1.Das Primat der NS-Ideologie für die privatwirtschaftliche Organisation
Es soll und war auch nicht behauptet worden, dass die VWten der WR und des 3. Reich identisch gewesen sind, sondern lediglich die grundsätzlichen strukturellen Merkmale der privatwirtschaftlichen Organisation relativ konstant geblieben sind, wie bei Neumann [7] postuliert. Der Grad der Veränderung während des 3. Reichs unterliegt dabei am wenigsten den ideologischen Dispositionen des Parteiprogramm der NSDAP oder „linker“ Vorstellungen, sondern ist sowohl dem Effekt der Kriegswirtschaft als auch dem inhärenten Planungssystem geschuldet.
Mit der Machtübernahme blieb zunächst die radikale Veränderung der Bürokratie aus. Die wechselseitige Einflussnahme zwischen den Wirtschafts-Eliten und den Parteieliten der NSDAP unterlag einer Veränderung über die Zeit. So stellt Frei [2,S.7] fest: „Zumindest in den ersten Jahren des Dritten Reichs penetrierte die private Großwirtschaft das politische System, nicht umgekehrt.“
Auf das frühe Ende der Einflussnahme ideologischer Restbestände noch im Jahr 1933 hatte ich bereits hingewiesen und es erfolgte eine frühzeitige Abfuhr (August 1933) an alle „romantischen“ Zielsetzungen, die noch der 1932 gegründete „Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand“ als Träger formuliert hatte. „In der modernen Industriegesellschaft, auch nationalsozialistischer Prägung, gab es dafür keinen Platz“ [2, S. 78]. Ähnlich äußert sich Bavaj und rekurriert auf andere Historiker [2,S. 130].
Durch Schacht (als Reichswirtschaftsminister, ab 1934) wurde im September 1934 der „Neue Plan“ eingeführt. Er zielte primär auf die rigorose Kontrolle des Außenhandels und somit der Devisenströme ab. Der Ex- und Import wurde restrukturiert und nach der Logik entwickelt: „Kaufe bei deinem Kunden“ und im Rahmen von bilateralen Verträgen abgesichert. Auch mit dem Hintergedanken, die deutschen Handelsströme dem Zugriff der Royal Navy zu entziehen.
In der Folge wurden Kontrollmechanismen eingeführt, deren Mechanismen, laut Tooze, noch in der Finanzkrise des Jahres 1931 wurzelten [16, S. 135]. Die Grundlage des von Schacht neu geschaffenen Ordnungsrahmens bildete eine neue Struktur der Wirtschaftsverbände, die auf einer Zwangsmitgliedschaft basierten. Diese neuen Organisationen waren autoritär organisiert und folgten dem „Führerprinzip“. Ihre Aufgabe war die Steuerung im Sinne der zielorientierten Kommunikation der Erlasse des RWM. Mit den seit 1936 eingeführten „Bilanzierungsschemata“ konnten die „Wirtschaftsgruppen“ die Interna der Unternehmen – theoretisch - relativ umfassend beurteilen und bildeten den Hebel für die Mikro-Steuerung bis auf die Ebene der Unternehmen. Ohne grundsätzlich die „unternehmerische Initiative“ komplett zu unterdrücken!
Diese Kontrollstruktur zielte primär auf die Überwachung des Imports ab und wirkte sich wie ein Einfuhrverbot aus für nicht-deutsche Unternehmen. In der Folge wurde der deutsche Binnenmarkt um die ausländischen Anbieter bzw. Produkte „bereinigt“ [16, S. 136].
Ein weiterer wichtiger Eingriff erfolgte im Rahmen des von Goerdeler konzipierten staatlich beaufsichtigten Preisbildungssystems. Ein Aspekt auf den „Melchior“ bereits hinwies. Die Unternehmen wurden in der Folge von „exzessiven Preissteigerungen“ entlastet und viele Unternehmen bewegten sich für die verbleibenden 30er Jahre in einem relativ stabilen, konstanten Marktumfeld.
