Die DDR - Warum hat den Menschen in der DDR das Leben nicht gefallen?

@ timo

Ich würde sagen, das ist seine Meinung und man hat ja Meinungsfreiheit.

Worum es mir geht ist, was hat das Postulieren einer Meinung mit einem historischen Thema zu tun. Das ist natürlich immer schwierig dabei klar einwandfrei in einem Geschichtsforum zu bleiben, aber vieles hier geht für mich an der Funktion des Geschichtsforums vorbei.
 
ich denke, es war finanziell nicht sehr schwer für eine familie, wenn eine frau hausfrau war. es waren ja in der DDR alle bzw. viele dinge, die man zur lebensgrundlage brauchte, subventioniert. (was ich teilweise für falsch halte!) es waren nicht nur lebensmittel billig, auch kindersachen waren subventioniert, auch die mieten, auch die fahrkarten, auch die eintrittspreise für kulturelle einrichtungen, auch das schulessen, auch die lernmaterialien (die waren kostenlos) usw.-usf. alles/vieles, was man zu einem ganz normalen leben brauchte, war sehr billig und je mehr kinder eine familie hatte, desto mehr weitere unterstützung gab es vom staat (ich glaube, ab dem dritten kind war das schulessen umsonst und die sowieso geringen beiträge fürs ferienlager entfielen...)

Ja, es war "alles, was man zum Leben brauchte, in der DDR sehr billig". Aber mit welchen Konsequenzen?

Es lässt sich feststellen, dass die massive Verschuldung der DDR, die Anfang der 70er Jahre begann, zwei Phasen durchlief. Die erste Phase ist durch einen relativ scharfen Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber dem westlichen Ausland gekennzeichnet, wobei Mittel vorwiegend zur Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung eingesetzt wurden. Die zu Beginn der 80er Jahre im Gefolge der erfolgreichen westlichen Antiinflationspolitik entstandene Verteuerung der Kredite, die im RGW besonders Polen und Ungarn hart traf, brachte auch die DDR in erhebliche Finanzierungsnot. Unter anderem der von Franz Josef Strauß (CSU) im Jahr 1984 vermittelte Kredit in Höhe von rund 1 Mrd. DM verhinderte den vorzeitigen Staatsbankrott und ermöglichte es der DDR, in den 80er Jahren weiterhin kreditwürdig zu bleiben. In dieser zweiten Phase der Verschuldung erforderten Tilgung und Verzinsung bestehender Verbindlichkeiten in zunehmendem Maße die Neuverschuldung.

Die westlichen Kredite mögen zumindest zeitweise systemstabilisierend gewirkt haben. Mit zunehmender Verschuldung und abnehmender Finanzkraft aufgrund stark verminderter internationaler Wettbewerbsfähigkeit strangulierte sich die DDR in finanzieller Hinsicht jedoch selbst. Die Schuldendienstrate - also das Verhältnis vom Exporterlös zu den im gleichen Jahr fälligen Zinsen und Rückzahlungen - betrug 1989 etwa 150%. Seit Beginn der 80er Jahre bewegte sich die DDR permanent am Rande der Illiquidität.

Die Gründe für diese ständig steigende Schuldenlast sind offensichtlich. Am meisten expandierten in den 80er Jahren die Subventionen zur Stützung von niedrigen Endverbraucherpreisen bei Grundnahrungsmitteln und sozialpolitisch bedeutsamen Industriewaren wie z.B. Kindebekleidung, Schulartikeln, Lehrbüchern und zur Beibehaltung von Mini-Tarifen im Personenverkehr und bei den öffentlichen Versorgungsleistungen. Hier gab es von 1980-1988 einen Anstieg von 16,85 Mrd. auf 49,81 Mrd. Mark. Rund zwei Drittel dieser angesichts der Wirtschaftsleistung der DDR gigantischen Summe verschlang die dirigistische Absenkung der Verbraucherpreise für Lebensmittel UNTER die Gestehungskosten dieser Güter.

Eine Vorstellung von der aus dem Ruder laufenden Subventionswelle geben folgende Zahlen: Zu Beginn der Honecker-Mittag-Ära 1971 subventionierte der Staat den Kauf von Lebensmitteln im Einzelhandel im Wert von 100,- DM noch mit bescheidenen 14,90 und den von Industriewaren mit 10,30 DM. 1988 wurde bei diesen beiden Warengruppen ein Subventionsanteil von 52,- Mark bzw. 18,30 Mark erreicht.

Für die Subventionierung und direkte Förderung der Staatswirtschaft und der genossenschaftlichen Betriebe in der Landwirtschaft gab die Regierung der DDR in den 80er Jahren etwa 35-38% aller Haushaltsmittel aus. Da die Produktivität dieser Branchen weit hinter dem internationalen Niveau zurücklag, häufte jeder Betrieb Jahr für Jahr verdeckte Schulden an, was den Staatshaushalt wegen der ständig steigenden Subventionslast unerhört belastete.

Spätestens ab Mitte der 80er Jahre war die explosiv angewachsene Subventionslast bei den komsumtiven Ausgaben nicht mehr finanzierbar. In der DDR wurden diese "Ausgaben zur Sicherung stabiler Preise für die Bevölkerung" als eine der bedeutendsten "sozialistischen Errungenschaften" gepriesen. In Wirklichkeit war es eine gigantische Spirale der Verschuldung, die nicht länger finanzierbar war.

