Deutschlands Ruhm um 1600

aus jener Zeit datieren im heutigen Württemberg recht häufige Verbote des Mostens! Der Bürger und Bauer sollte fiskalisch erfassten Wein trinken und keinen steuerfreien Most saufen.
Das leuchtet unmittelbar ein: Wenn der Alkoholismus schon nicht zu unterbinden war, wollte der Landesherr/Staat wenigstens davon profitieren - eine sehr "moderne" Auffassung. (Vgl. das heutige Branntweinmonopol und die Tabaksteuer.)
 
Reizt mich irgendwie zum Nachrechnen!

(GES,S) Bevlkerung Europas (jedoch sind alle diese Zahlen recht problematisch)
Code:
                     Um 1500    Um 1600    Um 1700
Spanien und Portugal     9,3       11,3       10,0
Italien                 10,5       13,3       13,3
Frankreich (mit Lothringen und Savoyen)
                        16,4       18,5       20,0
Beneluxländer            1,9        2,9        3,4                
Britische Inseln         4,4        6,8        9,3                
Skandinavische Länder    1,5        2,4        2,8                
Deutschland             12,0       15,0       15,0                
Schweiz                  0,8        1,0        1,2                
Donauländer              5,5        7,0        8,8                
Polen                    3,5        5,0        6,0                
Rußland                  9,0       13,5       17,5                
Balkan                   7,0        8,0 (?)    8,0 (?)                
Europa  insgesamt       81,8      104,7      115,3
 
Und in diesem Europa ist Deutschland der dominierende Kern - fast so bevölkerungsstark wie der ganze Rest zusammen!
Leider habe ich derzeit keine Zahlen zur Hand, aber mit dieser Aussage habe ich wohl falsch formuliert.
Die gilt für das Heilige Römische Reich (d.h. incl. Italien!) im Vergleich zum katholischen Resteuropa.
Wenn wir hier aber über "Deutschland" sprechen, dann muß natürlich Italien rausgerechnet werden, das macht schon einen heftigen Unterschied.

"Nur" Deutschland (aber incl. Benelux, der heute französischen Grenzgebiete, Schweiz, Österreich, Böhmen) war zwar der deutlich bevölkerungsstärkste Bereich - aber doch nicht so stark wie in der Formulierung suggeriert.

Die These vom "dominanten Kern" und der besonderen Rolle für die Romanen bleibt davon aber wohl unberührt.
 
s.o.
Ich habe hier mal zusammengerechnet:
Um 1600
germanisch:romanisch:slawisch = 35,1 : 43,1 : 26,5 Mio
 
(GES,S) Bevlkerung Europas (jedoch sind alle diese Zahlen recht problematisch)
Danke für den Link.
Die Zahlen sind wahrscheinlich nicht problematischer als die von anderen Quellen - eine gewisse Unsicherheitsquote haben diese Schätzungen eben immer.

Problematischer ist die regionale Einteilung.

Frankreich ist offenbar in heutigen Grenzen gerechnet (d.h. incl. Lothringen, Franche-Comté, Savoyen, Elsaß, Korsika), da müßte man eigentlich für den Stand 1600 1-2 Millionen abziehen und zu Deutschland bzw. Italien schlagen.

Und dann ist die Kategorie "Donauländer" völlig unklar. Da werden Österreich und Ungarn hineingehören - aber was sonst noch (Balkan ist ja extra!)?
Und ist Böhmen zu Deutschland gerechnet?

Im übrigen der Hinweis, daß ich Rußland und "Balkan" bei meiner Betrachtung des "katholischen Europas" nicht dabei hatte.

Ich kann mir solche Zahlen recht schwer merken (und die ändern sich ja auch über die Zeit). Sinnvoller ist es, sich ungefähre Größenordnungen einzuprägen.

Und meine seit dem Studium verwendete Faustformel (die ich auch oben zugrunde legte) ist die:
Bevölkerung britische Inseln ist halb so groß wie die der iberischen Halbinsel.
Bevölkerung iberische Halbinsel ist halb so groß wie die Frankreichs.
Bevölkerung Frankreichs ist halb so groß wie die des heiligen römischen Reichs.
Und von allem zusammen noch einmal 10% Aufschlag für den Rest (Skandinavien, Polen, Ungarn).

