Die Passion Christi - realistisch oder nicht?

Es ist ein Bibelfilm, vielleicht etwas roher und rustikaler, als man es gewohnt ist, aber ein Bibelfilm.

Es kann nicht! Die Nägel müssen durch Elle und Speiche getrieben werden. Es gab allerdings auch die Möglichkeit, einen Delinquenten an das Kreuz anzubinden. Die Todesqual verlängerte sich dabei allerdings um einige Stunden, wenn nicht Tage...

Nun ja, wenn man sich die älteren Bibelfilme anschaut, die sonst so im Fernsehen laufen, dann muss man auch sagen, dass die wirklich relativ harmlos sind.

Zur Kreuzigungsart: Die Möglichkeit mit dem Anbinden bestand natürlich. Und dann wäre auch durchaus der Nagel durch die Handfläche denkbar gewesen. Denn das Gewicht wäre durch das Anbinden tragbar geworden und die Qual wäre noch einmal höher, da durch die Handflächen viele Nervenbahnen verlaufen. Man kann nicht mehr sagen auf welche Kreuzigungsart Jesus hingerichtet worden ist, dazu gibt die Bibel leider keine Auskunft. (Die Anwendung von Nägeln - in welcher Weise - auch immer scheint aber belegt)
Zusammendfassen könnte man sagen, dass die Römer bei einer Kreuzigung derart flexibel waren, dass man Seiten mit den verschiedenen Arten füllen könnte.

s.d.caes.
 
Und ich meinte, daß er sich nicht nur an der Bibel, sondern auch an den Visionen der Frau Emmerich orientiert.








Das Johannesevangelium zählt allerdings gerade nicht zu den synoptischen Evangelien.
Das ist allerdings ein Fauxpas meinerseits, aber zum Glück haben wir aufmerksame und gebildete Moderatoren.
 
Ich erlaube mir dazu noch einige kurze Anmerkungen, zumal der Film am Karfreitag als Free-TV-Premiere auf ProSieben gelaufen ist.

Zu den im Film gesprochenen Sprachen: es handelte sich um das bereits von Secundus genannte italienisch akzentuierte Latein und Aramäisch sowie daneben ein wenig Hebräisch (sporadisch gesprochen von den Hohepriestern).

Zum Filmkonzept: genaugenommen ist es eine sehr drastisch-blutige Inszenierung, welche an volkstümliche Passionsspiele angelehnt ist. Der Aspekt der Gewaltdarstellung wird dabei sehr exzessiv umgesetzt, wobei an manchen Stellen das erträgliche Maß jedoch überschritten wird.
Um nicht falsch verstanden zu werden, kritisiere ich dabei nicht die Darstellung und/oder die Bilder an sich (da diese zum Kontext gehören, nicht stärker sind als bspw. in Horrorfilmen und auch nicht "genüßlich-vergnügt" daherkommen), sondern vielmehr das Ausmaß. Was bitte schön sollen ständige übersteigerte Wiederholungen dieser Bilder und Bilder, die noch zusätzlich eingfügt wurden (z.B. der Rabe, der das Auge aushackt)? Meines Erachtens ist die Passionsgeschichte an sich bereits blutig genug und besitzt auch ohne diese "Verstärkungen" entsprechendes Potential...

Zum Vorwurf des Antisemitismus: zunächst erschienen mir die Römer nicht unbedingt positiver gezeichnet als die Juden. Auch werden jüdische Figuren hervorgehoben, die durchaus als "Gegenstimmen" und/oder "Pro Jesus" wahrzunehmen sind (Josef von Arimatäa, Nikodemus, Malchus, Simon von Zyrene, Veronika). Problematisch allerdings sind diesbezüglich die Figur des Kaiphas sowie der Hohe Rat als solcher, aber auch das pöbelnde jüdische Volk, welches allzu leicht als "monolithischer Block" wahrnehmbar ist und deswegen die Gefahr birgt, daß eine Art "Kollektivschuld" gesehen werden kann.
Außerdem ist auch die Auswahl der Evangelientexte als Kritikpunkt immer wieder genannt worden, da auch hier Textpassagen zitiert wurden, welche entsprechende Stereotype bedienen und so ein eher negatives Bild der Juden vermitteln. Dieser Kritikpunkt ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen und sollte beim Sehen des Films mE auch bedacht werden.

Aber abschließend habe ich noch eine Anmerkung jenseits dieser üblichen diskutierten Punkte zu machen: sicherlich lag das Hauptaugenmerk auf der Leidensgeschichte, eben der Passion. Dennoch finde ich, daß dem Film ein wenig mehr Vorgeschichte zum Leben Jesu als nur Rückblenden ebenso gut getan hätte wie ein Epilog des Auferstandenen, der in früheren Verfilmungen der Thematik selbst Atheisten zu rühren imstande war. So verarbeitet der Film die Thematik nur in gekürzten Ansätzen, was im Zusammenspiel mit der sehr vordergründigen und übersteigerten Gewalt doch unterm Strich einen recht faden Beigeschmack bei mir hinterlassen hat.