Nachlesen kann man einiges davon in:
H. Buck, Formen, Instrumente und Methoden zur Verdrängung, Einbeziehung und Liquidierung der Privatwirtschaft in der SBZ/DDR, in: Materialien der Enquete-Kommission, hrsg. vom Deutschen Bundestag, Bd. 2, Baden-Baden 1995
H. Hase, Grundzüge und Strukturen des Haushaltswesens der DDR, Berlin 1978
J. Gurtz, G. Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR, Berlin (Ost) 1982
 
Das ist aber harter Tobak, mein Lieber :nono:
Hast Du Dir einmal Deinen Beitrag richtig durchgelesen?
......
Ich habe ihn nicht nur durchgelesen, ich habe ihn sogar selbst geschrieben. Harter Tobak ist, im Angesicht des Todes und des Schießbefehls trotzdem die Flucht zu riskieren. Es kann keiner sagen. durch Versehen an die Grenze gekommen zu sein ( ich meine nicht die Grenzsoldaten im Grundwehrdienst). Wer fliehen wollte wusste, dass er pokert - pokert um sein Leben. Genau als Vergleich ein Geisterfahrer auf der Autobahn: Er setzt sich und andere bewusst der Gefahr aus. Denn versehntlich kann man garnicht verkehrt auf die Autobahn geraten. Das machen nur Chaoten und Ignoranten - falsch auf die Autobahn fahren:scheinheilig:.

Und das wird man ja noch beim Namen nennen dürfen.
 
Ja, es war "alles, was man zum Leben brauchte, in der DDR sehr billig". Aber mit welchen Konsequenzen?
Richtig.
Wobei hinter den von Dir genannten Subventionszahlungen bzw. den daraus erwachsenden Schuldenbergen natürlich ein wesentlicheres Problem steht: Die Fehlallokation von Ressourcen.
Wenn etwas zu billig ist, wird es verschwendet.

Und noch einen Aspekt finde ich interessant, die Reduktion der Wünsche der Leute auf "das, was man zum Leben braucht".
Entspricht übrigens genau dem, was heute an Hartz IV kritisiert wird. Da kriegt man auch nur, was man materiell zum Leben braucht - nicht viel mehr.

Aber natürlich lebt der Mensch nicht nur vom Brot allein. Die Unzufriedenheit mit dem Leben in der DDR speiste sich eben aus verschiedenen Quellen: Man wollte mehr materiell (Bananen, Autos, Fernseher ...), aber eben auch inmaterielles wie Rede- und Reisefreiheit.
 
Es kann keiner sagen. durch Versehen an die Grenze gekommen zu sein
Das ist formal richtig - trotzdem befremdet mich Dein Beitrag ziemlich.

Selbstverständlich ist keiner aus Versehen in die Grenzregion gekommen. Aber indem Du diese Trivialität überhaupt erwähnst erweckst Du den Eindruck, die Opfer wären irgendwie selbst schuld, wenn sie erschossen wurden.

Ja, sie sind nicht versehentlich, sondern mit voller Absicht über die Grenze gegangen, weil dies eben ihr gutes Recht war.
Und es war krasses Unrecht, deswegen auf sie zu schießen.
 
Segula, das geht so nicht weiter. Freie Meinungsäußerung ist das eine, die Maueropfer als Chaoten und Ignoraten zu bezeichnen ist etwas ganz anderes. Bitte enthalte dich solcher Äußerungen, oder es gibt Konsequenzen.
 
Segula, das geht so nicht weiter. Freie Meinungsäußerung ist das eine, die Maueropfer als Chaoten und Ignoraten zu bezeichnen ist etwas ganz anderes. Bitte enthalte dich solcher Äußerungen, oder es gibt Konsequenzen.
Warnung akzeptiert!!
:still:
Ich sprach ausdrücklich von Geisterfahrern
 
(...)
Will sagen, die Subventionspolitik der DDR wurde vom Volk angenommen, aber bald nicht mehr als Vorzug gewürdigt, sondern als Selbstverständlichkeit empfunden und eingefordert.
Sicher war das keine Gehässigkeit der Regierenden, aber es musste irgendwann zur Pleite kommen, wenn nicht Strauß noch etwas zu gebuttert hätte, dann vielleicht schon eher.

hallo,

darin stimme ich dir voll und ganz zu. (das haben wir damals schon so untereinander diskutiert.)

gruß!
 
hallo barbarossa und walter und andere, :)

wenn wir den kindergartenpunkt jetzt abschließen können sollten, hätte ich eine andere frage an euch. zugespitzt so formuliert:

aus welchem perfiden grund hat die DDR die grundnahrungsmittel subventioniert (billig gehalten)?

es ging der DDR vermutlich aus eurer sicht nicht darum, dass sich jeder sein essen leisten kann und niemand mehr hungern muss? sondern? wollte die DDR damit nur die menschen am leben erhalten, weil sie sie brauchte für die produktion und für eventuelle militärische einsätze (tschechoslowakei 1968)?

so? oder ähnlich? da würde mich jetzt eure meinung mal wirklich interessieren!

gruß!

