Die sieben Generationen des 20. Jhdts.

Das Neue an der Politik von Schiller und Strauß war, dass die Haushaltslücke bewusst nicht geschlossen wurde.

Der Sachverständigenrat schreibt in seinem Jahresgutachten 1967/68:

Ziffer 136: ".. Die Finanzpolitik befand sich Ende 1966 in einem Dilemma .. Auf der einen Seite musste sie durch Neuordnung der Haushalte den Versuch machen, die Vertrauenskrise in einer Weise zu überwinden, die mit den Vorstellungen der Öffentlichkeit von finanzpoliticher Solidität übereinstimmte, auf der anderen Seite waren konjunkturanregende Maßnahmen erforderlich, die angesichts der bereits bestehenden Finanzierungslücken in der Öffentlichkeit auf Mangel an Verständnis stoßen mussten..."
Ziffer 138: "Erst als die Bundesregierung am 19. Januar 1967 beschloss, einen zusätzlichen Investitionshaushalt in Höhe von 2,5 Mrd. DM aufzustellen, war ein Schritt in Richtung auf eine konjunkturgerechte Finanzpolitik getan. Diese Maßnahme konnte allerdings nicht ausreichen.."

Im Lauf des Jahres kamen dann weitere expansive Maßnahmen hinzu. Diese haben das Defizit im Bundeshaushalt erhöht, aber wohl bei der Überwindung der kleinen Rezession geholfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Haushalt ist ein Plan. Wenn die Ausgaben im Lauf des Jahres höher und die Einnahmen geringer ausfallen als im Haushalt veranschlagt, weicht auch der zu erwartende Saldo von dem im Haushalt veranschlagten ab.
 
Das ist mir geläufig. Und für den von dir beschriebenen Fall griff dann das Haushaltssicherungsgesetz; so habe ich es zumindest verstanden.
 
Im Januar 1967 wurde ein Ergänzungshaushalt beschlossen.
Wikipedia: "Unter einem Ergänzungshaushalt versteht man die nachträgliche Veränderung eines noch nicht verabschiedeten, noch im Beratungsverfahren befindlichen Haushaltsentwurfs... Beispiele sind das Ergänzungshaushaltsgesetz 1967.. Mit einem Nachtragshaushalt wird dagegen ein bereits verabschiedeter Haushalt (Haushaltsgesetz oder Haushaltssatzung) abgeändert."

Dieser im Januar beschlossene Ergänzungshaushalt wird im Sachverständigengutachten 1967/68 nicht explizit genannt, dort wird nur gesagt, dass zunächst versucht wurde, die Deckungslücke durch Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen zu schließen. Im Lauf des Jahres wurde aber wie gesagt der Kurs geändert, und die Kreditaufnahme wurde deutlich erhöht.
 
Ja, man war der Ansicht, dass die verschlechterten Aussichten eine Korrektur des Haushaltsplans erforderten.
Der Artikel stammt übrigens aus dem Jahr 1966.
 
Alt-Nazi Kiesinger war vor allem deshalb populär, weil es seinen fähigen Finanz- und Wirtschaftsminister, Plisch und Plum, Strauß und Schiller, gelang die deutsche Wirtschaft, die in einer Rezession steckte, wieder auf Touren zu bringen.

Kiesinger selber war außerordentlich populär, er "erreichte die höchste Zustimmungsrate, die je bei einem Bundeskanzler gemessen wurde" (Elisabeth Noelle) und jedenfalls auch noch beliebter als Strauß und Schiller.

"Kiesinger hatte als Bundeskanzler ausgezeichnete Werte (auch im Gesamtvergleich aller Bundeskanzler, vgl. Noelle, Große Koalition in Politikverdrossenheit, in: FAZ vom 23. 11. 2005 , S. 5), z.B. hatten im März/April 1969 73 % eine „gute Meinung" von ihm.
Schiller erreichte von Oktober 1968 bis November 1969 ebenfalls immer Werte über 70 % und kam dadurch als einziger Politiker an Kiesingers Beliebtheit heran, vgl. Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1968-1973, S. 263 u. 288."​
Joachim Samuel Eichhorn, Durch alle Klippen hindurch zum Erfolg - Die Regierungspraxis der ersten Großen Koalition (1966–1969), München 2009
 
Aus dem Jahr 1984: "Die Haushaltslücke, die inzwischen mit 4,6 Milliarden DM beziffert wurde, konnte geschlossen werden."

