Was die Geißeln, oder Flagellanten angeht, gibt es hier schon einen Thread:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=319&highlight=Flagellanten
Ansonsten kann man das Thema noch durch Wikipedia etwas bereichern.
Zitat:
Flagellanten
Flagellanten (Holzschnitt aus dem 15. Jahrhundert)Die Flagellanten- oder Geißler-Bewegung (auch Bengler) war eine christliche Laienbewegung im 13. und 14. Jahrhundert.
Ihr Name geht auf das lateinische Wort flagellum (Geißel, Peitsche) zurück. Zu den religiösen Praktiken ihrer Anhänger gehörte die öffentliche Selbstgeißelung zur Buße. Die Geißelung war damals als religiöse Praktik keineswegs unüblich, auch viele vorchristliche Religionen, z.B. der ägyptische Isis-Kult und der griechische Dionysos-Kult pflegten ähnliche Riten. Auch während der römischen Lupercalia wurden Frauen gegeißelt, um die Fruchtbarkeit anzuregen. Die Juden praktizierten die Selbstgeißelung bei großen Tempelzeremonien.
Ob bei diesen Geißelungsriten neben religiösen Motiven auch sexuelle (Masochismus, Flagellantismus) eine Rolle spielten, muss der Spekulation überlassen bleiben.
Der Ursprung der Flagellantenbewegung geht auf Mittelitalien im 12. oder 13. Jahrhundert zurück. Als im Jahre 1347 die Pest über Europa einbrach, hatten die Flagellanten großen Zulauf, denn die Menschen verstanden ihr Schicksal als Gottesstrafe für ihr sündhaftes Leben.
Im Oktober 1349 verbot Papst Clemens VI. in einer Bulle die Geißlerbewegung. Das Konstanzer Konzil verbot 1417 die Bewegung erneut. Im 16. Jahrhundert entstanden in Frankreich jedoch neue Büßer- und Flagellantenbewegungen. Bis etwa 1820 fanden noch vereinzelte Flagellantenprozessionen statt.
Bericht über die Geißler aus Speyer aus dem Jahr 1349
Christoph Lehmann, Stadtchronist von Speyer, berichtet über die Geißler in seiner Stadt:
„Von der Geißler Sect, welche Anno 1349 angelangt. In berührtem Jahr ist eine neue Sect der Geißler entstanden, deren Anfänge man nicht erfahren. Die haben fürgeben und auch zum Augenschein fürgelegt einen Brieff, den ein Engel vom Himmel zu Jerusalem in St. Peters Kirchen geliefert haben soll, des Inhalts, daß Gott über der Welt Sünde und Bosheit hefftig erzürnt darum er die Welt habe wollen lassen untergehen. Auf der Jungfrau Marien und der heiligen Engel Fürbitt der-selben verschont, doch den Menschen diese Straf und Buß verkündigen lassen, daß ein jeder 34 Tag in der Frembde umbreysen, seinen Leib geißeln und hiemit Gott versöhnen soll. Hierauff haben sich etliche hundert Personen, Mann, Weib und Kinder, zusammen rottiert und seynd im Land umbgezogen... derselben Sect 200 Personen aus Schwaben zu Speyr im Brachmonat Anno 1349 ankommen, auffm Platz vorm Münster einen großen Ring gemacht, in ihrer Prozession alle mit bedecktem Haupt unter sich und traurig ausgesehen, Geißeln von dreyen Seylen, und vornen mit eysen Creutzlin in Handen getragen. In dem Kreyss haben sie ihre Kleyder abgelegt, den Leib mit einem Schurz gegürt und mit sonderm Gesang und Ceremonien sich über Rücken mit den Geißeln blutrünstig geschlagen. Seynd darnach uffs Angesicht plötzlich niedergefallen, haben mit weinenden Augen ihr Gebet verricht, männiglich zur Buße vermahnt, und da sie wieder auffgestanden, obberührten Brieff öffentlich verlesen und jedermann eingebildet, derselbe sey vom Himmel kommen. Zu Speyr haben sich auss der Stadt auff 200 Personen in den Orden begeben und seynd mit im Land umbgestrichen".
Der Anführer der Geißler traf allerdings eine strenge Auswahl: Nur wer mit Einverständnis seiner Frau kam und in die allgemeine Kasse für jeden Tag einzahlte, damit er nicht betteln musste, durfte mit ihnen ziehen.
