excideuil
unvergessen
In einem Link:
http://www.zeit.de/2003/18/A-Louisiana/seite-2
den ich zu einem anderen Thread gesetzt habe, finden sich auch diese 2 Sätze:
„Auch die Tatsache, dass sich Livingston gegen Talleyrands Forderung nach einer Verhandlungs-„Gebühr“ von rund 250000 Dollar für die Privatschatulle des Ministers als besonders taub erwies, trug nicht gerade dazu bei, das Amerika-Bild des Franzosen aufzuhellen. Napoleon mochte seine Gründe gehabt haben, als er Talleyrand „ein Stück Scheiße in Seidenstrümpfen“ nannte.“
Ich bin schon ein wenig erstaunt, dass sich im 21. Jahrhundert immer noch ein solch plakatives Pauschalurteil findet, zumal in der Szene vom 28. Januar 1809 Bestechung keine Rolle spielte. Vllt. verdient diese wohl historisch einmalige Szene und ihre Zusammenhänge einmal einer genaueren Betrachtung.
1. Kleine Einführung
Das Verhältnis zwischen Napoleon und Talleyrand füllt ganze Bücher. Ich bescheide mich mit einer kurzen Schilderung.
Instinktiv fanden beide Machtmenschen zueinander, ohne einander vorher begegnet zu sein, hier die ersten Briefe:
„Paris, 24 Juli 1797
General!
Hierdurch habe ich die Ehre, Ihnen anzuzeigen, dass mich das Direktorium der Republik zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt hat. Ich fühle ganz die schwere Verantwortlichkeit, welche dies Amt mir auferlegt, aber auch zugleich eine innere Beruhigung in dem Gedanken, dass Ihr ruhmvoller Name mir bei den Unterhandlungen kräftig zur Seite stehen wird. Dieser Name wird mich alle Schwierigkeiten leicht überwinden lassen.
Ich werde mich beeilen, Ihnen alle Anordnungen und Wünsche, die Ihnen das Direktorium durch mich zugehen lassen wird, schleunigst zu übermitteln, wobei ich nur bedauere, dass der Ihren Berichten immer vorauseilende Ruf Ihrer Taten mir wohl nur selten Gelegenheit geben wird, der hohen Körperschaft Neues mitzuteilen.“ [1/ Seiten 199/200]
Prompt die Antwort Bonapartes:
„Mailand, 5. August 1797
Ihre Wahl zum Minister des Auswärtigen macht der Einsicht der Regierung alle Ehre. Sie stellt hiermit unter Beweis, dass Sie in Ihnen einen Mann von großen Talenten und den aufgeklärten Bürger erkannt hat, der die Irrwege der Revolution nicht geht.
Es schmeichelt mir, oft mit Ihnen korrespondieren zu müssen und Sie so von der Hochschätzung und der Achtung, die ich für Sie hege, überzeugen zu können.
Gruß und Bruderkuss. Bonaparte“ [2/Seite 34]
Beide Briefe sind Meisterwerke. Unverständlich ist mir, dass Napoleons Brief keinen Eingang in seine offizielle Korrespondenz gefunden hat. Es folgen der Feldzug in Ägypten, der 18./19. Brumaire. Talleyrand wurde einer der wenigen Ratgeber, die das Recht hatten, mit dem Konsul allein zu reden. Für mich so unendlich schade, dass es von diesen Gesprächen so gar keine Aufzeichnungen gibt!
Ihre Herkunft war völlig gegensätzlich. Der eine ein korsischer Landadliger, der in seiner Jugend korsische Familienfehden erlebte und mit der Revolution eine steile militärische Karriere begann und sich mehr auf dem Schlachtfeld, denn in den Salons wohl fühlte; der andere ein franz. Hocharistokrat, der durch die Schule der Kirche gegangen war und in die Revolution herabgestiegen war, mit dem Directoire seine zweite Karriere begann und in seinem Äußeren, seinem Auftreten und seiner Lebensweise dem Ancien régime verhaftet blieb. Ein Umstand, der auch immer eine Rolle spielen sollte. Talleyrand verstand sich lange Zeit als eine Art Mentor, während Napoleon die Beziehung nüchterner sah, sich aber auch nie wirklich der Faszination des Hocharistokraten entziehen konnte.