Da du in deinem Beitrag gerade so schön sarkastisch wirst, setzte ich einfach mal noch einen drauf und sage als Antwort:
Damit niemand merken sollte, daß er in einem "Goldenen Käfig" gefangen gehalten wird... :D

Aber im Ernst.
Noch 1989 hat unser Parteisekretär im Stahlwerk gesagt, er sei von der Richtgkeit der Subventionspolitik überzeugt.
Ich muß dir ganz ehrlich sagen,ich war davon schon damals nicht überzeugt.
Klar, auf dem ersten Blick ist es toll, wenn Lebensmittelpreise billig und der Preis auch noch stabil ist. Aber es gab ja seit den 80er Jahren eine Zwei-Klassen-Versorgung. Einmal waren das die normalen Kaufhallen - in denen man aber selten alles bekam, was man brauchte - und zum anderen gab es die "Delikatläden" in denen die dort angebotenen Lebensmittel dann wieder extrem teuer waren, aber von der Qualität her auch besser. Auch bemerkten meine Eltern, die es sich übrigens nicht leisten konnten, dort einzukaufen, daß immer mehr Waren aus den normalen Kaufhallen so nach und nach in den "Deli-Läden" (für uns quasi) verschwanden.

segula schrieb:
(...)
Will sagen, die Subventionspolitik der DDR wurde vom Volk angenommen, aber bald nicht mehr als Vorzug gewürdigt, sondern als Selbstverständlichkeit empfunden und eingefordert.
Sicher war das keine Gehässigkeit der Regierenden, aber es musste irgendwann zur Pleite kommen, wenn nicht Strauß noch etwas zu gebuttert hätte, dann vielleicht schon eher.
hallo,

darin stimme ich dir voll und ganz zu. (das haben wir damals schon so untereinander diskutiert.)

gruß!
Dazu noch ein anderes Beispiel:
Die Mieten waren natürlich auch subventioniert. Für unsere 60 m² - Wohnung haben meine Eltern 78 Mark bezahlt - warm. Das waren eigentlich nichtmehr, als die Verwaltungskosten. Klar - ging mal eine Mischbatterie kaputt (undicht) kam auch ein Handwerker und wechselte sie aus. Oder ein Termofenster, das kaputt ging (Vakuum verschwand durch Undichtigkeit und wurde dadurch undurchsichtig) wurde auch das ausgewechselt.

Aber: Wurde ein Fenster im Treppenhaus undicht und es regnete hinein und das Wasser lief vom 3. OG bis ins Erdgeschoß, dann war kein Geld da, um es zu reparieren. Der Wohnungsbau in den 70ern war ja gut und schön und im Vergleich zu den Altbau-Wohnungen waren das sehr gute Wohnungen, aber durch die zu billigen Mieten konnte der gerade erst errichtete Wohnraum nicht erhalten werden und war durch fehlende Geldmittel oder auch fehlendes Material gleich wieder dem Verfall ausgeliefert.
(Habe ich alles selbst erlebt)

Ich habe ihn nicht nur durchgelesen, ich habe ihn sogar selbst geschrieben. Harter Tobak ist, im Angesicht des Todes und des Schießbefehls trotzdem die Flucht zu riskieren. Es kann keiner sagen. durch Versehen an die Grenze gekommen zu sein ( ich meine nicht die Grenzsoldaten im Grundwehrdienst). Wer fliehen wollte wusste, dass er pokert - pokert um sein Leben. Genau als Vergleich ein Geisterfahrer auf der Autobahn: Er setzt sich und andere bewusst der Gefahr aus. Denn versehntlich kann man garnicht verkehrt auf die Autobahn geraten. Das machen nur Chaoten und Ignoranten - falsch auf die Autobahn fahren:scheinheilig:.

Und das wird man ja noch beim Namen nennen dürfen.
Obwohl jetzt zwar bereits eine Rüge moderatorseits erteilt wurde, kann ich mich dennoch nicht der Stimme dazu enthalten.
Es haben viele Menschen auf die eine oder andere Weise versucht, auch durch einen sogenannten "illegalen Grenzübertritt" - wie es so im DDR-Amtsdeutschen hieß - das Land zu verlassen. Und es haben viele dabei ihr Leben verloren. Ein weiteres Beispiel sind z. B. auch die Tunnel, die von Ost- nach Westberlin gegraben wurden. Vor einiger Zeit gab es mal einen Zeitungsartikel, in dem über einen dieser Tunnel berichtet wurde. Der Bau wurde jedoch verraten und eines Tages stand jemand von der Stasi vor dem Eingang und erschoß die Fluchtwilligen und zwar ohne Vorwarnung. Natürlich wußten sie, daß es gefählich war. Und dennoch müssen sie genug Gründe gehabt haben, diesen Weg zu wählen, d.h. es muß ihnen hier schlecht genug gegangen sein, um diesem Weg zu wählen.

Aber welche Seite verhielt sich unmoralischer?
Der Flüchtling, oder der Uniformierte, der den Flüchtling lieber erschießt, als ihn einfach gehen zu lassen.
Wenn du sagst, du hast mit einem erschossenen Flüchtling kein Mitleid, denn er wußte ja um die Gefahren, dann muß ich dir entgegen halten, daß ich kein Mitleid habe mit den verurteilten Mauerschützen, denn sie haben Menschen erschossen, die einfach nur in die Freiheit wollten und haben damit ein Regime aufrecht erhalten, daß gerade an der Mauer oder auch im Stasi-Knast sein wahres Gesicht zeigte.

