Die Boier - neuere Forschungen

Ja eben!
Aber die antiken Autoren nahmen - zumindest größtenteils - automatisch die erste Möglichkeit an, weil die zweite ihrem Denken eher fremd war.
Ich habe diese Zweiteilung auf Personennamen bezogen. Im Fall von Boios ist beides vorhanden, die Bezeichnung einer Person, Boios, Boia,
und der Stammesname. Dies trifft nicht immer zu, mir fällt z.B. Catuvolcos ein, ein Prinzeps der Eburonen (im Gallischen Krieg), übersetzt der Kampffalke - der zweite Namensteil entspricht dem Namen der Volcae als Stammesbezeichnung - der persönlich auszeichnende Prunkname schließt nicht den Prunknamen als Stammesbezeichnung aus - und es kann durchaus sein, dass die Notwendigkeit sich zu benennen erst innerhalb der Keltike entstanden ist.
Schönes Beispiel zu oben *bogios (schlagen, zerstoßen) sind die Intensivierungen und Steigerungen durch Präfixe: Adbogios (der große Schläger), ebenso Vercombogius, *ver(o) groß, stark. Daher kann ich den Versuch von Rübekeil eine Intensiverung in Tolistobogier nachvollziehen.

Bei vielen Stämmen wie den Haeduern (Aedui) fallen mir keine Beispiele der Entsprechung in Personennamen ein. Das Ethnonym Aedui ist eine latinisierte Form des gallischen * Aiduoi ( Singular: * Aiduos ), was „die Feurigen“ bedeutet. Es leitet sich vom keltischen Stamm *aidu- (‚Feuer, Glut‘; vgl. altirisch áed ‚Feuer‘, walisisch aidd ‚Glut‘; auch die irische Gottheit Aéd oder Aodh ) ab. aedrinios/edrinios taucht auf dem Kalender von Coligny als Monatsbezeichnung auf (August?), einen gallischen Personennamen habe ich nicht gefunden. Die wahrscheinlich erste und ältrste Nennung der Aiduoi in griechisch-römischen Quellen ist bei Polybios III,47,3 in seiner Beschreibung der Rhone, in meiner Übersetzung als Ardyrer (Mitte 2.Jahrhundert BC). "Die Feurigen" kann durchaus als Prunkname interpretiert werden. Das ist aber nicht immer so: Nitiobrogen und Allobrogen sind gute Beispiele, die Niotiobrogen leben im eigenen Gebiet, die Allobrogen in fremden Ländern. Dies sieht mehr aus wie eine innergallische Fremdbezeichnung, um Stämme zu unterscheiden, und Namen, die historisches gallisches Wissen (von Wanderungen, Inbesitznahmen) speichern, das römische Statthalter des 1.Jahrhunderts v.Chr. nicht hatten.

Unten drei Stammesnamen auf Eigenprägungen von links Volcae Areocomici, Mitte Remer, rechts Mediomatriker

Screenshot 2025-10-15 at 08-13-43 Bronze with Demos VOLCAE AREC - Volcæ Areocomici – Numista.png
Screenshot 2025-10-15 at 08-16-08 Bronze with three consuls REMO _ REMO - Remi – Numista.png
Screenshot 2025-10-15 at 08-19-42 MÉDIOMATRIQUES (Région de Metz) Bronze MEDIOMA classe II au ...png
 
Das ist aber nicht immer so: Nitiobrogen und Allobrogen sind gute Beispiele, die Niotiobrogen leben im eigenen Gebiet, die Allobrogen in fremden Ländern. Dies sieht mehr aus wie eine innergallische Fremdbezeichnung, um Stämme zu unterscheiden, und Namen, die historisches gallisches Wissen (von Wanderungen, Inbesitznahmen) speichern, das römische Statthalter des 1.Jahrhunderts v.Chr. nicht hatten.

Wenn ich hier aber eine etwas spitzfindige Analogie bilden darf:
Im gallischen Krieg besiegt Caesar die Einheimischen, woraus ein antiker Geograph schließt, dass es dort einen Stamm der "Einheimischen" gab.
 
