Deutscher Imperialismus

Gandolf schrieb:
Zwischen Chaos und Manipulation gibt es aber einen Unterschied.;)

Klar, ich kenne das beruflich. Da verschwinden Briefe, Gesprächs-/Telefonnotizen über zu erledigende Änderungen, zweifelhafte Zusagen etc. Nur das Problem ist halt: man kann dann nichts mehr nachvollziehen und beweisen. Was bleibt sind Vermutungen, Hypothesen, Verdächtigungen und....ein Blick ins Verschwörungsforum. :S
 
Jetzt wird die Diskussion aber hoch-interlektuell!:autsch: Wie wäre es mit einem neuem Anknüpfungspunkt: Militarismus bzw. Staatsmacht als Hauptziel, Erweiterung des Einflussbereichs als Sekundärziel -Interessenkonflikt aufgrund expansiver Politik aller Staaten - Folge Krieg. :grübel:
 
Robert Craven schrieb:
Jetzt wird die Diskussion aber hoch-interlektuell!:autsch: Wie wäre es mit einem neuem Anknüpfungspunkt: Militarismus bzw. Staatsmacht als Hauptziel, Erweiterung des Einflussbereichs als Sekundärziel -Interessenkonflikt aufgrund expansiver Politik aller Staaten - Folge Krieg. :grübel:

Also wenn selbst du als Philosoph damit nicht klar kommst, brauche ich mir ja keine selbstzweiflerischen Gedanken machen..:cool:
 
Arne schrieb:
Klar, ich kenne das beruflich. Da verschwinden Briefe, Gesprächs-/Telefonnotizen über zu erledigende Änderungen, zweifelhafte Zusagen etc. Nur das Problem ist halt: man kann dann nichts mehr nachvollziehen und beweisen. Was bleibt sind Vermutungen, Hypothesen, Verdächtigungen und....ein Blick ins Verschwörungsforum. :S
Nun beginnen wir uns im Kreis zu drehen. Deshalb möchte ich ein paar Fixpunkte festhalten, die aus meiner Sicht wichtig sind:

1. Die Manipulationen sind nachweisbar und keine Vermutung. Ebenso kann nachgewiesen werden, dass diese Manipulationen mit der Tendenz erfolgten, die deutsche Kriegsschuld zu verharmlosen.

2. Es ist sehr blauäugig vor diesen Manipulationsversuchen die Augen zu verschließen. Da das Beweismaterial gesäubert wurde, ist es auch nicht sachgerecht, "letzte Beweise" für den direkten Kriegswillen und die Kriegsabsicht zu verlangen.

3. Bedingter Vorsatz kann trotz der Manipulationen zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die These vom fahrlässigen Hineinschlittern ist widerlegt.
 
Gandolf schrieb:
Nun beginnen wir uns im Kreis zu drehen. Deshalb möchte ich ein paar Fixpunkte festhalten, die aus meiner Sicht wichtig sind:

1. Die Manipulationen sind nachweisbar und keine Vermutung. Ebenso kann nachgewiesen werden, dass diese Manipulationen mit der Tendenz erfolgten, die deutsche Kriegsschuld zu verharmlosen.

2. Es ist sehr blauäugig vor diesen Manipulationsversuchen die Augen zu verschließen. Da das Beweismaterial gesäubert wurde, ist es auch nicht sachgerecht, "letzte Beweise" für den direkten Kriegswillen und die Kriegsabsicht zu verlangen.

3. Bedingter Vorsatz kann trotz der Manipulationen zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die These vom fahrlässigen Hineinschlittern ist widerlegt.

Kurz dann die Frage:
Wo finde ich denn dan Beweise oder einen Artikel über die Beweisbarkeit der Manipulation von der du redest?
Das würde mir sehr helfen dem ganzen zu folgen.
 
Kiffing schrieb:
Bei alledem sollte man niemals vergessen, daß es Deutschland gewesen ist, das Österreich-Ungarn zu dem Kriegseinsatz gegen Serbien drängte.

Falsch. Deutschland sagte leichtfertig alle Unterstützung - auch militärische - zu, egal, was Österreich unternehmen würde. Das ist aber kein "Drängen".
Als Serbien das Ultimatum nämlich bis auf einen oder zwei Punkte annahm, sagte Wilhelm II sogar, dass damit eigentlich jeder Kriegsgrund entfallen sei. ... Nur dachte Österreich wohl anders, Wilhelm wollte zu seinem Blankoscheck stehen und es scheint, als hätte die dt. Führung nichts gegen einen Krieg gehabt.