Klaus Hildebrand, Von Ehrhard zur Großen Koalition, S.286
 
Das widerspricht nicht dem, was ich geschrieben habe.
Eine Deckungslücke im Haushaltsplan kann man schließen, indem man Einnahmen erhöht und Ausgaben senkt, oder indem man in dem Plan explizit eine höhere Neuverschuldung ausweist. Noch Anfang 1967 war man in der Öffentlichkeit der Meinung, dass ersterer Weg zu wählen sei, die Politik hat dann aber einen anderen Weg eingeschlagen.
Jetzt habe ich mich leider ein bisschen oft wiederholt.
 
Aus der englischsprachigen Wikipedia (Artikel Generation X entnommen):
langen-simple-435px-Generation_timeline.svg.png
Die "Zoomers" sind Kinder einer Generation die nicht nur am Handy und Tablet mit zwei Fingern zoomen, sondern dergleichen auch beim Bild im Museum versuchen?
 
Nein, die in den 20er Jahren geborenen und in der Grafik als „45er-, Flakhelfer- oder Skeptische Generation“ bezeichneten wurden in der 12 Jahre dauernden Hitlerzeit verdorben, waren gegen Ende des Krieges oft fanatische Freiwillige.

Das stimmt so nicht, denn sowohl der Kanzler Adenauer wie auch Erhard und Kiesinger samt der jeweiligen Ministerriegen gehörten der alten Generation an – erst Brandt brachte ein bisschen neuen Wind rein. Dieser Wind der Veränderung wehte durch die Bundesrepublik der 1960er Jahre, so dass es bereits 1966 zu einer großen Koalition mit CDU und SPD kam. Nach den Wahlen 1969, also nach bzw. mit den Studentenunruhen wurde Brandt Kanzler und Scheel von der FDP Außenminister und Vizekanzler.

Die Leute, die "neuen Wind" reinbrachten, die gehörten eben der "verdorbenen" Flakhelfergeneration an. Prominente Köpfe wie Scheel, Ehmke, Eppler, Genscher waren in jungen Jahren der NSDAP beigetreten. Von "Altnazi" Karl Schiller, der schon 1933 SA-Mitglied gewesen war, ganz zu schweigen.


Als die USA 1994 nach jahrzehntelangen Verhandlungen Dokumente des Berlin Document Center (BCD) an die Bundesrepublik Deutschland zurückgaben, gewann die Öffentlichkeit den Eindruck, die Bundesrepublik sei in ihren frühen Jahren von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern regiert worden. Die im BCD verwahrte Mitgliederkartei der NSDAP gab vertraute Namen preis: drei Bundespräsidenten – Karl Carstens (CDU), Heinrich Lübke (CDU) und Walter Scheel (FDP), der zuvor Außenminister war –, der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages, Richard Stücklen (CSU), der Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), die Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller (SPD) und Liselotte Funcke (SPD), der Kanzleramtschef Horst Ehmke (SPD), der ehemalige Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alfred Dregger, und viele andere. Der Eindruck täuschte nicht. Allein in der Regierung Willy Brandts saßen zwölf ehemalige Nationalsozialisten am Kabinettstisch. Die Flakhelfergeneration, wie der Autor und Journalist Malte Herwig sie nennt, war auch am Projekt „Mehr Demokratie wagen“ maßgeblich beteiligt. Die Geschichte ihrer schuldlos-schuldigen Verstrickung in die NS-Vergangenheit erzählt Herwig in seinem Anfang Juni erschienenen Buch „Flakhelfer – wie aus Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden“.
 
Das beweist nur, dass der Spruch "Einmal Nazi, immer Nazi" falsch ist.

