Der Slawenaufstand 983

3) Wie meinst du das ["Die Kraft reichte aber dann nicht aus, um den Erfolg auszunutzen"] denn? Sind 200 Jahre Aufschub etwa nix?
Ich habe mich in meiner Rückfrage (#52) nicht auf den Aufschub gezogen, sondern auf die - durchaus reizvolle - "Zwischenreich"-Hypothese, die Dieter (#2,14,42) entwickelt hat, gegen die aber aus meiner Sicht die "nackten Zahlen" zu sprechen scheinen.

Die Frage, warum die Elbslawen bis zu "200 Jahre Aufschub" erhielten, habe ich separat ansprechen wollen (siehe Ende #59), zumal sie ja gerade die Historiker des 19. Jh. und der 1930er Jahre beschäftigt hat.

5) Habe ich so nicht behauptet. Man sollte Ursache und Anlass nicht vermengen.
Habe nicht behauptet, dass Du das behauptet hast :motz::weinen:. Sicher war erst der - durch viele Faktoren gespeiste - Wille zum Aufstand da, dann kam dessen militärisch-logistische Vorbereitung, und während der Ausführung könnte verletzter individueller Stolz verhängnisvoll für Hamburg geworden sein. Vielleicht kann man das anhand der Quellen verifizieren, wenn es wichtig ist.

... aber es muss sich auch ein Lenin finden.
Wladimir Iljitsch, der Cherusker - jetzt wird's richtig spannend...:yes:
 
Ich habe mich in meiner Rückfrage (#52) nicht auf den Aufschub gezogen, sondern auf die - durchaus reizvolle - "Zwischenreich"-Hypothese, die Dieter (#2,14,42) entwickelt hat, gegen die aber aus meiner Sicht die "nackten Zahlen" zu sprechen scheinen.

Wir bewegen uns hier zwar kräftig im Bereich der Spekulation, aber die Möglichkeit eines Slawenstaates jenseits von Elbe und Saale ist natürlich interessant zu diskutieren.

Zunächst würde ich einen solchen Staat, der rund 200 Jahre Zeit gehabt hätte sich zu entwickeln (vom Slawenaufstand bis zum Wendenkreuzzug 983-1147), nicht als "Zwischenreich" apostrophieren. Wir hätten rein geografisch eine Abfolge von drei slawischen Staaten, nämlich Russland ganz im Osten, dann der polnische Staat und schließlich als letzte slawische Staatsgründung Abodritien :D , das an der Frontlinie zum Heiligen Römischen Reich stünde.

Zur kritischen Masse: Wenn in Polen etwa von 600-800 n. Chr. aus verschiedenen slawischen Stämmen das polnische Volk hervorging, warum sollte dann nicht aus Liutizen, Hevellern, Abodriten, Sorben, Ranen, Wilzen, Redariern und anderen in einer weiteren Ethnogenese eine elbslawische Nation hervorgehen?

Meines Erachtens hat hier lediglich der Zufall eine Rolle gespielt. Hätte es ein charismatisches und weitblickendes Herrscherhaus wie die Piasten in Polen oder die Přemysliden-Dynastie in Böhmen gegeben, dann hätte ein solcher Slawenstaat vielleicht (!) entstehen können. Dass eine unmittelbare Nähe oder sogar die Zugehörigkeit zum Reich die slawische Ethnie nicht oder kaum tangieren muss, zeigt das tschechische Königreich Böhmen, seines Zeichens Reichs- und sogar Kurfürstentum im Heiligen Römischen Reich.
 
Wir bewegen uns hier zwar kräftig im Bereich der Spekulation, aber die Möglichkeit eines Slawenstaates jenseits von Elbe und Saale ist natürlich interessant zu diskutieren.
Richtig. Etwas Spekulatius im plausiblen Bereich gehört m. E. durchaus zur Geschichtswissenschaft. Eigentlich ist es sogar nötig - man kann eine Entwicklung gar nicht wirklich verstehen, wenn man mögliche andere Entwicklungen nicht wenigstens mal andenkt.

Zur kritischen Masse: Wenn in Polen etwa von 600-800 n. Chr. aus verschiedenen slawischen Stämmen das polnische Volk hervorging, warum sollte dann nicht aus Liutizen, Hevellern, Abodriten, Sorben, Ranen, Wilzen, Redariern und anderen in einer weiteren Ethnogenese eine elbslawische Nation hervorgehen?
Grundsätzlich schon - aber ich könnte mir vorstellen, daß die "kritische Masse" deutlich weniger war.
Sowohl in Polen wie in Böhmen gab es zentral gelegen ein vergleichsweise reiches Kernland, daß auch die Ressourcen für ein Königtum hergegeben hat.
Im Elbslawengebiet sehe ich das nicht, es war sehr dünn besiedelt, wohl auch mit schlechter Infrastruktur (obwohl ich nicht weiß, ob die schlechter war als z. B. in Polen) und die etwas reicheren/interessanteren Gebiete lagen am Rand (z. B. Rügen).

