Deiokes und die Meder

Teils, teils. Zumindest ist er besser als sein Ruf. Problematisch sind die Stellen, an denen er über Ereignisse berichtet, die schon lange zurückliegen, außerdem sieht er alles als Resultat bewusster menschlicher Handlungen, ein Bewusstsein für tiefere wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge fehlt ihm. Auch alles Militärhistorische ist bei ihm etwas problematisch. Aber grundsätzlich hauen seine Schilderungen der letzten ca. zwei Jahrhunderte im Allgemeinen einigermaßen hin.

Aber siehe diesen Thread: http://www.geschichtsforum.de/f27/glaubw-rdigkeit-von-herodot-605/
 
Hallo,
zunächst bitte ich - wieder einmal - zu entschuldigen, dass ich mich so plötzlich aus der Diskussion verabschiedet habe. Für mich hat sich eine berufliche Chance ergeben, weswegen ich mich verstärkt und intensiver mathematischen Inhalten verpflichten musste. Da nun ein wichtiger Schritt, leider noch nicht der letzte (weswegen ich mich auch nicht intensiv um mein liebstes Problem kümmern kann), getan ist, habe ich nun eine weitere Zusammenfassung eines Artikels aus dem "Continuity of Empire (?)"-Band verfasst. Besonders entschuldigen und gleichzeitig bedaken möchte ich mich bei Ravenik und Dieter, die mir immer sehr kompetent und geduldig geantwortet haben. Ihr habt mir sehr geholfen, ein klareres Bild der Meder zu erlangen. Jetzt gönne ich mir ein paar Tage Urlaub, hoffe aber bald wieder mitdikutieren zu können. Zunächst aber die Zusammenfassung:


Robert Rollinger: The western expansion of the Median „Empire“: a re-examination
Rollinger will zwei Vermutungen erhärten: Erstens gaubt er, dass die Meder um Kyaxares eine Stammeskonföderation ohne politische Stabilität waren. Zweitens bezweifelt er die große Ausdehnung der medischen Kontrolle. Burkhart Kienast („The so-called 'Median Empire'“, 1999) und er (siehe oben, 1999) haben schon die Vasallität der Perser gegenüber den Medern angezweifelt. Amélie Kuhrt („The Assyrian heartland in the Achaimenid period“, 1995) hat gezeigt, dass das assyrische Kernland Teil des neu-babylonischen Reichs war. Rollinger konzentriert sich nun auf das nördliche Mesopotamien und Anatolien östlich des Halys.