Interessant wäre es in dem Zusammenhang übrigens einmal, zu untersuchen, wie viele von denen, die "illegal" "rüber machen" wollten, vorher bereits einen sogenannten "Ausreiseantrag" gestellt hatten und dann so schikaniert wurden (siehe Timos Beitrag), daß sie schießlich diesen Weg gewählt haben. Gibt es darüber eigentlich eine Statistik oder sowas?
Das würde ich jetzt mal interessant finden.
 
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Ja, es war "alles, was man zum Leben brauchte, in der DDR sehr billig". Aber mit welchen Konsequenzen?

Es lässt sich feststellen, dass die massive Verschuldung der DDR, die Anfang der 70er Jahre begann, zwei Phasen durchlief. Die erste Phase ist durch einen relativ scharfen Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber dem westlichen Ausland gekennzeichnet, wobei Mittel vorwiegend zur Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung eingesetzt wurden. Die zu Beginn der 80er Jahre im Gefolge der erfolgreichen westlichen Antiinflationspolitik entstandene Verteuerung der Kredite, die im RGW besonders Polen und Ungarn hart traf, brachte auch die DDR in erhebliche Finanzierungsnot. Unter anderem der von Franz Josef Strauß (CSU) im Jahr 1984 vermittelte Kredit in Höhe von rund 1 Mrd. DM verhinderte den vorzeitigen Staatsbankrott und ermöglichte es der DDR, in den 80er Jahren weiterhin kreditwürdig zu bleiben. In dieser zweiten Phase der Verschuldung erforderten Tilgung und Verzinsung bestehender Verbindlichkeiten in zunehmendem Maße die Neuverschuldung.

Die westlichen Kredite mögen zumindest zeitweise systemstabilisierend gewirkt haben. Mit zunehmender Verschuldung und abnehmender Finanzkraft aufgrund stark verminderter internationaler Wettbewerbsfähigkeit strangulierte sich die DDR in finanzieller Hinsicht jedoch selbst. Die Schuldendienstrate - also das Verhältnis vom Exporterlös zu den im gleichen Jahr fälligen Zinsen und Rückzahlungen - betrug 1989 etwa 150%. Seit Beginn der 80er Jahre bewegte sich die DDR permanent am Rande der Illiquidität.

Die Gründe für diese ständig steigende Schuldenlast sind offensichtlich. Am meisten expandierten in den 80er Jahren die Subventionen zur Stützung von niedrigen Endverbraucherpreisen bei Grundnahrungsmitteln und sozialpolitisch bedeutsamen Industriewaren wie z.B. Kindebekleidung, Schulartikeln, Lehrbüchern und zur Beibehaltung von Mini-Tarifen im Personenverkehr und bei den öffentlichen Versorgungsleistungen. Hier gab es von 1980-1988 einen Anstieg von 16,85 Mrd. auf 49,81 Mrd. Mark. Rund zwei Drittel dieser angesichts der Wirtschaftsleistung der DDR gigantischen Summe verschlang die dirigistische Absenkung der Verbraucherpreise für Lebensmittel UNTER die Gestehungskosten dieser Güter.

Eine Vorstellung von der aus dem Ruder laufenden Subventionswelle geben folgende Zahlen: Zu Beginn der Honecker-Mittag-Ära 1971 subventionierte der Staat den Kauf von Lebensmitteln im Einzelhandel im Wert von 100,- DM noch mit bescheidenen 14,90 und den von Industriewaren mit 10,30 DM. 1988 wurde bei diesen beiden Warengruppen ein Subventionsanteil von 52,- Mark bzw. 18,30 Mark erreicht.

Für die Subventionierung und direkte Förderung der Staatswirtschaft und der genossenschaftlichen Betriebe in der Landwirtschaft gab die Regierung der DDR in den 80er Jahren etwa 35-38% aller Haushaltsmittel aus. Da die Produktivität dieser Branchen weit hinter dem internationalen Niveau zurücklag, häufte jeder Betrieb Jahr für Jahr verdeckte Schulden an, was den Staatshaushalt wegen der ständig steigenden Subventionslast unerhört belastete.

Spätestens ab Mitte der 80er Jahre war die explosiv angewachsene Subventionslast bei den komsumtiven Ausgaben nicht mehr finanzierbar. In der DDR wurden diese "Ausgaben zur Sicherung stabiler Preise für die Bevölkerung" als eine der bedeutendsten "sozialistischen Errungenschaften" gepriesen. In Wirklichkeit war es eine gigantische Spirale der Verschuldung, die nicht länger finanzierbar war.

Nachlesen kann man einiges davon in:
H. Buck, Formen, Instrumente und Methoden zur Verdrängung, Einbeziehung und Liquidierung der Privatwirtschaft in der SBZ/DDR, in: Materialien der Enquete-Kommission, hrsg. vom Deutschen Bundestag, Bd. 2, Baden-Baden 1995
H. Hase, Grundzüge und Strukturen des Haushaltswesens der DDR, Berlin 1978
J. Gurtz, G. Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR, Berlin (Ost) 1982


hallo dieter,

diesen beitrag fand ich hochinformativ. ich danke dir. ich habe hier auch keinen widerspruch anzumelden.

dass die DDR sich mit den subventionen übernimmt, habe nicht nur ich schon damals so empfunden. den obigen einwand von segula hinzugenommen (dass die bürger die subventionen gar nicht mehr schätzten, weil es selbstverständlich war) habe ich damals schon überlegt, wie man das anders organisieren könnte. leider bekamen "wir" nicht mehr die gelegenheit dazu.

gruß!
 
