Die Marokko-Krisen

Am 01. Mai gibt Nicolson ein allgemeines Resumee der Lage. Neben einer Übersicht übe die bisherigen Verhandlungen und Pläne ist für uns eine grundsätzliche Stellungnahme wichtig. Nicolson stimmt mit dem britischen Botschafter in Berlin, Goschen, das es wichtig ist, Frankreich zu unterstützen, soweit wir das irgend können.

Der englische Gesandte in Fes, Lister, beschreibt die Lage dort als ruhig. Er regt an, das die Franzosen ihren Vormarsch nicht fortsetzen sollten, eben um Schwierigkeiten mit Deutschland zu vermeiden. Aber im Foreign Office war man der Meinung, das die Franzosen einen solchen Hinweis oder Ratschlag in diesem Sinne geben zu können.
Auch ein Vorschlag Spaniens sofort Verhandlungen zwischen den vier Mächten aufzunehmen, wird, nachdem ihn Frankreich für unannehmbar erklärt hat, von Sir Edward Grey als unerwünscht abgelehnt. England unterläßt es fortlaufend irgendwie mäßigend auf Frankreich einzuwirken. Es herrschte im Foreign Office die Überzeugung, "dass es unbedingt notwendig sei, das wir unsere Unterstützung Frankreichs nicht im allergeringsten wanken, da wenn Deutschland weiß, dass Russland , sowohl wie wir, Frankreich in dieser Lage durchweg entschieden zu unterstützen gedenken, dann m.E. (Nicolson) weniger Aussicht bestehen wird, dass sich irgendwelche europäische Verwicklungen ergeben."
 
Ich sehe schon, es ist nicht von Interesse, wie die Briten in der 2.Matokkokrise agierten.
Der sogenannte „Panthersprung“ über dem jeder alles berichtet, ist selbstredend spannender.

Dabei verdient er diese Aufregung gar nicht.

Am 01.Juli informiert der deutsche Botschafter, Metternich, das Foreign Office über die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs, eine Begründung wurde auch überreicht und schließlich um britische Unterstützung für eine Lösung der Marokkofrage erbeten.

Zuvor hatte Wilhelm II. den britischen König schon in Mai entsprechend informiert; dieser hatte anscheinend seine Regierung aber nicht davon in Kenntnis gesetzt.
 
Ein paar Worte zu der weltberühmten Mansion-House Rede von David Llyod George

Auszug:
"Ich muss aber auch dies sagen, das es m.E. im höchsten Interesse nicht nur unseres Landes, sonder der Welt, unbedingt notwendig ist, das Britannien unter allen Umständen seinen Platz und sein Prestige unter den Großmächten der Welt aufrecht erhält... Aber wenn uns eine Lage aufgezwungen würde, in der der Friede nur durch Preisgabe der großen und wohltätigen Stellung, die Britannien sich durch Jahrhunderte des Heroismus und großer Taten erworben hat, nur dadurch erhalten werden könnte, das man Britannien da, wo seine Interessen vital berührt werden, behandeln ließe, als ob es Rate der Nationen nicht mitzählte, dann, so erkläre ich mit Nachdruck, wäre ein Friede um diesen Preis eine Demütigung, die zu erdulden für ein großes Land wie das unserige, unerträglich wäre."

Lloyd George hatte diese Rede, die eine klare Kriegsdrohung war, nicht mit dem Kabinett abgestimmt gehabt. Aber Asquith, Haldane und natürlich Grey billigten die Rede voll und ganz. Die Lords Morley und Loreburn nicht.

Zu jenem Zeitpunkt verhandelten Franzosen und Deutsche in Berlin über eine Lösung der Marokkoproblematik. Lloyd George hat über den Umstand, wer hier das Völkerrecht gebrochen hat, vollkommen hinweggesehen. Großbritannien wollte und sollte mitzureden haben. In London gab man sich französischer als die Franzosen.

Jedenfalls war diese Rede laut Paul Cambon das Signal, das England im Zweifelsfall auf der Seite Frankreichs zu finden sei. Das hat Cambon in Berlin den Rücken gestärkt bzw. versteift. Das ist eine Wirkung der Rede. Die Verhandlungen wurden dadurch sicher nicht eben erleichtert.

