Deutung der Höhlenmalerei

Würde mich mal interessieren wie hier Eure Meinung zu diesen Nachbauten ist.
Ich halte Altamira für gut gelungen. Allerdings bedarf es dort einer Führung.

Kombiniert wurden beide Techniken an Stellen mit verschiedenen Untergründen, ein Beweis, dass die damaligen Künstler sich auch bewusst mit dem Untergrund auseinandersetzten.
Auch das findet man in Altamira. Konkave und konvexe Deckenwölbungen wurden dort genutzt, um Tiefenschärfe herzustellen.

Interessant ist, dass die Zeichnungen erst 600 bis 1000 Meter im Höhleninneren beginnen.
Wo es kein natürliches Licht gab, es schwierig war, hinzugelangen und die Luft langsam ausging... Ein Hinweis auf eine religiöse Bedeutung.


-Zu allererst: Wie haben die Künstler das damals mit der Beleuchtung hingekriegt so tief im Berg -weil Rußspuren von Fackeln gibt es kaum.
In einer Höhle hat man doch Kinderfußspuren im Lehm gefunden und parallel dazu Schläge von einer Fackel an die Wand, was so interpretiert wird, dass die Schläge die Fackel haben Funken sprühen lassen und so mehr Licht abgaben.

Warum tauchen - von Chauvet abgesehen - nur vereinzelt Raubtierdarstellungen auf, wohl aber die großen Pflanzenfresser? Und zwar bis auf den damaligen Hauptnahrungslieferanten, das Rentier. Das kommt wiederum eher selten vor.
In einer spanischen Höhle gibt es besonders viele Pferdedarstellungen aber kaum Hinweise auf Pferd im Abfall...
 
Ich weiß jetzt nicht ob folgender Aspekt in der Höhlenmalereisache schon behandelt ist, deshalb dieses:
Ich habe vor vielen Jahren an der Akademie am Schillerplatz Malerei studiert und hauptsächlich gezeichnet, dh. Feder, Bleistift, Kohle, was es halt so gibt und es zu einiger Fähigkeit darin gebracht. Als Profizeichner ist mir aufgefallen, dass viele der Höhlenzeichnungen, oder sogar die meisten, eindeutig von Profis gemacht worden sind. Ein Amateur, der nur dann und wann einen Stift zur Hand nimmt verfügt bestimmt nicht über einen so sicheren Strich.
 
Kann auch sein, dass umgekehrt die "Künstler" bevorzugt unter verletzten Händen litten, oder verletzte Hände, wegen gefährlicher Tätigkeiten, damals recht häufig waren.
...oder, dass Menschen mit verletzten Händen zu "Künstlern" (ernannt) wurden, weil sie für die Jagd nicht mehr geschickt genug waren. Das hieße, dass es vielleicht "hauptamtliche" Künstler/ Priester / Medizinmänner gab, die für die Bemalung der Höhlenwände zuständig waren - und eine solche Erkenntnis (wenn es denn eine ist) wäre doch schon mal interessant.
 
...oder, dass Menschen mit verletzten Händen zu "Künstlern" (ernannt) wurden, weil sie für die Jagd nicht mehr geschickt genug waren. Das hieße, dass es vielleicht "hauptamtliche" Künstler/ Priester / Medizinmänner gab, die für die Bemalung der Höhlenwände zuständig waren - und eine solche Erkenntnis (wenn es denn eine ist) wäre doch schon mal interessant.

"Hauptamtliche" Künstler ins Rennen zu schicken scheint mir eine plausible Vermutung. Dass die Entdeckung einer solchen "Berufung" auch durch, für den Jagdalltag massiv einschränkende, Verletzungen ausgelöst worden sein konnte, halte ich für durchaus vorstellbar.
Verstümmelungen der Künstler aus Darstellungen von Händen mit fehlenden Fingergliedern ableiten zu können, halte ich für jedoch für nicht zwingend, denn möglicherweise handelt es sich dabei gar nicht um Verletzungen, sondern um bewusst gewählte Darstellungsformen die durch Abwinkeln eines oder mehrerer Finger eine bestimmte Symbolik erzeugen wollten.
Ich würde für die Kunstfertigkeit der möglicherweise hauptamtlichen "Profis" eher auf eine Mischung aus Talent und/oder, wie balkanese vermutet, gut gelerntem Handwerk setzen.
 
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Also ich kann dem balkanesen nur Recht geben- die Ausführungen deuten auf hohe Professionalität hin- die Kopf- und Rückenlinie eines Mammuts oder Bisons in inem Strich zu zeichnen,ohne abzusetzen und das bei den Untergrund- und Lichtverhältnissen bedarf hoher Übung. Insofern halte ich die These mit den verkrüppelten Händen auch eher für abwegig.- da ist i.d.R. eine solch präzise Strichführung nicht möglich.