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(...)

Aber im Ernst.
Noch 1989 hat unser Parteisekretär im Stahlwerk gesagt, er sei von der Richtgkeit der Subventionspolitik überzeugt.
Ich muß dir ganz ehrlich sagen,ich war davon schon damals nicht überzeugt.
Klar, auf dem ersten Blick ist es toll, wenn Lebensmittelpreise billig und der Preis auch noch stabil ist. Aber es gab ja seit den 80er Jahren eine Zwei-Klassen-Versorgung. Einmal waren das die normalen Kaufhallen - in denen man aber selten alles bekam, was man brauchte - und zum anderen gab es die "Delikatläden" in denen die dort angebotenen Lebensmittel dann wieder extrem teuer waren, aber von der Qualität her auch besser. Auch bemerkten meine Eltern, die es sich übrigens nicht leisten konnten, dort einzukaufen, daß immer mehr Waren aus den normalen Kaufhallen so nach und nach in den "Deli-Läden" (für uns quasi) verschwanden.

Dazu noch ein anderes Beispiel:
Die Mieten waren natürlich auch subventioniert. Für unsere 60 m² - Wohnung haben meine Eltern 78 Mark bezahlt - warm. Das waren eigentlich nichtmehr, als die Verwaltungskosten. Klar - ging mal eine Mischbatterie kaputt (undicht) kam auch ein Handwerker und wechselte sie aus. Oder ein Termofenster, das kaputt ging (Vakuum verschwand durch Undichtigkeit und wurde dadurch undurchsichtig) wurde auch das ausgewechselt.

Aber: Wurde ein Fenster im Treppenhaus undicht und es regnete hinein und das Wasser lief vom 3. OG bis ins Erdgeschoß, dann war kein Geld da, um es zu reparieren. Der Wohnungsbau in den 70ern war ja gut und schön und im Vergleich zu den Altbau-Wohnungen waren das sehr gute Wohnungen, aber durch die zu billigen Mieten konnte der gerade erst errichtete Wohnraum nicht erhalten werden und war durch fehlende Geldmittel oder auch fehlendes Material gleich wieder dem Verfall ausgeliefert.
(Habe ich alles selbst erlebt)

(...).


hallo barbarossa,

hm, auch dir kann ich deiner kritik an der subventionspolitik der DDR im prinzip nur zustimmen. worüber diskutieren wir denn dann nun? :S

ich fand die subventionspolitik der DDR zwar nicht richtig, aber ich fand und finde sie gut. ich meine, den gedanken, das lebensnotwendige jedem erschwinglich zu machen und zu halten, das finde ich gut! dass man, so tief man auch fällt, immer ein dach übern kopf hat und immer genug zu essen und - wenn man nur will - auch eine arbeit, um sich zu betätigen, um sich vielleicht selbst zu verwirklichen, sich etwas anzusparen (denn das lebensnotwendige war ja billig), um sich auch mal etwas luxus leisten zu können, das fand und finde ich alles sehr gut. auto, fernseher, weltreisen ... - das wird ja alles erst "interessant", wenn die grundbedürfnisse befriedigt sind. gibt es da nicht so einen schönen spruch: "erst kommt das essen, dann kommt die moral".

man müsste es nur teilweise anders organisieren, als es die DDR getan hat, denn so, wie es die DDR tat, führte es sie in den ruin - aus all den gründen, die ihr genannt habt.

(hm, ist da was diskussionswürdiges dran?)

gruß!
 
Zuletzt bearbeitet:
hallo barbarossa,

hm, auch dir kann ich deiner kritik an der subventionspolitik der DDR im prinzip nur zustimmen. worüber diskutieren wir denn dann nun? :S

ich fand die subventionspolitik der DDR zwar nicht richtig, aber ich fand und finde sie gut. ich meine, den gedanken, das lebensnotwendige jedem erschwinglich zu machen und zu halten, das finde ich gut! dass man, so tief man auch fällt, immer ein dach übern kopf hat und immer genug zu essen und - wenn man nur will - auch eine arbeit, um sich zu betätigen, um sich vielleicht selbst zu verwirklichen, sich etwas anzusparen (denn das lebensnotwendige war ja billig), um sich auch mal etwas luxus leisten zu können, das fand und finde ich alles sehr gut.
(...)
man müsste es nur teilweise anders organisieren, als es die DDR getan hat, denn so, wie es die DDR tat, führte es sie in den ruin - aus all den gründen, die ihr genannt habt.

(hm, ist da was diskussionswürdiges dran?)

