Der Angrivarierwall

Guten Tag,

leider konnte ich gestern nicht mehr antworten, drum tu ich es erst heute. Wenn sich immer alles so "klar" und "sauber" übersetzen lässt, dann frage ich mich, warum dann an den betreffenden Örtlichkeiten/Regionen bisher weder archäologische, noch numismatische Funde für die Zeit von 14-16 n.Chr. gemacht worden sind, obwohl es diese ja zweifelsfrei gibt. Nur eben woanders. Folgende Schwergewichte fallen sofort auf:

*Amisia = Ems-Fluss; Funde Fehlanzeige
* Lupia = Lippe-Fluss; Funde Fehlanzeige
* Kastell Aliso = am Lippe-Fluss; Funde Fehlanzeige
* mille naves = 1000 Schiffe (oder doch eher 1000 Matrosen?)

Schon im Begleitblog zur Tagung in Kalkriese und Osnabrück am 2. und 3. Juli 2015 machte Peter Kehne auf mögliche Fehlinterpretationen bezüglich Germanicus und den Tacitus-Annalen aufmerksam.

siehe hier: https://phantomgermanicus.wordpress.com/2015/07/02/128/

Ptolemäus sagt, dass der Ort Lupia/Luppia nördlich der Abdachung des Melibokon (Harz) sich befindet. Es gibt einige germanicuszeiltiche Münzfunde (inkl. Germanicus-Gegenstempel aus Quedlinburg) nördlich des Harzes die Ptolemäus bestätigen. Stefanos aus Byzanz sagt aus, dass Amissa/Amisaeus (Amisia) einst eine bedeutende römische Stätte in Germanien war. Untrügerisch sind auch die verlorenen Schuhnägel und Münzen (10-14 n. Chr. siehe Karte anderer Treat) der spätaugusteisch/tiberischen Periode im Thüringer Becken. Strabon sagt, dass die Hermunduren und Langobarden auf das jenseitige Ufer übersiedelten (Aufgabe der elbgermanischen Gräberfelder Großromstedt, Schkopau, Schlotheim 10/15 n. Chr. stratigrafisch abgesichert / S. Rieckhoff und R. Schwarz). Tacitus berichtet davon, dass die Germanen fast den Elbstrom überschritten hatten, sich aber doch für den Kampf gegen Germanicus entschieden.

Sicherlich sind Lateinübersetzungen kein "Wunschkonzert", aber dann bedenklich, wenn die "altbekannten" Muster einen nicht mehr weiterhelfen.
 

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leider konnte ich gestern nicht mehr antworten, drum tu ich es erst heute. Wenn sich immer alles so "klar" und "sauber" übersetzen lässt, dann frage ich mich, warum dann an den betreffenden Örtlichkeiten/Regionen bisher weder archäologische, noch numismatische Funde für die Zeit von 14-16 n.Chr. gemacht worden sind, obwohl es diese ja zweifelsfrei gibt.

Die Archäologie hat zunächst einmal mit deinem gestrigen Versuch des Umübersetzens nichts zu tun. Die Örtlichkeit des Angrivarierwalls hat ja nichts damit zu tun, dass dieser als agger, vallum und murum bezeichnet wird und du trotzdem daraus einen Bohlenweg zu machen versuchst, obwohl die Römer "von oben" bekämpft werden.

Nur eben woanders. Folgende Schwergewichte fallen sofort auf:

*Amisia = Ems-Fluss; Funde Fehlanzeige
Sowohl der Fundplatz Bentumersiel, wenn er auch offenbar doch kein römischer Stapelplatz ist, wie man noch vor ca. zehn meinte, liegt definitiv an der Ems und man hat hier römische Funde.

Desweiteren hat man wohl vor einigen Jahren in Lingen einiges gefunden (es hat dazu auch eine kleine Ausstellung gegeben). Allerdings (das habe ich jedoch nur vom Hörensagen, jedoch von einem Archäologen) in vier Metern Tiefe. Es kommt selten mal vor, dass die Archäologie in vier Meter Tiefe vorstößt. Das Emsland besteht/bestand in signifikanten Teilen aus Torfmoor.

