wohl öfters mal umgezogen.
Viele Grüße
Bernd