Problem I: Northern Mesopotamia and Syria under Median control
Die „Fall of Niniveh“ - Chronik (Chronik 3) erwähnt die Meder zum ersten Mal für das Jahr 615, wie sie gemeinsam mit den Babyloniern in der Nähe von Arrapḫa operieren. Für das nächste Jahr berichtet die Chronik vom Vorstoß der Meder gegen Niniveh, der Eroberung Tarbius und Plünderung und Zerstörung Aššurs. Die Könige Kyaxares und Nabopolassar, der Aššur nicht rechtzeitig zur Belagerung erreicht hat, schließen daraufhin einen Freundschaftsvertrag. Zwei Jahre später nehmen beide Armeen Niniveh nach dreimonatiger Belagerung ein. Nachher setzen nur die Babylonier ihren Feldzug fort und ziehen gegen Naibin und Ruapu, während Kyaxares heimkehrt. Die Babylonier unternehmen also allein ohne die Meder den ersten Vorstoß Richtung Syrien. Für 611 sind es wieder nur die Babylonier, die gegen Sysrien und den oberen Euphrat ziehen. Von den Medern ist in diesem Jahr nicht die Rede. 610 vereinen sich wieder beide Heere und ziehen gegen Ḫarrān, wo sich Aššur-uballiṭs II. aufhält, der von ägyptischen Truppen unterstützt wird. Die Einnahme der Stadt, aus der Aššur-uballiṭ schon geflohen ist, wird allerdings nur den Babyloniern zugeschrieben. Jedenfalls werden die Meder daran ihren Anteil gehabt haben, da beide Armeen erst nach der Einnahme heimkehren. Im nächsten Jahr, in dem Aššur-uballiṭ Ḫarrān angreift und sogar die Babylonier bedśiegen kann, ist nicht mehr von den Medern die Rede. Nabopolassar zieht über Urartu gegen Ḫarrān. Obwohl der Ausgang der Schlacht um Ḫarrān nicht überliefert ist, dürften die Babylonier im Besitz derselben geblieben sein. In der Chronik 4 sind für 608 und 607 Feldzüge im „Distrikt Urartu“ verzeichnet. 607 erobert der Kronprinz Nebukadnezar II. Kimuḫu am Westufer des Euphrat. 606 markiert den Beginn der direkten Auseinandersetzungen der Babylonier gegen die Ägypter südlich von Karkemiš, in denen erstere sogar Rückschläge hinnehmen müssen. Chronik 5 besiegt Nebukadnezar die Ägypter bei Karkemiš und Hamath, worauf Ḫatti, also das Gebiet zwischen Mittelmeer und Euphart unter babylonische Kontrolle gerät. In den folgenden Jahren überqueren die Babylonier immer wieder den Euphrat, 598 erreichen sie Palästina. Nach 594 bricht die Chronik 5 ab.
Jedenfalls scheint es so, als ob die Babylonier die Gebiete östlich des Euphrats einschließlich Ḫarrāns kontrolliert hätten, wahrscheinlich aber auch die Gebiete zwischen Euphrat und Mittelmeer. Dass dies auch noch unter Neriglissar so war, legt dessen Feldzug gegen Appuašu von Pirindu nahe, der Ebir Nāri, d.h. das Gebiet zwischen Euphrat und Mittelmeer, eingenommen hatte. Dieses Vorgehen zeigt, dass Neriglissar die Gegend als babylonisch empfand. Auch der Verlauf des Feldzugs ist interessant: Neriglissar zog bis nach Kilikien, um Appuašu zu stellen. Nach dem Sieg gegen dessen Armee verfolgte er ihn weiter westlich bis nach Pirindu, um die Hauptstädte Ura und Kirši und die Insel Pitusu zu erobern. Chronik 6 schließt mit den erhellenden Zeilen:
„[...] In that same year he (i.e. Neriglissar) started fires from the pass of Sallune to the border of Lydia. Appuašu fled so he did not capture him. In the month Adar the king of Akkad went home“
So ein Feldzug setzt die völlige Kontrolle Syriens voraus.
Auch Chronik 7, die von der Zeit Nabonids handelt, zeigt das selbe Bild. Nabonid führt in seinem ersten Jahr einen Feldzug nach Kilikien, ist in seinem zweiten Jahr in Hamath, operiert im Gebiet Ğabal Anārīya, gegen die Amurru und gegen Edom in seinem drittten Jahr. Dies bestätigt auch eine Stele aus Ḫarrām, auf der vom Land Akkad und Ḫatti die Rede ist. Auf einer Stele aus Babylon berichtet Nabonid vom Wiederaufbau des Eḫulḫul-Tempels in Ḫarrān, der vor 54 von den Medern (ummān-manda) zerstört worden ist und seither Ruine geblieben ist. Auf mehreren Tonzylindern ist ein Text erhalten, der berichtet, dass dieser Tempel von den Medern „umschlossen“ gewesen ist. Der selbe Text berichtet später, dass Kyros, König von Anšan, Astyages besiegt habe. Hier ist also von zwei Königen die Rede. Das Wort „umschlossen“ (sahiršũma) ist umstritten. Die Interpretation „umschlossen“ im Sinne von „beherrscht“ wird letztlich angezweifelt und eher als „trieben sich dort herum“ wiedergegeben. Außerdem meint Zawadzki („The fall of Assyria and Median-Babylonian Relations in Light of the Nabopolassar Chronicle“, 1988), dass Nabonid in dieser Inschrift die Beteiligung der Babylonier an der Zerstörung und die Schuld derselben am Nichtwiederaufbau des Tempels verschleiern will. Man dürfe daraus nicht den Schluss ziehen, die Meder haben die Stadt 54 Jahre lang beherrscht, zumal ja auch nirgends von eeinem Kampf Nabonids gegen die Meder die Rede ist. Weitere Inschriften stützen diese Interpretation.
Insgesamt scheint also das assyrische Kernland, Obermesopotamien, inklusive Ḫarrān, und Syrien bis nach Kilikien unter babylonischer Kontrolle gestanden zu sein.