Natürlich trägt Deutschland eine recht große Mitschuld, hat sich im Vorfeld des Kriegs zum Teil falsch verhalten - und in der Juli-Krise mit Blanko-Scheck und Ultimaten an Russland und Frankreich auch. Die These vom "Hineinschlittern" ist erledigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Papa_Leo schrieb:
Falsch. Deutschland sagte leichtfertig alle Unterstützung .

Natürlich trägt Deutschland eine recht große Mitschuld, hat sich im Vorfeld des Kriegs zum Teil falsch verhalten - und in der Juli-Krise mit Blanko-Scheck und Ultimaten an Russland und Frankreich auch. Die These vom "Hineinschlittern" ist erledigt.

Poincaré hat bei seinem Besuch in Petersburg 22./23.7.14 den Russen ähnliche Zusagen wie DR an ÖU gemacht.
Nach der Oktober-Revolution haben die Sowjets die Akten veröffentlicht. Die deutsche Regierung hat erfolglos versucht, dies in die Verhandlungen in Versailles einfliesen zu lassen.

Grüße Repo
 
M.A. Hau-Schild schrieb:
Kurz dann die Frage:
Wo finde ich denn dan Beweise oder einen Artikel über die Beweisbarkeit der Manipulation von der du redest?
Das würde mir sehr helfen dem ganzen zu folgen.
Herman Kantorowicz hat im ersten Teil (Seite 59-97) seines für den Untersuchungsauschuß des Reichstages im Jahr 1927 fertiggestellten Gutachtens die von ihm ausgewerteten Dokumente einer textkritischen Untersuchung unterzogen.

Untersucht wurden von ihm sowohl russische, französische, englische, serbische, belgische, österreich-ungarische und deutsche Dokumente. Im Gutachten sind die herangezogenen Quellen genau benannt. Bei den deutschen Quellen handelt es sich unter anderem um "Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch. Vollständige Sammlung der von Karl Kautsky zusammengestellten amtlichen Aktenstücke mit einigen Ergänzungen. Hrg. von Walter Schücking und Max Montegelas, 5 Bde., Berlin 191, 3. Auflage 1927", die bei Kantorowicz mit "DD." abgekürzt wurden.

Er hat dabei auf allen Seiten zahlreiche Verfälschungen (Änderungen; Entstellungen; Streichungen; Einfügungen; Umdatierungen; Unterdrückung von Urkunden, die später nachgeschoben oder in anderen Archiven gefunden wurden, etc.) nachgewiesen und auch das Faktum der Verfälschung bei der Auswertung der Stoffsammlung berücksichtigt ("Fälschungen sind Schuldeingeständnisse"). Bei der Untersuchung der deutschen Dokumente zeigte sich, dass von 23 verfälschbaren Urkunden 18 verfälscht waren (78 % !).

In seinem Gutachten listet Kantowowicz auf den Seiten 87 - 95 die deutschen Verfälschungen auf. Ich kann das gar nicht alles wieder geben. Hier ein kleiner Ausschnitt (Seite 93):