Diese Überschlagsrechnung paßt ungefähr für den Zeitraum von 1100 bis 1600 (auch zu den Zahlen oben), bleibt auch bei heftigen Änderungen wie der Pest stabil (weil die recht gleichmäßig zuschlug).
Sie gilt nicht mehr nach dem 30-jährigen Krieg, als Deutschland ein Drittel der Bevölkerung verliert und sich die Relationen verschieben.

Diese alten Bevölkerungsrelationen unterscheiden sich in einigen Punkten deutlich von den heutigen, in denen zu denken wir gewohnt sind.

Ganz markant ist die dünne Besiedlung der britischen Inseln. Und wenn man davon noch Irland und Schottland abzieht sieht man, wie unbedeutend England eigentlich war!
Da versteht man, wieso ein Herzog der Normandie dieses Land erobern konnte, und wieso der 100-jährige Krieg eben kein englisch-französischer Konflikt war, sondern ein französischer Bürgerkrieg mit englischer Beteiligung auf einer Seite.

Man sieht auch, daß das HRR viel zu groß war, um dauerhaft die Hälfte Europas zu beherrschen und sich als Nationalstaat zu konsolidieren, wie das früher viele Historiker für "normal" empfunden haben.
Der Bevölkerungsanteil der heutigen Nachfolgegebiete des HRR am betrachteten Europa ist übrigens heute noch größer!

Und man sieht, wieso Frankreich nach seiner Einigung so unglaublich dominieren konnte, so daß der Rest Europas sich über fast 200 Jahre verbünden mußte, um gegen die Dominanz von Ludwig XIV oder Napleon anzukommen.
Der demographische Zusammenbruch Frankreichs durch den Aderlaß der napoleonischen Kriege hat diese Dominanz beendet.


(Jetzt bin ich glaube ich doch etwas weit schwafelnd vom eigentlichen Thema abgekommen ;-)
 
Problematischer ist die regionale Einteilung.

Frankreich ist offenbar in heutigen Grenzen gerechnet (d.h. incl. Lothringen, Franche-Comté, Savoyen, Elsaß, Korsika), da müßte man eigentlich für den Stand 1600 1-2 Millionen abziehen und zu Deutschland bzw. Italien schlagen.
Hm, was soll denn das nutzen? Irgendwie klingt mir Deine Einschätzung etwas wiedersprüchlich. Auf der einen Seite willst Du Frankreich irgendwelche Gebiete abziehen, die damals noch zum HRR gehörten, hingegen willst Du auf der anderen Seite zum Vergleich ein "Italien" konstruieren, das es natürlich nicht gab. Lothringen, aber auch die spanischen Niederlande (das wallonische Belgien) standen natürlich immer wieder auch unter französischem Einfluss, hier was bei den Romanen abzuziehen und dort was drauf zu rechnen, scheint mir irgendwie schwierig.
 
Irgendwie klingt mir Deine Einschätzung etwas wiedersprüchlich.
Das liegt wohl daran, daß ich von einem speziellen Thema zu einer allgemeinen Betrachtung gesprungen bin, ohne das deutlich genug zu formulieren.

Erst einmal habe ich angegebene Quelle bewertet.
Und da scheint es mir einfach unsinnig, Zahlen für 1600 anzugeben, aber die Regionen nicht in den Grenzen dieser Zeit abzugrenzen.

Bei der allgemeinen "kulturellen" Diskussion über Romanen vs. Germanen muß man natürlich Italien gesondert betrachten, auch wenn es als politische Einheit nicht existierte. Und meinetwegen kann man dann auch Wallonien rüberrechnen - obwohl das zahlenmäßig nicht viel bringt und ich auch nicht weiß, an wem die sich trinksittenmäßig damals orientiert haben.

Allgemein ist natürlich auch zu sagen, daß die (auch nur grob geschätzten) Bevölkerungszahlen nicht direkt mit wirtschaftlicher, kultureller, politischer oder militärischer Bedeutung korrelieren. Sie können nur eine gewisse Orientierung bieten.
 
Die Diskussionen sind durchaus berechtigt, allerdings beruhen nur Zahlen bis 1700 auf "gut begründeten Schätzungen"; Zahlen davor sind mit vielen Unwägbarkeiten behaftet, wozu eben auch die genaue regionale Abgrenzung gehören. Allerdings kann man keineswegs von einer gleichmäßigen Bevölkerungsentwicklung ausgehen - im Gegenteit. Regionen entwickeln sich äußerst unterschiedlich.