Ausnahmsweise waren sich britische, französische und deutsche Presse vollkommen darüber einig, das die Rede eine handfeste Drohung war. Nur: In Deutschland dachte überhaupt gar niemand an einem Krieg.
Der "Echo de Paris" hat geurteilt, dass der englische Pressefeldzug gegen Deutschland die Verhandlungen in Berlin behindere, und seine Fortsetzung zum Abbruch der Verhandlungen führen könne.

In Deutschland musste eine solch eindeutige englische Stellungnahme das Gefühl der Englandfeindlichkeit eher verstärken und ein nicht befriedigenden Ausgang der Verhandlungen musste es zu diesem Schlusse zwingen, das Deutschland vor dem englischen Einspruch habe zurückweichen müssen. Der russische Botschafter in Berlin, Osten-Sacken, meinte dazu: "Der Stachel des verletzten Selbstwertgefühls musste in der Seele des deutschen Volkes zurückbleiben." Eine weitere Wirkung war also, das nun auch die erregte Öffentlichkeit hineingezogen worden war. Sie musste den Verhandlungen äußert hinderlich in dem Wege treten, die im Bedarfsfall den Rückzug der einen oder anderen Seite sehr erschwerte.
Der italienische Botschafter in Paris, Tittoni, hielt die Rede von Lloyd George ebenfalls für einen schweren Fehler, "da sich die englische Regierung ganz überflüssigerweise der öffentlichen Meinung gegenüber engagiert hat.

Die englische Regierung verlangte, ebenso die spanische, in die Verhandlungen mit eingeschlossen zu werden. Hierzu hätten ganz sicher die üblichen diplomatischen Kanäle ausgereicht, um diesen Anspruch vorzustellen.

Der deutsche Botschafter Metternich führte gegenüber Grey dann auch aus:
"Wenn die britische Regierung -dies sei als Hypothese aufgestellt- die Absicht gehabt haben sollte, die politische Lage zu verwickeln und einer gewaltsamen Entladung zuzuführen, so hätte sie kein besseres Mittel wählen können als die Rede des Schatzkanzlers, die in Bezug auf Deutschland der Würde und Stellung einer Großmacht, die der Schatzkanzler in seiner Rede für Großbritannien vindizierte, so sehr wenig Rechnung trug."

Lord Morley urteilt, "eine Politik der Abenteuer, weil sie zu dem Zweck, den Einschluss Englands in die deutsch-französischen Verhandlungen zu erreichen, gar nicht nötig gewesen wäre. Der britische Botschafter in Berlin Goschen meinte dazu: "Has undone all our work."
 
Sir Edward Grey war in dieser schweren Krise der Getriebene von seinen Mitarbeitern Sir Arthur Nicolson und den Senior Clerk Crowe.
Deutschland hat frühzeitig deutlich gemacht, das es willens war auf Marokko keine Ansprüche zu stellen. Das hätte allen Grund für das Foreign Office sein müssen, sich zu entspannen. So jedoch nicht Arthur Nicolson, der den Deutschen aus Prinzip nicht glaubte und traute. Er meinte, "Deutschland müsse seine Forderungen beträchtlich herabsetzen und sich mit angemessenen Zugeständnissen begnügen. " Das wird keine leichte Aufgabe, aber es wird geschehen müssen."

Am 25. Juli erreichte die Erregung im Foreign Office einen ersten Höhepunkt. Metternich trug in schroffen Ausdrücken den deutschen Protest gegen die Mansion-House Rede von Llyod George vor.
Grey hatte darauf erwidert, dass es nach dem Tone der deutschen Mitteilung mit der Würde Englands nicht vereinbar sei, Erklärungen über die Rede des Schatzkanzlers abzugeben. Der französische Botschafter war entzückt.

Jetzt wird es spannend. Grey informierte Churchill, das er angelich eine Mitteilung vom deutschen Botschafter erhalten habe, das die Flotte jeden Augenblick angegriffen werden könnte. Grey hat McKenna entsprechend informiert. Offen bleiben muss, ob Grey Metternich vorsätzlich missverstanden hat.

Jedenfalls wurden nun die "warning orders" an die Flotte gesandt. Die Schiffe lagen in tatsächlicher Erwartung eines deutschen Angriffs mit ausgebrachten Schutznetzen und Dampfauf während jender kritischen Tage. Der Militärattaché Österreich-Ungarns, Horvath berichtet:
" Die Schlachtschiffe hatten ihre Torpedonetze ausgelegt." Die Hafenverteidigung war in Kriegstätigkeit.
Der britische Militärattaché, Russel, in Berlin berichtet unter dem Datum des 27.Juli:
No signs of any usual military activity."

