Solche Behauptungen machen heute, außer dem Volksnahen, kaum wirklich Sinn…
Zumindest was das ›Bewusstseinserweiternde‹ von harten Drogen anbetrifft:
Mag ja sein, dass man nach der Einnahme mancher Drogen eine völlig ungewohnte Art von Erlebnissen hat, und auch, dass manche dieser Mittel das Gefühl einer Steigerung der Präsenz verleihen. Auf die Länge jedoch wirken harte Drogen destruktiv; destruktiv auf den Konsumenten und auch auf ihre Umgebung. Ich kenne Leute, deren einzige Beschäftigung jahrzehntelang aus der Beschaffung eines Rausches bestand. Ihr Bewusstsein ist heute stark beeinträchtigt und ihre mentalen Fähigkeiten befinden sich auf dem Niveau eines Kindes. Verantwortung ist per se non-existent. Kommt noch plötzlich die Suche nach einem (bereits vergebenen) Lebenssinn hinzu, wird der berauschte Infantilismus höchst bedrohlich für die Gesellschaft.
Das Sedativ des ignoranten Egomanen wird mit der Zeit zum Stimulans des verblödeten Egomanen.
Ich will hier keine Werbung für Opiate machen. Es lässt sich aber nicht bestreiten, dass Morphin auch heute noch zu den potentesten Analgetika gehört, und dass Opium und Morphinderrivate nicht nur auf allen Schlachtfeldern seit der Antike millionenfaches Leid gelindert haben. Opium ist eine Rauschdroge, aber auch ein Medikament, das eine erstaunlich breite Spannweite von Beschwerden wirksam bekämpft: Reizhusten, Durchfall und natürlich seine Qualität als Schmerzensbrecher. Als während des Amerikanischen Bürgerkrieges erstmals Morphin in größerem Umfang eingesetzt wurde, gingen die Abgänge in den Lazaretten um mehr als 50 % zurück. Durch die etwa gleichzeitige Erfindung der Injektionsspritze durch einen Edinburger Arzt, konnte das Analgetikum leichter dosiert werden und wirkte sofort. Vorher stand nur Opium oder Opiumtinktur zur Verfügung, das nur oral appliziert werden konnte. Da der Morphingehalt je nach Herkunft stark schwankte, war es schwerer zu dosieren. Entweder war die Dosis zu gering, um die Schmerzen wirksam zu bekämpfen, und im schlimmsten Fall konnte es bei dem Mangel an ausgebildeten Pflegekräften vorkommen, dass ein Patient überdosiert wurde und an Atemdepression starb.
Andererseits gab es natürlich die Suchtgefahr. Morphin, einige Jahrzehnte später auch Kokain und Heroin waren Bestandteil einer Unmenge an Mittelchen, Tonika, Puder etc.. Eine Kennzeichnungspflicht und eine Mengendosierung war nicht vorgeschrieben. Heroin zum Beispiel wurde sehr aggressiv beworben, es wurden Proben an Ärzte verschickt, und es war Bestandteil von Hustensäften für Kinder. Der Wirkstoffgehalt von "Wundermitteln" wie Angelo Marianis Tonikum oder von Coca Cola waren relativ gering, trotzdem muss aus heutiger Sicht die Verwendung von manchen Mittelchen, die hochpotente Alkaloide kombinierten ohne dass Wirkstoffe und Dosierung angegeben werden mussten, als verantwortungslos bezeichnet werden, Es dauerte bis ein Umdenken erfolgte, in den "Flegeljahren der Pharmaindustrie" glaubte man mit Alkaloiden wie Morphin, Kokain und Heroin den Stein der Weisen gefunden zu haben. Seit der Opiumkonferenz 1910 versuchten verschiedene Staaten, den Opiumhandel zumindest zu kontrollieren. Kennzeichnungspflicht, Apothekenpflichtigkeit und Rezeptpflicht wird man durchaus als vernünftig bezeichnen müssen. Dennoch hatten die Prohibitionsmaßnahmen die kurz vor und nach dem 1. Weltkrieg einsetzten fast alle ein Geschmäckle. Statt sachliche Aufklärung, Prävention und suchtmedizinische Behandlung von Abhängigen zu organisieren, verfiel man von dem Extrem einer fast verantwortungslosen Nachlässigkeit wie Ende des 19. Jahrhunderts in immer brutaler werdende Antidrogengesetze, die auf Tabuisierung, Verdrängung und Stigmatisierung basierten und in der Regel auch mit einer gehörigen Dosis an Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einhergingen. In den USA wurde gegen Chinesen und Latinos gehetzt, In Deutschland gegen Juden. Angehörige von Pflegeberufen waren unter Morphinisten besonders stark vertreten, und viele praktische Ärzte waren Juden. Morphin galt als eine Droge der Schauspieler, der Ärzte und der Juden. In einem Aufsatz in einer renommierten medizinischen Zeitschrift hieß es, dass Problem des Morphinismus werde erst gelöst werden, wenn die Judenfrage gelöst sei. Die Verwerfungen des 2. Weltkriegs sorgten dafür, dass auf allen Seiten tüchtig gesoffen, gejunkt, gekokst und Pervitin konsumiert wurde.