>>Was sogar dem Chef [Jagow ist gemeint, Gandolf] zulässig schien, ergibt sich daraus, daß von Jagow nachweislich in zahlreichen Fällen sogar die für den Kaiser bestimmten Abschriften der eingelaufenen Telegramme eigenhändig verfälscht hat. Vergleicht man die beiden Fassungen, so sieht man, wie von Jagow in kleinlichster Arbeit, außer allerlei Stellen, die dem Hofmann anstößig waren, wieder und wieder das gestrichen hat, was den Kriegswillen des wankelmütigen Monarchen hätte erschüttern können, z.B. ungünstige Darstellungen der militärischen oder politischen Aussichten (DD. 117, 168, Anm. 5.), entgegenkommende Erklärungen Englands (DD. 157, Anm. 11.), maßvolle Bemerkungen der eigenen Botschafter (DD. 160), namentlich aber die Warnungen Lichnowskys vor der Haltung Englands, Frankreichs, Rußlands - der "gute" Lichnowsky, wie ihn Jagow nannte (DD. 56, vgl. DD. 6.), sollte möglichst wenig zur Geltung kommen. Auch der Kanzler ließ sich dazu herbei, in einer für den Vortrag beim Kaiser benutzten Entzifferung Streichungen vorzunehmen oder die von anderer Hand (Jagow?) vorgenommenen zu benutzen. So wurde dem Kaiser unter anderem in Lichnowskys Telegramm vom 26. Juli (DD. 236) der Schlußsatz unterschlagen: "Ich möchte dringend davor warnen, an die Möglichkeit der Lokalisierung auch fernerhin zu glauben und die gehorsamste Bitte aussprechen, unsere Haltung einzig und allein von der Notwendigkeit leiten lassen, dem deutschen Volk einen Kampf zu ersparen, bei dem es nichts zu gewinnen und alles zu verlieren hat." An den Rand des verstümmelten Telegramms konnte der Kanzler demgemäß den Randvermerk machen: "S.M. mißbilligten den Standpunkt Lichnowskys." Dann aber werden wir uns gewiß nicht über die Fälschungen der Urkunden des deutschen Weißbuches vom 3. August wundern dürfen. Denn diese Fälschungen und die ihrer würdige Denkschift waren ja nicht für seine Majestät, sondern für das deutsche Volk bestimmt. Sie waren es, die dem Reichstag vorgelegt wurden, die die Grundlage der geschichtlichen Sitzung vom folgenden Tage bildeten, und so das deutsche Volk, dessen heiligste Gefühle hier mißbraucht wurden, in den Krieg gepeitscht haben. Damit hat der Fälscher, wer es auch sei, eine furchtbare Verantwortung auf sich geladen, die dieser Ausschuß nicht aus dem Auge verlieren darf. Juristisch lastet sie auf dem Kanzler. Aber auch seine tatsächliche Mitwisserschaft halte ich für durchaus möglich. Ich will dafür ein parlamentarisch interessantes Indiz anführen. Er wehrte sich in seiner Reichstagsrede vom 19. August 1915 mit höchster Entrüstung gegen englische Angriffe auf seine Tätigkeit gegenüber Wien. Zur Widererlangung legte er unter "großer Bewegung" des Hauses seine Instruktion an Tschirschky vom 30. Juli vor, anscheinend im Wortlaut, denn er sagte sie "laute folgendermaßen". Aus ihr las er den Satz vor: "Die Verweigerung jeden Meinungsaustausches mit St. Petersburg aber würde ein schwerer Fehler sein", unterschlug aber die peinliche und mit der Theorie vom "überfallenen Deutschland" nicht recht vereinbare Fortsetzung: "da es kriegerisches Eingreifen geradezu provoziert, das zu vermeiden Österreich-Ungarn in erster Linie interessiert ist." Die gleiche Auslassung hatte er schon in der ersten Veröffentlichung des Telegramms in der "Westminster Gazette" vom 1. August begangen.

Auch die anderen Weißbücher der kaiserlichen Regierung von 1914 sowie, was uns hier nicht angeht, die Auslassungen ihrer zwei Nachfolger im Amte, ferner die amtlichen Äußerungen der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" enthalten schwere Fälschungen. (...)"<<

aus Hermann Kantorowicz, Gutachten zur Kriegsschuldfrage 1914, Herausgegeben von Immanuel Geiss, Europäische Verlagsanstalt, 1967, S. 93/94.

Und damit dürfte auch klar sein, dass es hier nicht um das übliche Aktenchaos geht, sondern um gezielte Verfälschungen.
 
Sehr interessant. Danke für das Zitieren (und deine Abschreibarbeit!).

Wenn ich die Beispiele richtig einschätze, handelt es sich um diverse Auslassungen und Verfälschungen seitens der Regierung, um Kaiser und Parlament/Bevölkerung über die tatsächlichen Kriegsumstände, bzw. Kriegsverläufe zu täuschen.
Eine (leider) noch heute übliche Praxis, daß nicht alle militärischen und diplomatischen Informationen "unzensiert" an die Öffentlichkeit gelangen. Das soll jetzt keine Relativierung sein!

Was ich aus diesen Beispielen aber für mich entnehme ist, daß die Regierung schon im Laufe des Krieges die eigenen Leute getäuscht hat und die Änderungen/Verfälschungen nicht nach dem Krieg vorgenommen wurden um sich vor der Geschichte (oder den Siegern) "reinzuwaschen".
 
Arne schrieb:
Sehr interessant. Danke für das Zitieren (und deine Abschreibarbeit!).
Bitteschön.
Arne schrieb:
Wenn ich die Beispiele richtig einschätze, handelt es sich um diverse Auslassungen und Verfälschungen seitens der Regierung, um Kaiser und Parlament/Bevölkerung über die tatsächlichen Kriegsumstände, bzw. Kriegsverläufe zu täuschen.
Eine (leider) noch heute übliche Praxis, daß nicht alle militärischen und diplomatischen Informationen "unzensiert" an die Öffentlichkeit gelangen. Das soll jetzt keine Relativierung sein!
So verstehe ich es auch nicht. Aber selbst dem Kaiser und dem Reichstag wurden verfälschte Unterlagen vorgelegt!
Arne schrieb:
Was ich aus diesen Beispielen aber für mich entnehme ist, daß die Regierung schon im Laufe des Krieges die eigenen Leute getäuscht hat und die Änderungen/Verfälschungen nicht nach dem Krieg vorgenommen wurden um sich vor der Geschichte (oder den Siegern) "reinzuwaschen".
Die konkreten Motive, die zu den Verfälschungen führten, muss man im Einzelfall ermitteln, also von Dokument zu Dokument.