In der Anlage nur zur Erbauung noch einige weit verbreitete Zahlen aus dem Mittelalter (z.B. Hartmut Boockmann: Stauferzeit und spätes Mittelalter, Berlin 1987)
 

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Zu (a): Dazu kenne ich lediglich die Aussage, daß es nördlich des Polarkreises wegen der Polarnacht zu Winterdepressionen kommt, welche ihrerseits wiederum zu höherem Alkoholkonsum führen. Allerdings habe ich dazu bislang noch keine unumstrittene Studie gefunden; der norwegische Psychiater Vidje Hansen bspw. widerspricht dem sogar entschieden: 3sat.online

Offtopic: Eine Deutsch-Finnin erklärte mir mal, dass die Selbstmordrate in Finnland nicht während der Polarnacht am höchsten ist, sondern danach: Während der Polarnacht leiden beinahe alle Bewohner der Polargebiete an Depressionen, man ist also in guter Gesellschaft - im Frühjahr aber, wenn es wieder Tag wird, wachen die meisten aus der Depression aus. Die, welche weiterhin depressiv bleiben, haben jetzt einen Grund für den Selbstmord. Ob das so stimmig ist, darüber habe ich allerdings keine Erkenntnisse.
 
Aber Du wirst in diesen Bars nicht die typischen Saufrunden wie England, Holland oder Deutschland finden.

Erst letzte Woche war ein Artikel in der Zeit (Der Eva-Faktor), der den Anstieg des Alkoholkonsums in den Ländern der ehemaligen SU nach Zusammenbruch des Ostblocks beklagte:
Die Zeit schrieb:
Als die Sowjetunion zusammenbrach, sank die männliche Lebenserwartung innerhalb weniger Jahre. Alkohol, sozialer Abstieg und Arbeitslosigkeit bringen russische Männer mittlerweile 13 Jahre früher als ihre Frauen ins Grab. [...] Dazu kommt, dass Angehörige des unteren Drittels in der Einkommenspyramide im Mittel sechs Jahre früher sterben, als die des oberen Drittels. Und weil Männer sich in den Extremen entweder ganz oben oder ganz unten bewegen, trifft es sie besonders hart. Die meisten Frauen hingegen gehören dem Einkommensmittelfeld an. Und in Krisenzeiten hilft ihnen ihr ausgeprägtes soziales Umfeld; sie können oft auf ein Netzwerk weiblicher Hilfe zurückgreifen.
Mit diesem Ausflug in die Gegenwart möchte ich eines verdeutlichen: Die Umstände des Alkoholkonsums können sich binnen kurzer Zeit drastisch verändern. Spanien - gilt uns allen doch als klassisches Weintrinkerland? Tatsache ist, das meist konsumierte alkoholische Getränk in Spanien ist Bier!
Alkoholismus in England und Skandinavien hängt möglicherweise mit den strikten gesetzlichen Bestimmungen zusammen: In England hat sich durch die frühen Schließzeiten der Pubs eine Kultur entwickelt, bis 12:00 PM möglichst viel konsumiert zu haben - denn es muss ja für den Rest der Nacht vorhalten. In Spanien dagegen geht man vor eins kaum auf die Straße. Am Wochenende im Sommer sieht man häufig mitten in der Nacht, um drei oder vier Uhr, Kinder auf der Straße spielen, deren Eltern zwanzig Meter weiter im Café sitzen und ihren Rebujito trinken. Alles ganz léger.
Und in den meisten skandinavischen Ländern ist die Alkoholsteuer so hoch, dass häufig Fahrten ins Ausland unternommen werden, um entweder exterritorial auf der Fähre oder eben im Ausland zu trinken. Oder man braut sich eben selbst etwas - und das ist dann meistens höherprozentig!

Die Kritik am barocken Saufgelage hört man im Übrigen nicht nur von "Romanen". Ein zeitgenössisches Textbeispiel:

Bei dieser Mahlzeit (ich schätze, es geschieht bei andern auch) trat man ganz christlich zur Tafel, man sprach das Tischgebet sehr still, und allem Ansehen nach auch sehr andächtig: Solche stille Andacht kontinuierte so lang, als man mit der Supp und den ersten Speisen zu tun hatte, gleichsam als wenn man in einem Kapuziner-Konvent gessen hätte; aber kaum hatte jeder drei oder viermal ›Gesegne Gott‹ gesagt, da wurde schon alles viel lauter. [...] Ich gedachte: Warum wollten diese einem Menschen, der sich solche und den Trunk dabei schmecken läßt (wozu sie denn vornehmlich bereitet sind), nicht auch seine Sinne zerstören und ihn verändern, oder gar zu einer Bestia machen können? Wer weiß, ob Circe andere Mittel gebraucht hat als eben diese, da sie des Ulyssis Gefährten in Schwein verändert? Ich sah einmal, daß diese Gäst die Trachten fraßen wie die Säu, darauf soffen wie die Kühe, sich dabei stellten wie die Esel, und alle endlich kotzten wie die Gerberhund! Den edlen Hochheimer, Bacharacher und Klingenberger gossen sie mit kübelmäßigen Gläsern in Magen hinunter, welche ihre Wirkungen gleich oben im Kopf verspüren ließen. Darauf sah ich mein Wunder, wie sich alles veränderte; nämlich verständige Leut, die kurz zuvor ihre fünf Sinn noch gesund beieinander gehabt, wie sie jetzt urplötzlich anfingen närrisch zu tun und die albersten Ding von der Welt vorzubringen; die großen Torheiten die sie begingen, und die großen Trünk, die sie einander zubrachten, wurden je länger je größer, also daß es schien, als ob diese beiden um die Wett miteinander stritten, welches unter ihnen am größten wäre, zuletzt verkehrte sich ihr Kampf in eine unflätige Sauerei. Nichts Artlichers war, als daß ich nicht wußte, woher ihnen der Dürmel kam, sintemal mir die Wirkung des Weins oder die Trunkenheit selbst noch allerdings unbekannt gewesen, welches denn lustige Grillen und Phantasten-Gedanken in meinem merklichen Nachsinnen setzte, ich sah wohl ihre seltsamen Minas, ich wußte aber den Ursprung ihres Zustands nicht. Bis dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr geleert, als aber die Mägen gefüllt waren, hielt es härter als bei einem Fuhrmann, der mit geruhtem Gespann auf der Ebne wohl fortkommt, am Berg aber nicht hotten kann. Nachdem aber die Köpf auch toll wurden, ersetzte ihre Unmöglichkeit entweder des einen Courage, die er im Wein eingesoffen; oder beim andern die Treuherzigkeit, seinem Freund eins zu bringen; oder beim dritten die teutsche Redlichkeit, ritterlich Bescheid zu tun: Nachdem aber solches die Länge auch nicht bestehen konnte, beschwor je einer den andern bei großer Herren und sonst lieber Freund oder bei seiner Liebsten Gesundheit, den Wein maßweis in sich zu schütten, worüber manchem die Augen übergingen und der Angstschweiß ausbrach; doch mußte es gesoffen sein: ja man machte zuletzt mit Trommeln, Pfeifen und Saitenspiel Lärmen, und schoß mit Stücken dazu, ohn Zweifel darum, dieweil der Wein die Mägen mit Gewalt einnehmen mußte. Mich verwundert', wohin sie ihn doch alle schütten könnten, weil ich noch nicht wußte, daß sie solchen, ehe er recht warm bei ihnen ward, wiederum mit großem Schmerzen aus ebendem Ort hervorgaben, wohinein sie ihn kurz zuvor mit höchster Gefahr ihrer Gesundheit gegossen hatten.Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei, ihm beliebte sowohl als andern, weil er auch so wohl als andere ein Mensch war, ein Abtritt zu nehmen. Ich ging ihm nach, und sagte: »Mein Herr Pfarrer, warum tun doch die Leut so seltsam? woher kommt es doch, daß sie so hin und her torkeln? mich dünkt schier, sie seien nicht mehr recht witzig, sie haben sich alle satt gessen und getrunken, und schwören bei Teufelholen, wenn sie mehr saufen können, und dennoch hören sie nicht auf, sich auszuschoppen! müssen sie es tun, oder verschwenden sie Gott zu Trutz aus freiem Willen so unnützlich?« »Liebes Kind«, antwortet' der Pfarrer, »Wein ein, Witz aus! Das ist noch nichts gegen das, das künftig ist. Morgen gegen Tag ists noch schwerlich Zeit bei ihnen voneinander zu gehen, denn wenn schon ihre Mägen gedrungen voll stecken, so sind sie jedoch noch nicht recht lustig gewesen.« »Zerbersten denn«, sagte ich, »ihre Bäuch nicht, wenn sie immer so unmäßig einschieben? können denn ihre Seelen, die Gottes Ebenbild sind, in solchen Mastschweinkörpern verharren? in welchen sie doch, gleichsam wie in finstern Gefängnissen und ungeziefermäßigen Diebstürmen, ohn alle gottseligen Regungen gefangen liegen? Ihre edlen Seelen, sage ich, wie mögen sich solche so martern lassen? sind nicht ihre Sinne, welcher sich ihre Seelen bedienen sollten, wie in dem Eingeweid der unvernünftigen Tier begraben?« »Halts Maul«, antwortet' der Pfarrer, »du dürftest sonst greulich Pumpes kriegen, hier ist kein Zeit zu predigen, ich wollts sonst besser als du verrichten.«
 