Eine geschichtliche Entwicklung kann durchaus mal an einem Zufall, z. B. dem Vorhandensein einer geeigneten Führungsperson liegen. Aber das gilt eher für Situationen, wo etwas Großes passiert und es relevant ist, ob gerade ein Alexander oder Napoleon parat steht und die Entwicklung durch seine Entscheidungen prägt.

Wir haben hier aber ein Umfeld, in dem mehrere Generationen Zeit wäre, eine Führungssippe auszugucken oder auf eine große Führungsfigur zu warten. Die hätte ja gar nicht schon beim Aufstand da sein müssen (obwohl es da am meisten Effekt gehabt hätte), 50 Jahre später wäre die Staatsbildung ja grundsätzlich auch noch möglich gewesen.

Daher vermute ich, daß die Rahmenbedingungen es einfach nicht hergegeben haben. Das Reich hätte einen (christlichen!) Abodriten-Staat wohl genauso akzeptiert wie Polen und Böhmen (und Ungarn).
 
Das Reich hätte einen (christlichen!) Abodriten-Staat wohl genauso akzeptiert wie Polen und Böhmen (und Ungarn).

Genau das ist ja meine These, die ich weiter oben schon geäußert habe.

Eine kluge Dynastie hätte natürlich wie in Polen und Böhmen bereits um das Jahr 1000 zum Christentum überwechseln müssen, und sie hätte wie die Piasten in Polen so stark sein müssen, eine allmähliche Christianisierung auch des Volks zu bewirken, samt der Einrichtung von Bischofssitzen (wie das berühmte Gnesen in Polen).

Ein christlicher Staat kann nicht mehr, wie im Wendenkreuzzug geschehen, von einer beutegierigen adligen Rotte unterworfen werden. Da wären die Kirche, der Papst und wohl auch der Kaiser des Reichs davor gewesen.
 
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Die Obotriten hatten durchaus ihren "Zentralstaat", dummerweise nicht vordergründig christlich. Andereseits erdreistete sich Heinrich II., sich mit diesen Heiden (Lutizen) gegen das christliche Polen zu verbünden.
 
Die Obotriten hatten durchaus ihren "Zentralstaat", dummerweise nicht vordergründig christlich. Andereseits erdreistete sich Heinrich II., sich mit diesen Heiden (Lutizen) gegen das christliche Polen zu verbünden.

Na ja, du weißt ja, was mit einigen slawischen Fürsten geschehen ist, die versucht haben, das Christentum einzuführen - Kopf ab (wie du schon an anderer Stelle bemerkt hast :D )
 
Die haben wir 1918 davon gejagt...

In Berlin ist wunderschönes Wetter, ich liebe Mecklenburg und Spaß gehört dazu.

Das Personalpronomen "wir" bedeutet immer auch Teilhabe. balticbirdy, warst Du wirklich 1918 in Schwerin dabei (?) alter Revoluzzer! "Die haben wir....". Richtig sollte es heißen: "Den haben wir...". Da durch den wahrscheinlichen Selbstmord des letzten Großherzog von Meckelenburg-Strelitz, selbiges Großherzogtum an Mecklenburg-Schwerin gefallen wäre. Gott sei Dank, gab es den LGGEV, und dann kamen so ein paar Rvoluzzer, wahrscheinlich mit ungeputzen Schuhen und ihre Lampen haben sie sicher auch nicht geputzt.


M. :winke:
 
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Klar doch, und immer ein paar "Granater" in den Süden. Inzwischen spreche ich fast besser Dänisch als Deutsch. Problemer höchstens, wenn einer sich in Rostock anscheinend unbeobachtet zum Kumpel über den wohlgebauten Hintern meiner Frau äußert...
Meistens sind die Schweden und Dänen, die hierher kommen, schwer besoffen.
 
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Die Slawen wurden assimiliert, wobei unter Historikern noch immer strittig ist, inwieweit das eine eher friedliche Transformation war, oder Repression in nennswertem Umfang im Spiel war.