Was den religiös-kultischen Aspekt betrifft,so sind zumindest bei späteren Hochkulturen wie Ägyptern oder Babyloniern die Kultfiguren eigentlich streng formalisiert. Individuuelle Züge haben eigentlich nur die Nebenfiguren mit rein dekorativem Charakter ,wie die Tieren in den Naturszenen der Mastabas
Wenn man das auf die Höhlenkunst überträgt, so habe ich Zweifel an der religiösen Bedeutung der Bilder, dazu sind die abgebildeten Tiere zu individualistisch und z.T. sogar mit einem gewissen Karikaturstil abgebildet
 
Was den religiös-kultischen Aspekt betrifft, so sind zumindest bei späteren Hochkulturen wie Ägyptern oder Babyloniern die Kultfiguren eigentlich streng formalisiert. Individuuelle Züge haben eigentlich nur die Nebenfiguren mit rein dekorativem Charakter, wie die Tiere in den Naturszenen der Mastabas.
Wenn man das auf die Höhlenkunst überträgt, so habe ich Zweifel an der religiösen Bedeutung der Bilder, dazu sind die abgebildeten Tiere zu individualistisch und z.T. sogar mit einem gewissen Karikaturstil abgebildet.
Ich wüsste nicht, was gegen eine religiöse Deutung bei individuell gestalteten Tieren spräche, nur weil eine andere Kultur an einem anderen Ort strenger formalisierte. Man kann es so sehen: In einer animistischen Glaubenswelt ging es um den Individualcharakter des Tieres, womöglich auch der Jagdbeute (wobei ich selbst ja darauf hinwies, dass es Höhlen mit überwiegenden Pferdezeichnungen gibt, ohne, dass sich Pferd als besonders häufig im Abfall wiederfände, du, dass obwohl Ren eine häufige Jagdbeute war, dieses sich seltener in den Zeichnungen wiederfindet), in der ägyptischen Welt irgendwann um mythologische Figuren, die einen festen Platz im Weltgefüge hatten und die immer wieder wiedererkannt werden sollten.
 
Ein bedenkenswerter Aspekt,ElQ
Andererseits hat gerade die formalistische Wiedergabe auch einen kultisch bedingten Identifikationswert,
das animistische Überwesen war halt immer der rote Stier mit den S-förmig gebogenen Hörnern oder das blaue Mammut mit den langen Stoßzähnen und nicht irgendein ixbeliebiges Mammut oder ein ixbeliebiger Stier.Der Formalismus erfüllt damit in gewissem Maße kultische Funktion,dient er doch als Herausstellungs- und Identifikationsmerkmal zugleich

Den Beutetieraspekt,der früher im Sinne eines Jagdzaubers in die Darstellungen hineininterpretiert wurde würde ich aus den von Dir angerissenen Gründen auch ausschließen,
 
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Den Beutetieraspekt, der früher im Sinne eines Jagdzaubers in die Darstellungen hineininterpretiert wurde, würde ich aus den von Dir angerissenen Gründen auch ausschließen.

Ich nicht unbedingt. Die Beispiele zeigen ja im Prinzip nur, dass der Beutetieraspekt nicht in jeder Kultur/Region/Zeitstellung gegeben war, dass man die Zeichnungen differenzierter sehen muss, denn als reinen Jagdzauber. Das bedeutet aber nicht, dass in der mehrtausendjährigen und multiregionalen Geschichte der prähistorischen Höhlenzeichnungen man a priori ausschließen kann, dass es mitunter jagdzauberische Gründe waren, weshalb man die Tiere an die Höhlenwände und Decken zeichnete.
Vor Jahren lief mal auf Arte eine Sendung, wo einer Astroarchäologin die Gelegenheit gegeben wurde, ihre Hypothese auszubreiten, wonach die Tier in Lascaux eigentlich den Sternenhimmel darstellten.
Eine kultische Begründung für die Malereien würde ich vor allem an schwer zugänglichen Orten, ohne natürlichen Lichteinfall und wo man, bedingt durch uzureichende Luftzufuhr immer nur kurz arbeiten konnte, sehen wollen. Sonst würde ich keinen plausiblen Grund für solche Kunstwerke erkennen, die man im Normalfall eh niemals sehen würde.
 
Zuvorderst sehe ich bei Zeichnungen den Grund, etwas herzusehnen; genauso wenig kultisch, wie wenn ein Pubertierender nackte Frauen, oder Autos zeichnet. Dass die Darstellungen an entlegenen Orten in Höhlen erhalten sind, kann diverse Gründe haben:

1. die Zeichnungen sind nur dort erhalten geblieben;

2. der Zeichner wollte nicht, dass seine Werke gesehen, oder zerstört werden. Da muss er m.M.n. nicht einen ›tieferen Sinn‹ in der Tiefe gesucht haben. Menschen genieren sich manchmal, ihre geheimen Wünsche vor anderen auszubreiten, da sie sonst als Schwächlinge, oder Träumer hingestellt werden. Maler gehörten noch nie zu den als tapfer geltenden Mitgliedern einer Gesellschaft. Das war vor x-tausend Jahren nicht anders.
 
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Die Farbherstellung dürfte zum Teil schon recht aufwendig gewesen sein und Orte aufzusuchen, die Teils nur unter schwierigen Bedingungen zu erreichen waren und wo man mitunter nur wenige Minuten Sauerstoff für Kien und Atemluft hatte, das muss schon einen plausiblen Grund gehabt haben.
 