Die politischen Gegensätze traten bereits mit dem Bruch des Friedens von Amiens hervor. Talleyrand wollte den Frieden unbedingt erhalten, war sogar zu Konzessionen bereit [vgl. 3/ Seite 231] In den Folgejahren versuchte der Minister dahingehend zu wirken, „um Frankreich die Institutionen einer gemäßigten Monarchie zu geben und um Europa schonend zu behandeln, dass es Frankreich dessen Glück und Größe nicht neide.“ [3/ Seiten 229/30]
1807 erfolgte der Rücktritt Talleyrands vom Außenamt, nachdem er erkennen musste, dass sein Bestreben, Frankreich in ein neues europäisches Gleichgewicht einzubinden, gescheitert war: „Das dort (Tilsit) von Napoleon mit Zar Alexander vereinbarte Bündnis, das dem Gedanken an ein europäisches Gleichgewicht Hohn sprach, eine Verständigung mit Österreich und erst recht einen Frieden mit Britannien in unerreichbare Ferne rückte, widersprach so sehr den grundlegenden Maximen seines politischen Denkens, dass er noch in Tilsit um die Entlassung aus seinem Amt nachsuchte.“ [3/ Seite 229]
Einige Biografen schreiben, dass Napoleon ihn entlassen hätte. Als Begründung dazu wird seine Bestechlichkeit angeführt. Napoleon sagt dies selbst, widerspricht sich damit allerdings, weil er genau die Klagen einiger Fürsten vorher abwiegelte, da Talleyrand „ein großer Mann“ sei:
„Auf St. Helena sagte Napoleon zu Las-Cases: „Die Könige von Bayern und Württemberg haben sich so oft bei mir über seine Geldgier beklagt, dass ich ihn als Minister entließ.“ [2/ Seite 217] Dies ist nicht überzeugend, ging doch sein Rücktritt mit einer Rangerhöhung einher. Die Ernennung seines Nachfolgers Champagny erfolgte zudem mit einer größeren Kabinettsumbildung. So verlor Berthier sein Ministeramt an Clarke. Talleyrand erhielt das Amt eines „vice grand elécteurs“ und er war damit (ungeachtet der kaiserlichen Familie) nach Cambacérès und Lebrun der dritthöchste Großwürdenträger des Kaiserreiches. Zudem bekleidete er weiterhin das Hofamt des Großkämmerers, hatte also weiterhin jederzeit Zutritt zu den Räumen des Kaisers. Ungnade sieht anders aus; Napoleon wollte sich auch weiterhin des Rates seines Ex-Ministers versichern.
„Talleyrands Demission kam dem Kaiser offenbar gelegen, da er mit ihm einen ständigen Mahner zur Mäßigung los wurde. „ [3/ Seite 235] Aber wohl auch aus diesem Grund: „Napoleon behauptete zwar, er sei der einzige Mensch, mit dem er reden könne, nur wünschte er um alles nicht, dass er für unentbehrlich gelte oder sich dafür hielte, denn es war ihm schließlich unangenehm geworden, dass man seinen Minister und nicht ihm selbst eine Anzahl seiner Erfolge anrechnete.“ [4/ Seite 221]
Unbedingt angemerkt werden muss, dass Talleyrand sich auf dem Höhepunkt des Empire vom politischen Kurs des Kaisers abwendete und nicht im Augenblick der offensichtliche Niederlage! Dass er damit Abschied von der Politik nahm, konnte niemand erwarten, jetzt unter anderen Bedingungen:
„Es ist einer der schwersten Fehler der Autokratie oder unumschränkten Einzelherrschaft als Regierungsform, dass sie keinen Raum für eine gesetzmäßige Opposition lässt. Der einzelne Untertan, der ehrlich davon überzeugt ist, dass sein Land leidet und infolge schlechter politischer Führung auch weiterhin leiden wird, hat zwischen zwei Wegen zu wählen: entweder er muss beim Untergang seines Landes ein untätiger Zuschauer sein, oder er muss zur Abwendung des Unheils Schritte tun, die von seinen Feinden als Landesverrat bezeichnet werden. Offene Opposition ist Empörung oder Landesfriedensbruch, heimliche Opposition wird zum Hochverrat; und doch kann es Voraussetzungen geben, durch die ein solcher Landesverrat zur Pflicht eines vaterlandsliebenden Mannes wird.“ [5/ Seite 139]