Oder was hier oft gesagt wurde, nämlich dass man nach dem Krieg kaum unbelastete Menschen finden konnte, die in der Lage wären, die Bundesrepublik durch die Wirrnisse der Zeit führen zu können, bewahrheitete sich auch hier.

Allerdings war Brandt kein Nazi und Wehner auch nicht.

Scheel und Genscher [...]: Sobald sie spürten, dass es mit CDU/CSU bzw. SPD bergab ging, wechselten sie die Partner.

[Mod: entsprechend der Forenregeln tagespolitischen Einschub entfernt]
 
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Das beweist nur, dass der Spruch "Einmal Nazi, immer Nazi" falsch ist.

Und es beweist auch, dass der Spruch, "Nein, die in den 20er Jahren geborenen ... nicht vom Nazigedankengut befreit" Schmarrn ist. Weder Erhard Eppler (geboren 1926) noch Horst Ehmke (geboren 1927) noch Hans-Dietrich Genscher (geboren 1927) würde ich unterstellen, dass sie als Bundesminister noch Nazigedankengut anhingen.

Ein Schmarrn ist auch die Behauptung "Sobald sie spürten, dass es mit CDU/CSU bzw. SPD bergab ging, wechselten sie die Partner" zumindest in Bezug auf Scheel.
In den 1950er Jahren war die CDU im Aufwind.
Landtagswahlen NRW 1950: 36,9%, 1954: 41,3%, 1958: absolute Mehrheit (50,5%).
Scheel war maßgeblich beteiligt, die CDU-Regierung in NRW 1956 zu stützen und eine sozialliberale Koalition einzufädeln. Zwei Jahre später regierte die CDU allein.
 
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Allerdings war Brandt kein Nazi und Wehner auch nicht.
Ja, das waren allerdings auch keine "jungen Leute", die da mit gänzlich neuen Ideen ankamen, sondern das waren beides Leute, die noch ins Kaiserreich hineingeboren waren und von ihrer Biographie her nicht so viel mit der demonstrierenden Jugend zu tun hatten.

Nazis waren beide nicht gewesen, Wehner als ehemaliger KPD-Funktionär allerdings auch in seinem früheren politischen Leben nicht unbedingt ein Musterdemokrat, mit neuen völlig unverbrauchten Ideen und demokratischen Idealen, sondern jemand, der in der Weimarer Zeit eher dafür stand "weniger Demokratie zu wagen".

Keiner von Beiden war sich zu schade in der Bundesrepublik auf Parlaments- und Regierungsebene mit diversen Altnazis und auch mit der sehr konservativen CDU/CSU zusammen zu arbeiten.

Das gehört zu den Tatsachen schon mit dazu, auch wenn es dir nicht gefällt.
 
Ja, das waren allerdings auch keine "jungen Leute", die da mit gänzlich neuen Ideen ankamen, sondern das waren beides Leute, die noch ins Kaiserreich hineingeboren waren und von ihrer Biographie her nicht so viel mit der demonstrierenden Jugend zu tun hatten.
Klar, trotzdem waren die Bundeskanzler Brandt und Schmidt – zum Teil wesentlich – jünger als die CDU-Kanzler Adenauer, Erhard oder Kiesinger. Das Alter spielt schon eine Rolle, wenn man die Zeichen der Zeit erkennen soll, um nicht unter die Räder der gesellschaftlichen Entwicklung zu kommen.

Adenauer war gut in seiner Zeit, Erhard schon weniger und Kiesinger hat trotzt oder wegen seiner Beliebtheit das Amt nur verwaltet bzw. seinen Leuten freie Hand gelassen. So konnte z.B. der Beamte Eduard Dreher ein Gesetz durch den Bundestag schmuggeln, das bestimmte, dass "der überwiegende Teil der Täter, die im Nationalsozialismus an Morden beteiligt waren, in den Genuss der Verjährung kam und damit straffrei blieb."

Erst neulich gab es den Film „Der Fall Collini“ im Fernsehen – nur noch einen Tag in der ARD-Videothek zu sehen –, der dies thematisierte.
 
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