Problem II: Median Westward Expansion to the Halys
Bisher war eine medische westliche Ausdehnung bis zum Halys Fakt. Die babylonische Präsenz im assyrischen Kernland und in Syrien muss zur erneuten Bewertung der vorhandenen Quellen führen. Zunächst sei festgestellt, dass keine Quelle außer Herodot Meder am Halys sieht und dieser scheint den Halys generell als besondere Grenze zwischen Ost und West zu sehen. Diese eher topische Rolle dieser Grenze sieht der Autor in Herodot I,6,1 und I,28 und I,72 bestätigt. Herodots unpassende Beschreibung des Verlaufes des Flusses zeige eher seine Absicht, ihn als währende Grenze zwischen den großen politischen und kulturellen Regionen der bekennten Welt zu stilisieren. Außerdem könne Herodot genausowenig die Ausdehnung des Lyderreiches erklären. Sardis habe doch eine beträchtliche Distanz zum Halys. Die Meder und die Lyder scheinen also zu entfernt voneinander zu sein, als dass sie in einen Grenzkonflikt hätten geraten können. Herodot liefert als Erklärung dafür die Geschichte, dass eine skythische Revolte gegen Kyaxares, die Ermordung seines Sohnes durch diese und deren Flucht an den lydischen Hof des Alyattes den medisch-lydischen Konflikt ausgelöst habe, der dann am „Tag, der zur Nacht wurde“ (oder doch die „bei Nacht“) beigelgt wurde. Bemerkenswert dabei sei, dass Herodot Kyaxares' Expansion gegen Westen nur mit dieser eher legendarischen Geschichte verfolgen könne. Die gesamte Geschichte scheint nur dazu da zu sein, um einen Vorläufer der Herrscher über Asien für die Perser zu konstruieren. Welche Rolle die Skythen zwischen Halys und Assyrien gespielt haben mögen, bleibt sehr im Dunkeln. Dass es einen Konflikt zwischen medischen Truppen gegeben haben mag, will Rollinger gar nicht bezweifeln. Die Umstände und die Lokalisierung am Halys aber seien aus dem Bericht Herodots nicht zu entnehmen. Zu viel Mythologisches, „Vorausblickendes“ (in Bezug auf Kroesus), zu viel der „Geschichtsphilosophie“ Herodots' der aufeinanderfolgenden Rieche ließe sich hier erkennen, um dem Bericht Glauben zu schenken. Auch dass der berühmte Thales, der mit seinen Mitteln keine Sonnenfinsternis so genau hat voraussagen können, und dass die Schlacht einmal „bei Nacht“, einmal „am Tag, der zur Nacht wurde“, spreche nicht unbedingt für die Historizizät der Geschichte. Rollinger sieht in der Auffassung des Halys als Grenze Projektion Herodots der Verhältnisse seiner Erfahrungswelt auf vergangene Zeiten.