* Lupia = Lippe-Fluss; Funde Fehlanzeige
* Kastell Aliso = am Lippe-Fluss; Funde Fehlanzeige
Olfen, Hachelbich, Wilkenburg waren alle bis vor kürzester Zeit noch unbekannt, Olfen ist bisher kaum ergraben und das ist nach Frau Dr. Tremmel auch mangels Geld in absehbarer Zeit nicht vorgesehen. Aber es wird in Haltern geforscht, so viel ich weiß, beginnt jetzt in diesen Tagen eine erneute Grabung in Haltern. Also hab mal keine Sorgen, es ist also noch längst nicht ausgeforscht.

* mille naves = 1000 Schiffe (oder doch eher 1000 Matrosen?)
Der Matrose ist der nauta. (Abgesehen davon: Wie hätte Germaicus 1000 Matrosen bauen lassen sollen? Oder hat Tacitus damit etwa die Matrosen beschrieben: Ein Teil kurz, mit wenig Ladefläche zwischen Bug und Heck?)

Ptolemäus sagt, dass der Ort Lupia/Luppia nördlich der Abdachung des Melibokon (Harz) sich befindet.
Das haben wir doch wirklich schon - um in der Seefahrersprache zu bleiben - ad nauseam diskutiert! Tacitus spricht immer wieder von den Flüssen Ems und Lippe, die mit Flotten befahren werden...
Ich verstehe nicht, warum ständig ein einziger Beleg für einen Ortsnamen Luppia (zumal Ptolemaios Karte nachweislich verzerrt ist und Orte nur bedingt dort liegen, wo sie liegen müssten - im Übrigen kennt die Quelle nicht nur den Ort, sondern auch den Fluss Luppia!) hergenommen wird, um die wiederholte und klare Aussage bei Tacitus, dass das Operationsgebiet des Jahres 15 zwischen den Flüssen Ems und Lippe und in ihrer Umgebung lag und des Jahres 16 erst an der Lippe und später zwischen Ems und Weser und dass Schiffe eingesetzt wurden mit einem unbekannten Ort in Mitteldeutschland zu ersetzen.
 
... dann frage ich mich, warum dann an den betreffenden Örtlichkeiten/Regionen bisher weder archäologische, noch numismatische Funde für die Zeit von 14-16 n.Chr. gemacht worden sind, obwohl es diese ja zweifelsfrei gibt.

Warum gibt es keine nennenswerten numismatischen Funde? Die einfachste Erklärung wäre, dass den Soldaten nach der Varus-Niederlage die Mitnahme von Geld verboten war:
"So ließ es sich Tiberius als Oberkommandierender nicht nehmen, persönlich und noch am Rheinufer eine strenge Kontrolle aller Trosswagen vorzunehmen, damit keine verbotenen Gegenstände und Güter aus den Standlagern auf dem Feldzug in das rechtsrheinische Germanien mitgenommen wurden.
Die Vorschriften dieser neu in Kraft gesetzten Verbotsliste dürften sich offenbar auch auf die Mitnahme von Geldbeuteln und Barschaften bezogen haben."
Gustav Adolf Lehmann, Imperium und Barbaricum, Wien 2011, S. 70


* mille naves = 1000 Schiffe (oder doch eher 1000 Matrosen?)
Navis heißt nun mal "Schiff", nicht "Matrose". Aber nehmen wir mal an, es seien nicht "mille naves", sondern "mille nautae" gemeint. Zu den tausend "naves/nautae" schreibt Tacitus folgendes:

... aliae breves, angusta puppi proraque et lato utero, quo facilius fluctus tolerarent; quaedam planae carinis, ut sine noxa siderent; plures adpositis utrimque gubernaculis, converso ut repente remigio hinc vel illinc adpellerent; multae pontibus stratae, super quas tormenta veherentur, simul aptae ferendis equis aut commeatui; velis habiles, citae remis augebantur alacritate militum in speciem ac terrorem.

