Die Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter wird als Spätantike bezeichnet und ist genau die Epoche, über die wir hier diskutieren.
Der Begriff wurde bereits Ende des 19. Jh. vom Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl zur Kennzeichnung der besonderen Stilentwicklung in der Zeit von Konstantin d. Gr. bis zum Frühmittelalter verwendet. In den folgenden Jahrzehnten nahmen ihn auch die benachbarten historischen Disziplinen auf, um die letzte, von der Antike noch unmittelbar bestimmte geschichtliche Phase samt ihren Wandlungen zu umschreiben.
Der Begriff "Spätantike" gilt zwar für die gesamte Mittelmeerwelt und die unter ihrem Einfluss stehenden Randgebiete, doch vebindet er sich besonders mit dem Blick auf die Entwicklung im Westen und den Übergang zum abendländischen Mittelalter. Für Byzanz stellt sich das Problem des Ausgangs der Antike anders als für das Abendland, da dort antike Traditionen ohne Unterbrechung fortbestanden, d.h. es gab starke Kontinuitäten.
Bei der zeitlichen Abgrenzung der Spätantike, die als Epoche drei bis vier Jahrhunderte umfasst, gehen die Vorstellungen bis heute auseinander, was ja auch unsere Diskussion deutlich zeigt. Für den Beginn differieren die Meinungen zwischen der zweiten Hälfte des 3. Jh. - dann meist mit dem Regierungsantritt Diokletians im Jahr 284 einsetztend - und der konstantinischen Zeit mit der religiösen Neuorientierung des Römischen Reichs, d.h. mit dem Wirksamwerden des Christentums.
Das Ende der Spätantike sehen viele in der Zeit zwischen den Jahrzehnten unmittelbar nach dem Tode Justinians (568 Eindringen der Langobarden in Italien) und der Regierung des Kaisers Heraclius 610-641, in deren Ausgang das Vordringen der Araber in den Mittelmeerraum fiel. Besondere Geschehnisse dieser Zeit sind z.B. die Christianisierung des Imperiums, die neue Rolle der "Barbaren" mit den Germanen an der Spitze und die Auseinanderentwicklung der beiden Reichshälften Ost- und Westrom. Hier sind auch als Markierungspunkte zu nennen die Schlacht bei Adranopel 378, Ansiedlung der Westgoten 418 als Föderaten in Aquitanien, 476 Ende des westlichen Kaisertums und Königtum Odoakers in Italien.
Die beherrschende Gestalt des 6. Jh. ist dann Kaiser Justinian, dessen Wirken sich nach innen und außen auf die Wiederherstellung der Reichseinheit richtete. In dieser Zeit strahlte der Einfluss des Imperiums mit seinen spätantiken Formen noch einmal weit in den Westen aus, auch auf die nun souveränen Germanenstaaten auf früherem Reichsboden.
Die Jahrzehnte nach Justinian lassen sich dann als Ausklang der Spätantike und allmählichen Beginn des frühen Mittelalters betrachten. Am Beginn steht die Eroberung großer Teile Italiens durch die Langobarden sowie das Vordringen der Awaren und Slawen in den Donauländern, am Ende die faktische Beschränkung des Imperiums auf den Süden der Balkanhalbinsel und Kleinasien. Das geht einher mit der siegreichen Ausbreitung des Islam, der das Ende der Antike endgültig markiert.
Man sieht also: Es wäre verfehlt, das Ende der Antike mit einer einzigen Jahreszahl zu verbinden, sondern man muss wirklich eine ganze Zeitepoche hierfür in Anspruch nehmen.