Wenn ich hier aber eine etwas spitzfindige Analogie bilden darf:
Im gallischen Krieg besiegt Caesar die Einheimischen, woraus ein antiker Geograph schließt, dass es dort einen Stamm der "Einheimischen" gab.
Tatsächlich heißt Nitiobroges das. * nitio in der Bedeutung "von hier" , und *brogi in der Bedeutung "Land", "Diejenigen aus ihrem eigenen Land". Ravenik hat es im Beitrag 11 schön formuliert, ich werde bei Menschen, die Niederberger heißen, nicht sofort denken, der kommt vom niedrigen Berg, Frau Falk werde ich nicht nach ihren Vögeln fragen, und Herrn Heim nicht, wo er zuhause ist. Durch Gewöhnung werden Namen für sich sprechen, und einfach eine Herkunft bezeugen, unabhängig z.B. von einer Migrationsgeschichte. In Frankfurt denke ich auch nicht ständig, ach, hier sind die Franken über die Furt gegangen...sondern eher Frankfurt/Main oder Frankfurt/Oder? Neulich stellte ich mit Erschrecken beim Navi einstellen fest, wieviele Willingen es in Deutschland gibt...
Inschrift auf dem Torques von Mailly, Nitiobrogeis (νιτιοβρογεις) mit dem griechischen Alphabet, 1.Jhrdt BC
250px-Nitiobroges_torque_de_mailly_10520.jpg


P.S. übrigens heißt Cymru etwa dasselbe, Der walisische Landesname Cymru oder altkymrisch Cymry stammt von keltisch *kom-broges „die auf gemeinsamem Land wohnen“bzw. *kom-brogi „Landsleute“ (wiki).
 
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In Pannonien: in der frühen Kaiserzeit existiert in Pannonia superior (Westungarn) eine Civitas boiorum

Noch eine kleine Zwischenfrage: Wie gesichert sind denn eigentlich diese Wanderungen?
Vor allem die große Süd-Ost-Wanderung? Zogen dort wirklich Menschen, oder kam nur die Kultur in Mode?
Wir schaffen es heute, mit Huawei-Handys und Hyundai-Autos Denglisch zu reden, ohne dass festzustellen wäre, dass Chinesen, Koreaner oder Amerikaner in Horden bei uns einfielen.
War das in Pannonien vielleicht ähnlich?
 
Die Analogie scheint mir nicht zu passen. Du redest von einer Wanderung der Technologien und damit verbunden von einer Wanderung der Sprache. Eine Anglisierung der Sprache gibt es seitdem englischsprachige Popmusik populär geworden ist, aber dieser Prozess hat sich in den letzten Jahren durch Internet, Gaming, Social Media verstärkt bzw. beschleunigt. Aber niemand behauptet deswegen, er sei Amerikaner, Brite oder Australier.

Hier ist aber der Ethnienname gewandert. Entweder ist die Ethnie gewandert oder es war attraktiv der Ethnie anzugehören.
 
Eben. Vielleicht war es attraktiv, keltisch zu reden, wie im 19. Jahrhundert französisch, oder heute Englisch, und zum "Team" oder zu den "Boiern" zu gehören.
Daran habe ich so meine Zweifel, da du im Prinzip neuzeitliche Erfahrungen (diverse mediale Revolutionen von Buchdruck über Radio und Fernsehen bis hin zu einer globalisierten Kultur (Coca Cola, Zara, Hyundai, Samsung, Temu) und Internet/Social Media) auf die Eisenzeit überträgst.
 
Noch eine kleine Zwischenfrage: Wie gesichert sind denn eigentlich diese Wanderungen?
Vor allem die große Süd-Ost-Wanderung? Zogen dort wirklich Menschen, oder kam nur die Kultur in Mode?
Wir schaffen es heute, mit Huawei-Handys und Hyundai-Autos Denglisch zu reden, ohne dass festzustellen wäre, dass Chinesen, Koreaner oder Amerikaner in Horden bei uns einfielen.
War das in Pannonien vielleicht ähnlich?
Das ist ein eigenes Thema für sich. Und eines einer "kontroversiellen Forschungsdiskussion" (Kurt Tomaschitz, 2003, Die Wanderungen der Kelten in der antiken literarischen Überlieferung").

