Ja, 1942/44 konnte man dem Bömmel seine demokratischen „Schrullen“ weglächelmd „verzeihen“.
Hier bin ich gegenteiliger Auffassung. Brett ist Bömmel (der ja ebenfalls Pfeiffer durchschaut) überlegen, was Bömmel ja unumwunden zugibt. Brett mag schneidig und auf Zack sein, und vielleicht sogar kruppstahlhart (obwohl ich das nicht sehe), aber er ist bei seinen Schülern beliebt und muss seine Autorität gar nicht ausspielen.
Deswegen sehe ich in ihm auch keine Spaßbremse.
Denken wir an die Szene aus dem Geschichtsunterricht, Kniebe muss Brett über die Goten in der Völkerwanderung vortragen, Pfeiffer hilft ihm mit Hilfe seiner das Sonnenlicht spiegelnden Uhr, die er über eine Wandkarte wandern lässt:
„Es saßen die Goten ursprünglich in Schweden.‘
‚Und von dort gingen sie?‘
‚Von dort gingen sie in die Gegend von Danzig. Und von da gingen sie dann nach Russland. Und von da nach … und da wussten sie eigentlich nicht so recht was sie machen sollten. Und äh – und zerfielen dann in die Ostgoten und die Westgoten.‘
‚Gut, Kniebe. Sie können sich setzen. Vier.‘
‚Wieso vier, Herr Doktor? Ich habe doch alles gekonnt. Ich hätte eigentlich ’ne zwei verdient.‘
‚Zwei bekommt Pfeiffer.‘
Auch Brett lässt hier Pfeiffer gewähren, Brett und Bömmel sind beide souverän, weil sie sich - im Ggs. zu allen anderen Lehrern nicht über die Streiche empören. Alle anderen - allen voran Crey - sind altbackene Spießer.
Crey und der Schuldirektor sind dich ziemlich genervt von Pfeiffer, als der am Sonntag Nachmittag Frau und Tochter des Direktors becirct, er ist ja gewissermaßen ein Ausbund an Jovialität, was es Ihnen umso mehr erschwert Pfeiffer loszuwerden, was diesem und ubs Zuschauern ein diebisches Vergnügen bereiter.
Der überforderte Crey (man denke an die „Baldrian“-Szene oder die Wecker-Szene), den trifft doch nicht die Sympathie der Zuschauer, sondern vielmehr die Schadenfreude. Erst als es dann ganz am Ende um seine Karriere geht, da fiebert man mit ihm und doch eigentlich mit Pfeiffer, der gegenüber dem Schulrat die Rolle Creys spielt, der ja Pfeiffers wegen seine Lehrprobe verpasst.
Ich sehe das wirklich dezidiert anders als du, obwohl wir beide dieselbe Szene als Schlüsselszene für die NS-Propaganda im Film begreifen.
Das ist ja alles richtig, was du sagst.
Der Film spielt irgendwann im wilhelminischen Deutschland zu einer Zeit um ca. 1900. Hans Pfeiffer ist der letzte, der zu dieser Altherrenrunde stößt, die sich mit Feuerzangenbowle bedüdelt, und er fährt im Fiaker vor, nicht mit dem Automobil. In dem ganzen Film findet sich keine einzige Anspielung auf den NS, und der Film kommt auch ohne Propagandaparolen aus.
Es sind ja auch wirklich in dem ganzen Film nur zwei drei Zitate, die sich überhaupt unter "Sprache des NS" einordnen lassen.
Wenn man das ganze Lehrerkollegium mal im Hinblick auf (schwarze) Pädagogik abgleichen würde, so sind die alle vom Direktor Zeus bis zu Crey und Brett Apologeten einer Schwarzen Pädagogik. Bretts Zitat von der Baumzucht hätte vermutlich das ganze Schulkollegium ohne Weiteres - unterschrieben. Alle vielleicht mit Ausnahme von Bömmel. Bömmel ist nun auch nicht unbedingt ein vorbildlicher Pädagoge. Seine Schüler respektieren ihn nicht. Das mit dem anbinden hat auch weder Dr. Brett, noch haben es die Nazis erfunden, Schwarze Pädagogik hatte bereits 50 Jahre früher den Sohn des Erfinders der Schrebergärten zu Siegmund Freud auf die Couch getrieben.