Soweit meine bescheidene Meinung zur "Passion Christi"... (die - wie immer - niemand teilen muß...)
 
Doch ich teile sie... aber mir ist noch etwas aufgefallen, weniger religionsgeschichtlich als vielmehr filmgeschichtlich, Irrtum aber nicht ausgeschlossen:
Die Darstellung des Herodes Antipas erinnerte mich stark an Ustinov als Nero in Quo vadis? und sein Hofstaat an den von Jabba the Hutt in Return of the Jedi. Ich glaube hier waren diese beiden Filme mehr gibson'sche Inspiration, als die Evangelien.
 
Leider habe ich bisher nur den Teil ab der Geißelung gesehen. Soweit ich informiert bin, wollte Gibson mit seinem Werk schon Nahe an die Wirklichkeit herankommen. Wo nichts genaues überliefert wird, scheint er aber nahezu in die Perversität abzugleiten. Ich denke da nur an die völlig verausgabten, vor Freude und sexueller Erregung sabbernden Legionäre bei der Geißelung. Oder die kurz im Bild erscheinende absoluthäßliche Visage eines jüdischen Kindes (Sollte das irgendwas ausdrücken?). Mel Gibson ist ein, wie ich finde, hervorragender Schauspieler. In seinen religiösen und politischen Ansichten ist er aber ein katholischer Taliban. Und so ist sein Werk.
 
Das mit dem Kind hast Du missverstanden. Bei der androgynen Figur, die es auf dem Arm trägt handelte es sich um den Verwirrer, der schon in der ersten Szene im Garten Gethsemane auftaucht und eine Schlange zu Jesus schickt, die dieser aber zertritt. Bei speziell diesem Kind könnte es sich also z. B. um den Antichristen handeln. Überhaupt sind die Kinder hier vielfach als Transporteure des Teufels dargestellt. So sieht Judas in den Kindergesichtern teuflische Fratzen und die Kinder treiben ihn, Steine schmeißend, aus Stadt hinaus bis zu einem verendeten Esel, dessen Strick er nimmt um sich zu erhängen. (Man sieht hinterher nur noch seine baumelnden Füße und das Grinsen des verwesenden Esels).
 
Mel Gibson ist ein, wie ich finde, hervorragender Schauspieler. In seinen religiösen und politischen Ansichten ist er aber ein katholischer Taliban. Und so ist sein Werk.
Schau Dir mal den neueren Teil seiner Filmographie an. Irgendwann merkt man schon welches Gedankens Kind Gibson ist und er hat sich von den positiven Filmen wie "Gallipoli" ziemlich entfernt, wie ich meine.
 
Schau Dir mal den neueren Teil seiner Filmographie an. Irgendwann merkt man schon welches Gedankens Kind Gibson ist und er hat sich von den positiven Filmen wie "Gallipoli" ziemlich entfernt, wie ich meine.

Auf welchen neueren Teil spielst Du genau an?

Und ich würde doch bezüglich der Historizität des Films anmerken, daß - meiner Erinnerung nach - Gibson ähnliches auch bei Braveheart behauptete.
Obgleich ich ihm hier zu Gute halten würde, daß das Sujet in diesem Fall ungleich schwieriger ist.
 
Und ich würde doch bezüglich der Historizität des Films anmerken, daß - meiner Erinnerung nach - Gibson ähnliches auch bei Braveheart behauptete.
Obgleich ich ihm hier zu Gute halten würde, daß das Sujet in diesem Fall ungleich schwieriger ist.
Vielleicht für uns Festlandseuropäer, aber ich denke, dass die Erinnerung der Ereignisse auf den britischen Inseln schon noch für Zündstoff sorgt.
Nein wirklich "Der Patriot" und "Braveheart" sind schon sehr bedenklich, denn sie legen gerade was den Erfolg der Filme betrifft ein trauriges Zeugnis für die Diferenzierung von geschichtlichen Ereignissen und Feindbildern ab.:motz: Man ist eben danach und unter Berücksichtigung der beiden Machwerke verleitet, Gibson schonmal bei jedem historischen Thema einen ebensolchen Umgang zu unterstellen. :)devil: )

Dass nur dazu als Antwort. Ich hatte das Vergnügen tatsächlich "Die Passion Christi" im Rahmen des Religionsunterrichts anzuschauen und fand ihn zwar etwas ekelig, aber wenigstens nicht politisch inkorrekt. Dazu muss ich allerdings zugeben, dass ich theologisch nicht sehr bewandert bin und mich eher recht exotische historische Glaubensrichtungen wie der Kult des Höchsten Wesens interessieren. Die Kritik an der Ausstattung überlasse ich lieber den Antiken-Experten, wie diese mir ja auch selbiges im Bezug auf Filmen zum 18.Jh. zugestehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist keine Frage, inwiefern sich der Film an die historischen Fakten hält, sondern vielmehr wie weit die Bibel ein historisches Werk ist oder irre ich mich dort?
 