Ich versuche in meinem nächsten Beitrag bezogen auf den Südosteuropa (enger bezogen auf Taurisker und Boier) darauf einzugehen, ohne jedoch ein neues Thema zu eröffnen. Ich werde den Beitrag von Karl Strobel bei der o.g. Konferenz skizzieren und reflektieren; im mehreren Abschnitten ist die Lokalisierung der Boier in Pannonien und der civitas boiorum in der römischen Provinz Pannonia superior Thema, ausführlich geht er in seiner Quellenkritik (besonders Strabon) auf die "Boier-Einöde" ein, und damit auch auf die Auseinandersetzung der Boier-Taurisker-Koalition mit der Daker-Skordisker-Koalition. Unten Karte des Gebietes, um das es gehen wird (aus Manuel Zeiler, DIE SIEDLUNG VON SOPRON-KRAUTACKER (WESTUNGARN) IN DER JÜNGEREN LATÈNEZEIT, 2011)
Abb. 1 Latènezeitliche Fundstellen im Ödenburger Becken und Umgebung (nach Jerem 1981b mit Ergänzungen). – P: Undatierte Pin -
genfelder (nach Meyer 1975). – Siedlung. – Befestigte Siedlung. – Nekropole/Grab. – Münzfund. – Sonstige Lese fund -
stellen. – Verhüttungsplatz. – 1-57 Burgenland. – 58-92 Niederösterreich. – 93-99 Wien. – 100-124 Kom. Győr-Moson-Sopron. –
125 Kom. Vas. – 126-128 Bratislavský kraj. (zentral der Neusiedler See)

1760800404156.png
 
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Daran habe ich so meine Zweifel, da du im Prinzip neuzeitliche Erfahrungen (diverse mediale Revolutionen von Buchdruck über Radio und Fernsehen bis hin zu einer globalisierten Kultur (Coca Cola, Zara, Hyundai, Samsung, Temu) und Internet/Social Media) auf die Eisenzeit überträgst.

Dass wenig später römische Kultur einen ähnlichen Status erreichte, dürfte unzweifelhaft sein.
Klar waren meine Beispiele etwas plakativ, trotzdem wissen wir nicht, ob dort Menschen oder Kultur wanderte, die keltische Kultur scheint durchaus attraktiv gewesen zu sein
 
Gegenpositionen zur traditionellen Erzählung
Auf der Konferenz "Boier-zwischen Realität oder Fiktion" ist das Referat von Karl Strobel, Klagenfurter Althistoriker und Archäologe, ›Die Boii – ein Volk oder nur ein Name? Zur Problematik von antiker Geographie und Ethnographie‹,in gewisser Weise der Gegenpol zur traditionellen Erzählung, in Nebenbemerkungen und am Schluss wird auch eine alternative Erzählung eines weiteren Altmeisters, Gerhard Dobesch, kritisiert. Die Frage aus dem Titel des Referats Boii – ein Volk oder nur ein Name? wird jedoch erstaunlich kurz und bruchstückhaft behandelt. Das sehr lange Referat leitet mit einer sogenannten Vorbemerkung ein, die jedoch im weiteren Verlauf zum Hauptteil wird:
»Alle Versuche, die Angaben bei Strabon, Caesar oder Klaudios Ptolemaios auf moderne Karten zu übertragen und so den Donauraum oder Germanien in augusteischer zeit auf der Basis unseres heutigen geographischen Bildes zu rekonstruieren, sind von vorne herein verfehlt und müssen zu falschen Schlüssen führen«. Insbesondere Strabon wendet sich Karl Strobel ausführlich zu. Ich zähle jetzt kurz die einzelnen Testimonien auf, die Strobel quellenkritisch betrachtet.