Die Farbherstellung dürfte zum Teil schon recht aufwendig gewesen sein und Orte aufzusuchen, die Teils nur unter schwierigen Bedingungen zu erreichen waren und wo man mitunter nur wenige Minuten Sauerstoff für Kien und Atemluft hatte, das muss schon einen plausiblen Grund gehabt haben.
Hab meinen kleinen Beitrag gestern vor dem Schlafengehen noch schnell hingetippt, um auf die wichtigste Motivation für Darstellungen hinzuweisen, die heute bei all den romantischen Vorstellungen über Höhlenmenschen untergeht.

Unlängst hab ich mich mit der Motivation des aufkommenden Exotismus im 17. Jh. etwas näher auseinandergesetzt; inwiefern es sich um Überheblichkeit, oder um Sehnsucht gehandelt habe, d.h. welche psychologischen Voraussetzungen es für den Exotismus braucht, um schließlich in der darstellenden Kunst implementiert zu werden. Sehr schnell gelangt man zur seit Ende des Mittelalters sich langsam entwickelnden Romantik; also zum Wohlstand, der Träumereien Platz lässt (um mal ihre genauen Ausprägungen beiseite zu lassen).

Erwähne das nur, da ich diese Entwicklung, auch wenn im 20. Jh. von den Weltkriegen unterbrochen, aber sonst ungebrochen sehe. Wir sind mehr als je zuvor von Fiktionen beeinflusst, beschäftigen uns täglich mehrere Stunden mit von anderen Menschen ausgedachten Geschichten, bzw. mit ihren Vorstellungen von Begebenheiten, anstatt in der nüchternen Realität zu bleiben, anstatt ums Überleben kämpfen zu müssen. Das ist zwar einerseits gut so, verschleiert aber den Blick auf vergangene Befindlichkeiten immer mehr.

Die Vorstellung vom Höhlenmenschen, der vor der Jagd, von Pflanzensäften beduselt, unter wilden Tänzen auf gemalte Beutetiere mit seinem Speer einsticht, würde ich ins Bereich jenes Exotismus setzen; also mehr über unseren Zeitgeist als über damalige Befindlichkeiten aussagend.


Zum Vorhandensein von Malereien in tieferen Höhlensystemen:
Erstens müsste man bei jeder einzelnen Höhle die Möglichkeiten der tektonischen Entwicklungen untersuchen, um klare Aussagen über Licht- und Atemluft-Verhältnisse machen zu können. Höhlengänge tendieren, über Jahrtausende verschüttet zu werden. Außerdem wäre da noch die Feuchtigkeit, der wichtigste Feind von Darstellungen. Denkbar ist z.B. auch eine höhere Luftfeuchtigkeit in der Nähe zum Höhlenausgang.

Zudem wäre noch die Möglichkeit der Zerstörung von Malereien in höher gelegenen Gängen. Wenn ich mich als Höhlenbewohnerin vorstelle, die gerade eine neue Höhle bezieht, dann sehe ich meine erste Aufgabe darin, die Graffitis an den Wänden herunterzuwaschen; 1. da ich sie für Schmutz, d.h. für eine Hinterlassenschaft von womöglich anders gesinnten, feindlichen Unbekannten halte. 2. da sie von bereits Verstorbenen stammen könnten, deren Schicksal ich nicht teilen will.

Ein weiterer, heute kaum nachzuvollziehender Aspekt des Wohnens in Höhlen ist, dass die Leute dort aufgewachsen sind und ihre Höhle in- und auswendig kannten. Junge Höhlenmenschen tendierten dazu, den letzten Winkel ihrer Behausung zu erforschen und auch zu markieren; ob dies durch primitive Zeichen, oder durch komplexe Zeichnungen geschah, ist einerlei. Beide Motivationen fürs Malen, sowohl das Markieren, wie auch das Hersehnen von Dingen, sind im Menschen von Natur aus gegeben, d.h. viel naheliegender als kultische Gründe, wobei diese vernünftigerweise nicht auszuschließen sind.


Zum Schluss möchte ich noch auf das unterschiedliche zeichnerische Talent hinweisen: es besteht in erster Linie aus der Fähigkeit, bzw. aus dem Willen, genau zu beobachten. Ein Mensch, der aufmerksam hinschaut, wird besser Zeichnen als einer, der nur auf gewisse Aspekte von Objekten achtet, da er z.B. seine Begierde nicht zügeln kann. Gutes, d.h. wirklichkeitsgetreues Zeichnen erfordert Hingabe, eine Zurücknahme des Triebhaften. Damals, wie auch heute ist also das zeichnerische Talent recht unterschiedlich. Wenn man heute damalige Darstellungen als professionell hinstellt, kann das leicht als Exotismus verstanden werden, d.h. als Verwunderung, dass Menschen damals genauso gute, oder z.T. auch bessere Fähigkeiten haben konnten, wie heute bei uns. Beim zeichnerischen Talent ist, soweit bekannt und soweit man die Mittel in die Betrachtungen einbezieht, keine wirkliche Evolution fassbar (auch wenn sie bei weiterem Zurückdenken irgendwann sicherlich vorhanden gewesen sein muss).


Ach, noch zu den Farben:
Bei der »Farbherstellung« müsste auch von Fall zu Fall untersucht werden, was in der Gegend vorhanden war. Als Kind hab ich manchmal ebenfalls auf Steine gemalt, mich ohne mit Farbherstellung befassen zu müssen; kreidehaltige Steine und Holzkohle sind in der Natur leicht aufzutreiben. Malen kann man außerdem auch mit Pflanzen ganz gut.