Ein interessanter Thread! Gefällt mir gut. Vielleicht waren die Mittelmeeranrainer ja auch zu sehr damit beschäftigt anderweilig zu prunken und zu protzen als das noch genug Kohle zur Völlerei übrig geblieben wäre?

Aber das erinnert mich sehr an die Charakterisierung mancher deutscher Potentaten bei C.V.Wedgewoods Klassiker "Der Dreißigjährige Krieg". Insbesondere Johann Georg I., der Kurfürst von Sachsen wird als solcher beschrieben.
 
Die Umstände des Alkoholkonsums können sich binnen kurzer Zeit drastisch verändern.
Geändert haben sich wohl die Rahmenbedingungen, um den schon vorher vorhandenen Saufwunsch auszuleben. Es gibt ja genug Zeugnisse aus älterer Zeit gerade für Rußland, daß Komasaufen schon früher dort üblich war, da hat sich kulturell wohl nichts wesentliches verändert.

Tatsache ist, das meist konsumierte alkoholische Getränk in Spanien ist Bier!
Wie inzwischen wohl auch Italien. Aber es hat sich wohl in beiden Ländern nur die Wahl des Getränks geändert (typische Modewelle), nicht das eigentliche Trinkverhalten.

Alkoholismus in England und Skandinavien hängt möglicherweise mit den strikten gesetzlichen Bestimmungen zusammen
Das hieße wohl Ursache und Wirkung verwechseln: Diese gesetzlichen Bestimmungen wurden ja eingeführt, um den vorher exzessiven Alkoholismus in diesen Ländern einigermaßen zu zügeln.
 
Vielleicht waren die Mittelmeeranrainer ja auch zu sehr damit beschäftigt anderweilig zu prunken und zu protzen als das noch genug Kohle zur Völlerei übrig geblieben wäre?
Geld wäre bestimmt noch genug dagewesen, um auf den auch bei den Romanen grundsätzlich reichlichen Alkoholkonsum noch die paar Gläser draufzusetzen, die zum sonst üblichen Vollrausch fehlen.

Aber ich könnte mir vorstellen, daß Du einen interessanten Punkt getroffen hast: Das mit dem "prunken und protzen", d.h. die besondere Priorität der romanischen Völker auf einen guten äußeren Eindruck, verträgt sich natürlich nicht mit dem Kontrollverlust im Suff.
Das könnte der Grund sein, warum man sich bemüht, eine gewisse Grenze nicht zu überschreiten - "bella figura" machen hat Priorität.

Aber das ist natürlich ähnlich spekulativ wie diverse andere Vermutungen hier.
 
Geändert haben sich wohl die Rahmenbedingungen, um den schon vorher vorhandenen Saufwunsch auszuleben. Es gibt ja genug Zeugnisse aus älterer Zeit gerade für Rußland, daß Komasaufen schon früher dort üblich war, da hat sich kulturell wohl nichts wesentliches verändert.

Siehe Adenauer in Moskau 1955.
Seine Trinkfestigkeit muss den Russen wohl ziemlich imponiert haben.

Das hieße wohl Ursache und Wirkung verwechseln: Diese gesetzlichen Bestimmungen wurden ja eingeführt, um den vorher exzessiven Alkoholismus in diesen Ländern einigermaßen zu zügeln

Hier muss ich ElQ aber zustimmen,
im Weichbild Tübingens gab es einst ein Studentenlokal (immer noch?) die sg Mostburg (wer mal in Tb. studiert hat, wird sie kennen) da gab es bis schlag 22.00 Uhr was zu saufen, um 22.30 Uhr wurde man rausgeschmissen.
Ergebnis: Temposaufen, man musste ja um zehn voll sein.............