Habe die Diskussion leider verpaßt und möchte daher nur kurz was dazu loswerden. Aus dem hiesigen ehem. Schloßarchiv (leider Kriegsverlust) sind aus Akten der Markgrafschaft Brandenburg-Schwedt noch zahlreiche Repressalien aus dem 18. Jhdt. Slawen gegenüber überliefert. Neben dem bereits erwähnten Verbot für Slawen zur Teilhabe an städtischen Zünften, mußten die Slawen noch um 1750 unentgeldliche Dienste leisten wie Holz- und Fischlieferungen. Sprechen in slawischer Sprache war zumindest in Gegenwart des Markgrafen verboten. Somit wird auch keiner in der Stadt slawisch gesprochen haben. Außerdem waren Hochzeiten zwischen Deutschen und Slawen zwar nicht verboten, aber dermaßen unerwünscht, daß man Paare, die man erwischte sogar mit Knüppeln (auch zu Tode) prügelte. Bei solchem Gebahren wäre es nicht verwunderlich, wenn man bei einem Fortzug aus einem Gebiet versuchte, seine Herkunft zu verschleiern.
 
Stand in irgend einer regionalen Betrachtung bezugnehmend auf Unterlagen in dem benannten Archiv. Ich weiß nicht mehr wo. Das "Verprügeln" war sicher nicht "Standart". Aber Deutsche, die einen slawischen Partner hatten, wurden wohl öffentlich gemieden.
 
Die haben wir 1918 davon gejagt...

Eine Krähe sah auf dem Boden lauter herrliche Pfauenfedern liegen. Sie überlegte nicht lange und beschloss, ihr eigenes fades Gefieder ein bisschen aufzuhübschen. Sie steckte die schönen Pfauenfedern einfach zwischen ihr eigenes Gefieder. Stolz auf ihre neue Federpracht, begab sie sich mitten in eine Gruppe von Pfauen, um sie an der neu gewonnen Eleganz Anteil haben zu lassen. Aber ach, die fanden das so gar nicht lustig und stürzten sich auf die Krähe und rupften ihr nicht nur die fremden, sondern auch noch ziemlich viele eigene Federn aus. Als die rachsüchtigen Pfaue von der Krähe abließen, stand die Krähe gerupft und wesentlich armseliger als zuvor da. Und die Moral von der Geschicht: Mit fremden Federn schmückt man sich nicht.
von Phaedrus (* um 20 v. Chr.; † um 51 n. Chr.)
 
Stand in irgend einer regionalen Betrachtung bezugnehmend auf Unterlagen in dem benannten Archiv. Ich weiß nicht mehr wo. Das "Verprügeln" war sicher nicht "Standart". Aber Deutsche, die einen slawischen Partner hatten, wurden wohl öffentlich gemieden.

Das würde ich aber als problematische Quelle bezeichnen.
 
Aber Deutsche, die einen slawischen Partner hatten, wurden wohl öffentlich gemieden.

Das halte ich für sehr wahrscheinlich, denn es entspricht unseren jahrhundertelangen Erfahrungen im Verhalten von Mehrheiten gegenüber ethnischen Minderheiten. Die slawische Bevölkerung wird sicherlich in der frühen Phase der Ostsiedlung von den deutschen Siedlern und Städtegründern als zweitklassig betrachtet worden sein. Die gab - verständlicherweise - möglichst rasch ihr slawisches Idiom inklusive der slawischen Identität auf, näherte sich den einströmenden Deutschen an und verschmolz schließlich mit ihnen. Nur so ist auch das rasche Verschwinden einer Bevölkerungsschicht mit slawischer Identität zwischen Elbe und Oder zu erklären, sieht man einmal von den Sorben ab, die in einem ausgesprochenen Randgebiet überlebten.

Ich möchte daher nochmals auf folgenden Artikel hinweisen, den ich für sehr plausibel halte:

Was das Neben- und Miteinander der slawischen und deutschen Bevölkerung im Mittelalter anbetrifft, war und ist vor einem harmonisierenden Bild eines ausschließlich friedlichen Zusammenlebens zu warnen. Derart weitgreifende wirtschaftliche und rechtliche Umbildungen können nicht ohne erhebliche Härten für größere Bevölkerungsgruppen vor sich gegangen sein; in einigen Fällen ist eine Diskriminierung von Slawen auch wahrscheinlich zu machen.

Oft zitierte Beispiele sind die „Vertreibung“ der Bewohner aus dem slawischen Dorf Ragösen durch die Zisterzienser in Chorin und die Zunftbeschränkungen durch den „Wendenparagraphen“. Bei genauerer Untersuchung zeigt sich jedoch, dass es sich eher um Einzelfälle handelt und auch das Ethnikum nicht der vorrangige Grund der Diskriminierung war; auch im Westen Europas haben die Zisterzienser bei Eigentumsübernahme Dorfbevölkerungen umgesiedelt]
 
Diskriminiert ist nicht "tot geprügelt" fürs Poppen. Dass es Wendenparagraphen u.ä. gab, will ich ja gar nicht bezweifeln.
 
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