hallo,
da muss ich timotheus recht geben. da geraten wir in eine politische diskussion, denn ich würde ja eigentlich gar nicht mehr über die DDR schreiben, sondern über meine vorstellungen einer (anzustrebenden) künftigen gesellschaft. (ich tue das durchaus gern, aber in anderen foren.)
selbst wenn ich dir alles aufliste, was ich anders machen würde, als es in der DDR geschah, und dann schreibe, wie ich es mir vorstelle (wobei ich natürlich noch nicht alles detailliert beschreiben könnte, sondern nur "prinzipiell"), dann ginge das nicht auf einem DIN-A-4-Blatt bzw. mal eben so in einer meinungsäußerung in diesem forum.
wer würde denn einen 100(?)-seiten langen beitrag von mir lesen?
gruß!
Na ja - eine lange Diplomarbeit sollst du hier natürlich nicht darüber schreiben...
flitzpiepe;445738[B schrieb:
hallo solwac,[/b]
diese deine bemerkung fand ich interessant. ich habe das tatsächlich bisher immer genau andersherum gesehen. die meisten DDR-bürger waren wegen der "wirtschaftlichen misere"/mangelwirtschaft unzufrieden und wollten deshalb 1990 keine neuen "sozialistischen experimente". vielleicht wird so ein schuh draus:
das, was du beschreibst, trifft auf einen eher kleineren teil der DDR-unzufriedenen zu. die störten sich auch oder sogar vorrangig an der "geistigen enge", wie ich es nenne. kann sein. die masse der unzufriedenen (!) hat sich meiner meinung nach nicht anders als heute kaum um die politik geschert und solange sie mit den "herrschenden" nicht in konflikt geraten waren, hat sie die politik auch wenig interessiert. genauso wie heute. die masse wollte einfach besser leben. sie hat ihr leben nicht verglichen mit dem der menschen in uganda oder bolivien oder birma (wir nannten es burma), sondern mit dem leben der verwandten in westdeutschland. man hat es ja noch dazu im fernsehen tagtäglich sehen können. aus wirtschaftlicher unzufriedenheit ist dann sicherlich manchmal auch politische geworden, weil man das noch nicht mal sagen durfte, weil einem sogar noch das gegenteil in den medien erzählt wurde und weil man ja eben trotz unzufriedenheit mit der mangelwirtschaft nicht einfach nach hamburg oder köln oder münchen umziehen konnte und das gefühl haben musste, "auf der falschen seite" der elbe geboren zu sein und nun ewig in diesen mangelverhältnissen leben zu müssen. ich denke schon, das materielle überwog bei den meisten unzufriedenen. heute, wo die mangelwirtschaft beseitigt ist, haben viele auch ihr politisches interesse verloren (siehe wahlbeteiligung).
im freundeskreis diskutierten wir damals sowas. einige meinten damals schon: der sozialismus ist eine gute idee, aber er scheitert am (materiellen) egoismus der menschen.
gruß
Hallo @flitzpiepe,
auch wenn du den Beitrag eigentlich an @solwac geschrieben hast, möchte ich mich dazu auch gern äußern, denn was du über das politische Interesse der DDR-Bürger schreibst, ist meines Erachtens nicht richtig.
Wir haben im Gegenteil im Verwandten- und Bekanntekreis sogar sehr viel über Politik diskutiert - auch bei Feiern - und wenn nicht gerade jemand von "der Partei" mit anwesend war, waren wir uns darüber einig, daß bei uns - auf deutsch gesagt - alles Mist ist. Und selbstverständlich haben wir uns nicht mit Ländern der 3. Welt verglichen, denn wir waren ja auch Deutsche, haben eigentlich sogar mehr (stundenmäßig) und härter gearbeitet, als die Menschen im Westen (auf Grund der schlechteren Arbeitsbedingungen, besonders was Technik und Material anging) und wir wollten genauso "gut" leben, wie unsere Verwandten im Westen (in eine Kaufhalle gehen und gleich alles bekommen, was man wollte).
Natürlich wußten wir auch, daß man im Westen im Grunde ständig von Arbeitslosigkeit bedroht war, aber noch bis Ende der 70er Jahre war sie so niedrig, daß die Arbeitslosigkeit eigentlich zu vernachlässigen war. Das änderte sich im Westen erst, als Anfang der 80er Jahre die Weltwirtschaftskrise kam, die sich Mitte der 80er Jahre dann aber wieder entspannte.
Auch bei uns hatte die Weltwirtschaftskrise Auswirkungen. Das merkten wir sehr deutlich in den Kaufhallen, wo das Warenangebot knapper wurde. Aus diesem knapper werdenden Warenangebot schlossen wir, daß der Staat zunehmend Probleme bekam, die eigene Bevölkerung ausreichend zu versorgen und diese Situation verbesserte sich auch im Laufe der ganzen 80er Jahre nicht mehr, sondern spitzte sich immer mehr zu.
Das betraf auch die Produktion. Hier schlug der Ersatzteilmangel in den 80ern besonders durch. Mein Vater arbeitete als Störungselektriker im Stahlwerk Hennigsdorf und er hat immer öfter erzählt, daß er Kräne stehen lassen mußte, weil es keine Ersatzteile mehr gab und er bekam als Schichtleiter die Anweisung, daß Kabel notfalls auch geflickt werden sollten, wenn keine neuen mehr vorrätig waren, was eigentlich verboten war.
Solche Dinge (u.v.a.m.) kamen zu der Unzufriedenheit über die politischen Verhältnisse, wie z. B. fehlende Meinungs- und Reisefreiheit noch dazu.
Darüber diskutierten wir sehr viel in dieser Zeit - im Verwandten- und Bekanntenkreis und auch in der Brigade, weil wir uns große Sorgen über die wirtschaftliche Situation des Staates machten und das waren durchaus politische Diskussionen.
Wenn ich so Vergleiche ziehe von damals zu heute, dann würde ich sagen, daß wir damals viel mehr über Politik diskutiert haben, als heute.