Schwarz, sowie Ocker und Sepia, sind recht alte Farben. Ocker war schon im Jungpaläolithikum (in Afrika bereits vorher) bekannt. Organische Farbstoffe, wie Blut und Pflanzensäfte sind ebenfalls naheliegend, auch wenn deren Spuren nicht immer erhalten sind. Heute noch gibt es Maler, die z.B. mit Wein und Tee malen, um von Körpersäften diskret zu schweigen. Man muss die Farbherstellung nicht als Wissenschaft betrachten; eine andere Frage ist ihre Erhaltung, die erst beim Streben nach ewig währender künstlerischer Hinterlassenschaft zur Wissenschaft wurde.
 
...Zum Schluss möchte ich noch auf das unterschiedliche zeichnerische Talent hinweisen: es besteht in erster Linie aus der Fähigkeit, bzw. aus dem Willen, genau zu beobachten....
Mir ist klar dass wir über das Sehen der Alten keine Vorstellung haben, die kognitiven Fähigkeiten von zB Schimpansen sind unseren weit überlegen; deshalb hab ich diesen Aspekt bewusst nicht angesprochen, genaue Beobachtungsgabe muss kein Hinweis auf Profikünstler sein; Zeichnen besteht aber nicht in erster Linie aus der Beobachtung, zumindest ebenso wichtig ist die Fähigkeit das Beobachtete auch wiederzugeben und dazu brauchts Übung, Übung, Übung.
Als ausgebildeter Zeichner seh ich sofort ob eine Zeichnung von einem, wenn auch talentiertem, Laien oder einem Profi gemacht worden ist und ich hab mich für die Betonung des "sicheren Strichs" als Hinweis auf steinzeitliche Profis entschieden weil das eben der deutlich sichtbare Unterschied zu Amateuren ist.
 
Zudem wäre noch die Möglichkeit der Zerstörung von Malereien in höher gelegenen Gängen. Wenn ich mich als Höhlenbewohnerin vorstelle, die gerade eine neue Höhle bezieht, dann sehe ich meine erste Aufgabe darin, die Graffitis an den Wänden herunterzuwaschen; 1. da ich sie für Schmutz, d.h. für eine Hinterlassenschaft von womöglich anders gesinnten, feindlichen Unbekannten halte. 2. da sie von bereits Verstorbenen stammen könnten, deren Schicksal ich nicht teilen will.
Ist das nicht eine etwas zu moderne extreme "Hausfrauensicht"? Nach dem Motto "Ich bin neu in der Höhle und richte sie mir neu ein. Weil ich Jagd auf Tiere zu brutal finde und sowieso kein Fleisch esse, muß das alles runter." (Ist jetzt ironisch gemeint und sollte die Hausfrauen und Veganer unter den Mitlesern nicht beleidigen.)
Gibts eigentlich Blumen oder Kräuterbilder in Höhlen?

Ein weiterer, heute kaum nachzuvollziehender Aspekt des Wohnens in Höhlen ist, dass die Leute dort aufgewachsen sind und ihre Höhle in- und auswendig kannten. Junge Höhlenmenschen tendierten dazu, den letzten Winkel ihrer Behausung zu erforschen und auch zu markieren; ob dies durch primitive Zeichen, oder durch komplexe Zeichnungen geschah, ist einerlei. Beide Motivationen fürs Malen, sowohl das Markieren, wie auch das Hersehnen von Dingen, sind im Menschen von Natur aus gegeben, d.h. viel naheliegender als kultische Gründe, wobei diese vernünftigerweise nicht auszuschließen sind.
Ich glaube nicht, das eine Vielzahl der Bilder von Pubertären Zeitgenossen als "Ich war hier"-Graffiti hinterlassen wurde. Vieleicht noch die Handabbildungen. Die anderen sind zu umfangreich. Einerlei ist das auf keinen Fall. Vor dem Hintergrund einer Grafiitifeindlichen Mama im forderen Höhlenbereich auch schwer nachvollziehbar.
Das Beobachtungs-/Wiedergabekönnen sehe ich wie @balkanese. Wenn man gut beobachten kann, muß man nicht automatisch auch gut zeichnen können.
Ich selbst kann mich relativ gut in der Natur orientieren, sehe dort im Vorbeigehen Details die andere erst bei genauem Hinsehen erkennen - aber beim Zeichnen komme ich über Piktogramme nicht hinaus.
 
edingt durch uzureichende Luftzufuhr immer nur kurz arbeiten konnte,

Was habt Ihr eigentlich immer mit der unzureichenden Luftzufuhr. Das ist eine Fama, die so nicht stimmt: Abri Cap Blanc war ein Überhang,der erst später durch eine Mure verschüttet wurde und sowohl Chauvet als auch Rouffiniac sind weitläüfige Höhlensysteme mit genügend Luft. In Rouffiniac war ich mit ca 40 Leuten eine Stunde in der Höhle unterwegs ohne daß ich Atemnot gekriegt hätte und der Höhleneingang ist heutzutage verschlossen.
Luft war kein Problem,eher das Licht-weil 1 km im Berg ist es recht dunkel um nicht zusagen finster wie im sprichwäörtlichen Bärenhintern. Da verstehe ich allerdings die Fixierung auf Kienfackeln nicht.Die teile rußen und sind relativ unpraktisch. Aber könnte man auch die Verwendung von Tran- ,Talg- oder Öllampen in Erwägung ziehen ?
Die brennen gleichmäßiger,rußen weniger, sind nachfüllbar und mit einfachen Mitteln herstellbar.