Napoleon versuchte, Talleyrand – den er auf Grund seiner Beziehungen zu den fremden Mächten und auf Grund seiner Fähigkeiten für die erste Wahl hielt - im Zusammenhang mit der Zusammenkunft mit Alexander I. in Erfurt für seine Ziele einzusetzen. Talleyrand hingegen versuchte, dem Zaren zur Kenntnis zu geben, dass es ein Frankreich gab, welches nicht mit den Zielen Napoleons übereinstimmte und dass sich der Zar nicht gegen Österreich von Napoleon einspannen lassen sollte. Mit Erfolg. Dieser „Verrat“ richtete sich aber nicht gegen die Person Napoleons – Talleyrand hielt ihn auch 1808 für Frankreich für unverzichtbar - sondern gegen die hegemonialen Ziele des Kaisers (1) und ist damit m.E. als weiterer Versuch zu werten, ein Gleichgewicht der Mächte in Europa herzustellen, jetzt allerdings mit Hilfe der europäischen Mächte, u.a. mit dem Ergebnis, dass Rußland mit Nesselrode und Österreich mit Floret im Nachgang der Zusammenkunft Diplomaten bei Talleyrand akkreditierten. Napoleon wusste von alledem nichts, im Gegenteil, im Schlitten aus Rußland bekannte er Caulaincourt, dass er als Verräter den Marschall Lannes ausmacht hätte [Vgl. 6/ Seite 420] Von den tatsächlichen Vorgängen hat ihn Caulaincourt nie in Kenntnis gesetzt.
(1) Zu Erfurt schrieb Metternich:
„Talleyrand zufolge erfordert es das Interesse Frankreichs, dass die Mächte, die imstande sind, Napoleon die Stirn zu bieten, sich zusammenschließen, um einen Deich gegen seinen unersättlichen Ehrgeiz zu errichten. Napoleons Sache sei nicht mehr die Frankreichs, Europa könne nur gerettet werden durch die engste Union zwischen Österreich und Rußland.“ [6/ Seite 417], Bemerkenswert ist neben der Trennung der Interessen Frankreichs und denen Napoleons, dass Talleyrand Frankreich und Europa immer im Zusammenhang betrachtet.
http://www.zeit.de/2003/18/A-Louisiana/seite-2
den ich zu einem anderen Thread gesetzt habe, finden sich auch diese 2 Sätze:
„Auch die Tatsache, dass sich Livingston gegen Talleyrands Forderung nach einer Verhandlungs-„Gebühr“ von rund 250000 Dollar für die Privatschatulle des Ministers als besonders taub erwies, trug nicht gerade dazu bei, das Amerika-Bild des Franzosen aufzuhellen. Napoleon mochte seine Gründe gehabt haben, als er Talleyrand „ein Stück Scheiße in Seidenstrümpfen“ nannte.“
Ich bin schon ein wenig erstaunt, dass sich im 21. Jahrhundert immer noch ein solch plakatives Pauschalurteil findet, zumal in der Szene vom 28. Januar 1809 Bestechung keine Rolle spielte. Vllt. verdient diese wohl historisch einmalige Szene und ihre Zusammenhänge einmal einer genaueren Betrachtung.
1. Kleine Einführung
Das Verhältnis zwischen Napoleon und Talleyrand füllt ganze Bücher. Ich bescheide mich mit einer kurzen Schilderung.
Instinktiv fanden beide Machtmenschen zueinander, ohne einander vorher begegnet zu sein, hier die ersten Briefe:
„Paris, 24 Juli 1797
General!
Hierdurch habe ich die Ehre, Ihnen anzuzeigen, dass mich das Direktorium der Republik zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt hat. Ich fühle ganz die schwere Verantwortlichkeit, welche dies Amt mir auferlegt, aber auch zugleich eine innere Beruhigung in dem Gedanken, dass Ihr ruhmvoller Name mir bei den Unterhandlungen kräftig zur Seite stehen wird. Dieser Name wird mich alle Schwierigkeiten leicht überwinden lassen.
