Die germanischen Reiche auf weströmischen Boden

Im Norden des heutigen Frankreichs kamen die Franken nicht nur als herrschende Oberschicht sondern auch als Siedler. Der Anteil der Franken an der Bevölkerung war ca. 20%. Der Norden wurde durch diesen großen Anteil an Franken regelrecht "germanisiert", während der Süden weiterhin romanisch blieb.

Das mag die heute noch vorhandenen Unterschiede zwischen Norden und Süden Frankreichs erklären. Eine nennenswerte Germanisierung gab es aber doch wohl nur im äußersten Norden, wo heute noch flämische Ortsnamen verbreitet sind (Dunkerque) und dann noch im heutigen (alemannischen, nicht fränkischen) Elsass.
Mich würde auch mal interessieren, woher du die 20% hast, die du hier zum 2tenmal anführst.
 
Mich würde auch mal interessieren, woher du die 20% hast, die du hier zum 2tenmal anführst.

Franz-Georg Maier - Die Verwandlung der Mittelmeerwelt (Fischer Weltgeschichte Band 9) S. 213:

Nach der (im 10 Jahrhundert) fixierten germanisch-romanischen Sprachgrenze lag die südliche Grenze, dieses zunächst fluktuierenden Gebiets schleißlich etwa auf der Linie Boulogne-Brüssel-Lüttich-Metz. Hier war der Anteil der Franken an der Bevölkerung sehr viel stärker als der der Germanen in allen anderen germanischen Staaten - schätzungsweise bis zu 20%.
 
Franz-Georg Maier - Die Verwandlung der Mittelmeerwelt (Fischer Weltgeschichte Band 9) S. 213:

Nach der (im 10 Jahrhundert) fixierten germanisch-romanischen Sprachgrenze lag die südliche Grenze, dieses zunächst fluktuierenden Gebiets schleißlich etwa auf der Linie Boulogne-Brüssel-Lüttich-Metz. Hier war der Anteil der Franken an der Bevölkerung sehr viel stärker als der der Germanen in allen anderen germanischen Staaten - schätzungsweise bis zu 20%.

Danke für die Quelle.:winke: Das wären dann also wie vermutet Flandern, Teile Belgiens und Lothringen, nicht aber das heutige französische Kernland.
 
Danke für die Quelle.:winke: Das wären dann also wie vermutet Flandern, Teile Belgiens und Lothringen, nicht aber das heutige französische Kernland.

Dann muss ich mein Buch falsch verstanden haben^^. Vielen Dank für die Aufklärung!
 
Die Familiendynastien der Merowinger und Karolinger hatten doch ihren Lebensmittelpunkt eher westlich des Rheins. Da stellt sich mir die Frage, welches Idiom überhaupt ihre Muttersprache war, jedenfallls im 7./8. Jahrhundert. Ich vermute jedenfalls eher eine Romanisierung der Franken als eine Frankisierung der Romanen.
Salopp angestossen: Konnten Pippin und Karl der Grosse vielleicht gar nicht mehr "fränkisch"?

Salopp geantwortet: Ja, konnten sie. Fränkisch war ihre Muttersprache. Dummerweise kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wo ich das genau herhabe...
Was den "Lebensmittelpunkt" angeht, so ist dieser äußerst schwer zu definieren. Bei den Merowingern kann ich dir noch zustimmen: Der lag sicher westlich des Rheins. Die merowingischen Residenzen Soissons, Paris, Reims und Orleans befinden sich alle im heutigen Frankreich. Bei den Karolingern wird es etwas komplizierter: Die Geburtsorte der karolingischen Könige sind häufig unbekannt und die Tatsache, dass es sich um ein Wanderkönigtum handelte (im Gegensatz zur Merowingerherrschaft), lässt die Bestimmung eines eindeutigen Mittelpunkts nicht zu (der Lieblingsort, aber mitnichten der Mittelpunkt Karls des Großen befand sich in Aachen, was sich zwar westlich des Rheins, aber noch innerhalb des deutschen Sprachraums befindet), zumal unter Karl dem Großen Sachsen und Bayern zurückerobert wurden, die von den Merowingern zwar sträflich vernachlässigt, nun aber in den Herrschaftsbereich der Karolinger sehr stark miteinbezogen wurden (Karls Nachfolger setzten ihre Söhne sogar als "Unterkönige" in Bayern, Alemannien etc. ein).

Von einer Romanisierung der Franken lässt sich aber so wenig sprechen wie von einer Frankisierung der Romanen: Dort, wo die jeweile Sprachgruppe eine Mehrheit hatte, setzte sie sich auch durch. Was übrigens Jahrhunderte dauern konnte (noch im Hochmittelalter gab es im Gebiet der heutigen Bundesrepublik romanische Sprachinseln).
 
Die Geburtsorte der karolingischen Könige sind häufig unbekannt und die Tatsache, dass es sich um ein Wanderkönigtum handelte (im Gegensatz zur Merowingerherrschaft)

Auch der merowingische König zog mit einer mobilen Verwaltung von Ort zu Ort, wenn ich mich nicht irre.
 
Auch der merowingische König zog mit einer mobilen Verwaltung von Ort zu Ort, wenn ich mich nicht irre.

Möglich, dass ich mich irre, aber Clodwigs Söhne hatten mehr oder weniger feste Residenzen in den von mir genannten Orten. Was aber nicht heißen soll, dass sie nicht auch herumgewandert sind. Tut Angela Merkel ja auch, obwohl Berlin Hauptstadt ist. Und ob die späteren merowingischen Könige umhergezogen sind, weiß ich nicht, kann es mir aber nicht unbedingt vorstellen, wo sie eh keine Macht mehr besessen haben.
 