Im Foreign Office sah man die Dinge offenkundig nicht mehr klar. Dafür lebte das Gespenst eines überraschenden deutschen Angriffs in den Köpfen der Engländer. Es waren Wahnvorstellungen und schon fast eine Psychose, aus der heraus die kriegerischen Maßnahmen entstanden.

Der russische Botschafter Benckendorff kommentierte: "Noch ein Schritt weiter und ein Krieg zwischen Deutschland und England wäre ausgebrochen."
 
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Im Spätsommer ging Kiderlen im Urlaub. Anlaß im Foreign Office wieder nervös zu werden.

Am 01.September äußerte Jules Cambon, der von seiner Seite die Verhandlungen mit großem Geschickt leitete, gegenüber dem britischen Botschafter Goschen, "das sie in Frankreich den ungeheuren Vorteil der freien Hand in Marokko nicht einzusehen scheinen und auch die Tatsache nicht, dass sie, um zu bekommen was sie wollen, bezahlen müssen und er fügte dem seine Ansicht bei, das die Franzosen nicht genug anboten. Die Mansion-House Rede von Lloyd George läßt grüßen.

Cambon bat Goschen Grey "zu fragen, ob er sich nicht dazu verstehen könne, Bertie zu beauftragen, er soll den französischen Außenminister se Selves, als auch Caillaux aufsuchen und ihnen nachdrücklich vorstellen, dass es Ihnen lieb wäre, die Sache beigelegt zu sehen; und das es in Hinblick auf den großen Einsatz, um den sie in Marokko spielen, klug wäre, wenn sie sich bei ihren territorialen Vorschlägen recht großzügig verhielten und auf Fälle Vorschläge solcher Art machten, das einige Aussicht auf Annahme durch die Deutschen bestäande. Er (Cambon) bat mich inständig, Ihnen diese Anregung zu unterbreiten."

Und wie reagierte Grey? Zunächst gab er Bertie Anweisung in genau diesem Sinne, ließ sich aber von Bertie wieder davon abbringen, obwohl er der Meinung war, das Marokko den ganzen französischen Kongo wert wäre und "es reine Unvernunft, den Unterschied zwischen Krieg und Frieden vom Wesso-Alima Dreieck abhängig zu machen."

Cambon wiederholte seine Bitte. Grey lehnt erneut deutlich ab. "Ich wage es nicht, die Franzosen wegen des Kongo weiter zu drängen. Wenn ich das tue, können wir uns in Frankreich schließlich das Odium für eine unpopluäre Konzession zuziehen und die ganze Entente wird möglicherweise hingehen."

Goschen bezieht nun deutlich Stellung gegen sein Chef. "Ich muss sagen, das ich wirklich keinen Grund zu entdecken vermag, warum dies hätte nicht geschehen sollen, da doch schließlich die französische Regierung infolge eines Druckes interessierter Personen und ihrer Presse in ihren Zugeständnissen knausert und eine bedenklich Lage entsteht, wir die Zeche mitbezahlen müssen und ich meine daher, wir haben ein volles Anrecht darauf, ein Interesse an der Frage zu zeigen und sogar Rat zu erteilen. Niemand könnte ein eifriger Verfechter der Entente sein als ich, aber ich gestehe, es würde mir leid tun, britisches Gut und Blut im Interesse von ein paar französischen Finanzmännern und von Leuten geopfert zu sehen, die so kurzsichtig sind, dass sie nicht zu sehen vermögen, wie üppig ihr Butterbrot in Marokko bestrichen worden ist."
 
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Der Pantersprung ist ja für die Marrokokrise bekannt,das die Deutschen da Stellung bezogen weil die Franzosen ins Land einmaschiert sind auch.Aber den Grund warum die Deutschen nicht in Agadir an Land gingen war mir bisher bekannt ;es sollten nämlich gefährdete Deutsche vor den frz. Truppen gerettet werden.

Herrman Willberg ,ein Bergbauingeneur der in Essaouira wohnte ,sollte den Anlaß geben für die Deutschen Agadir zu besetzen.Er schaffte es jedoch nicht pünktlich beim Eintreffen der Schiffe vor zu sein. @Turgot korrigiere mich wenn ich falsch liege.
 
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