Dr. Brett ist tatsächlich keine unsympathische Figur im Film, er durchschaut die doch eigentlich recht biederen Streiche der Schüler, zeigt Humor, zeigt Souveränität. Er besitzt Autorität, das was Bömmel nicht besitzt. Ihm würde man zutrauen, sich auch an einer Brennpunkt-Schule durchsetzen zu können- Bömmel nicht.
Bäume werden nicht mehr angebunden, aber mehr Kante zeigen, Konsequenzen durchziehen-das hört man auch heute, und es spricht ja durchaus auch einiges dafür. Brett ist auch durchaus kein humorloser Pauker. Bömmel, die komische Figur zeigt aber eine gewisse Weisheit. Alle anderen schreien nach exemplarischer Bestrafung- Brett wendet ein, dazu muss man den Schuldigen erst mal haben-Bömmel weiß, dass man ihn niemals bekommt, dass sich die Schule beim Versuch ihn zu bekommen nur lächerlich machen kann.
Natürlich widerstrebt es, den Schuldigen davonkommen zu lassen. Durch Bömmels Kniff ist Pfeiffers Heldentat aber plötzlich keine mehr.
Die Maler waren von der Schule bestellt-Punkt! Damit zeigt die Schule eine gewisse Souveränität, und Brett ist übrigens der Einzige, der das wie Bömmel etwas gelassener sieht und der sich auf Bömmels Seite schlägt.
Dass die Feuerzangenbowle heute noch rauf und runter vor allem an Universitäten gespielt wird, liegt daran, dass er eben kein Propagandastreifen wie Triumph des Willens, Jud Süß, Hitlerjunge Quex oder Kolberg ist. In dem ganzen Streifen kommt der NS nicht vor, es sind überhaupt nur drei bis vier Zeilen, die sich überhaupt in diesem Sinne lesen lassen.
Die stammen aber eben aus dem Mund von Dr. Brett, und er ist unter diesen Lehrern aus der Kaiserzeit die einzige Figur, die sich so lesen lässt.
Eine Figur, die man aber nicht so lesen muss.
Ich stimme durchaus zu, dass Dr. Brett keineswegs als unsympathische Figur angelegt ist. Es sind ja auch im ganzen Film nur diese paar Zeilen, die Dr. Brett sagt: "junge Bäume" die muss man anbinden, damit sie nicht nach allen Seiten ausschlagen-Disziplin ist das Band, das sie verbindet zu schönem geradem Wachstum.", die sich überhaupt im weitesten Sinne mit dem NS in Verbindung zu bringen sind.
Wenn ich sage, er ist eine Spaßbremse, dann nicht, weil er ein humorloser Pauker wäre-er ist es nicht, sondern weil er sich nicht aufs Kreuz legen lässt. Diese doch vergleichsweise biederen Streiche- die funktionieren eben auch nur so richtig gut mit diesen Paukern, diesen Witzfiguren, deren Verhalten berechenbar ist, die so reagieren wie man es erwartet, die sich furchtbar aufregen.
Ich denke schon, dass man die Figur des Dr. Brett in der Filmvorlage von 1944 so angepasst, dass sie für ein nationalsozialistisches Publikum leichter akzeptabel und als nationalsozialistisch lesbar war. In der literarischen Vorlage von Spoerl ist Dr. Brett jedenfalls ein ganz anderer Charakter. 1934 hat Erziehungsminister Berhard Rust für die erste Verfilmung 1934 ein Jugendverbot erwirkt. Rühmann soll persönlich sich grünes Licht für das Projekt bei Hitler geholt haben. Es wirkt, als sei die Bearbeitung im Drehbuch ein Versuch, Kritikern vor allem aus dem Erziehungsministerium unter Bernhard Rust ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen. 1934 bei der 1. Verfilmung der Feuerzangenbowle hat das Erziehungministerium noch ein Jugendverbot durchgesetzt für "So ein Flegel" (1934). Da hatte auch schon Heinz Rühmann die Hauptrolle gespielt.
Die Darstellung des Dr. Brett in der Verfilmung von 1944 war eine Art Versöhnungsgeste an all die Kritiker, die eine Herabwürdigung des Lehrerberufs witterten,
Der Charakter wird durchaus nicht unsympathisch dargestellt, im Gegenteil! Dr. Brett genießt den Respekt wie die Sympathie der Klasse, er bekennt, früher auch kein Engel gewesen zu sein, und bei ihm verfängt das alles nicht. Zielscheibe der Streiche sind die Lehrer aus der Kaiserzeit.