Etwas, was nicht richtig war, war trotzdem "gut" oder "sehr gut"?
hmm - aber was sind diese Dinge wert, wenn sie irgendwann wie ein schön gebautes Kartenhaus beim nächsten Windstoß in sich zusammen fallen?
Wir haben das Ende - den totalen wirtschaftlichen Zusammenbruch der DDR nicht erlebt (jetzt fange ich auch noch an, zu unterstreichen... :S --> =) ). Was wir erlebt haben, war ja der politische Zusammenbruch der SED-Diktatur im Zuge der friedlichen Revolution der Bürger.
Nun gibt es Leute (zu denen zählst du offensichtlich auch), die heute noch meinen, man hätte diesen "Sozialismus" nur anders gestalten müssen -vielleicht sogar als "demokratischen Sozialismus", dann hätte es schon funktioniert.
Aber dann erkläre mir doch bitte einmal, @fitzpiepe, wie dieser "demokratische Sozialismus" hätte aussehen sollen! Ich möchte dabei im Besonderen die witschaftlichen Verhältnisse in solch einem Staat beleuchten, das heißt z. B.:
Wie verhält es sich mit dem "Privateigentum an Produktionsmitteln"?
Und könnte es in solch einem Staat private Unternehmen geben?
Dabei zu beachten: Arbeitslosigkeit soll ja im "Sozialismus" vermieden werden.
:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit man zwischen den Zeilen lesen kann, müssen aber auch ein paar angeboten werden.
Es gab ja Zeitungen Nachrichtensendungen im Fernsehen und im Radio, aber was man wirklich wissen wollte, mußte immer zwischen lesen oder heraushören. Ganz genauso haben es dann übrigens die Küstler gemacht, egal ob nun Rockmusiker oder Kabarettisten - was sie sgen wollten konnten auch sie nie offen aussprechen - immer nur hintergründig oder wie man so schön sagt: zwischen den Zeilen.
;)
 
Es lässt sich feststellen, dass die massive Verschuldung der DDR, die Anfang der 70er Jahre begann, zwei Phasen durchlief. Die erste Phase ist durch einen relativ scharfen Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber dem westlichen Ausland gekennzeichnet, wobei Mittel vorwiegend zur Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung eingesetzt wurden. Die zu Beginn der 80er Jahre im Gefolge der erfolgreichen westlichen Antiinflationspolitik entstandene Verteuerung der Kredite, die im RGW besonders Polen und Ungarn hart traf, brachte auch die DDR in erhebliche Finanzierungsnot. Unter anderem der von Franz Josef Strauß (CSU) im Jahr 1984 vermittelte Kredit in Höhe von rund 1 Mrd. DM verhinderte den vorzeitigen Staatsbankrott und ermöglichte es der DDR, in den 80er Jahren weiterhin kreditwürdig zu bleiben. In dieser zweiten Phase der Verschuldung erforderten Tilgung und Verzinsung bestehender Verbindlichkeiten in zunehmendem Maße die Neuverschuldung.

Eine Ergänzung zu dieser richtigen Darstellung der Fakten:

Was @Dieter hier anspricht, ist nicht die innere "Verschuldung" der DDR, sondern die äußere Verschuldung.

Die Gleichung "Subventionierung -> Staatsverschuldung -> DDR-Bankrott" ist damit nicht gemeint. Den zusätzlich notwendigen Hinweis bzgl. der Subventionierungsfolgen hat @R.K. gegeben: Fehlallokation der Ressourcen, Zusammenbruch der plangebundenen Steuerung, Mangelwirtschaft einerseits, ineffiziente Vorratshaltung in den Betrieben andererseits. Das braucht wohl nicht weiter erläutert zu werden.

Im Prinzip förderte die Subventionierung wichtiger Güter des täglichen Lebensbedarfes in der DDR nur eine beachtliche Kapitalbildung. So ist das von DDR-Bürgern gebildete Kapitalvermögen (zB Spareinlagen, Zahlen sind hier in einer Forendiskussion bereits genannt worden) bis Ende 1988 durchaus mit dem bundesdeutschem Niveau, gemessen an der absoluten Höhe und der Bevölkerungszahl, vergleichbar. Ein beachtlicher Teil dieser über Jahre "ersparter" Mittel kann nun durchaus mit der Verbilligung zahlreicher Güter in Verbindung gebracht werden (gewissermaßen unabgeschöpfte Kaufkraft).

Diese binnenwirtschaftliche Verschuldung, auch durch Subventionierung bedingt, ist solange kein Problem für den Staat (natürlich theoretisch bis auf die, allerdings hier vernachlässigbaren Zinsen), wie die überschüssige Kaufkraft von den DDR-Bürgern wieder angelegt wurde. Zahlen dazu: Statistische Jahrbücher insbesondere 1989 und 1990.

Sobald ein Warenaustausch mit dem Ausland (speziell Westen) ins Spiel kommt, wird es nun problematisch. Die Außenverschuldung steigt, wenn der DDR kein wertmäßig deckender Export gelingt, was der Fall war. Dadurch sank die Kreditwürdigkeit. Zudem wurden weitere Bereiche der Industrie in Mitleidenschaft gezogen, da wie von @Dieter beschrieben die durch Verschuldung eingekauften Waren zT subventioniert an die Bevölkerung weitergegeben wurden und entsprechendes Kapital für Investitionen, Ersatzbeschaffungen an anderer Stelle fehlte. Der von @Dieter beschriebene "Bankrott" ist in diesem Sinne außenwirtschaftlich zu sehen.
 
Nun gibt es Leute (zu denen zählst du offensichtlich auch), die heute noch meinen, man hätte diesen "Sozialismus" nur anders gestalten müssen -vielleicht sogar als "demokratischen Sozialismus", dann hätte es schon funktioniert.
Aber dann erkläre mir doch bitte einmal, @fitzpiepe, wie dieser "demokratische Sozialismus" hätte aussehen sollen!

