Der Serbien-Feldzug 1914

Das passt schon ins Bild. Clark beschreibt Conrad als einen manisch-depressiven Irren. Und das nicht im übertragenen Sinn. Er hatte ein seltsames Privatleben, und sein Serbenhass wurde sogar vom Hof als krankhaft eingestuft. Er hatte so oft Präventivkriege gegen Serbien und das verbündete Italien gefordert, dass ihn lange keiner mehr ernst nahm.

Er wurde deswegen (wegen seiner Krieghetze) auch in den Ruhestand geschickt, leider später wieder zurückgeholt.

Als er endlich die Chance für seinen Krieg bekam, ignorierte er alles, was dagegen hätte sprechen können.

Gut, durchgeknallte Generäle gibt es zu hauf. Interessant ist dann immer die Frage, warum stoppt die keiner?

Bei Conrad ist die Antwort wahrscheinlich die: 1912 fiel noch jedem auf, dass er nicht ganz zurechnungsfähig war. 1914 stach er mit seinen persönlichen Phobien gar nicht mehr groß raus.

Clark schreibt einiges über Conrad. Der Wiki-Eintrag ist auch recht gut.
 
Noch einmal zum Aufmarsch.

Conrad informierte den Kaiser Franz-Joseph am 02.April 1914, zur Problematik des russischen Kriegseintritts, dass es günstig wäre, wenn die B-Staffel mit der 2.Armee vor dem 5.Mobtag in den Norden transportiert werden würden. Die Verlegung müsste aber mindestens vor dem 16.Mobtag erfolgen. (1)

Woher hat Conrad diese Angaben? Das Eisenbahnbüro hat andere Angaben gemacht. Siehe oben. Rauchensteiner (Der Erste Weltkrieg) führt dazu aus, das Conrad entsprechende Einwände schlicht in den Wind geschlagen hätte.

(1) Führ: Das k.u.k. Armeeoberkommando und die Innenpolitik Österreichs
 
Conrad hat durchweg in der Juli-Krise, insbesondere schon in der Sitzung vom 7.7. die Auffassung vertreten, dass über anderweitige Disposition der B-Staffel bis zum 5. Mob-Tag Klarheit bestehen müsse, um diese (rechtzeitig) der galizischen Front zuzuführen. Sollte dies nicht möglich sein, komme der 16. bzw. 18. Mob-Tag in Frage, um die B-Staffel (dann natürlich von der Verladung her "ab" Serbien-Front) der russischen Front zuzuführen.

Für das Verständnis ist der strategische Kontext wichtig.

Die Dreiteilung des öu-Aufmarsches in Minimalgruppe Balkan, A-und B-Staffel folgte der Vorgabe maximaler Flexibilität für die unterschiedlich denkbaren Kriegsfälle B (=Gelb, Serbien), Rot (Italien), R (Russland) und B-R (Russland, Serbien). Die Voraussetzungen hatten sich außerdem mit der Unsicherheit bzgl. Rumänien verschärft.

Minimalgruppe B zur Verteidigung in Süden gegen eine (vermutet überlegene) serbische Armee ist selbsterklärend, 3 Korps bzw. 9 Div, einige Brigaden).

Für den Fall R waren A- und B-Staffel (B: 4 Korps+HL-Reserve, 12+2 Div., A: der Rest, darunter rd. 28 ID, einige KavD und div. Brigaden) vorgesehen.

Bereits die Aufmarsch-Zweiteilung der beiden Hauptstaffeln in Bezug auf den R-Aufmarsch zeigt, dass diese nur nacheinander, nicht simultan im E-Transport verlegt werden konnten und das dieses natürlich auch durchgerechnet war. Bzgl. der Reihenfolge boten sich 2 Szenarien für den B+R-Fall, bei denen das eine der Flexibilität halber vorgezogen wurde:

B vor A: die kleinere Staffel wäre wegen der geringeren Kapazität, aber auch wguter Verbindungen sehr schnell an die Galizien-Front transportierbar gewesen. Dieses Szenario wäre nur für den reinen R-Fall (theoretisch) in Frage gekommen, bedeutete aber, dass die Hauptmasse später eintrifft.

A vor B: die A-Staffel nutzte des zur Ostfront leitende Netz voll aus, um die mit einem Paket zu versammelnde Hauptstreitmacht zwischen M+15 (R) und M+19 (R) verfügbar zu haben. B konnte nicht parallel, sondern nur anschließend verfrachtet werden. Zwei Fälle denkbar: 1. aus den Kasernen (schnell!, wenn Entscheidung vor M+5 (B!) fallen würde) oder 2. von der Balkanfront (zeitaufwändiger, weil deren Verlegung nach M+5 (B!) folgen würde, da sie dann erst die Verfrachtung zur Balkanfront und das Auslaufen der A-Staffel abwarten müsste).

Den Grundsätzen und Auswahlmöglichkeiten folgte der Aufmarsch 1914. Wäre wg. der vorlaufenden Teil-Mob für den Fall Gelb die deadline M+5 (B!), also 31.7./1.8. nicht überschritten worden*, wäre die B-Staffel (so tatsächlich nur Teile, die nicht zum Balkan gingen) ca. 4/5 Tage nach dem Auslaufen der A-Staffel an der Ostfront konzentriert worden, also komplett in der Dritten Dekade/August 1914.

