Die Spionageabwehr der Wehrmacht, Goerdeler und das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944

WolfLG

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1940 besetzte der als Abwehr bezeichnete militärische Geheimdienst der Deutschen das Grandhotel Lutetia im besetzten Paris. Admiral Canaris, als Leiter der Abwehr, richtete hier sein Hauptquartier ein.

Kein anderes Hotel von Paris hat eine derart reiche und kontrastreiche Geschichte wie dieser siebenstöckige Prachtbau. Charles de Gaulle hat in diesem Pariser Luxushotel seine Hochzeitsnacht verbracht, Charlie Chaplin die Aussicht auf den Eiffelturm genossen, James Joyes, Pablo Picasso und Ernest Hemingway sind hier abgestiegen.

Die Gruppe III war ein Teil der militärischen Organisation und für die Spionageabwehr im Ausland zuständig, die Gegenspionage. Chef der Gruppe III im besetzten Frankreich war Kapitän Hans Meissner, Freund und Vorgesetzter von Walther Hultsch. Sehr enge Verbindung hatte Kapitän Meissner zu Admiral Canaris. Beide waren im Ersten Weltkrieg U-Boot-Kommandanten. Oft waren beide zu der Pariser Zeit zusammen in Spanien.

Ein bedeutendes Widerstandszentrum in der Wehrmacht war die Abwehr. Hans Oster nahm hier eine führende Rolle im militärischen Widerstand ein. Mit Deckung von Canaris hielt er Kontakte zum Oberkommando des Heeres, die auf eine Durchkreuzung der nationalsozialistischen Kriegspläne abzielten. Er ging dabei sogar so weit, die Niederlande und Belgien vor dem geplanten deutschen Angriffstermin zu warnen.

Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 war aber das Werk einer zivil-militärischen Verschwörung. Federführend auf der zivilen Seite war Carl Friedrich Goerdeler, den Walther Hultsch über den sächsischen Prinzen Ernst-Heinrich kennengelernt hatte. Prinz Ernst Heinrich empfing Goerdeler zu Gesprächen auf Schloss Moritzburg bei Dresden.

In Moritzburg lebte ein Teil der Familie von Walther Hultsch zu dieser Zeit, später auch er. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs teilten sich Ernst Heinrich und Walther ein Dienstzimmer bei der Abwehr in Dresden.

Während des Krieges in Polen ließ Canaris seinen Dienst Informationen über Verbrechen der SS sammeln und informierte Wehrmachtsoffiziere über diese Vorgänge. Canaris unterwanderte Hitlers Regime, wo er nur konnte. Wenn Oppositionsmitglieder zum Kriegsdienst eingezogen wurden, holte Canaris sie in die Abwehr, wodurch sie vor der Gestapo geschützt waren. Juden machte er zu Agenten und V-Leuten und schützte sie so vor der Deportation. Einzelaktionen seiner Untergebenen, die das Regime von innen heraus sabotieren sollten, und derer gab es viele, deckte Canaris.

So hatte Canaris engste Verbindung zu den Leuten, die am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler ausübten. In Paris verlief der geplante Umsturz genau nach Plan. Generalleutnant von Boineburg-Lengsfeld setzte am 20. Juli 1944 die Verhaftung der führenden Gestapo- und SS-Offiziere, einschließlich des Höheren SS- und Polizeiführers in Frankreich und deren Einheiten in Paris durch. Als nach einigen Stunden der Fehlschlag des Attentats gemeldet wurde und die in Paris Festgesetzten wieder freigelassen wurden, erklärte Boineburg die Aktion als „Übung“ - und kam damit durch.

Aus der Biografie zu Walther Hultsch "Der Himmel über Sachsen"
 
Canaris unterwanderte Hitlers Regime, wo er nur konnte. Wenn Oppositionsmitglieder zum Kriegsdienst eingezogen wurden, holte Canaris sie in die Abwehr, wodurch sie vor der Gestapo geschützt waren. Juden machte er zu Agenten und V-Leuten und schützte sie so vor der Deportation. Einzelaktionen seiner Untergebenen, die das Regime von innen heraus sabotieren sollten, und derer gab es viele, deckte Canaris.
Ich weiß nicht woher du das in dieser Form hast.
Zu dem Thema nur so viel: Es geistern einige ältere Canaris-Biographien durch die Gegend, die in etwa so ein Bild zeichnen, die aber sehr stark einseitig überzeichnen und Canaris zu einer Figur aufbauen, die er in dieser Form nicht war.