Das wäre sicherlich ein interessanter Punkt, bei dem ich allerdings fürchte, daß wir in politische Diskussionen abgleiten.
Anm.: Diese Anmerkung treffe ich übrigens als Mitglied und Mitdiskutant, nicht als Moderator - nur zur Info...

Ich möchte dabei im Besonderen die witschaftlichen Verhältnisse in solch einem Staat beleuchten, das heißt z. B.:
Wie verhält es sich mit dem "Privateigentum an Produktionsmitteln"?
Und könnte es in solch einem Staat private Unternehmen geben?
Dabei zu beachten: Arbeitslosigkeit soll ja im "Sozialismus" vermieden werden.
:grübel:

Schauen wir dazu doch einmal in die Geschichte: es ist ja nicht so, daß es in der DDR keine privatwirtschaftlichen Unternehmen gegeben hat. Und selbst nachdem im Jahre 1972 die nahezu vollständige Verstaatlichung erfolgt war, wurde diese letzte Verstaatlichungswelle seit 1976 für private Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten und Handwerksbetriebe wieder zurückgenommen bzw. wurden in diesen Bereichen sogar Neuzulassungen privater Gewerbebetriebe wieder relativ großzügig gestattet, weil man gemerkt hatte, daß die Wirtschaft ohne diese nicht funktionierte bzw. die Abdeckung bestimmter Sektoren (insbesondere, was den Tertiären Sektor betrifft) durch staatliche Unternehmen praktisch nicht adäquat möglich war.

Daß dieser Pragmatismus - der eben auch in der DDR gegeben war - bereits eine deutliche Richtung aufzeigt, was die Bedeutung und Wichtigkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen betrifft, muß dabei besonders betrachtet werden.
 
Das wäre sicherlich ein interessanter Punkt, bei dem ich allerdings fürchte, daß wir in politische Diskussionen abgleiten.
Anm.: Diese Anmerkung treffe ich übrigens als Mitglied und Mitdiskutant, nicht als Moderator - nur zur Info...
Nun ja - wir beziehen uns ja dabei auf die DDR und die damaligen historisch-polititschen Gegebenheiten und die sind Geschichte. Wenn wir beim Thema bleiben, sollte uns ein "Abgleiten" in eine aktuell-politische Diskussion nicht unterlaufen. Die damaligen historisch-politischen Verhältnisse sind auch gänzlich andere als heute, schon wegen der damals existierenden, miteinander verfeindeten Militär- und Wirtschaftsblöcke.



Schauen wir dazu doch einmal in die Geschichte: es ist ja nicht so, daß es in der DDR keine privatwirtschaftlichen Unternehmen gegeben hat. Und selbst nachdem im Jahre 1972 die nahezu vollständige Verstaatlichung erfolgt war, wurde diese letzte Verstaatlichungswelle seit 1976 für private Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten und Handwerksbetriebe wieder zurückgenommen bzw. wurden in diesen Bereichen sogar Neuzulassungen privater Gewerbebetriebe wieder relativ großzügig gestattet, weil man gemerkt hatte, daß die Wirtschaft ohne diese nicht funktionierte bzw. die Abdeckung bestimmter Sektoren (insbesondere, was den Tertiären Sektor betrifft) durch staatliche Unternehmen praktisch nicht adäquat möglich war.

Daß dieser Pragmatismus - der eben auch in der DDR gegeben war - bereits eine deutliche Richtung aufzeigt, was die Bedeutung und Wichtigkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen betrifft, muß dabei besonders betrachtet werden.
Das waren aber vornehmlich Unternehmen im Einzelhandel. Die produzierenden Großbetriebe waren alles VEBs und dort waren auch die große Mehrheit der Arbeiter beschäftigt. Außerdem wurde der Gewinn dieser Privatbetriebe mit einer Steuer von 90 % belegt - womit man diese - um es mal klar zu sagen - ausraubte. Das war doch bis zum Ende der Planwirtschaft so, oder?
 
ich meine, den gedanken, das lebensnotwendige jedem erschwinglich zu machen und zu halten, das finde ich gut!
Der Fehler in diesem Denkansatz ist, daß Ziel und Maßnahme verwechselt werden.

Das Ziel ist, daß keiner hungern muß (als Beispiel für die Grundbedürfnisse).

Dieses Ziel kann man durch verschiedene Maßnahmen erreichen.

Eine denkbare Maßnahme ist die Subvention von Nahrungsmitteln.
Diese Maßnahme hat aber so viele Nachteile, daß man sie eben nicht für gut halten sollte - und dabei erreicht sie alleine noch nicht einmal das angestrebte Ziel, weil es immer noch Leute geben kann, die gar kein Geld haben, das heißt auch subventionierte Lebensmittel nicht kaufen können.
 
Der Fehler in diesem Denkansatz ist, daß Ziel und Maßnahme verwechselt werden.

Das Ziel ist, daß keiner hungern muß (als Beispiel für die Grundbedürfnisse).

Dieses Ziel kann man durch verschiedene Maßnahmen erreichen.

