Diese Unterschiede sind letztlich richtig. Ich denke man muß sich dennoch fragen, sind diese patriarchalisch/matriarchalischen Gegensätze ursprünglich oder entwickelten sie sich durch die unterschiedlichen Lebensformen? Welche Gesellschaftsform besaßen die mesolithischen oder paläolitischen Völker?
Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen neolithischen Bauern und indoeuropäischen Viehzüchtern und Hirten rühren sicherlich von ihrer Lebensweise her.
Nomadische Steppenvölker haben stets patriarchalische Gesellschaftsformen, während man bei den frühen Ackerbauern davon ausgeht, dass zunächst Frauen den Ackerbau betrieben, die ihn vermutlich als Sammlerinnen auch erfunden haben. Zunächst wurde - so diese
Hypothese - ein Ackerbau lediglich in kleinem Maßstab betrieben, während daneben noch die Jagd und das Sammeln im Vordergrund stand. Allmählich verschob sich das Gewicht immer stärker zum von Frauen betriebenen Anbau hin, was dazu führte, dass Frauen an der Sicherung der Existenzgrundlage wesentlich beteiligt waren und somit erhöhte Achtung und Wertschätzung genossen.
Eine Unmenge ergrabener Frauenstatuetten aus frühneolithische Kulturen (v.a. Sesklo, Vinca und Starcevo) drücken diese Situation aus. Sie sind vermutlich auch der Anschauung geschuldet, dass man die Fruchtbarkeit des Bodens einer mütterlichen Gottheit zuschrieb, die das Korn wachsen und gedeihen ließ; das Ergebnis waren u.a. die in historischer Zeit überall bezeugten Fruchtbarkeitsgöttinnen, bzw. die "Magna Mater".
Dieser Vorsprung der Frauen bei der Existenzsicherung endete erst, als man vom schlichten Grabstock zum (Haken)pflug überging, später auch zu Ochsengespannen, und die Bodenbearbeitung aufgrund des Kraftaufwands an Männer überging.
Es ist zu betonen, dass diese Hypothese zwar vielfach vertreten wird, aber natürlich nicht ohne Widerspruch geblieben ist. Mir persönlich will sie gut einleuchten.
Dies gilt aber doch nur, weil die gängige Lehrmeinung die griechisch-westanatolischen Kulturen ihnen nicht zugewiesen hat. Eine Verbindung dieser Kulturen mit den vordringenden Ackerbauern ist doch unzweifelhaft.
Da man in Vorderasien weder schnurkeramische noch Streitaxtkulturen fand, zudem auch kein einziges indoeuropäisches Idiom vor Ankunft der Hethiter fassbar ist, ist es überaus wahrscheinlich, dass dort auch kein indoeuropäisches "Urvolk" zu suchen ist. Natürlich kann man das postulieren, doch scheint es mir weniger begründet zu sein als der osteuropäische und südrussische Raum als Ursprung von Proto-Indoeuriopäern, wo siich immerhin eine entsprechende Sachkultur findet.
Da sind wir völlig einer Meinung. Doch warum gelangen die Indogermanen auch lange Zeit nicht über die Ausdehnung dieser Bandkeramiker hinaus, waren sie doch den Bauernvölkern militärisch überlegen?
Man könnte z.B. sagen, dass jede Ausbreitung oder Invasionswelle irgendwann auch nachlässt und verebbt. Im übrigen greift bereits die Urnenfelderkultur auch auf Frankreich und sogar Nordwestspanien über.
Hier stelle ich mitr halt die Frage, wie groß war(en) diese Invasionswelle/n. Alle späteren Völker endeten meist in der ungarischen Tiefebene und im Donautiefland. warum erreichten die Indogermanen das gesamte Mitteleuropa einschließlich des Balkans? Was belegt eindeutig, daß die Bandkeramiker in kleinen oder kleinsten bäuerlichen Gemeinschaften der Invasion nicht standhalten konnten?
Hier ist eines mit großer Deutlichkeit zu sagen, das die Argumentation wesentlich beeinflusst:
Es wird leicht übersehen, dass kolonisierende Bauern aus Kleinasien nur am Anfang der Entwicklung standen. Das weitere Vordringen des Ackerbaus über den Balkan nach Mitteleuropa erfolgte mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmend durch Weitergabe des bäuerlichen Wissens an die mesolithische europäische Urbevölkerung. Der Vorgang der Neolithisierung wurde also zunehmend zu einer
Kulturtrift, an der Bauern aus Kleinasien längst nicht mehr - oder nur unwesentlich - beteiligt waren. Diese Ansicht habe ich im Lauf der letzten Jahre in zahlreichen Publikationen gelesen und sie scheint mir überaus stichhaltig zu sein.
Man kann also davon ausgehen, dass die noch kleinasiatisch bestimmte "Sesklo-Sprache" in Thessalien/Griechenland (um einmal bei diesen anonymen Völkern nur die Kulturschicht zu nennen) verschwand, je stärker autochthone mesolithische Populationen die Kenntnis des Ackerbaus übernahmen und wiederum weitergaben. Die "bandkeramische Sprache" wird also vermutlich eine mesolithische Sprache der autochthonen Mitteleuropäer gewesen sein und kein vorderasiatisches bzw. anatolisches Idiom (und natürlich auch kein indoeuropäisches!).
Dieser letzte Abschnitt meines Posts bezieht vermutlich auch Stellung zu einigen Überlegungen von
rena8.