Es ist richtig, dass Canaris wohl mit einigem, was im NS-Regime lief nicht einverstanden war und dass er wahrscheinlich in Einzelfällen wohl auch Personen half, aber es ist keineswegs so, dass er im großen Stil die Politik des NS-Regimes oder die Kriegsanstrengungen sabotiert hätte.

Was in den älteren Biographien häufig nicht genannt wird (kann sein, dass es den Verfassern damals schlicht noch nicht bekannt war), ist die durchaus unrühmliche Rolle, die Canaris in der Zeit der Weimarer Republik, insbesondere in deren Anfangszeit spielte.
Canaris stand in Verbindung mit den Putschisten Kapp-Lüttwitz, er war mehr oder weniger Mitstreiter des rechtsextremen Freikorpsführers Korvettenkapitän v. Loewenfeld, dessen Formation die "Brigade Loewenfeld" seinerzeit den Kapp-Putsch aktiv mit unterstützte.

Er war auch Verbindungsmann Noskes zur "Garde-Kavallerie-Schützen-Division" und deren Anführer Hauptmann Pabst, also der Freikorps-Formation auf deren Konto die Morde an Liebnecht und Luxemburg gingen, außerdem stand er wohl durchaus auch mit der terroristischen, rechtsextremen "Organisation Consul" in Verbindung, die u.a. für die Ermordung Erzbergers und Rathenaus, so wie wohl auch für den Mordanschlag auf Scheidemann verantwortlich war.

Der Mann steckte in der Weimarer Zeit im extremistischen Millieu und im republikfeindlichen Terrorismus ziemlich tief drinn.


Man sollte deswegen etwas vorsichtig damit sein, unkritisch ein einseitig positives Bild von Canaris zu übernehmen und ihn mehr oder weniger zum Vorkämpfer gegen das NS-Regime zu stilisieren. Leute wie Canaris, die mitgeholfen hatten die extreme Rechte in der Weimarer Zeit zu organisieren, hatten den Grundstein dafür gelegt, dass sowas wie der NS überhaupt erst möglich wurde.

Schaut man sich die Dinge näher an, war Canaris Arbeit gegen die SS und den SD wahrscheinlich vor allem durch die bekannten Parallelstrukturen innerhalb des NS und bis zu dessen Tod sein persönlich wohl nicht ganz einfaches Verhältnis zu Heydrich bedingt.
Das verschiedene Stellen des NS-Regimes gegeneinander arbeiteten, war an sich nichts ungewöhnliches und hatte viel damit zu tun, dass innerhalb dieses Systems die Kompetenzen der einzelnen Strukturen und Dienste nicht sauber abgegrenzt waren, so dass permanentes Kompetenzgerangel an der Tagesordnung war.
Da half es natürlich systemimmanent die eigenen Leute gegen die Konkurrenz auf Linie zu bringen (auch um sich gegen Unterwanderung abzuschirmen) und potentielles Erpressungsmaterial zu sammeln (derlei tun Nachrichtendienste, die mit Informationsbeschaffung befasst sind, ja ohnhin häufig).
Belastendes Material über SS-Verbrechen in Polen zu sammeln, wird vor allem dem Zweck gediehnt haben, die höheren Offiziere der Wehrmacht im Kompetenzgerangel innerhalb des Systems gegen die SS einzuspannen.
Das Canaris kein Mann war, der grundsätzlich etwas gegen Verbrechen hatte auch nicht gegen politische Morde (jedenfalls dann wenn es Personen betraf, die er als Feinde betrachtete), das hatte er in der Weimarer Zeit mit seinen Verbindungen zu den damaligen terroristischen Strukturen und sinistren Figuren, wie Loewenfeld, Pabst und der "Organisation Consul" hinreichend unter Beweis gestellt.
 
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