OT: Gigantisch was man sich bis zu dieser Uhrzeit schon für Dinger anlachen konnte....
 
Es gibt ja genug Zeugnisse aus älterer Zeit gerade für Rußland, daß Komasaufen schon früher dort üblich war, da hat sich kulturell wohl nichts wesentliches verändert.
Ich harre gespannt der Dinge, die da kommen...


Wie inzwischen wohl auch Italien. Aber es hat sich wohl in beiden Ländern nur die Wahl des Getränks geändert (typische Modewelle), nicht das eigentliche Trinkverhalten.

Noch nie vom Botellón gehört? Das ist die spanische Form des "Vorglühens". Man trifft sich, bevor man in die Disco geht, wo die Getränkepreise sehr hoch sind, mit Alkoholika in Flaschen (botella) auf der Straße, auf Plätzen oder in Parks und trinkt sich den "benötigten" Feierpegel an. Nix mit mäßigem Konsum, dem Glas Wein zum Essen.

Das hieße wohl Ursache und Wirkung verwechseln: Diese gesetzlichen Bestimmungen wurden ja eingeführt, um den vorher exzessiven Alkoholismus in diesen Ländern einigermaßen zu zügeln.
Das ist umstritten:
Tagesschau.de schrieb:
Die Konservativen hatten argumentiert, dass es bei einer Aufhebung der Sperrstunde noch mehr jener Alkohol-Krawalle geben würde, für die das Insel-Königreich berüchtigt ist. Die Labour-Regierung erklärte immer wieder, dass sich künftig weniger Pub-Besucher durch eine Sperrstunde gedrängt fühlten, rasch betrunken zu werden. Die Liberalisierung der Kneipenöffnungszeiten helfe daher, das in England weit verbreitete "Kampftrinken" einzudämmen.
 
Und hier geht's nur ums Saufen...
Jawoll! Da trifft es sich gut, dass ich neben Heines eher feinsinniger Schrift "Deutschland - ein Trinkermärchen" noch ein Spezialwerk herauskramen konnte: "Geschichte der deutschen National-Neigung zum Trunke" von Joh. Wilhelm Petersen (1782, Nachdruck 1979). Im I. Hauptstück verknüpft Verf. den Abusus des "starken Getränks" mit der Lebensweise der "alten Teutschen":
Bei dem vielen Schwimmen, dem immerwährenden Jagen und Kriegen in einem feuchten, rauhen, waldichtwilden Himmelstriche mußte ihm ein reizendes, erwärmendes Mittel die erquickendste Stärkung; anderseits, wegen dem Müßiggang und der stolzen Arbeitsscheue, eine unwiderstehliche Unterhaltung seyn. Und da überdieß jede Art von Rausch und Trunkenheit ein Zustand des Gefühls ist, welches die Wilden für höchstangenehm, ja für himmlisch halten, so konnte er auch dem rasenden Freiheitshang der Teutschen nicht anders, als walhallisch dünken.
Es kann, so gesehen, auch keinem Zweifel unterliegen, dass z. B. die Varusschlacht ohne diesen Faktor nicht denkbar ist - merkwürdig, dass dieses in den ja recht ausufernden Diskussionen über Kalkriese usw. ganz unerwähnt geblieben ist - ein Tabu vielleicht?
 
Jawolllll

so ist es ja auch in Wallhall.

Große volle Humpen vor sich, hübsche Mädchen auf den Knien sitzen,
und die Rede von den großen Schlachten der Vergangenheit......
 
Die Deutschen waren schon immer ein Völkchen, das gerne feierte. Wenn gefeiert wurde, dann richtig. Ein Anlass findet sich immer und das mit dem Alkohol kommt dann von ganz allein. Vielleicht ist es das, was uns zweifellos diesen Ruf einbrachte.
Das Leben in südlichen, wärmeren Ländern spielt sich eher auf der Straße ab, da verläuft sich alles. Im Norden geht man da eher ins Wirtshaus. Da ist die Situation sozusagen komprimiert. Der Nachbar hebt den Humpen, da möchte man doch nicht nachstehen. Zumal dann Männer unter sich sind.
Die Lust der deutschen Einwanderer zu feiern stieß z.B. im puritanisch, sauertöpfischen Amerika anfänglich auf Unverständnis. Erst allmählich merkten die dann: mensch, da kann man doch mitfeiern.
 
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