Sicherlich sind Lateinübersetzungen kein "Wunschkonzert", aber dann bedenklich, wenn die "altbekannten" Muster einen nicht mehr weiterhelfen.
Wenn Du mit den altbekannten Übersetzungen nichts anfangen kannst, musst Du bessere bringen. Wie willst Du denn die zitierte Stelle besser übersetzen?

Von den tausend Matrosen waren die einen kurz, mit schmalem Achterdeck und Bug und breitem Bauch (hmm, "uterus" könnte man auch mit "Gebärmutter" übersetzen...), andere hatten einen flachen Kiel...

Ptolemäus sagt, dass der Ort Lupia/Luppia nördlich der Abdachung des Melibokon (Harz) sich befindet.
Der ist bei Tacitus aber nicht gemeint. Tacitus meint den Fluss. Darauf wirst Du seit Jahren immer wieder hingewiesen (z. B. http://www.geschichtsforum.de/727927-post619.html)

... ipse audito castellum Lupiae flumini adpositum ...
... quantumque Amisiam et Lupiam amnis inter vastatum ...

Und flumen bzw. amnis bezeichnet nun mal einen Fluss. Da helfen keine Übersetzungsversuche, da musst Du schon den ganzen Tacitus von Grund auf neu schreiben...

EDIT: Gerade sehe ich, dass El Quijote zu den Schiffen und Flüssen schon dasselbe geschrieben hat.
 
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Ich hatte schon einen Zweifel an der Übersetzung erwartet, weshalb ich meine Bekräftigung postete.

Nur hat hier das eine nichts mit dem anderen zu tun. Du gibst gerade den Schüler, der statt die Mäuse die Elefanten gelernt hat und nun zu den Mäusen reden soll. Er beginnt: "Die Maus ist ein sehr kleines Tier, der Elefant hingegen ein sehr Großes..."

Wenn du Deine Zweifel an der Geographie Germaniens bei Tacitus und den anderen Quellen äußern willst, starte doch einfach einen eigenen Thread.

Und schreib dann bitte nicht, dass, wenn ausdrücklich ein Fluss erwähnt wird, eine Stadt gemeint ist.

Es wäre auch nett, wenn Du begründest, warum an Lippe und Ems keine Funde auf die Germanicus-Zeit zurückgehen soll. Soweit mir bekannt ist, gibt es da einiges, was nicht datierbar ist.

Und bleib bei den Fakten: Wir wissen, dass Münzfunde bei Marschlagern selten sind. Nur bei Aliso und dem Brückenkopf an der Ems vermuten einige, dass sie unter Germanicus länger belegt waren. 2 Lager, die nicht gefunden sind. Wieso soll das so außergewöhnlich sein? Der Lauf der Lippe hat sich zudem geändert und kann alle Spuren von Aliso III beseitigt haben. Entlang der Lippe gibt es Flächen, wo Sand und Kies schon früh abgebaut wurden. Es ist recht sicher, dass auch dabei Spuren vernichtet wurden. Schließlich sind Funde zu einem guten Teil dem Zufall zu verdanken. In Westfalen wurde an vielen Stellen aufgeplaggt: Mit Plaggen wurde der Untergrund erhöht, um besser nutzbare landwirtschaftliche Flächen zu erhalten. Da werden dann auch keine Funde hochgepflügt.

Und ganz zum Schluss zwei ganz wichtige Dinge:

Gegen Übersetzungen helfen nur sprachliche Argumente. Lern also erst mal Latein, bevor du uns kritisierst, wenn wir ganz grundlegende Dinge erklären. Wenn Du das nicht tust, musst du die Quellen so nehmen und sie selbst verwerfen. Also hör gefälligst auf uns zu unterstellen, falsch zu übersetzen, bis Du selber mitreden kannst.

Aus dem Fehlen von Quellen ist nichts zu schließen. Das muss jeder Student lernen und ist im Forum schon oft erklärt worden. Wenn Du das widerlegen willst, kannst Du Dich mit Wissenschaftstheorie und Logik beschäftigen, nicht mit Funden andernorts.