Nach dem 2. Weltkrieg hatte man zunächst andere Sorgen, es gab Kriegsinvalide, Ärzte, Krankenschwestern u. a. die Morphinisten waren, es gab natürlich mal den ein oder anderen Apothekeneinbruch. Ansonsten war das alte Reichsopiumgesetz von 1929 noch gültig, die § wurden aber bis 1972 kaum angewendet. Das änderte sich, als die Boulevardpresse nach der 1968er Bewegung das "Drogenproblem" skandalisierte. In den USA wurden Drogengesetze bis zur Absurdität verschärft, wie William Burroughs es eindringlich in "Junkie" beschreibt. in den 1970er Jahren tauchte ein neuer Typus von Morphinisten, die Kinder vom Bahnhof Zoo, von der Taunusanlage, vom Friedrichsplatz auf. Waren die Morphinisten der 1920er bis 1960er Jahre in der Regel zwischen volljährig bei Erstkonsum, oft gut ausgebildet und integriert, bekamen Krankenhäuser immer häufiger Besuch von minderjährigen, ja Kindern, die heroinabhängig geworden waren. Heroin bekam das Image einer "Igittdroge" und wer so etwas nahm, der war kriminell oder geisteskrank, Kriminelle Geisteskranke und geisteskranke Kriminelle". Mit dem neuen Betäubungsmittelgesetz 1972 wurde endgültig ein Drahtverhau von Paragraphen gezogen, der es praktisch unmöglich machte, dass Süchtige sich ihren Stoff vom Arzt verschreiben lassen konnten oder Ärzte sich relativ ungehindert Zugang zu Morphin verschaffen konnten. Opium verschwand fast völlig vom Markt, und halbsynthetische Drogenwie Heroin und Kokain und vollsynthetische Designerdrogen eroberten den Markt. Gegenwärtig ist Cannabis die einzige rein pflanzliche Droge mit nennenswertem Marktanteil.
Ich kenne auch eine Menge Junkies, vor denen kann man wirklich Angst haben. Der Affe braucht Zucker, und der muss finanziert werden. Prostitution ist nicht ganz ungefährlich, Drogenhandel noch gefährlicher und nervenaufreibender. Der einfachste Weg ist, das Geld für den Zucker oder noch besser den Zucker selbst, vom Artgenossen zu stehlen, zu rauben oder zu erpressen, denn der kann nicht zur Polizei gehen. Manchmal tut´s einer trotzdem, was bei Polizeibeamten für große Erheiterung sorgt.
Auf die mit dem Finger zu zeigen, sich über asoziale Junkies und Penner zu mokieren, ist aber allzu billig. Es stellt sich die Frage was ist überhaupt eine harte Droge und für wen? Sola Dosis fact venemum, allein die Dosis macht das Gift, wusste schon der alte Paracelsus. Es gibt Tausende von Schmerzpatienten, die mit Hilfe von Morphin jahrelang ein relativ "normales" Leben führen können. Moderne Morphinpräparate, retardiertes Morphin hat auch lange nicht das Abhängigkeitspotenzial wie früher. Seit 2015 ist es auch in der Bundesrepublik zur Substitution zugelassen. Studien berichten, dass Patienten eine Dosis jahrelang konstant halten können und gesünder und zufriedener sind, als Patienten, die mit Methadon substituiert werden.
Selbst Heroin (Dia-Morphin) könnte in der Palliativmedizin von großem Nutzen sein. Es ist potenter als Morphin und verträglicher. Menschen, die es nicht gewöhnt sind, wird häufig zu Beginn einer Behandlung schlecht, da Morphin das Brechzentrum im Gehirn reizt. Kein vernünftiger Mensch würde "harte Drogen" unkontrolliert auf den Markt bringen wollen. Generell "harte Drogen" und deren Konsumenten als destruktiv zu diskreditieren, sie zu einer Bedrohung der Gesellschaft zu erklären, birgt die Gefahr, einer Anti-Drogen Propaganda auf den Leim zu gehen.
In den 1980er und 1990er Jahren riskierten Ärzte die Suchtkranke behandelten, die Approbation. In den Ärztekammern herrschten damals noch tiefbraun belastete "Koniferen" und Eugeniker wie Hans Joachim Severing, der es zum Präsidenten der bayrischen, später der Deutschen Ärztekammer brachte.
Mit ihrem sturen Festhalten am Abstinenzparadigma, und mit dem gnadenlosen Vorgehen gegen Kollegen und Abweichler, die eigentlich wegen ihrer Verdienste auf dem Gebiet der Harm-Reduction und Prävention hätten gefördert werden sollen, haben dadurch Verzweiflungstaten bis zur Selbstinfektion geradezu herausgefordert und letztlich 1000 Mal, als die miesesten Junkies es könnten, die Menschen, die sich nicht wehren können berauben, bestehlen und erpressen. Eine Gesellschaft die nach ihrem Anspruch ein bürgerlicher Rechtsstaat ist, der humanitären Idealen verpflichtet ist, wird sich auch daran messen lassen müssen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht.
Reaktionäre Politiker und Medizinalbürokraten wie Severing die überfällige Reformen selbstherrlich blockierten und gnadenlos gegen Kollegen vorgingen, die suchtkranke behandelten, haben der Gesellschaft weitaus mehr Schaden zugefügt, als der Mob es könnte. Ein Münchner Arzt verlor die Approbation, weil er ambulant Entzugsbehandlungen mit Methadon durchgeführt hatte und dabei sogar recht erfolgreich war. Damit haben sie Verzweiflungstaten mit zu verantworten, haben sie geradezu herausgefordert. Leidtragende waren aber nicht nur Suchtkranke, sondern auch "normale" Menschen, die als Schmerzpatienten ein Morphinpräparat benötigt hätten, weil andere Mittel nicht mehr wirkten. Wer nicht gerade Krebs im Endstadium hatte oder Kriegsinvalide war, aber an Schmerzen litt, die nur durch Morphinderivate therapierbar waren, hatte bis vor einigen Jahren praktisch überhaupt keine Chance, ein Schmerzmittel zu bekommen, das ihm/ihr Erleichterung verschaffte.
Sorry, das hatte nun mit den Opiumkriegen herzlich wenig zu tun. Immerhin ist es lange genug her, um als Kuriosum der Sozial- und Medizingeschichte durchgehen zu können.