*Alarmtransporte B-Staffel wurden seit 27.7., 12 Uhr verfrachtet, der Rest ab 30.7., 12 Uhr.

Das Kriegspiel vom April 1914 ergab, dass eine Koordination der 5. und 6. Armee gegen Serbien aus geographischen Gründen und unzureichenden Kräften scheitern würde. Das ist ja gerade der Grund, warum dann - was seit 1909 mit einer zunehmenden "Balkankonzentration" ohnehin erwogen wurde) die Nordzange mit der 2. Armee mit den beiden Armeen der Minimalgruppe Balkan zusammenwirken sollte. Dies nun für den Fall B+R zeitweise, da bereits der erste (zeitlich ausreichende) Operationsbefehl die größten Teile der 2. Armee nur für die Kampagne einer Woche der Balkanfront überließ.

Bereits daraus wird ersichtlich, dass es nie um die "große" entscheidende Offensive gegen Serbien ging, sondern um Schwächung (operativ gesehen eine kurze Offensive- in der "strategischen Defensive", s.o.).

Diese "Mixtur" Conrads dürfte
- den politischen Foderungen geschuldet sein.
- Basierte bis zum 31.7. und damit der anlaufenden B-Staffel auf dem irrtümlichen Kalkül, dass Russland doch zurückschrecken würde.
- War dann ohnehin von der Verfrachtung erst nach der ausgelaufenen A-Staffel "korrigierbar".

Lengyels gegenteilige Auffassung, die B-Staffel sei noch umleitbar und teilweise parallel zur A-Staffel (Alarmeinheiten ab 2.8. 12 Uhr, Rest/Masse ab 6.8. 12 Uhr) "transportierbar" gewesen, ist keine geschlossene Kalkulation beigefügt, sondern diese basiert nach meiner Vermutung auf dem "Fall B vor A", siehe oben, mit den kurzen Fristen, plus teilweiser Überlappung. Ebenso wenig begründet, außer einer gewissen Nähe zur öu Heeresleitung und Logistik, ist die Einschätzung Kagenecks, die B-Staffel sei am 1.8. noch umdirigierbar gewesen, weil erst geringe Teile der B-Staffel tatsächlich abgefahren seien. Wie er sich den "Stopp" der durchterminierten und bereits im Verspätungschaos befindlichen Züge vorstellt etc. unter Nachrichten-Übermittlungs-Szenarien Anno 1914 praktisch vorstellte, ließ er offen. Mindestens konnte man sich einen wilden Mix aus gestoppten und abgefahrenen Transporten vorstellen. Ich halte das für abenteuerlich. Das Zeitfenster dürfte - wie die Vorkriegskalkulationen mit M+5 (B!) vorgaben, geschlossen gewesen sein. Außerdem dürfte eine beachtliche Überlappung mit den A-Transporten auf den durch A ohnehin voll ausgelasteten Strecken die Folge gewesen sein, was dann noch die A-Transporte verzögert hätte.
 
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Vielen Dank für diese Informationen.

Wenn eigentlich klar war, das ein Zusammenspiel zwischen der 5. und 6.Armee nicht möglich war, dann hätte man doch gemäß Krauss eine andere Operationsrichtung, wohl über die Donau, als Ansatz wählen müssen. Selbst Potiorek verabsäumte es nicht, Conrad auf das "gewisse Restrisiko" bei einem Vormarsch über die Drina hinzuweisen; was Conrad in seinen Erinnerungen großzügig unterschlägt.
 
Alternativen gab es natürlich einige.

Die Wichtigste wäre der Verzicht auf eine temporäre Offensive gegen Serbien, wobei ich vermute, dass dies aufgrund des Kriegsgrundes politisch nicht akzeptabel war.

Ob das Zusammenspiel zwischen 5. und 6. Armee klappen würde, hing nach Conrads Aufmarsch - und das ist plausibel - vom Druck ab, der durch die 2. Armee verursacht würde und die serbische Seite zwingen würde, Kräfte vor der 5. und 6. Armee abzuziehen. Das gelang nicht, und ist vermutlich eine Folge der groben Kenntnis der serbischen Seite von den öu Aufmarschideen. Hier könnte sogar Redl gewirkt haben: die serbische Seite kümmerte sich wenig um die 2. Armee. Das kann natürlich auch Zufall sein.

Der Plan isoliert gesehen hatte jedenfalls Plausibilität. Hinzu trat natürlich die Fehlkalkulation über die russische Seite, dem Grunde nach und dem Zeithorizont des Aufmarsches nach (mglw. noch ergänzt um die Möglichkeit, dass der öu-Seite erst Ende Juli/Anfang August definitiv - durch harte Fakten, nicht durch Ankündigungen - klar wurde, dass ein deutsches Narew-Engagement, das Druck von Galizien hätte nehmen könnte, tatsächlich ausfallen würde.
 
Redl soll die Serben "bedient" haben. Habe ich zumindest vor einiger Zeit so gelesen.

Ich ebenfalls.

Ob das aber eine Ursache für das serbische "Ignorieren" des Nordflügels war (öu 2. Armee), ist wohl nicht schlüssig erwiesen.

Die Spekulation erschien mit aber hier interessant, weil es den Kontext für Conrads Planung deutlich macht. Die beabsichtigte Dispersionswirkung und damit Entlastung für das Zentrum (die 5., und für die Südgruppe, die 6.) trat jedenfalls nicht ein.
 
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