Wenn Du einen anderen Thread aufmachst, zähle bitte auch Deine Quellen, also die Funde auf, auf die Du Dich beziehst. Ein "Da sind Funde, da muss Germanicus gewesen sein." ist nicht gerade glaubwürdig. Grabfunde z.B. sagen ja Nichts dazu aus, ob Germanicus da war.

EDIT: Und ja, nauta ist a-Deklination. In so ziemlich jeder Grammatik wird es als Beispiel für ein Maskulinum dieser Deklination erwähnt. Genauso wie poeta, Dichter. Bavor auch angezweifelt wird, was in jedem Latein-Wörterbuch nachgehalten werden kann.
 
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Es wäre auch nett, wenn Du begründest, warum an Lippe und Ems keine Funde auf die Germanicus-Zeit zurückgehen soll. Soweit mir bekannt ist, gibt es da einiges, was nicht datierbar ist.
Hermundure meint da vor allem die Münzen. Da haben wir in der Tat ein Problem. In der FMRD in den Bänden Niedersachsen und NRW sind wenig spätaugusteische und frühtiberische Münzfunde aufgeführt, die nicht mit noch späteren julisch-claudischen Münzfunden vergesellschaftet wären.
Wenn du in der Fläche eine bestimmte Anzahl an Münzen einer Zeitstellung findest, aber Münzen eines ganz bestimmten Typus nicht, ist das irgendwann statistisch nicht mehr mit dem Zufall zu erklären. Auch wenn die Daten aus der FMRD nicht mehr dem allerjüngsten Stand entsprechen, so ist doch das weitgehende Fehlen römischer Münzen aus dem Zeitraum 10 - 16 (nichtvergesellschaftet mit späteren Münztypen) zwischen Rhein und Weser erklärungsbedürftig. Hier trifft Hermundure zweifelsohne einen wunden Punkt, der freilich mit dem Verbot des Tiberius, schweres Gepäck mit nach Germanien zu nehmen zumindest teilweise entkräftet werden kann.

In Westfalen wurde an vielen Stellen aufgeplaggt: Mit Plaggen wurde der Untergrund erhöht, um besser nutzbare landwirtschaftliche Flächen zu erhalten. Da werden dann auch keine Funde hochgepflügt.
Wobei das Plaggen an der Lippe kaum vorkam, hier sind ja vor allem Lössflächen. Im Bereich der Ems ist es sandiger, dort gab es dementsprechend auch mehr Eschaufträge.
 
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@ ELQ,

ich werde noch einen weiteren wunden Punkt anbringen bezüglich der Münzen, und ganz speziell für das Jahr 16 n. Chr. als Germanicus die Werra bereits überschritten hatte. Es geht mir da ganz speziell um das "Geld der Feinde" (Tac. II-13 pecunias hostium). Ein Bote des Arminius versprach ja laut Tacitus den Überläufern 100 Sesterzen (täglich), solange der Krieg dauere. 100 Sesterzen entsprechen 25 Denaren oder 1 Aureus. Die entscheidende Frage ist - wo lassen sich "germanische Gepräge" (Stichpunkt Barbarisierungen , nicht(!) zu verwechseln mit römischen Imitationen) finden, noch dazu rechts des Visurgis? Die Antwort ist gar nicht mal so schwer - nämlich da, wo man auch schon jene Münzen des Germanicus Horizont findet zwischen Werra und Saale. Es sind die barbarisierten Gaius-Lucius Denare vom Taugwitzer Typus. Mario Schlapke vom TLDA Weimar ordnet diese zu Recht in die frühtiberische Zeit (T. Grasselt 2009 - siehe Anhang).

Diesen Münztyp findest du sonst nirgends - nur SO NDS / NO HE / TH und S SA (das Lanz Stück ist mein persönliches Eigentum, es dient als Vergleich.
 

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@ El Quijote:
Ich versichere Dir, dass es gerade an der Lippe Sande und Kies gibt. Die Hellwegbörde setzt sich deutlich von der Lippeniederung ab. Ich wohne sozusagen auf der Grenze. Im der unteren Lippeniederung ist diese Zone enger, aber immer noch vorhanden.