Zum Vorhandensein von Malereien in tieferen Höhlensystemen: ---
Mashenka ,gerade die Höhle von Rouffiniac hat sich als tektonisch und klimatisch über die jahrtausende als sehr stabil erwiesen und das,obwohl spätestens seit dem 15.Jahrhundert ab und an Besucher in der Höhle herumkrochen (und sich durch Graffitis verewigten)Zudem bestehen Teile der dortigen Kunstwerke aus Gravuren, die ja weniger empfindlich gegen Feuchtigkeit sind als Farben. Trotzdem tauchen die ersten (gravierten)Mammuts erst 500 Meter hinter dem Eingang auf.
Bewohnt wurden die Höhlen übrigens nicht von Menschen, nur ein paar tausend Jahre vor den Menschen von drei verschiedenen Bärenarten. Die Menschen lebten wohl in zeltartigen Behausungen oder Grubenhäusern im Umfeld-

balkanese ,ich muß dir als zeichnerisch auch nicht ganz unbegabter Mensch beipflichten:
was da geschaffen wurde wurde von Profis gezeichnet, die Talent mit ausgiebiger Übung und genauer Beobachtung kombinierten.Anders ist die Strich-und Linienführung und auch der erzielte Ausdruck der Tiere m-.E, nicht möglich.

Wir sollten natürlich bei aller Interpretation bedenken,daß es sich um einen Zeitraum von ca 15000 Jahren handelt, bei dem Chauvet am Anfang,Lascaux und Cap Blanc in der Mitte und Rouffiniac am Ende der Entwicklung stehen - Dass in diesem langen Zeitraum ( 3mal so lang wie vom ersten Pharaoh bis heute )sicherlich auch mancher Bedeutungs- und Wertewandel stattgefunden hat scheint selbstverständlich-
<Und meines Erachtens sieht man das auch wenn man z.B. die Bilder von Lascaux mit denen von Rouffiniac vergleicht Lascaux ist wesentlich formalisierter,Rouffiniac hat teilweise sogar heitere Züge. Möglicherweise gab es also im Lauf der Zeit also tatsächlich eine Profanisierung und Säkularisierung der Kunst-
 
(Teil 1 meines Beitrags über die Schamanismus-Theorie, Teil 2 folgt unmittelbar)

Ich sehe im bisherigen Threadverlauf, trotz interessanter Details, folgende Probleme:


1) Es werden nicht alle Theorien zum Thema berücksichtigt, schon gar nicht die gegenwärtig anerkannteste, nämlich die Schamanismus-Theorie von David Lewis-Williams, welche zu den vorausgehenden 3 Interpretationen (L´art-pour-l´art, sympathetische Magie=Jagdzauber sowie Strukturalismus) seit den 1990er Jahren hinzugetreten ist.

2) Die Relevanz des Religiösen für menschliche Handlungsweisen in jener Zeit wird, ebenso wie im Cleopatra-Thread, vernachlässigt. In beiden Fällen hängt das mit einer - außer bei mir - hier allgemein verbreiteten Interesselosigkeit an nicht-christlichen / nicht-islamischen religiösen Anschauungen zusammen.

(Den Cleopatra-Thread habe ich wegen seines schwachen Niveaus nicht mehr weiterverfolgt. Der kaum noch zu unterbietende Tiefpunkt war natürlich, dass ein Stamm-User die erzwungene Prostitution von Frauen durch Caligula als ein Beispiel für sexuelle Freizügigkeit am Kaiserhof nannte.)

Im einzelnen:

+ L´art-pour-l´art = Kunst um der Kunst wegen, also Kunst als ästhetisches Experiment. Diese anachronistische Interpretation ist heute gänzlich obsolet.

+ Sympathetische Magie (Jagdzauber):

Tierbilder sollen, so Abbé Henri Breuil, der lange Zeit einflussreichste Verfechter dieser Interpretation, eine sympathetische Beziehung zu Jagdtieren erzeugen und eine erfolgreiche Jagd garantieren. Auch diese Theorie, wenngleich in neuerer Zeit vom ohnehin zu trivialen Auffassungen neigenden R. Dale Guthrie vertreten, wird in Wissenschaftskreisen immer weniger beachtet. Dagegen spricht vor allem, dass viele gemalte oder gezeichnete Tiere keine Jagdtiere waren und ein wichtiges Jagdtier, das Ren, nur ausnahmsweise dargestellt wurde.