Möglich, dass ich mich irre, aber Clodwigs Söhne hatten mehr oder weniger feste Residenzen in den von mir genannten Orten. Was aber nicht heißen soll, dass sie nicht auch herumgewandert sind. Tut Angela Merkel ja auch, obwohl Berlin Hauptstadt ist. Und ob die späteren merowingischen Könige umhergezogen sind, weiß ich nicht, kann es mir aber nicht unbedingt vorstellen, wo sie eh keine Macht mehr besessen haben.

Ich nehme an im Zuge der vielen internen Machtkämpfe und den z.T faktisch autonomen Provinzen wird die Sitte wohl z.T. aufgegeben worden sein. Allerdings nicht ausgestorben, wenn doch noch die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches umherzogen.
 
Die von Dir genannte Sprachgrenze auf der Linie Boulogne-Brüssel-Lüttich-Metz resultiert auch daher,daß sich südlich davon zunächst das Reich von Soisson des Syagrius etabliert hatte.
http://http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Fr%C3%A4nkisches_Sprachgebiet.png&filetimestamp=20091130142034
Die im Mittelalter in Frankreich dann bestehende Sprachgrenze zwischen langue d´oil und langue d´oc südlich der Loire entsprach dann in etwa der Grenze zum tolosanischen Reich´der Westgoten,wenngleich die Entwicklung erst im 12.jahrhundert abgeschlossen war.
Datei:Langues de la France.svg ? Wikipedia.

Tante Wicki bemerkt dazu:
Das Okzitanische entwickelte sich aus dem Vulgärlatein im südlichen Drittel des heutigen Frankreich. Die Unterschiede in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung zwischen dem Süden und Norden Galliens in der Spätantike und dem Frühmittelalter spiegeln sich auch in der unterschiedlichen Sprachentwicklung wider. Unter anderem wurden die Varietäten des Südens im Gegensatz zu denen des Nordens kaum vom fränkischen Superstrat beeinflusst. Sie veränderten sich auf lautlichem Gebiet weniger schnell und behielten so größere Ähnlichkeit mit den übrigen romanischen Sprachen.:schlau:

 
Was übrigens Jahrhunderte dauern konnte (noch im Hochmittelalter gab es im Gebiet der heutigen Bundesrepublik romanische Sprachinseln).

Es handelt sich hier um Sprachinseln im Moselraum, deren Bewohner das so genannte "Moselromanisch" sprachen, das im 11. Jh. susstarb. Ein erstuanlicher Beweis von sprachlicher Kontinuität.

Moselromanische Sprache ? Wikipedia

Von einer Romanisierung der Franken lässt sich aber so wenig sprechen wie von einer Frankisierung der Romanen: Dort, wo die jeweile Sprachgruppe eine Mehrheit hatte, setzte sie sich auch durch.

Die in Nordfrankreich ab dem 6. Jh. ansässigen Franken wurden völlig romanisiert und formten zusammen mit den Galloromanen die (alt)französische Sprache, die bekanntllich zu den romanischen Sprachen zählt. Die Rheinfranken östlich des späteren französischen Staatgebietes wurden von dieser Romanisierung nicht erfasst und blieben bei ihren germanischen bzw. später deutschen Idiomen.

Es gibt hierzu eine schöne Karte im Großen Atlas zur Weltgeschichte (Westermann Verlag, S. 40) mit dem Kartentitel "Frankreichs sprachliche Entwicklung unter germanischem Einfluss", die die Sprachgrenzen um 900 und die französischen Sprachgewinne im Hochmittelalter zeigt.

Erstaunlicherweise hat sich diese uralte romanisch-germanische Sprachgrenze bis zum heutigen Tage nicht wesentlich verändert, kleinere Korrekturen einmal ausgenommen. So läuft sie bereits damals mitten durch das heutige Belgien, weicht im Saar-Moselraum bis auf Lüttich-Metz zurück und zeigt das Elsass natürlich als germanisches Sprachgebiet.

Größere Gewinne des Französischen im Hohen Mittelalter erfolgten vor allem im Raum Lyon-Vienne-Genf, wo sich die französische Sprache bis in die heutige französische Schweiz vorschob.
 
Interessant, davon wußte ich nichts. Wo waren die?

Außer an der Mosel auch noch im heutigen Chiemgau. Die ganzen Nester, die dort auf "-walchen" enden zeugen von der einstigen Anwesenheit der "Welschen". Übrigens stamme ich aus der Gegend.

zu Dieter: Jawohl, alles richtig. So in der Art habe ich es auch gemeint, also dass es keine umfassende Romanisierung der Franken gab, sondern nur in manchen Gegenden.
 
Außer an der Mosel auch noch im heutigen Chiemgau. Die ganzen Nester, die dort auf "-walchen" enden zeugen von der einstigen Anwesenheit der "Welschen". Übrigens stamme ich aus der Gegend.

Das Wort "Welschen" leitet sich von dem keltischen Stamm der Volcae ab und bezeichnet ursprünglich die Kelten (und wurde dann auf die romanisierten Kelten übertragen). Als die Angelsachsen im römischen Britannien auf die einheimischen Kelten stießen, die sich auf der westlichen Halbinsel gegen die Invasoren verteidigten (& dies angeblich immer noch machen), nannten sie die Kelten Waliser (& die Halbinsel, wo immer noch Keltisch gesprochen wird) "Welsh". Auch der frz-sprachige Teil Belgiens bewahrt in seinem Namen Wallonien noch den Namen der Volcae.
 
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