1. Ähnlich wie Dobesch kritisiert Strobel Strabons Vorstellung der Rückwanderung oder Auswanderung der Boier nach ihrer Niederlage gegen die Römer (nach 191 v.Chr.) von Norditalien in den mittleren Donauraum (Strab. 5,1,6). In Strabons Werk gibt es für das ethnographische Schema "gleiche oder auch nur verwandte Namen bedeuten gleiche Völker"(Strobel) einige Beispiele, eines ist die Kimmerer-Kimbern-Gleichung. Für Dobesch ist das Schweigen Titus Livius ein Argument Strabon nicht zu glauben. "Ferner weiß der für die in Frage kommenden Jahre vollständig erhaltene Livius nichts davon. Auch Poseidonios und Tacitus widersprechen dem (siehe unten). Und wie ich an anderer Stelle ausführlicher dargelegt habe, läßt eine Dialektkarte des modernen Oberitalien noch den Einfluß des keltischen Substrats annehmen; hier scheidet das Land der Senonen, das tatsächlich entvölkert wurde, weitgehend aus, nicht aber das ehemals boische Gebiet." (Gerhard Dobesch, Tyche 8, 1993, Anmerkungen zur Wanderung der mitteleuropäischen Boier). Nach Livius mussten die Boier die Hälfte ihres Landes abgeben Liv. 36, 39,3). Polybius schrieb, dass die Boier nur noch wenige Gebiete am Fuß der Alpen besaßen (Polyb. 2,35,4). Vernichtet und vertrieben wie die Senonen von den Römern wurden die Boier nicht. Plinius der Ältere erwähnt , dass die Boier in der späteren regio VIII untergegangen waren und sich laut Cato in 112 Bezirke gegliedert hatten (Plin. nat. III 115–116).

2. Den Angriff der Boier auf Noreia hält Strobel für ein propagandistisches Konstrukt Cäsars, der unter Rechtferitgungsdruck stand, und die Bedrohung durch den Helvetierzug zusammen mit Raurakern und Boiern dramaturgisch mit dem Kimberneinfall gleichsetzte, um sein mititärisches Intervenieren im freien Gallien zu legitimieren. Der Angriff auf Noraia solle an die Schlacht bei Noreia 113 v.Chr, anspielen, bei der eine konsularisches Heer unter Papirius Carbo von den Kimbern geschlagen wurde. es gibt tatsächlich viele Stellen (z.B. die Erwähnung des Helvetiers Divcos), die diese These belegen. Militärisch spielten die Boier jedoch auch in der entscheidenen Schlacht eine untergeordnete Rolle, und sind im folgenden Gallischen Krieg bis zum Übertritt der Haeduer "Bundesgenossen" Cäsars. Dieser Widerspruch ist jedoch kein ausschlaggebendes Argument gegen das Cäsarsche Konstrukt. "Das Motiv, warum Caesar diesen Angriff auf Noreia, der mit dem gallischen Krieg
nichts zu tun hat, erwähnt, liegt auf der Hand: er will die guten Freunde der Helvetier und Teilnehmer an ihrem Zug den er selbst verhinderte als möglichst gefährliche Feinde Roms erscheinen lassen, als aggressive Gegner der Noriker, der alten Freunde Roms. Er bemüht sich ja auch sonst, die Aggressivität, Gefährlichkeit und Machtsucht der Helvetier herauszustellen und ihre alte Feindschaft gegen Rom zu betonen."

Gerhard Dobesch, Wien"OPPUGNARANT" ODER "OPPUGNABANT" Zum Text von Caesar b.G. 1, 5,4 und dem Angriff der Boier auf Noreia,.
Nach Strobels Auffassung hat der Boier-Komplex (zit.) in Gallien nichts mit den pannonischen Boiern zu tun.