+ die strukturalistische Theorie:

Sie geht auf André Leroi-Gourhan zurück, der sie Mitte der 1960er Jahre, als der französische Strukturalismus blühte, in die Paläontologie einführte. Ihr zufolge beruht das Zeichensystem der Höhlenkunst auf einem binären Code aus oppositionellen Signifikanten, die in ihrer Kombination ein Bedeutungs-Universum generieren. Mit moderner Philosophie Vertraute erkennen dahinter die strukturalistische Geistestheorie des Ethnologen Claude Lévi-Strauss. Leroi-Gourhan sieht in der paläolithischen Zeichensprache ein semiotisches System auf der Grundlage des Gegensatzes männlich-weiblich, wobei er bestimmten Formen und Zeichentypen das eine oder andere Gender zuordnet. Da auch diese lange Zeit beachtete Theorie seit den 1990ern kaum noch Anhänger hat, soll diese Charaktisierung genügen.

+ die schamanistische oder Schamanismus-Theorie (SchamTh):

Sie hat in fachwissenschaftlichen Kreisen z.Zt. die weiteste Akzeptanz und geht auf die Studien von David Lewis-Williams (1989), Jean Clottes (1998 mit Lewis-Williams) und Robert Ryan (1999) zurück. Ihre Grundthesen sind, (1) dass Höhlenkunst ein Produkt schamanistischer Rituale ist, und (2) dass bestimmte bei allen Menschen gegebene neurophysiologische Konstanten die formale Gestaltung der Felsenkunst determinieren. Obwohl die SchamTh seit den 1950ern, inspiriert durch die Malereien in Lascaux, Trois-Frères und Gabillou, von vielen Wissenschaftlern in Ansätzen vorgebracht wurde (z.B. Eliade, Levy, Hallifax, Bednarik, Lommel, Labarre), konnte sich diese Interpretation erst vor 20 Jahren durchsetzen, zum einen, weil die konkurrierenden Theorien an Überzeugungskraft verloren hatten und zum andern, weil sie erst in den 90ern ausgereift entwickelt und interdisziplinär mit neurowissenschaftlichen Argumenten ergänzt wurde.

Ich stelle die SchamTh in Teil 2 genauer dar. Vorher gibt es zur Einführung einen Überblick über Rossanos Stufen-Modell paläolithischer Religion sowie eine Liste typischer Merkmale des Schamanismus.

+++

In seiner Studie über paläolithische Religion (The Religious Mind and the Evolution of Religion, in: General Psychology , Vol. 10, No. 4, 2006) unterteilt Prof. Matt J. Rossano die Entwicklung in drei Stadien:

1) Ca. 300.000 bis ca. 150.000: die prä-jungpaläolithische Proto-Religion mit ihrem Akzent auf ekstatischen Ritualen (ecstatic rituals) und sozialer Bindung (social bonding)

2) ca. 150.000 bis ca. 35.000: eine Übergangsform (transitional religion), die den bereits bestehenden Merkmalen das schamanistische Heilritual (healing ritual) hinzufügt

3) ab ca. 35.000: die jungpaläolithische Religion, welche zusätzlich Höhlenkunst, komplexere Formen des Begräbnisses und, nebst anderen Artefakten, die Produktion von ´Venus-Figurinen´ einschließt, denen Rossano eine fruchtbarkeitskultische Funktion zuspricht und deren pornographische Interpretation er als "remote" (in der Bedeutung von ´very unlikely´) zurückweist.

Religiosität beginnt mit dem Bewusstwerden des Übernatürlichen. Dies markiert den Beginn des Schamanismus, der hauptsächlich als Methode zu definieren ist, durch veränderte Bewusstseinszustände mit einer geistigen Welt in Kontakt zu treten, um daraus Nutzen für das Wohl der eigenen Gruppe zu ziehen.

Dazu Rossano:

The supernatural world not only exists, but it exerts willful causal force. This spiritual force is accessed and directed by a prescribed, ritualized mode of encounter. Apart from the need for ritual, however, it seems unlikely that any deeper theological understanding of the supernatural would be required (at least not initially).

Die zu diesem Zweck angestrebten ekstatischen Zustände werden durch rhythmisches Tanzen, Gesang, nervenbelastende Initiationen und die Einnahme psychoaktiver Drogen ausgelöst. Aus den Ekstasen Nutzen zu ziehen, war der Neandertaler allerdings nicht in der Lage, weil, so Rossano,

Neanderthals… could not intentionally recall, cognitively restructure, and socially manipulate the images or experiences they had in altered states of consciousness. In other words, the images seen in dreams, hallucinations, and other forms of contemplation could not be recalled later and constructed into an alternative view of reality.

Der Homo sapiens verfügte dagegen über ein besseres kognitives Gedächtnis, was für die soziale Applikation des Übernatürlichen eine notwendige Bedingung ist:

The intensified altered states of the Homo sapiens’ brain combined with its (most likely) unique capacities for remembering, manipulating, and interpreting the experiences of those states brought forth something new on the evolutionary landscape: the supernatural.