Ich weiß, das er hauptsächlich Münzen im Auge hat. Aber das ist schon grundsätzlich kein Problem, da aus dem Fehlen nichts geschlossen werden kann und ich habe schon mehrfach auf Erklärungen verwiesen, u.a. auch auf den von Sepiola erwähnten Befehl des Tiberius. Und die nicht zu datierenden Funde bleiben ja bestehen.

Im Übrigen ist es ja nicht so, dass hier systematisch geforscht wurde. Dazu hat meines Wissens immer das Geld gefehlt, nachdem, was durch bloßes Kartenstudium und Geländebegehung getan werden konnte, schon im 19. Jh. geschah.
 
Habe vergessen mein eigenes Stück der Lanz Auktion zu posten. Hier der Nachtrag.

Zwar gibt es Unterschiede bei den Taugwitzer Typen, jedoch sind die wesentlichen Merkmale immer gleich:

* Leiterpendilien
* Stachelfrisur
* Perlenmund
* Harfenkörper (im Revers)
* Perlkreis

Hier mal das Stück aus Bothenheilingen (ganzen Link einfügen):

http://arachne.uni-koeln.de/arachne/index.php?view[layout]=objekt_item&search[constraints][objekt][searchSeriennummer]=220836
 

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Es ist eine der beliebtesten (und daher am leichtesten zu durchschauenden) Kriegstaktiken, die Soldaten des Gegners zu verunsichern, indem man ihnen erzählt, dass man selber besser versorgt sei oder besser bezahlen würde. Du fällst also noch nach 2000 Jahren auf ein angebot des Arminius an die Römer herein ;)
 
Und soll er nicht auch Höfe versprochen haben? Ins Reich konnten Deserteure nicht zurück. Was sollten mit Geld im Barbaricum?

EDIT: Abkürzungen allein sind mitunter schon verwirrend. Jetzt auch noch in Kombination zweier Systeme! Für einen Rosenmontag ohne Alkohol ist mir das zu viel.
 
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Da haben wir auch einen Thread zu, in dem ich folgende spekulative Gedanken geäußert habe:

Möglich wäre auch dass die Germanicus-Legionen nicht das neueste Geld mit sich führten. Wäre dann nur die Frage warum, denn so direkt plausibel erscheint mir das nicht, aber ich halte es trotzdem für möglich.
Die Buntmetalluntersuchungen in Bochum halte ich nach wie vor für am ehesten geeignet die Frage zu beantworten ob es sich bei Kalkriese um ein Ereignis 9 oder 16 nach Christus handelt. Damit könnte man vielleicht auch Haltern besser zuordnen. Aber auch da sollte man vorsichtig sein. Schließlich weiß man erst was es gebracht hat sobald die Ergebnisse da sind.