Quelle: Fritz Klotz: "Speyer. Kleine Stadtgeschichte. Beiträge zur Speyrer Stadtgeschichte". Heft 2. Speyer: Historischer Verein der Pfalz, 1971
Die sogenannte "Datenschlag-Chronik des Sadomasochismus" beschreibt:
circa 1210
Entstehung der Flagellanten-Bewegung in Mittelitalien. Die Angehörigen dieser schwärmerisch-religiösen Laienbewegung peitschen oder geißeln sich zur Buße selbst bis aufs Blut. Der religiöse Flagellantismus breitet sich in ganz Mittel- und Westeuropa aus und erreicht während der Pestjahre 1348 und 1349 seinen Höhepunkt. Papst Clement VI. (1332-1352) erlässt eine Bulle gegen die Flagellanten. Das Konstanzer Konzil verbietet die Bewegung 1417. Im 16. Jahrhundert entstehen in Frankreich zahlreiche Büßer- und Flagellantengesellschaften. 1601 erlässt das Parlament von Paris einen Befehl gegen die Brüderschaft der Flagellanten in Bourges und geht bald darauf gegen alle Flagellanten-Verbindungen vor, unter anderem mit der Begründung, sie seien unzüchtig. Vereinzelte Flagellanten-Prozessionen finden noch bis etwa 1820 statt.
Ob die Flagellanten-Bewegung eine sexuelle Dimension hatte, ist umstritten. "Der Fanatismus und der Aberglauben", heißt es bei Giovanni Frusta, "bildeten die erste Unterlage; die Sinnlichkeit kam später hinzu und vollendete das Werk."
(dtv Lexikon München 1999)
(Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 7, Mannheim 1995, S. 109 ff.)
(Coo99, S. 40 ff.)
Goya hat die Fagellanten auch gemalt; hierzu findet sich unter
http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen16.htm
folgender Text:
"Flagellanten (Geißler, Geißelbrüder, Flegler oder Bengler), eine Brüderschaft des 13. Jahrhunderts, die die von der Kirche gebotenen Gnadenmittel zurückweisend, sich durch die Geißelung des Körpers Vergebung der Sünden zu erlangen suchte. Zwar kannte das Altertum auch schon flagellantische Kulte, wie etwa die Luperkalien (s. d.), doch war dabei das gerade Gegenteil die Absicht, denn während das Altertum in der Flagellation den Schlag mit der Lebensrute (s. d.), einen Fruchtbarkeitskult, also die Auferstehung des Fleisches betrieb, suchten die Flagellanten des Mittelalters durch die Geißelung das Fleisch zu ertöten, obschon sich auch hier oft die ältere erprobte Wirkung einstellte. Die Geißelung als Bußdisziplin (s. d.) verdankte ihre Ausbildung dem Benediktinerpater Pier Damiani im 11. Jahrhunderte und ist eine Reaktion gegen die geschlechtliche Unzucht, die durch das Beispiel einzelner Fanatiker schließlich als epidemisches Übel um sich griff und breite Massen mit unwiderstehlicher Gewalt als wahre Algolagnie erfasste. Man zog bald in Prozessionen paarweise bis auf den Gürtel entblößt, mit verhülltem Haupte von Ort zu Ort und geißelte sich unter fürchterlichem Geschrei oder unter Bußgesängen den Rücken blutig. Die ersten großen Prozessionen der Flagellanten sollen von Perugia aus um 1260 ihren Anfang genommen haben, als ganz Italien mit vielen Lastern befleckt war. Durch die Pest, als vermeintliches göttliches Strafgericht, fand die Geißelwut im 14. Jahrhundert auch in Deutschland ihren Eingang und gab Veranlassung zu neuen großen Flagellantenzügen, die sich von Ungarn durch ganz Deutschland bis nach England erstreckten und off nur schwere Unsittlichkeitsexzesse hervorriefen, da durch die Entblößungen und die sadistischen Wirkungen der Misshandlung das Blut oft mehr in Wallung geriet, als sich abkühlte. Die Kirche schritt daher zu energischen Verboten, da die Flagellanten schließlich als schwärmerischer Unfug und eine Störung der bürgerlichen Ordnung empfunden wurden. Hatten sich doch schon einzelne Sekten der Flagellanten gebildet, die den Klerus für den Antichrist erklärten und die Bluttaufe der Geißel an die Stelle aller kirchlichen Sakramente setzten. Als die Inquisition gegen die Flagellanten mit Scheiterhaufen einsetzte, zogen es diese vor, sich im 14. und 15. Jahrhundert in heimliche Geißlersekten, wie die »Fraticellen«, »Begharden«, »Begutten« usw., umzugestalten, bei denen die Geißelung allmählich die Form raffiniert sinnlicher Ausschweifungen und auch Beziehungen zum Satanismus angenommen haben soll. Mit dem Ende des 15. Jahrhunderts waren die Flagellanten wohl erloschen und die Ausübung ihrer Maximen vollzog sich wieder nur im Inneren der Klöster, um hin und wieder in einem Flagellationsskandal für die Öffentlichkeit aufzuflammen."
[Quelle: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. --
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. --
Also, gesamt scheint es, die Geißler haben die Pest mehr oder weniger ausgenutzt, um ihre nun in der Zeit nicht mehr wirklich nachvollziehbaren Absichten durchzusetzen. Einiges spricht anscheinend dafür, dass es sexuelle Ziele waren, für welche sie durch die Pest-Bedrohung solange Zulauf erhielten, bis die Inquistion/die jeweils staatliche Gewalt sich das nicht mehr ansehen wollte.
- Ohne Gewähr, man mag andere Schlüsse ziehen -