3. Die Geographiká Strabons: Strobel referiert ausführlich auch zu den Quellen Strabons, und stellt dabei Poseidonios in den Vordergrund.
Die bruchstückhaften Kenntnisse und Auffassungen der alten griechischen Ethnoghraphie über das nördliche und östliche Mitteleuropa fasse ich kurz zusammen: die Donau / Istros verlaufe von West nach Ost in einer geraden Linie - auch Strabon habe keine Kenntnis vom Donauknie gehabt -in der alten Vorstellung der Donauquelle über der Adria ist der Unterlauf der Mur (Zufluss der Drau) Teil der Donau (der sogenannte Argonautenweg verlief südlich zur Save). Entsprechend dieser Grundachse würden alle weitere Gebirge parallel zum Istros von den Alpen bis zum Haimus (Balkangebirge) verlaufen (und wachsender Abstand zur Grundlinie mit einem Abknicken der Gebirge nach Norden /links - z.B. der Karpaten - erklärt). Alle Zuflüsse rechts der Donau laufen von Süden nach Norden, die West-Ost-Richtung der Drau und der Save ist bei Strabon nicht vorhanden, er lässt die Save (Sauos) in den Drauos (Drau) fließen, die Drau bei Segestike in den Noaros fließen (eigentlich fließt dort die Kupa in die Save), dieser würde bei den Skordiskern in die Donau fließen (Strab. 7,5,4). Stobel meint, der Grenzfluss der Skordisker könne nur die tatsächlich vom Süden nach Norden jedoch in die Save fließende Drina sein. Auch Orte wie Segistika (zu weit westlich) verortet Strabo falsch, er kann neuere Informationen (z.B. bei ihm in 4,6,10 zum Handelsweg von Aquileia zur Donau) nicht in eine alte geographische Vorlage korrigierend einbauen, und so entstehen falsche Größenvorstellungen von Landschaften und Räumen wie Pannonien in der Nord-Süd- und Ost-Weststreckung), und eine schwierige Lokalisierung von Stämmen im mittleren Donauraum (die oft an Flüssen als Grenzen verortet werden).

4. Für die Boier-Einöde vermutet Strobel Tigamens von Alexandria als Vorlage (Perì Basilèon), der zu Dramatisierungen und polemischen Übertreibungen neige. Er korrigiert die Überleiferung in Lacus Peiso, den Neusiedler See, statt dem Lacus Pelso (Plattensee, Balaton), und macht auf die verderbte Aufzählung und Lücke in der Aufzählung der nordalpinen Stämme aufmerksam (Strab. 7,1,5): dieser Abbruch hätte zu einer Vorstellung einer extrem großen Boier-Einöde eines ehemals großboischen Reichs geführt. Die Boiereinöde ist die westliche Grenze von Pannonien, und die östliche der Boier. Strobel argumentiert jetzt archäologisch, und scheidet die Regionen aus, die aufgrund dichter Bevölkerung und Siedlungslandschaften für eine deserta boiorum ausscheiden. Das Ödenburger Becken um Sopron, genauso wie das Leitha-Gebirge, weder an der mittleren und oberen Raab oder auch das Wiender Becken, nirgends findet sich eine Einöde: "Zudem setzte sich die Produktion und Gebrauch von typischer laténezeitlicher Keramik im ländlichen pannonischen Raum bis in frühflavische Zeit, teilweise sogar bis in die erste Hälfte des 2.Jahrhunderts n.Chr. fort. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die spätkeltischen Hüttenreviere im mittleren und südlichen Burgenland sowie in der Nordoststeiermark bis zum Aufschwung Kärntens als Quelle für Eisen- und Stahlimporte nach Italien erst nach Mitte des 1.Jahrhunderts v.Chr. zweifelos das keltische Eisen lieferten, das auf der Bernsteinstraße nach Italien verhandelt wurde...; hier kann von einem ausgesprochen vorindustirellen Wirtschaftsraum gesprochen werden Die Kontinuität reicht in römische Zeit. Das Zentrum dieser leistungsstarken Eiseninudstire liegt im Bereich der drei befestigten Oppida von Schwarzenbach, Scarbantia/Sorpon-Burgstall und Velem-St.Vid." Strobel meint, dass die Boier-Einöde das Gebiet östlich der pannonischen Bernsteinstraße wäre, der Landstrich vom südlichen und östlichen Ufer des Neusiedler Sees, über das Niedermoorgebiet von Hanság bis zum unteren Raab, Sokoró-Hügelland und Flußgebiet des Marcal erstreckte. Diese Landschaft der Steppenzone mit Feucht - und Überschwemmungsgebieten wäre seit dem Neolithikum nur dünn besiedelt.

5. Die Dakerniederlage, so Strobel, wäre übertrieben, der Konflikt hätte sich im Donau-Theißraum abgespielt, das Dakerreich habe sich auch archäologisch nicht nachweisbar ausgedehnt.
 
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Boier - ein Volk oder ein Name?