Ich werde mich beeilen, Ihnen alle Anordnungen und Wünsche, die Ihnen das Direktorium durch mich zugehen lassen wird, schleunigst zu übermitteln, wobei ich nur bedauere, dass der Ihren Berichten immer vorauseilende Ruf Ihrer Taten mir wohl nur selten Gelegenheit geben wird, der hohen Körperschaft Neues mitzuteilen.“ [1/ Seiten 199/200]
Prompt die Antwort Bonapartes:
„Mailand, 5. August 1797
Ihre Wahl zum Minister des Auswärtigen macht der Einsicht der Regierung alle Ehre. Sie stellt hiermit unter Beweis, dass Sie in Ihnen einen Mann von großen Talenten und den aufgeklärten Bürger erkannt hat, der die Irrwege der Revolution nicht geht.
Es schmeichelt mir, oft mit Ihnen korrespondieren zu müssen und Sie so von der Hochschätzung und der Achtung, die ich für Sie hege, überzeugen zu können.
Gruß und Bruderkuss. Bonaparte“ [2/Seite 34]
Beide Briefe sind Meisterwerke. Unverständlich ist mir, dass Napoleons Brief keinen Eingang in seine offizielle Korrespondenz gefunden hat. Es folgen der Feldzug in Ägypten, der 18./19. Brumaire. Talleyrand wurde einer der wenigen Ratgeber, die das Recht hatten, mit dem Konsul allein zu reden. Für mich so unendlich schade, dass es von diesen Gesprächen so gar keine Aufzeichnungen gibt!
Ihre Herkunft war völlig gegensätzlich. Der eine ein korsischer Landadliger, der in seiner Jugend korsische Familienfehden erlebte und mit der Revolution eine steile militärische Karriere begann und sich mehr auf dem Schlachtfeld, denn in den Salons wohl fühlte; der andere ein franz. Hocharistokrat, der durch die Schule der Kirche gegangen war und in die Revolution herabgestiegen war, mit dem Directoire seine zweite Karriere begann und in seinem Äußeren, seinem Auftreten und seiner Lebensweise dem Ancien régime verhaftet blieb. Ein Umstand, der auch immer eine Rolle spielen sollte. Talleyrand verstand sich lange Zeit als eine Art Mentor, während Napoleon die Beziehung nüchterner sah, sich aber auch nie wirklich der Faszination des Hocharistokraten entziehen konnte.
Die politischen Gegensätze traten bereits mit dem Bruch des Friedens von Amiens hervor. Talleyrand wollte den Frieden unbedingt erhalten, war sogar zu Konzessionen bereit [vgl. 3/ Seite 231] In den Folgejahren versuchte der Minister dahingehend zu wirken, „um Frankreich die Institutionen einer gemäßigten Monarchie zu geben und um Europa schonend zu behandeln, dass es Frankreich dessen Glück und Größe nicht neide.“ [3/ Seiten 229/30]
1807 erfolgte der Rücktritt Talleyrands vom Außenamt, nachdem er erkennen musste, dass sein Bestreben, Frankreich in ein neues europäisches Gleichgewicht einzubinden, gescheitert war: „Das dort (Tilsit) von Napoleon mit Zar Alexander vereinbarte Bündnis, das dem Gedanken an ein europäisches Gleichgewicht Hohn sprach, eine Verständigung mit Österreich und erst recht einen Frieden mit Britannien in unerreichbare Ferne rückte, widersprach so sehr den grundlegenden Maximen seines politischen Denkens, dass er noch in Tilsit um die Entlassung aus seinem Amt nachsuchte.“ [3/ Seite 229]
Einige Biografen schreiben, dass Napoleon ihn entlassen hätte. Als Begründung dazu wird seine Bestechlichkeit angeführt. Napoleon sagt dies selbst, widerspricht sich damit allerdings, weil er genau die Klagen einiger Fürsten vorher abwiegelte, da Talleyrand „ein großer Mann“ sei:
„Auf St. Helena sagte Napoleon zu Las-Cases: „Die Könige von Bayern und Württemberg haben sich so oft bei mir über seine Geldgier beklagt, dass ich ihn als Minister entließ.“ [2/ Seite 217] Dies ist nicht überzeugend, ging doch sein Rücktritt mit einer Rangerhöhung einher. Die Ernennung seines Nachfolgers Champagny erfolgte zudem mit einer größeren Kabinettsumbildung. So verlor Berthier sein Ministeramt an Clarke. Talleyrand erhielt das Amt eines „vice grand elécteurs“ und er war damit (ungeachtet der kaiserlichen Familie) nach Cambacérès und Lebrun der dritthöchste Großwürdenträger des Kaiserreiches. Zudem bekleidete er weiterhin das Hofamt des Großkämmerers, hatte also weiterhin jederzeit Zutritt zu den Räumen des Kaisers. Ungnade sieht anders aus; Napoleon wollte sich auch weiterhin des Rates seines Ex-Ministers versichern.