Concluding remarks
Der Autor stellt zunächst dest, dass es fraglich bleiben muss, wie die Meder eine feste Kontrolle bis zum Halys aufrecht erhalten haben können, obwohl doch die Babylonier das assyrische Kernland und Syrien kontrolliert haben. Einzig möglich bliebe der Weg über Urartu, über das wir nach dem Fall Assyriens nichts wissen. Einige Städtenamen deuten aber auf babylonischen Einfluss hin.
Wie schon Sancisi-Weerdenburg vermutet hat, könnte die Rolle der Meder am Fall Assyriens auch im Westen eine so nachhaltige Wirkung gehabt haben, dass diese in der „Abfolge der Reiche“ der Historien ihren Platz zwischen Assyrien und Persien erhalten haben. Zumindest folgendes bleibt:

  • Eine Schlacht bei Nacht scheint es zwischen Medern und Lydern gegeben zu haben.
  • Ebenso ist ein Friedensvertrag zwischen ihnen wahrscheinlich, da die Vermittler Syennesis und Labynetus keine weitere Rolle bei Herodot spielen.
  • Die babylonische Ḫarrān-Stele, die die Meder als Madāya und nicht als assyrisch ummānmanda anspricht, deutet daraufhin, dass die Meder eine bedeutende Rolle für die Babylonier gespielt haben.
  • Auch im Alten Testament (siehe Liverani) stellen die medischen Könige (!) eine bedrohliche, allerdings nicht als einheitliche Macht, dar.
  • Es muss irgendwelche Kontakte zwischen Medern und Lydern gegeben haben, schon allein deshalb, um zu erklären, warum Griechen die Perser auch als „Meder“ ansprachen.
Irgendeine medische Präsenz im östlichen Anatolien müsse es also laut Rollinger gegeben haben. Dass Nabonid den medischen König als einen charakterisiert, der an seiner Seite „his country and the king who march at his side“ hat, deutet er dahingehend, dass es wohl eine Allianz medischer Fürsten unter der Führerschaft Kyaxares' gegeben habe. Die Dauer dieser Allianz sei unbestimmbar, aber eher nicht über das 7. Jahrhundert hinausgehend. Außerdem deuten die Mannäer als Allierte der Assyrer auf einen beschränkten Einfluss der Meder im nördlichen Zagros am Ende des 7. Jh. hin. Außerdem bestätigen die Inschrift 3.3 des Nabonid und der Kyrus-Zylinder eine eigenständige politische Entität Gutiums in der ersten Häfte des 6. Jh. Nicht zu vergessen sei schließlich, dass nach dem Fall Assyriens Babylonier die Region im Nordosten des Tigris kontrolliert haben.
Alles in Allem liege der Schluss nahe, dass die Meder nur eine zeitweise stabile Konföderation gebildet haben, die aber duchaus – zumidest zeitweise – auch im Osten Anatoliens operiert haben.
 
Alles in Allem liege der Schluss nahe, dass die Meder nur eine zeitweise stabile Konföderation gebildet haben, die aber duchaus – zumidest zeitweise – auch im Osten Anatoliens operiert haben.

Über die Mächte nach dem Sturz Assyriens ist wenig bekannt. Charakter wie auch Ausdehnung des Medischen Reichs lassen sich nur erraten. Abgesehen davon, dass der Mederkönig Kyaxares (in babylonischen Quellen "Umarkistar") ganz entscheidend zum Untergang Assyriens beitrug, dass "Agamtanu" (Ekbatana) die Hauptstadt dieses Reichs war und dass ein anderer Mederkönig namens Astyages (Babylonisch: Istumegu) schließlich den Persern unterlag, ist Medien eine unbekannte Größe.

Nur bei Herodot finden wir einen Bericht über die Schlacht am Halys im Jahr 585 v. Chr. zwischen dem Mederkönig Kyaxares II. und dem Lyderkönig Alyattes II., die angeblich wegen einer Sonnenfinsternis unentschieden ausging. Ob das Datum zutrifft, ist umstritten. Schenkt man den Angaben Herodots Glauben, dann reichte das Mederreich tatsächlich bis zum Halys. Ob das Gebiet zwischen dem Urmia-See und dem Halys aber fest ins Mederreich eingebunden war, darf man bezweifeln. -

Das Kerngebiet der Meder deckte sich ungefähr mit der späteren antiken Provinz Medien, d.h. es reichte etwa vom Urmia-See bis südlich vom heutigen Isfahan. Über die Region Persis bzw. das Siedlungsgebiet der Perser weiter im Süden haben die Meder vermutlich eine Oberhoheit ausgeübt. Alle weiteren Aussagen über den Umfang des Mederreichs sind Hypothesen und Spekulationen.