Jein! Natürlich sind die Evangelien als historische Quellen eine eigenständige Gattung, die nicht unbedingt das Ziel haben, historische Ereignisse zu berichten; besonders Johannes hat ein Stück Literatur geschaffen. Aber die Evangelien berichten z.B. nicht, in welcher Sprache Jesus sprach. Hier spielen dann andere historische Überlieferungen, besonders Überrestquellen eine Rolle. Z.B. spricht Jesus Aramäisch und Latein. Genauso Pontius Pilatus. Hier stellt sich die Frage, ob nicht Griechisch als Verwaltungssprache des römischen Ostens die richtige Wahl gewesen wäre, auch für die Legionäre. Die Zeit der römischen Bürgerheere war ja schon vorüber.
 
Ich glaube es fällt nicht auf, wenn ich in einen so alten Thread was dazuschreibe.
Habe mir den Film angesehen, hatte bis jetzt einfach nie die Lust den Film zu gucken.
Grundsätzlich weiß der Gibson schon wie man etwas bildgewaltig auf die Beine stellt.
Was ich gelesen habe ist ja der Film so ziemlich von jeder Seite kritisiert worden, die es gibt.

Ich finde den Film nicht grundsätzlich so schlecht.

Tatsächlich könnte es Mel Gibson gut gemeint haben, ich traue dem menschlichen Sadismus schon einiges zu, ist es doch nicht mal so lange her, dass Menschen auf ein Feld getackert und mit Sensen getötet wurden.
Er sagt ja selber, dass er die Gewalt zeigen wollte, wie sie war.

Aber:

Die Brutalität ist dermaßen überstilisiert, dass es die Hälfte auch schon getan hätte.
Die Szene als sich das Flagrum an den Rippen festtackert und dann praktisch die ganze Haut und das Fleisch brutal abgerissen wird ist einfach nur noch reiner Selbstzweck, vor allem das viele Blut dass scheinbar in unendlichen Mengen aus Jesus zu spritzen scheint.

Die Bösartigkeit der ganzen römischen Soldaten ist nicht mal so weit weg.
In ziemlich vielen Kriegen der letzten paar Jahrzehnte wurden Menschen fröhlich verstümmelt, vor 2000 Jahren war es höchstens schlimmer.
Was mich aber angeht, ist dieses merkwürdige hin und her gerissen sein der Römer und der ganzen Anwesenden.
Zuerst quälen sie ihn wie ein Tier, dann haben sie wieder Mitleid, dann schlagen sie wieder zu, dann haben sie wieder Mitleid, dann quälen sie ihn weiter, dann haben sie wieder Mitleid, und zum Schluss fehlt es nur noch dass sie ihn vergewaltigen vor der ganzen Meute.

Das was ich mich die Ganze Zeit gefragt habe ist ob ein Mensch überhaupt so lange diese überzeichnete Tortur aushalten könnte.
Soweit ich weiß ist ab einer gewissen Schmerzgrenze sowieso die Psyche auch im Spiel oder man fällt in Ohnmacht.
Bataille hat ja in einem Buch über das chinesische Lingchi geschrieben und war ja davon fasziniert, wie der Gefolterte gen Himmel blickt.
Beim Lingchi hat man aus rituellen Gründen Schwerverbrechern und Königsmördern mit Messern Teile des Fleisches runtergeschnitten.
In diesem Fall ist man schon längst im Nirvana.
Jim Caviezel dagegen spürt bis zum Ende jeden Schmerz, obwohl ihm praktisch die Haut nur noch an ein paar Segmenten am Körper hängt.
Unrealistisch.

Pontius Pilatus ist dermaßen lieb, ein Wunder, dass die Römer es geschafft haben jahrhundertelang ein so großes Territorium zu beherrschen.
Aber naja, dafür sind seine Soldaten so mit Abstand die schlimmsten unzivilisierten und gemeinsten Sadisten, die man sich vorstellen kann.
Bis sie halt wieder Mitleid für Jesus haben.
Und dann wieder weitermachen.

Was mir gefällt ist der Einsatz der damals gängigen Sprachen, zwar auch nicht total korrekt, aber der gute Wille sollte schon zählen.
Ich schaue mir demnächst mal den Scorsese-Jesus mit Willem Dafoe an, mal schauen wie der ist.
 
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