In Haltern jedenfalls war nachweislich ein ganz besonderes Lager, genauso wie auch im heutigen Kalkriese einst eine sicher nicht so unbedeutende Schlacht aus der Zeit von Augustus/Tiberius stattgefunden haben muss die auf jeden Fall mit Varus direkt oder indirekt zusammenhängt. Es gibt in dieser ganzen Geschichte so viele Widersprüche dass man nach einiger Zeit merkt dass wie viel weniger man weiß als einem ursprünglich bewusst war. Angrivarierwall, Germanicus, P. Q. Varus, der Saltus Teutoburgiensis und seine Lage und Bedeutung und die Position der Langen Brücken. All das wirft am Ende mehr Fragen auf als es beantwortet. Irgendwo hat man den Eindruck fehlt immer etwas oder ist etwas falsch interpretiert oder missverstanden worden. Der Saltus Teutoburgiensis wäre laut Schriften am naheliegendsten mit dem Osning gleichzusetzen. Das Problem ist da nur dass man im gesamten Raum Detmold/Lage/Herford/Bad Salzuflen/Bad Meinberg kaum römische Funde entdeckt hat und schon mal gar keine aus genau jener Zeit die irgendwie mit Kalkriese vergleichbar wären. Trotzdem halte ich diesen Bereich immer noch für den Ausgangspunkt der Varusniederlage. Der Angrivarierwall widerspricht allem was wir über die Germanen kennen. Die Germanen kannten vermutlich keine Grenzen oder befestigte Grenzen. Aber als eine Art minimlistische Ergänzung zu einer natürlichen Grenze kann ich mir das sehr gut vorstellen. Wenn ich Idistaviso suche komme ich immer wieder irgendwie in fast gezwungener Weise zum Weserbergland zwischen Hessisch Oldendorf und Porta Westfalica. Dort passt die Landschaft nahezu perfekt zur Beschreibung bei Tacitus. Von dort aus marschierten die Römer meiner Ansicht nach zurück Richtung Porta Westfalica wo sie dann von den zurückkehrenden Germanen angegriffen wurden. Auf den ersten Blick passt die Geographie dort nahezu perfekt auch auf die Schlacht am Angrivarierwall. Denn es heißt die Römer hätten die Berge und den Fluss (Weser) im Rücken gehabt während die Germanen den Sumpf im Rücken hatten. Wenn die Römer nach Norden wollten (Richtung Barkhausen und dann nach Nordwesten zur Ems?) was ja im Prinzip die Quellen implizieren würde das ideal passen fragt sich nur wo ist der Wall? Ich dachte ursprünglich genau dort macht eine solche Ergänzung Sinn! Denn wenn das Wesergebirge die Cheruskisch-Angrivarische Grenze darstellte könnte man dort irgendwo an der Porta Westfalica eine solche Erweiterung dieser Grenze erwarten. Allerdings gibt es da für mich bei näherer Betrachtung auch wieder irgendwie tausend Gründe die dagegen sprechen. Zum Ersten ist die Porta Westfalica recht eng und die Weser muss damals auch eher westlich geflossen sein also einen anderen Verlauf gehabt haben damit die Römer dort überhaupt durchgepasst hätten. Wenn man dann noch annimmt dass die Angrivarier eher nördlich von den Cheruskern siedelten ergibt eine solche Befestigung an dieser Stelle kaum Sinn, höchstens wenn sie sich nach Westen abgrenzen wollten. Auch hier wieder kaum Funde außer das Römerlager Barkhausen. Auch halte ich persönlich die Deutung des Namens Idistaviso von Jakob Grimm für etwas zu malerisch und willkürlich. Nach langwieriger Recherche und durch Zufall sind mir tatsächlich einige germanische Bezeichnungen untergekommen welche m.E. nach hier mehr Sinn machen: „idiz“ für beeindruckend/eindrucksvoll/strahlend und „awiz“ für Auenlandschaft. Auch hier stellt sich die Frage wie sind die Römer dann überhaupt so leicht und so weit in die Ebene hinein gekommen ohne vorher überfallen zu werden und wenn sie den selben Weg gekommen sind den sie später zurück mussten, hätten sie dann nicht auch diesen angry warrior wall überwinden müssen? Das alles nur als Beispiel was ich meine wenn ich sage dass es nicht einfach ist, egal wie viele Fakten ich habe oder auch nicht. Und wenn Kalkriese der Angrivarierwall ist warum ist der dann so weit weg und auf einem völlig anderen Weg Richtung Lingen? Und wo ist der Fluss Weser?

Die Pontes Longi wiederum erscheinen mir doch recht eindeutig eine Erweiterung und Ergänzung einer natürlichen Landbrücke zwischen der Ems und dem Rhein (Vetera) durch Sumpfgebiet gewesen zu sein. Wenn ich mir die Beschreibungen ansehe komme ich zu den Baumbergen. Dort muss es einen recht flachen Sandrücken gegeben haben, welcher vermutlich sogar als Ebene erwähnt wird. Von dort gelangte man dann wohl auf fast gerader Strecke nach Xanten. Auch hier aber gibt es einige Punkte die dagegen sprechen, welche ich aber nicht weiter ausführen möchte da ich erstens nich so viel schreiben will und 2. denke dass sie eh den meisten bekannt sind. Bei Aliso ist es genau das Gleiche Problem. Es gibt den Elison welcher mit der Seseke in Oberaden identifiziert wurde und dann gibt es noch Haltern welches sicher bedeutender war und zeitlich später und länger genutzt wurde, mit all seinen Plus- und Minuspunkten.
 