Eine denkbare Maßnahme ist die Subvention von Nahrungsmitteln.
Diese Maßnahme hat aber so viele Nachteile, daß man sie eben nicht für gut halten sollte - und dabei erreicht sie alleine noch nicht einmal das angestrebte Ziel, weil es immer noch Leute geben kann, die gar kein Geld haben, das heißt auch subventionierte Lebensmittel nicht kaufen können.
Wir sehen es ja auch in der Bundesrepublik, wie gewünschte Politik und tatsächliche Umsetzung auseinander laufen. ;)

Ich würde daher die Subventionen in der DDR zwar als Fehler ansehen, nicht aber als Ursache für die Frage im Strangtitel.

Wenn ich mir die Statistiken ansehe und die Einzelberichte der in der DDR aufgewachsenen Forumsmitglieder durchlese, dann sehe ich eine Gesellschaft im stillen Protest gegen die Obrigkeit. Jeder Bürger hat für sich die Entscheidung zu treffen, ob ein Leben unter den Umständen ausreichend gut eingerichtet werden kann oder ob eine Ausreise/Flucht angestrebt wird. Und gerade bei denen sind die Gründe sehr interessant. Die meisten wollten doch nicht weg, weil sie mehr Schokolade essen wollten. Sie wollten weg, weil ihre Vorstellungen von einem "schönen" Leben nicht umsetzbar waren. Und damit sind persönliche Freiheit und Individualität gemeint und weniger materielle Fragen. Dies kann man daran erkennen, dass viele erst einige Zeit lang ein Arrangement probiert haben und dann doch alle materielle Errungenschaften zurück zu lassen bereit waren. Und selbst wenn die Löhne im Westen höher als in der DDR waren und die Preise nicht ausreichend berücksichtigt wurden, so war doch jedem klar, dass die Neubeschaffung von Auto und Hausrat eine große Hürde ist. Aber sie waren bereit sie zu akzeptieren.

@flitzpiepe: Ich kann Deine Position nicht nachvollziehen. Du behauptest, die DDR-Bürger hätten vor allem mehr materielle Güter analog zu denen im Westen haben wollen. Auf der anderen Seite sprichst Du aber davon, dass wegen der Subventionen der Alltag "gut" gewesen sei. Natürlich hat keiner was dagegen mehr zu bekommen und weniger zu zahlen, aber so materialistisch dürften nur sehr wenige gedacht haben. Insbesondere wenn ich mir all die Berichte ansehe, wo den meisten DDR-Bürgern die wirtschaftliche Situation der DDR doch irgendwie bekannt war.

Du hast als Beispiel die Kindergärten genannt. Die Vorteile für den Staat lagen auf der Hand: Mit relativ wenigen Arbeitskräften können relativ viele Hausfrauen für den Arbeitsmarkt (OK, Markt trifft es nicht so richtig...) frei geschaufelt werden. Dazu kommt die Möglichkeit der noch früheren Einbindung der Kinder in einen politisierten Alltag. Natürlich ist es für Frauen mit Ambitionen im Berufsleben eine Erleichterung, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dies die Motivation für die Einrichtung war. Was aber natürlich durchaus anders in Reden (z.B. bei der Eröffnung eines Kindergartens) dargestellt wurde.

Letztlich kommt auch hier wieder der Charakter eines diktatorischen Staats durch, der das Leben der Bürger sehr stark durchdrungen hat. Mit Sicherheit wesentlich stärker als in der Bundesrepublik. Jeder, der sich in solch einem System arrangiert ohne dabei andere zu benachteiligen (z.B. als Stasi IM), der handelt zum einen sehr menschlich (meiner Meinung nach) und sollte sich glücklich schätzen, eine Lücke im System gefunden zu haben. Hier gefallen mir z.B. Flos Beiträge sehr.

Die Alternative zu einer Anpassung war lange Zeit nicht wirklich gegeben (wie groß war der Einfluss durch Parteiarbeit?), wurde aber 1989 von vielen Demonstranten aufgegriffen als sich die Gelegenheit bot.

Solwac
 
Unfreiheit, Entmündigung, Einengung der Wissenschaft und des Fortschritts sowie der Individualität, unverrückbare staatliche Planvorgaben. Staatliche oder polizeiliche Repressalien gegen Euch könnt ihr nicht rechtlich klären oder begegnen, die Rechtsanwälte (Verteidiger) studieren alle in der einzigen Jura-"Partei-Universität". Man war als Bürger gegen Staat und Willkür rechtlos. Die Rechtlosigkeit drückte sich in den vielen "Eingaben" an den Staatsrat aus. Der dann meistens kurzerhand für den Petitenten entschied. Wie kann man diese Eingabenpolitik in einem Staat noch nennen? Genau, der Untertan findet kein Recht und schreibt eine Bitte an seine Obrigkeit.
Stellt Euch vor, Ihr müsstest heute einen Monat so leben. Ihr wünscht euch nach einer Woche Demokratie zurück.

Ob in der DDR die Sonne schien oder man sich am Wochenende in den Garten setzte und grillte oder mit dem Partner einen Orgasmus hatte, spielt keine Rolle (natürlich richtete man sich so gut wie es ging auch individuell ein). Sowas hatten unsere Vorfahren in der Nazidiktatur auch und es ist heute nicht politisch korrekt zu behaupten "unter den Nazis war nicht alles schlecht", weil es z.B. Kinderlandverschickung oder die Einführung von Kindergeld gab.
 
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