Ob diese Rechnung so stimmt? Es gab nach der Fundlage einige ausgesprochen dicht besiedelte Siedlungskammern (z.B. rund um die Wismar-Bucht).
Wenn Du andere Rechnungen plausibel machen kannst, nur heraus damit! Die Forschungslage ist insoweit sehr defizitär.
Ein Sohn des Obotritenfürsten Mstivoj begleitete mit 1000 (!) Reitern den Italienfeldzug Otto des II. (Hermann: Slawen in Deutschland, p. 345). Nach der Schlacht am Kap Colonna kehrte er heim und hatte bestimmt viel zu erzählen. Möglicherweise spielte das bei dem dann prompt ausbrechenden Aufstand 983 eine wichtige Rolle.
Wie alle Zahlen, so ist auch diese frag-würdig; Brather [1] nennt sie "gewiß übertrieben".
Die Schlacht im Süden hatte jedenfalls gezeigt, dass die "Sachsen" bzw. das kaiserliche Heer besiegbar waren - diese Botschaft hat Mistislaw mit nach Hause gebracht und dadurch die Aufstandspläne beflügelt. An dieser Stelle sollte man einfügen, dass (a) der Aufstand von 983 natürlich nicht der erste seiner Art war und (b) "koordiniert" war mit dem Angriff der Dänen von Norden.
Gegen die Annahme eines "slawischen Hermann" bzw. einer "starken Persönlichkeit, die dahinter stecken musste", habe ich nichts. :winke
ie Kraft reichte aber dann nicht aus, um den Erfolg auszunutzen.
Dass die Sorben sich nicht am Aufstand beteiligten, führt übrigens Schulze [2] darauf zurück, dass "Markgraf Gero offenbar die politische Führungsschicht ausgerottet [sic] und die Stammesstruktur zerschlagen" hatte - sicher ein warnendes Beispiel für die anderen Stämme.
Nachdem dieser Sohn [Mistislaw] aus Italien heimgekehrt war ..., erbat er sich vom Sachsenherzog Hermann Billung dessen Nichte zur Frau. Dieses Anliegen wurde unter groben Beleidigungen ("...kann nicht einem Hund gegeben werden...") abgewiesen.
Das kenne ich etwas anders: Die sächsische Braut war eine Nichte des Herzogs Bernhard von Sachsen, Hermanns Sohn, die der Markgraf Dietrich von der Nordmark dem Mistislaw für dessen Teilnahme am Italienzug "versprochen" hatte; der zitierte Ausspruch ist durch Adam von Bremen überliefert [2].
Noch im gleichen Jahr begann der Aufstand, der die deutsche Oberhoheit für fast 200 Jahre beseitigte.
Dass der Stolz von M. verletzt war, soll dazu geführt haben, dass er (oder sein Vater?) Hamburg angriff und in Flammen aufgehen ließ.
Ursächlich für den gesamten Aufstand war nach Schulze [3] "die drückende, oft sogar grausame deutsche Herrschaft" und politische Fehler: "Nicht nur Dienst- und Tributpflicht, sondern auch das anmaßende Auftreten des Markgrafen [siehe oben], der im Umgang mit dem slawischen Adel jedes Fingerspitzengefühl vermissen ließ, verletzte den Stolz der Unterworfenen."
Bleibt noch die Frage, warum keine energischeren Versuche unternommen wurden, die Scharte von 983 auszuwetzen. Ein Teil der Antwort liegt auf der Hand: Otto III. war beim Tode seines Vaters erst vier Jahre alt. 994 für mündig erklärt, führte er zwar im Jahr darauf - unterstützt durch polnische und böhmische Kämpfer - einen Feldzug gegen die Elbslawen, ohne jedoch das verlorene Gebiet zurückgewinnen zu wollen - sein Sinnen und Trachten galt der Kaiseridee und damit dem Süden. Heinrich II. schloss 1002 sogar ein Bündnis mit den Lutizen, um mit ihnen zusammen die Polen in Schach zu halten [4]. Konrad II. bekam auch die nominelle Oberhoheit über Lutizen und Polen zurück; "nach einem weiteren Plünderungszug Heinrichs IV. von 1069 verschwand der Lutizenbund aus der Überlieferung."
[1]
Archäologie der westlichen Slawen ... - Google Bücher S. 82
[2] Schulze: Hegemoniales Kaisertum. Ottonen und Salier. Sonderausgabe 1994, S. 261; nächstes Zitat ebd.
[3] S. 260
[4] Brather, S. 83; nächstes Zitat ebd.