Zum Ersten ist die Porta Westfalica recht eng und die Weser muss damals auch eher westlich geflossen sein also einen anderen Verlauf gehabt haben damit die Römer dort überhaupt durchgepasst hätten.
Du kannst davon ausgehen, dass der Lauf der Weser sich seit der Würmeiszeit einigermaßen stabil gehalten hat. Natürlich haben sich Mäander verlagert, aber dass die Weser in der Römerzeit nicht durch die Porta Westfalica geflossen sei, das kannst du getrost ausschließen. Wenn du meinst, dass sie innerhalb der Porta Westfalica etwas weiter westlich geflossen sei, als heute, so mag das möglich sein, ändert aber nichts an der Enge der Porta Westfalica.
Die heutige Gestalt der Mittel- und Oberweser ist noch durch ihren Ausbau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmt.
Wenn das römische Heer nicht auf dem Landweg durch die Porta Westfalica ziehen konnte, dann musste es eben über den Berg oder über die Weser durch die Porta Westfalica. Dass der Berg besetzt wurde, um den Durchzug des Heeres zu sichern, ist eh anzunehmen. Da die Römer die Weser zur Schlacht bei Idistavisio überquert hatten, darf man wohl davon ausgehen, dass sie dafür vermutlich prahmenartige Boote gebaut hatten. Die konnte man entweder wieder nutzen oder erneut bauen, um zumindest das schwere Gerät über die Weser durch die Porta zu transportieren.
Wann die Römer die Weser wieder überquert haben, wissen wir de facto nicht, das kann nach der Schlacht von Idisiaviso sein, dann hätte die Schlacht am Angrivarierwall am Westufer der Weser stattgefunden, oder erst nach der Schlacht am Angrivarierwall, dann hätte die Schlacht am Ostufer der Weser stattgefunden (ich halte letzteres für wahrscheinlicher).
 
Auch halte ich persönlich die Deutung des Namens Idistaviso von Jakob Grimm für etwas zu malerisch und willkürlich. Nach langwieriger Recherche und durch Zufall sind mir tatsächlich einige germanische Bezeichnungen untergekommen welche m.E. nach hier mehr Sinn machen: „idiz“ für beeindruckend/eindrucksvoll/strahlend und „awiz“ für Auenlandschaft.
die "Auenlandschaft" klingt mir etwas arg nach Herr der Ringe ;) Was den überlieferten Namen Idistaviso betrifft, soll der zweite Bestandteil unstreitig sein: viso = Wiese. Kurz zusammengefasst hier:
Idistaviso ist eine germanische zweigliedrige Namenskomposition aus den Elementen Idista- und -viso. Das erste Glied Idis(t)-a- ist Gegenstand umfangreicher Diskussion in der Forschung seit dem 19. Jahrhundert (...) Das zweite Glied ist durchsichtig. Vergleichende Belege wie althochdeutsch wisa, mittelhochdeutsch wise, mittelniederdeutsch wese zur indogermanischen Wortwurzel *u̯ei̯s- „sprießen“ machen die Bedeutung „Wiese“ klar.
aus Idistaviso – Wikipedia

Kurios zum Angrivarierwall: #37
 
die "Auenlandschaft" klingt mir etwas arg nach Herr der Ringe ;) Was den überlieferten Namen Idistaviso betrifft, soll der zweite Bestandteil unstreitig sein: viso = Wiese. Kurz zusammengefasst hier:
aus Idistaviso – Wikipedia

Kurios zum Angrivarierwall: #37
Ich kann mich zwar mit der ‚strahlenden Aue‘ auch nicht wirklich anfreunden, allerdings - da wir die tatsächliche Morphologie des Wortes nun mal nicht kennen, ist die Deutung aviz (Idistaviso) genau so gut wie viso (Idistaviso).
 