„Talleyrands Demission kam dem Kaiser offenbar gelegen, da er mit ihm einen ständigen Mahner zur Mäßigung los wurde. „ [3/ Seite 235] Aber wohl auch aus diesem Grund: „Napoleon behauptete zwar, er sei der einzige Mensch, mit dem er reden könne, nur wünschte er um alles nicht, dass er für unentbehrlich gelte oder sich dafür hielte, denn es war ihm schließlich unangenehm geworden, dass man seinen Minister und nicht ihm selbst eine Anzahl seiner Erfolge anrechnete.“ [4/ Seite 221]
Unbedingt angemerkt werden muss, dass Talleyrand sich auf dem Höhepunkt des Empire vom politischen Kurs des Kaisers abwendete und nicht im Augenblick der offensichtliche Niederlage! Dass er damit Abschied von der Politik nahm, konnte niemand erwarten, jetzt unter anderen Bedingungen:
„Es ist einer der schwersten Fehler der Autokratie oder unumschränkten Einzelherrschaft als Regierungsform, dass sie keinen Raum für eine gesetzmäßige Opposition lässt. Der einzelne Untertan, der ehrlich davon überzeugt ist, dass sein Land leidet und infolge schlechter politischer Führung auch weiterhin leiden wird, hat zwischen zwei Wegen zu wählen: entweder er muss beim Untergang seines Landes ein untätiger Zuschauer sein, oder er muss zur Abwendung des Unheils Schritte tun, die von seinen Feinden als Landesverrat bezeichnet werden. Offene Opposition ist Empörung oder Landesfriedensbruch, heimliche Opposition wird zum Hochverrat; und doch kann es Voraussetzungen geben, durch die ein solcher Landesverrat zur Pflicht eines vaterlandsliebenden Mannes wird.“ [5/ Seite 139]
Napoleon versuchte, Talleyrand – den er auf Grund seiner Beziehungen zu den fremden Mächten und auf Grund seiner Fähigkeiten für die erste Wahl hielt - im Zusammenhang mit der Zusammenkunft mit Alexander I. in Erfurt für seine Ziele einzusetzen. Talleyrand hingegen versuchte, dem Zaren zur Kenntnis zu geben, dass es ein Frankreich gab, welches nicht mit den Zielen Napoleons übereinstimmte und dass sich der Zar nicht gegen Österreich von Napoleon einspannen lassen sollte. Mit Erfolg. Dieser „Verrat“ richtete sich aber nicht gegen die Person Napoleons – Talleyrand hielt ihn auch 1808 für Frankreich für unverzichtbar - sondern gegen die hegemonialen Ziele des Kaisers (1) und ist damit m.E. als weiterer Versuch zu werten, ein Gleichgewicht der Mächte in Europa herzustellen, jetzt allerdings mit Hilfe der europäischen Mächte, u.a. mit dem Ergebnis, dass Rußland mit Nesselrode und Österreich mit Floret im Nachgang der Zusammenkunft Diplomaten bei Talleyrand akkreditierten. Napoleon wusste von alledem nichts, im Gegenteil, im Schlitten aus Rußland bekannte er Caulaincourt, dass er als Verräter den Marschall Lannes ausmacht hätte [Vgl. 6/ Seite 420] Von den tatsächlichen Vorgängen hat ihn Caulaincourt nie in Kenntnis gesetzt.
(1) Zu Erfurt schrieb Metternich:
„Talleyrand zufolge erfordert es das Interesse Frankreichs, dass die Mächte, die imstande sind, Napoleon die Stirn zu bieten, sich zusammenschließen, um einen Deich gegen seinen unersättlichen Ehrgeiz zu errichten. Napoleons Sache sei nicht mehr die Frankreichs, Europa könne nur gerettet werden durch die engste Union zwischen Österreich und Rußland.“ [6/ Seite 417], Bemerkenswert ist neben der Trennung der Interessen Frankreichs und denen Napoleons, dass Talleyrand Frankreich und Europa immer im Zusammenhang betrachtet.