Insgesamt steht es auch mit Nachrichten über Lydien in dieser Epoche schlecht, dessen Könige schließlich die kimmerische Gefahr beseitigten und ihr Reich über weite Teile West- und Zentralanatoliens ausdehnten.

Ganz offensichtlich sind unsere Kenntnisse über das Mederreich angesichts der dürftigen Quellenlage dünn und bruchstückhaft. Die assyrischen erzählenden Quellen brechen 638 v. Chr. ab und danach ist es nur noch streckenweise und zumeist nur in Umrissen möglich, die Geschehnisse weiter zu verfolgen. Den babylonischen Aufstand und den Untergang Assyriens beschreiben babylonische Chroniken, allerdings mit einer Lücke für die Jahre 622-617 v. Chr. Ferner finden sich Datenangaben in Urkunden verschiedener babylonischer Städte. Daneben gibt es noch unseren guten alten Herodot und das war's dann an Schriftquellen.
 
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Bisher war eine medische westliche Ausdehnung bis zum Halys Fakt. Die babylonische Präsenz im assyrischen Kernland und in Syrien muss zur erneuten Bewertung der vorhandenen Quellen führen. Zunächst sei festgestellt, dass keine Quelle außer Herodot Meder am Halys sieht und dieser scheint den Halys generell als besondere Grenze zwischen Ost und West zu sehen. Diese eher topische Rolle dieser Grenze sieht der Autor in Herodot I,6,1 und I,28 und I,72 bestätigt. Herodots unpassende Beschreibung des Verlaufes des Flusses zeige eher seine Absicht, ihn als währende Grenze zwischen den großen politischen und kulturellen Regionen der bekennten Welt zu stilisieren. Außerdem könne Herodot genausowenig die Ausdehnung des Lyderreiches erklären. Sardis habe doch eine beträchtliche Distanz zum Halys. Die Meder und die Lyder scheinen also zu entfernt voneinander zu sein, als dass sie in einen Grenzkonflikt hätten geraten können. Herodot liefert als Erklärung dafür die Geschichte, dass eine skythische Revolte gegen Kyaxares, die Ermordung seines Sohnes durch diese und deren Flucht an den lydischen Hof des Alyattes den medisch-lydischen Konflikt ausgelöst habe, der dann am „Tag, der zur Nacht wurde“ (oder doch die „bei Nacht“) beigelgt wurde. Bemerkenswert dabei sei, dass Herodot Kyaxares' Expansion gegen Westen nur mit dieser eher legendarischen Geschichte verfolgen könne. Die gesamte Geschichte scheint nur dazu da zu sein, um einen Vorläufer der Herrscher über Asien für die Perser zu konstruieren. Welche Rolle die Skythen zwischen Halys und Assyrien gespielt haben mögen, bleibt sehr im Dunkeln. Dass es einen Konflikt zwischen medischen Truppen gegeben haben mag, will Rollinger gar nicht bezweifeln. Die Umstände und die Lokalisierung am Halys aber seien aus dem Bericht Herodots nicht zu entnehmen. Zu viel Mythologisches, „Vorausblickendes“ (in Bezug auf Kroesus), zu viel der „Geschichtsphilosophie“ Herodots' der aufeinanderfolgenden Rieche ließe sich hier erkennen, um dem Bericht Glauben zu schenken. Auch dass der berühmte Thales, der mit seinen Mitteln keine Sonnenfinsternis so genau hat voraussagen können, und dass die Schlacht einmal „bei Nacht“, einmal „am Tag, der zur Nacht wurde“, spreche nicht unbedingt für die Historizizät der Geschichte. Rollinger sieht in der Auffassung des Halys als Grenze Projektion Herodots der Verhältnisse seiner Erfahrungswelt auf vergangene Zeiten.