Du kannst davon ausgehen, dass der Lauf der Weser sich seit der Würmeiszeit einigermaßen stabil gehalten hat. Natürlich haben sich Mäander verlagert, aber dass die Weser in der Römerzeit nicht durch die Porta Westfalica geflossen sei, das kannst du getrost ausschließen.
Ich meinte damit den Verlauf innerhalb der Porta Westfalica. Ich rede hier also von Verlagerungen um einige Meter bis maximal 100 m für die Mäander außerhalb der Porta Westfalica.

Wann die Römer die Weser wieder überquert haben, wissen wir de facto nicht, das kann nach der Schlacht von Idisiaviso sein, dann hätte die Schlacht am Angrivarierwall am Westufer der Weser stattgefunden, oder erst nach der Schlacht am Angrivarierwall, dann hätte die Schlacht am Ostufer der Weser stattgefunden (ich halte letzteres für wahrscheinlicher).
Genau das setze ich ja voraus dass sie östlich stattgefunden hat. Denn nur so macht die Aussage dass der Weg für die Römer durch den Fluss und die Berge abgeschnitten wurde Sinn.

Ich sehe den Widerspruch vor allem beim Angrivarierwall welcher ja recht breit gewesen sein soll. Wo macht der am meisten Sinn? Und es muss ein großes Moor gegeben haben welches sich um den Wald und die Sumpfebene befand. Gab es denn damals an der Porta Westfalica ein Moor? Ein Sumpf ist ja fast Standard, aber ein Moor und eine nur schmale sumpfige Ebene? Klar, jetzt werden wieder die Kalkriese-Germanicus Fans kommen und sagen „aber genau das haben wir in Kalkriese“ aber so meine ich das nicht. Es wird gleichartige Landschaftsmerkmale auch an anderen Orten gegeben haben. Nur das mit dem Moor triggert mich ein wenig genauso wie die Positionen der Römer und der Germanen.

Hier ein Bild von der heutigen Topologie. Wo genau sollen der solcher Wall und die dazugehörigen Sümpfe und das Moor gewesen sein?
 

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es muss ein großes Moor gegeben haben welches sich um den Wald und die Sumpfebene befand. Gab es denn damals an der Porta Westfalica ein Moor? Ein Sumpf ist ja fast Standard, aber ein Moor und eine nur schmale sumpfige Ebene? [...]
Wo genau sollen der solcher Wall und die dazugehörigen Sümpfe und das Moor gewesen sein?

Löse dich von der Ansicht der heutigen, im frühen 20. Jhdt. für die Schiffahrt gezähmte Weser. Stell dir einen wilderen (was nicht bedeutet, dass er unbedingt schnell fließen musste oder viele Strudel hatte), aber auch flacheren Fluß vor, der viel mehr in die Breite geht, als die heutige Weser. Zwischen Porta Westfalica und Steinhuder Meer gibt es neben dem Geestrücken durchaus auch noch Moorrückstände, etwa die Bückeburger Niederung.
 
Löse dich von der Ansicht der heutigen, im frühen 20. Jhdt. für die Schiffahrt gezähmte Weser. Stell dir einen wilderen (was nicht bedeutet, dass er unbedingt schnell fließen musste oder viele Strudel hatte), aber auch flacheren Fluß vor, der viel mehr in die Breite geht, als die heutige Weser. Zwischen Porta Westfalica und Steinhuder Meer gibt es neben dem Geestrücken durchaus auch noch Moorrückstände, etwa die Bückeburger Niederung.
Dann würde das ja sehr gut passen eigentlich. Jedenfalls halte ich das für naheliegend.
 
die "Auenlandschaft" klingt mir etwas arg nach Herr der Ringe ;) Was den überlieferten Namen Idistaviso betrifft, soll der zweite Bestandteil unstreitig sein: viso = Wiese. Kurz zusammengefasst hier:
aus Idistaviso – Wikipedia

Kurios zum Angrivarierwall: #37

Und Idisenwiese/Idisstättenwiese klingt weniger nach Herr der Ringe? Abgesehen davon dass es die Idisen vermutlich zu der Zeit in diesen Breiten noch nicht gab. Das Problem ist halt das Idis ta/Idist a/Idi sta...
 
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