+++

Die wesentlichen Charakteristika des Schamanismus fasse ich in Anlehnung an David Lewis-Williams, Prof. für Archäologie (Harnessing the Brain: Vision and Shamanism in Upper Paleolithic Western Europe) und Michael Winkelman, Prof. für Anthropologie (Shamanism as the Original Neurotheology) so zusammen:

1) Ekstase: ein Altered-State-of-Consciousness = ASC mit (zumindest subjektiver) Out-of-Body-Experience = Seelenflug

2) methodischer Einsatz von Gesang, Trommeln, Tanzen, Hyperventilation und psychoaktiven Drogen, um den ASC kontrolliert herbeizuführen

3) (zumindest subjektive) Fähigkeit der Krankheitsdiagnose

4) (zumindest subjektive) Kontakte zu übernatürlichen Wesenheiten (Geistern)

5) (zumindest subjektive) initiatorische Erfahrung von Tod und Wiedergeburt

6) Krankheitsanfälle aufgrund (zumindest subjektiv erfahrener) Angriffe durch ´böse Geister´

7) (zumindest subjektive) Beziehungen zu Geistern von Tieren sowie die Fähigkeit, sich in ein Tier zu verwandeln


+++

(Fortsetzung im nächsten Artikel)
 
Zuletzt bearbeitet:
(Teil 2 über die Schamanismus-Theorie)

Laut David Lewis-Williams, Jean Clottes, Robert Ryan, Thomas A. Dowson, Michael Winkelman und anderen ist Höhlenkunst ein Produkt ekstatischer schamanischer Zustände und wurde oft im initiatorischen Kontext hergestellt. Für letzteres sprechen die Orte mancher Zeichnungen, die in engen Stollen liegen und nur in unbequemer Körperhaltung erreicht werden können, was auf eine Prüfungssituation schließen lässt und Interpretationen wie l´art-pour-l´art und Jagdmagie ad absurdum führt.

In der SchamTh sind die Höhlen Aufenthaltsorte der Geister und werden von Schamanen aufgesucht, weil sie mit den Geistern und der Überwelt in Kontakt treten wollen, um bestimmte Aufgaben, vor allem die Heilung eines Kranken, zu erledigen. Dafür bringen sie sich in den hinteren Teilen der Höhle in die erforderliche ekstatische Verfassung. Dem schamanischen Glauben zufolge hat der Mensch mehrere Seelen und erkrankt, wenn ihm eine dieser Seelen abhanden kommt. Um sie in der übernatürlichen Welt wiederzufinden und in die irdische Welt zurückzuführen, begibt sich der Schamane, seinen Körper verlassend, in die Überwelt. Dafür und für die Rückführung der verlorenen Seele braucht er aber die Hilfe eines Tiergeistes, den er vor Beginn der Reise im ekstatischen Zustand herbeiruft. Erscheint dieser Geist, geht seine Kraft auf den Schamanen über, der nun bereit ist für den gefährlichen Trip.

Die Malereien dienten laut SchamTh vor allem dazu, den nicht-schamanischen Mitgliedern der Gruppe die visionären Erfahrungen aus der Erinnerung anschaulich zu machen, was gewiss auch zum erhöhten Status des Schamanen/der Schamanin innerhalb der Gruppe beitrug. Die oben erwähnten Malereien an schwer zugänglichen Orten entstanden, wie gesagt, vermutlich als Prüfungsaufgaben für Initianden (im Sinne von Mutproben).

Zunächst muss begründet werden, warum die Annahme eines paläolithischen Schamanismus überhaupt zulässig ist. Nach Lewis-Williams (Harnessing the Brain: Vision and Shamanism in Upper Paleolithic Western Europe) spricht dafür folgendes:

(1) Die Fähigkeit zu halluzinieren gehört zum Grundbestand des menschlichen Nervensystems und kann vermutlich auch allen anderen Säugetieren zugeschrieben werden. Das haben in den 1970er Jahren Tierversuche mit und ohne Verabreichung psychoaktiver Drogen (Siegel & Jarvik 1975) ergeben. Die Fähigkeit zu halluzinieren ist beim Australopithecus wahrscheinlich, beim Neandertaler sehr wahrscheinlich (siehe auch oben Rossano) und beim Homo sapiens des späten Paläolithikums gesichert.

(2) Das Vorkommen von Praktiken mit schamanistischen Merkmalen (siehe obige Liste) in den heute noch bestehenden Wildbeutergesellschaften auf verschiedenen Kontinenten zeigt, dass solche Praktiken nicht durch kulturelle Diffusion entstehen, sondern auf einem gemeinsamen neurologischen Erbgut basieren. Anders sind die signifikanten Gemeinsamkeiten der Praktiken nicht erklärbar. Daraus kann man schließen, dass Schamanismus auch von prähistorischen Wildbeutergesellschaften ausgeübt wurde.

Dann ist die Annahme zu begründen, dass Höhlenkunst ein Werk von Schamanen/Schamaninnen ist. Die früheren Ansätze der SchamTh ab den 1950/60ern stützten sich allein auf die schon erwähnten Malereien in Lascaux, Trois-Frères und Gabillou mit Darstellungen von Mischwesen (halb Mensch, halb Tier), was zur Vorstellungswelt des uns heute bekannten Schamanismus gehört, ohne dass daraus aber eine umfassende Theorie über schamanistische Höhlenkunst abgeleitet werden könnte. Eine Wende brachte der Umstand, dass der südafrikanische Archäologe Lewis-Williams in den 1980ern begann, die Kultur der südafrikanischen Ethnie der San zu studieren, die Schamanismus praktizieren und noch im 19. und 20. Jahrhundert Höhlenmalerei produzierten. Dazu Lewis-Williams:

... the demonstrably multiple fit between aspects of nineteenth- and twentieth-century San ethnography and the highly detailed rock art images of the subcontinent led to a concomitantly detailed explanation: San rock art was, at any rate in large measure, associated with the beliefs, cosmology, experiences, diverse rituals, notions of supernatural power, changing social relations, metaphors, and symbols of San shamanism.