Dieser Versuch, Herodot unglaubwürdig zu machen, wirkt auf mich schon ein bisschen arg verkrampft.
Nehmen wir Thales und seine Sonnenfinsternis: Warum soll er sie nicht voraussagen können haben? Zu Herodots Zeit war es anscheinend möglich, Sonnenfinsternisse vorherzusagen, denn sonst hätte er wohl kaum behauptet, dass Thales etwas geschafft habe, was zu seiner eigenen Zeit noch unmöglich war. Dass es in der Antike möglich war, solche Ereignisse vorauszuberechnen, weiß man auch aus anderen Quellen, z. B. Cassius Dio, der erwähnt, dass eine Sonnenfinsternis unter Kaiser Claudius vorherberechnet wurde - und zwar auf den Tag genau. So große Fortschritte wurden aber zwischen Thales, Herodot und Claudius nicht gemacht, dass man später gekonnt hätte, was für Thales noch unmöglich gewesen sein soll - zumal er die Sonnenfinsternis laut Herodot nur auf das Jahr genau vorhersagte, keineswegs auf den Tag genau. Wenn man bedenkt, was die Babylonier in Sachen Astronomie zuwege brachten, wird wohl auch noch Thales in der Lage gewesen sein, im Falle einer ernsthaften Beschäftigung mit Astronomie wenigstens das Jahr anzugeben, in dem eine Sonnenfinsternis stattfinden würde.
Der Satz "Die gesamte Geschichte scheint nur dazu da zu sein, um einen Vorläufer der Herrscher über Asien für die Perser zu konstruieren." erschließt sich mir auch nicht so ganz. Immerhin scheiterten die Meder an den Lydern, konnten also NICHT als Vorläufer der Perser als Herrscher über Asien dienen, zumal Herodot auch gar nicht behauptet, dass es den Medern im Krieg um eine Unterwerfung ganz Lydiens gegangen sei.
Wenn die Entfernung der Hauptstädte von den Grenzen dafür entscheidend wäre, ob es zu einem Konflikt zwischen Nachbarn kommen kann, hätte es z. B. nie zu Kriegen zwischen Frankreich und Deutschland kommen dürfen.
Dass der Halys als Grenzfluss topisch sein soll, ist auch etwas an den Haaren herbeigezogen. Immerhin ist er der größte Fluss Kleinasiens. Es gibt in der Weltgeschichte genug Beispiele, dass größere Flüsse gerne als Grenzen verwendet bzw. angestrebt wurden, siehe z. B. Donau und Rhein als Grenzen des Römischen Reiches oder das Streben Frankreichs nach der Rheingrenze.
 
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Ich hatte mal von einer angeblichen größeren Siedlung der Meder in Anatolien gelesen und fand nach ein wenig googeln das hier.

http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=10095562

Pteria war die größte Stadt der Meder auf dem Anatolischen Plateau – ein gut befestigter Ausgangspunkt für Eroberungen Richtung Ägäis. Die gewaltige Festung wurde umspannt von einer sieben Kilometer langen Steinmauer mit sieben Toren. Von hier aus kontrollierten die Meder die neu erkämpften Gebiete im Westen ihres Reiches. „Das ging vor allem deshalb gut, weil die medische Bevölkerung in ihrer Stadt auf dem 1500 Meter hohen Granithügel sicher war und weil sie dort oben das ganze Jahr über Wasser hatte“, ist Summers überzeugt.

Nun steht da auch irgendetwas von Ausgrabungen. Der Artikel ist jedoch von 2003. Welche neueren Erkenntnise gibt es denn von Kerkenes? Konnte sie als das medische Pteria identifiziert werden oder handelte es sich um eine gänzlich andere Stadt?
 
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