Wie zu erwarten verneint Strobel, dass die Boier eine ethnische Einheit oder ein Volksverband bilden würden. Das Appelativum Boii sei kein echtes Ethnikon, sondern eine Übertragung eines erst Autonymen Personennamens und über einzelne Stämme übergreifender Prunkname (der (schrecklichen) Krieger), über die Selbstbenennung von Kriegerverbänden zu einem Stammesnamen geworden, verwendet von verschiedenen Gemeinschaften. Daher meidet Strobel ein wenig zwanghaft die Benutzung des Namens in Verbindung mit einem Stamm als politisch handelnder Gemeinschaft, spricht bei den Boiern im Helvetierzug vom Boier-Komplex, dies wiederholt er bei der Lokalisierung der pannonischen Boier, und spricht auch von Meta-Namen der Boier, als wäre es ein Überbegriff. Er argumentiert hier kaum, zitiert nur Literatur, zu meiner Entäuschung fand ich in einer seiner genannten Quellen keine Diskussion von Appelativen (Dalberg 1985). ich halte eine Rückverlagerung des Boiernamens ins Frühlaténe wie Jan Bouzek für nicht haltbar, und denke auch, dass der Boiername von verschiedenen Stämmen verwendet worden sein könnte, sich möglicherweise eine Ethnogenese der Boier in Norditalien erst im 3.Jahrhundert BC vollzogen hat. Die Bezüge und Verbindungen der norditalischen Boier zu den transalpinen Galliern und Kelten sind jedoch offensichtlich. Möglicherweise ist es nur ein Zufall, dass die Boier mit den Tauriskern in der Schlacht von Telamon 225 v.Chr. in einer Front stehen, und die pannonischen Boier den Tauriskern benachbart sind, und gemeinsam gegen Burebista und die dakische Koalition in den Krieg ziehen. Vielleicht aber auch nicht...

Es ist auffallend, dass Strobel die norditalischen Boier mit fast keinem Wort erwähnt, für die die Quellenlage doch besonders quantitativ und qualtitativ wesentlich umfassender als für die mitteleuropäischen Boier ist. Titus Livius berichtet zum Jahr 192 v.Chr., dass sich die Boier still (quieverunt) verhielten und keinen Widerstand leisteten. Zuerst traten Befehlshaber der Reiterei mit ihren Einheiten, dann der gesamte Senat (universus senatus) einschließlich der Kinder und schließlich alle mit Vermögen oder Rang zu den Konsuln über (transfugerant) oder ergaben sich dem Konsul Cn. Domitius ( Liv. XXXV 22,3–4; 40,2–3: senatus eorum cum liberis et praefecti cum equitatu). Polybios und Livius beschreiben zentrale Oppida wie Bononia, ein im Appenin vermutetes zentrales Heiligtum des Stammes, eine politische Gemeinschaft, die Bündnisse schließt, Gesandschaften an Hannibal sendet und Vereinbarungen trifft und Heere organisiert, Söldner (Gaesaten) anwirbt etc. Alles das, was eine politische Stammes-Gemeinschaft als souveränes Subjekt mit einer innergesellschaftlichen Stammesverfassung macht.

Strobels Ausführlichkeit bei der Schilderung der archäologischen Beweise für eine wesentlich schmalere Boier-Einöde, seine starke Beschreibung der Laténelandschaft in Pannonien, steht im offenen Widerspruch zu dem, worüber er nicht spricht. Boiohaemum und Böhmen ist ihm nur am Schluss bei Tacitus eine Zeile wert, aus den Testimonien bei Tacitus und V.Paterculus wären vielfach und hätte die Archäologie falsche Schlüsse gezogen, aber er benennt diese mit keinem Wort. Das ist umso erstaunlicher, weil das Boiohaemum mit anderem Wortlaut auch bei Strabon zitiert wird, und Strobel ihn an anderen Stellen ausfürlichst kritisiert hat. Die Nachrichten über die Boier im Hercynischen Wald werden fast unterschlagen, oder eher ignoriert? Gerade in Böhmen und Mähren mit seiner reichen Laténekultur, und die archäologische Evidenz für Marbods Lokalisierung aufgrund archäologischer Forschung in Böhmen, kann doch eigentlich nicht übergangen werden. Fast bekommt man den Eindruck, dass Strobel aufgrund der Quellenlage den Boiern wenigstens Pannonien zugestehen muss. Woher denn die Boier bei den Helvetiern kommen, darüber verliert er kein Wort. Auch Bratislava lässt er links liegen, es wird erwähnt, aber nicht diskutiert, ob dieses Oppidum Zentrum eines spätlaténezeitlichen aus Böhmen migrierten Boierstammes gewesen ist, oder nicht.