Der nächste Schritt in der Theoriebildung ist die Annahme, dass man von den Entstehungsbedingungen der San-Höhlenkunst auf die Entstehungsbedingungen der paläolithischen Höhlenkunst Europas schließen kann.

Ein weiterer Schritt besteht im Aufzeigen gemeinsamer Merkmale der europäischen und südafrikanischen Malereien. Hierfür greift Lewis-Williams auf neuropsychologische Forschungen über ASC (Altered-State-of-Consciousness) zurück, die u.a. folgende Resultate brachten:

Es gibt drei Stadien der Wahrnehmung geometrischer Formen während der schamanistischen Trance:

(1) Die sogenannten ´Phosphene´: Punkte, Zickzackstreifen, Gitter, parallele Linien und Mäander. Sie werden nicht durch Lichteindrücke auf der Netzhaut, sondern innerhalb des visuellen Hirnzentrums ausgelöst.

(2) Die einzelnen Formen verbinden sich zu sinnvollen Mustern, z.B. einer Schlange oder anderen Tieren, aber auch zu Menschen und seltsamen Monstern. Begleitet werden diese real wirkenden Visionen oft von starken Emotionen.

(3) Der/die Wahrnehmende wird in einen Tunnel oder Strudel gezogen, wo sich ihm/ihr eine andere Welt öffnet incl. synästhetischer Erfahrungen, Out-of-Body-Experience und der eigenen Identifizierung mit geometrischen und naturalistischen (z.B. Tier-) Gestalten.

Bevor dies auf eine schamanistische Interpretation europäischer Höhlenkunst angewendet wird, sind diese Stadien in den Malereien heute noch existierender archaischer Ethnien zu verifizieren. Laut Lewis-Williams kann man Merkmale aller drei Stadien in der Kunst der südafrikanischen San, der nordamerikanischen Cosos, der südamerikanischen Tukano und der mittelamerikanischen Huichol feststellen: Es gibt bei ihnen geometrische Formen vom Typ des ersten Stadiums, komplexere Formen vom Typ des zweiten Stadiums und Bildformen vom Typ des dritten Stadiums.

Dagegen ist kein malerischer Stil in der Menschheitsgeschichte bekannt, der nicht-schamanischen Ursprungs ist und dennoch Merkmale jener drei Stadien aufweist. Man kann daher aus dem Vorkommen dieser Merkmale auf einen schamanischen Kontext schließen.

Auf dieser Grundlage kann man an eine Untersuchung der europäischen Höhlenmalerei herangehen.

Dabei zeigt sich, dass geometrische Elemente des Stadiums 1 (Punkte, Zickzack, Mäander, Girlanden usw.) als Bestandteil der Malereien mühelos aufzufinden sind. Es gibt in diesen Malereien zwar weitere geometrische Formen, die nicht zum Repertoire schamanischer Visionen gehören, was Lewis-Williams´ Theorie zu schwächen scheint. Es ist aber denkbar, dass die Höhlenkünstler nicht nur halluzinative Formen, sondern auch anderweitig entstandene Symbole in ihre Darstellungen einbezogen haben.

Die Theorie erfährt durch das Vorkommen von Merkmalen der zwei anderen Stadien, vor allem des dritten, eine weitere Bestätigung. Was Stadium 2 betrifft, sind seine Merkmale nur schwer mit Sicherheit zu verifizieren, da der Übergang von Einzelformen zu einer sinnvoll komplexen Figur (Stadium 2) den Endresultaten nicht unmittelbar anzusehen ist. Immerhin fallen die Monsterdarstellungen klar in dieses Stadium (siehe oben Punkt 2). Leichter fällt die Verifikation für Merkmale des Stadiums 3. Die Höhlenmalereien enthalten zahlreiche Darstellungen von Mischwesen und Tieren, die mit geometrischen Formen bedeckt oder von ihnen umringt sind, was für Stadium 3 typisch ist. Mischwesen finden sich in Malereien in Gabillou, Les Trois Frères, Fontanet, Lascaux, Altamira, Chauvet, Candamo, Pech Merle, Los Casares, Les Combarelles und Hornos de la Pena.

Lewis-Williams bilanziert:

In sum, the antiquity and ubiquity of altered states of consciousness, the
widespread occurrence of shamanism among hunter-gatherers, and formal parallels between elements of the mental imagery of altered states and Upper Paleolithic parietal imagery are three points that suggest that at least some - not necessarily all - parietal art was probably associated with institutionalized hallucinations. In other words, it seems highly probable that some yet to be precisely defined forms of shamanism were present at, probably, all periods of the Upper Paleolithic of Western Europe.
 
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Punkte, Zickzack, Mäander, Girlanden gehören also zum Repertoire schamanischer Visionen, versteh ich schon, ohne Drogen fällt niemandem so was ausgeflipptes ein.
 

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