Aber eines haben die Verfälschungen gemeinsam: "(...) jene Fälschungen und Unterdrückungen sowohl in Berin wie in Wien (verfolgten) die Tendenz, die in jenem Augenblick kriegsscheue Stimmung der Gegner und die eigene Entschlossenheit zum Kriege zu verdunkeln" (Kantorowicz, aaO., S. 95).

Die meisten Dokumente wurden bereits 1914 verfälscht, zum Teil um Kaiser und Reichstag zu manipulieren, zum Teil um vor dem Volk die eigene Verantwortung zu verschleiern und die Schuld den Gegnern in die Schuhe zu schieben. Insofern dienten die Verfälschungen durchaus dem Zweck sich "reinzuwaschen". Und da man Kaiser und Reichstag belogen hatte, musste man natürlich auch in den Weißbüchern, den amtlichen Dokumentensammlungen, die Fälschungen aufnehmen. Man konnte ja schlecht den Verfassungsorganen die Fälschungen vorlegen und in den Zeitungen und amtlichen Bekanntmachungen die unverfälschten Dokumente abdrucken lassen.
 
wenn man f. engels folgt, war das verderben, das schließlich zur "unglücklichen" politik des kaiserreiches in bündnisfragen führte, dem imperialen neuen kaiserreich bereits in die wiege gelegt worden:

Militärisch hatte die Annexion allerdings einen Zweck. Durch Metz und Straßburg erhält Deutschland eine Verteidigungsfront von ungeheurer Stärke. Solange Belgien und die Schweiz neutral, kann ein französischer Massenangriff nirgends anders ansetzen als auf dem schmalen Strich zwischen Metz und den Vogesen; und dazu bilden Koblenz, Metz, Straßburg, Mainz das stärkste und größte Festungsviereck der Welt. Aber auch dies Festungsviereck, wie das österreichische in der Lombardei, liegt zur Hälfte in Feindesland und bildet dort Zwingburgen zur Niederhaltung der Bevölkerung. Noch mehr: Um es zu vervollständigen, mußte über das deutsche Sprachgebiet hinausgegriffen, mußte eine Viertelmillion Nationalfranzosen mit annektiert werden.

Der strategische große Vorteil ist also der einzige Punkt, der die Annexion entschuldigen kann. Aber steht dieser Gewinn in irgendwelchem Verhältnis zu dem Schaden, den man sich dadurch antat?

Für den großen moralischen Nachteil, worin das junge Deutsche Reich sich setzte, indem es die brutale Gewalt offen und ungeheuchelt als sein Grundprinzip erklärte - dafür hat der preußische Junker keine Augen. Im Gegenteil, widerhaarige, gewaltsam im Zaum gehaltene Untertanen sind ihm Bedürfnis; sie sind Beweise der vermehrten preußischen Macht; und im Grunde hat er nie andere gehabt. Aber wofür er verpflichtet war, Augen zu haben, das waren die politischen Folgen der Annexion. Und die lagen klar zutage. Noch ehe die Annexion rechtskräftig geworden, rief Marx sie laut in die Welt hinaus in einem Rundschreiben der Internationale: "Die Annexion von Elsaß und Lothringen macht Rußland zum Schiedsrichter |447| Europas." Und von der Tribüne des Reichstags haben die Sozialdemokraten es oft genug wiederholt, so lange, bis die Wahrheit dieses Ausspruches endlich von Bismarck selbst in seiner Reichstagsrede vom 6. Februar 1888 anerkannt worden ist durch sein Winseln vor dem allmächtigen Zar, dem Gebieter über Krieg und Frieden.