Auch die Boiereinöde Strobels überzeugt mich nicht - warum wird eine Landschaft, die seit dem Neolithikum kaum besiedelt ist, nach einem Stamm der Boier genannt, so dass Plinius viele Jahre später von der Boiereinöde schreibt, in der die Römer Kolonien (Savaria und Scarbantia) angelegt hätten ? Da finde ich es wahrscheinlicher, dass die deserta Boiorum , so die These von Mario Wallner, aufgrund der keltische Eisenindustrie entstanden ist, als abgeholztes und verwüstetes Gebiet - die von Plinius genannten römischen Städte entprechen dem von Strobel lokalisierten Zentrum keltischer Eisenindutrie zwischen den befestigten Oppida: "Wie bereits von Karl Kaus beobachtet, befindet sich das Oberpullendorfer Becken im Zentrum eines prähistorischen Eisenverhüttungsgebietes, welches durch zwei zeitgleich bewohnte Höhensiedlungen flankiert wurde. Diese aufwendig befestigten Anlagen der ausgehenden Eisenzeit wurden von ihm – wohl aufgrund ihrer prominenten Lage – als ‚lokale Verwaltungszentren‘ bezeichnet und stellen für ihn die Vorgänger der römischen Städte Savaria und Scarbantia dar." Die ‚deserta boiorum‘ –ein Zentrum der vorrömischen Eisenindustrie? Mario Wallner, 2013
Vielleicht hat Strabon wirklich zwei Nachrichten, die Niederlage gegen die Daker und die Einöde miteinander verknüpft, oder Timagenes von Alexandria hat dies schon getan.

Ein wenig hatte ich auch den Eindruck, um mich selbst zu revidieren, dass es einmal eine Front gegen einen Teil der tschechischen Vorgeschichte und Archäologie gib, aus zum Teil guten Gründen, auch auf der Basis einer notwendig tef gehenden Quellenkritik, aber auch um einen österreichischen Konflikt mit dem Altmeister und Doyen der österreichischen Frühgeschichte Gerhard Dobesch. Dies wird noch stärker am Beitrag von Peter Trebsche deutlich.

Ich glaube daher den Herausgebern, wenn sie im Vorwortschreiben, "Wie in Rzeszow gab es auch in Cesky Krumlov sehr kontroverse Diskussionen, die durch die Anwesenheit von Vertretern verschiedener Fachrichtungen allerdings noch zugespitzter waren." Maciej Karwowski, Vladimir Salac, Susanne Sievers, 2015
 
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Kurzer Nachtrag: ich hatte im Beitrag 30 zu lang gebraucht, und das Zeitlimit überschritten 8und konnte daher auch nicht mehr Korrektur lesen). Dabei sind mehrere Punkte verloren gegangen.
Die Ausführung zur Dakerniederlage war umfangreicher (fehlender Dakerhorizont im archäologishen Fundgut, die eine Ausweitung des dakischen Raums beweisen könnten, Begriflichkeit Daker, der den älteren der Geten und Anartes (als getischen Einzelstamm), und ein wenig zur Keltisierung im entsprechenden Donauraum), zur Lokalisierung der pannonischen Boier- Stammesgruppen und der civitas boiorum südlich der Donau, an der Grenze zur Provinz Noricum vom Wiener Wald bis zur südlichen Steiermark und bis zur Donau (Mündung der Drau). Der westliche Teil der Steiermark gehörte zur Provinz Noricum. Ein weiterer Punkt war die Kritik der Geographie des Hercynischen Waldes, besonders Strabons von Karl Strobel.

Den Text Boii - Volk oder Name konnte ich im Internet nicht finden. Artikel von Manuel Zeiler: Die Siedlung von Sopron-Krautacker (Westungarn) in der jüngeren Latènezeit | Archäologisches Korrespondenzblatt

Zur Grenze zwischen der römischen Provinz Noricum und Pannonien: Zwischenland. Zur Grenze zwischen Noricum und Pannonien abseits des Wienerwaldes
 
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