Es war doch sonnenklar. Indem man von Frankreich zwei seiner fanatisch-patriotischsten Provinzen abriß, trieb man es jedem in die Arme, der ihm deren Rückgabe in Aussicht stellte, machte man sich Frankreich zum ewigen Feind. Bismarck allerdings, der in dieser Beziehung den deutschen Philister würdig und gewissenhaft repräsentiert, verlangt von den Franzosen, sie sollen nicht nur staatsrechtlich, sondern auch moralisch auf Elsaß-Lothringen verzichten, sie sollen sich noch ordentlich freuen, daß diese beiden Stücke des revolutionären Frankreichs "dem alten Vaterlande wiedergegeben sind", von dem sie platterdings nichts wissen wollen. Das tun aber die Franzosen leider ebensowenig, wie die Deutschen während der napoleonischen Kriege auf das linke Rheinufer moralisch verzichteten, trotzdem auch dieses damals sich keineswegs nach ihnen zurücksehnte. Solange die Elsässer und Lothringer nach Frankreich zurückverlangen, solange wird und muß Frankreich nach ihrer Wiedererlangung streben und sich nach den Mitteln dazu umsehen, also unter anderen auch nach Bundesgenossen. Und der natürliche Bundesgenosse gegen Deutschland ist Rußland.

Wenn die beiden größten und stärksten Nationen des westlichen Kontinents sich gegenseitig durch Feindseligkeit neutralisieren, wenn sogar ein ewiger Zankapfel zwischen ihnen liegt und sie zum Kampfe gegeneinander hetzt, so hat den Vorteil davon - nur Rußland, dessen Hände dann um so freier sind; Rußland, das in seinen Eroberungsgelüsten von Deutschland um so weniger gehindert werden kann, je mehr es von Frankreich unbedingte Unterstützung erwarten darf. Und hat nicht Bismarck Frankreich in die Lage versetzt, daß es um Rußlands Allianz betteln, daß es Rußland Konstantinopel gern überlassen muß, wenn Rußland ihm nur seine verlorenen Provinzen zusagt? Und wenn trotzdem der Friede siebzehn Jahre erhalten worden, woher anders kommt das als daher, daß das in Frankreich und Rußland eingeführte Landwehrsystem mindestens sechzehn, ja nach neuester deutscher Verbesserung sogar fünfundzwanzig Jahre braucht, um die volle Zahl eingeübter Mannschaftsjahrgänge zu liefern? Und nachdem die Annexion nun schon siebzehn Jahre lang das die ganze Politik Europas beherrschende Faktum gewesen, ist sie nicht in diesem Augenblick die Grundursache der ganzen, den Weltteil mit Krieg bedrohenden Krise? Nehmt diese eine Tatsache weg, und der Friede ist gesichert!

quelle: http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_405.htm

ich hoffe, den textausschnitt halbwegs passend gewählt u haben.
 
Gandolf schrieb:
Aber eines haben die Verfälschungen gemeinsam: "(...) jene Fälschungen und Unterdrückungen sowohl in Berin wie in Wien (verfolgten) die Tendenz, die in jenem Augenblick kriegsscheue Stimmung der Gegner und die eigene Entschlossenheit zum Kriege zu verdunkeln" (Kantorowicz, aaO., S. 95).
Ich schätze diese "frisierten Mitteilungen" auch(?) als Art der "psychologischen Kriegsführung" ein. Weniger nach aussen gerichtet, als nach innen um die Bevölkerung zu motivieren, um Kriegsbegeisterung, Überzeugung und Durchhaltewillen zu stärken. Wie gesagt, wird leider die Bevölkerung im Krieg so immer wieder getäuscht. Siehe Wochenschauen des 2.WK, den Golfkrieg als Videospiel-Liveübertragung bei CNN oder die (anfangs nicht vorhandenen) Bilder von Gefallenen im Irak-Krieg etc. etc.

Der Wertung Kantorowicz´, daß die "eigene Entschlossenheit zum Kriege" verdunkelt werden sollte kann ich insoweit folgen, daß - als erstmal die Entscheidung zum Krieg gefallen war - jetzt die "richtig motivierenden" Gründe und Umstände veröffentlicht wurden. Das heißt es wurde der Öffentlichkeit (und dem Kaiser) das präsentiert, was sie hinter die Entscheidung der Regierung führen sollte.

Ich würde Kantorowicz (zumindest aus diesem kurzen Zitat her) nicht so verstehen, als daß die Regierung bereits lang (oder mittelfristig) einen Krieg gewollt hat. Wenn er das so gemeint hat, könnte ich ihm da nicht folgen.


@ ponzelar: Verstehe ich dich richtig? Du meinst die Okkupation von Elsaß-Lothringen war bereits ein "imperialistischer Akt", der zu einem Kriegsgrund wurde? Wohl weniger das, was man klassisch unter Imperialismus versteht, aber das kann man so sehen.
Übrigens haben wir hier intensiv die Problematik der Reichslande diskutiert:
http://212.227.62.226/geschichtsforum/showthread.php?t=6431
 
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