Von zentraler Bedeutung als wirtschaftliches Ordnungsinstrument wirkte das bereits in der Weimarer Republik intensiv genutzte „Kartellsystem“ und beschleunigte in der Folge den ohnehin vorhandenen Konzentrationsprozess. Im Juli 1933 wurde das RWM ermächtigt, Kartellbildungen zu erzwingen, eine Regulierung ihrer Aktivitäten zu ermöglichen und Preise zu reglementieren.
Unter diesen Voraussetzungen eines protektionistischen Binnenmarktes konnten die Unternehmen hohe Gewinne erzielen. Relevant waren diese Gewinne, als „gigantische Finanzreserven“, im Hinblick auf „selbstfinanzierte Investitionen“. Eine Option, die vor allem vor dem Hintergrund der zu erwartenden hohen Investitionen für die Großraumwirtschaft von hoher politischer Bedeutung war und eines der zentralen Anliegen der NS-Wirtschaftspolitik, sprich Autarkiebestrebung. „Das Thema Technik ist denn auch der entscheidende Schlüssel für die Analyse der Beziehungen zwischen dem Hitlerregime und der deutschen Privatwirtschaft.“ [16, S. 144]
Das ab 1936 deutlich intensivierte Rüsten führte zu einer exponentiell anwachsenden Belastung des Haushalts durch Rüstungsausgaben und bereits 1937 mußten anstatt der veranschlagten 3,6 Mrd RM bereits 8.9 Mrd RM eingestellt werden (es gibt deutlich höhere Zahlen für diesen Zeitraum und das Zahlenwerk soll insgesamt komplett außen vor gelassen werden). Hinweise zu den Rüstungsausgaben finden sich beispielsweise bei Milward [12] oder Abelshauser [20] und Meinck [13] zur Begründung der Rüstung aus militärpolitischer Sicht und Hitlers erklärtem Wille, das Rüstungstempo noch zu forcieren. Bei Thomas [15] finden sich die entsprechenden Überlegungen bzw. Planungen für die WM.
Vor diesem Hintergrund war die prekäre Devisensituation des 3. Reichs im Sommer 1936 zu bewerten,die sich hemmend auf die Beschaffung von Rohstoffen auswirkte und somit drastisch auf das Tempo der Aufrüstung auswirkte und Hitler war aus politischen Gründen nicht bereit, diese Hemnisse zu akzeptieren [17, S. 45ff].
Als Folge dieser „Rüstungskrise“ formulierte Hitler die „Denkschrift zum Vierjahresplan“ [14] (vermutlich entstanden August 1936) und setzte Göring als Beauftragten für den - zweiten – Vierjahresplan auf dem Nürnberger Parteitag im September 1936 ein. Mit dem Ziel die WM in 4 Jahren kriegsbereit und ebenso die Wirtschaft kriegsfähig zu machen. Und kriegsfähig hieß primär, eine „kontinentale Großraumwirtschaft“ zu schaffen, die autark im Bereich der Beschaffung und des Absatzes war gegenüber dem restlichen Weltmarkt. Aus diesen politischen Vorgaben Hitlers leitete sich ein Teil der Handlungen ab, die ab 1936 sich auf die zunehmend kriegswirtschaftliche Organisation der VW auswirkte. In diesem Kontext formulierte Göring am 04.09. 1936 im Rahmen einer Ministerratssitzung: „Alle Maßnahmen haben so zu erfolgen, als ob wir im Stadium der drohenden Kriegsgefahr befänden“ [17, S. 53].
Im Einzelnen ergaben sich folgende Anforderungen [17, S. 50]: 1.Entsprechend den militärischen und politischen Konzepten hat sich die wirtschaftliche Entwicklung ebenfalls zu entwickeln. 2. Der Bedarf ist auf dem Binnenmarkt zu decken und nur bei Not durch Importe und wurde durch die Vorgabe zur künstlichen Brennstofferzeugung, der Erzeugung von synthetischen Gummi und der Erzeugung von Eisen bzw. Stahl in Deutschland ergänzt. Und am 18.10.1936 erließ Hitler die „Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes“ (Übersicht über die Gliederung der Organisation bei 17, S. 60 und die des RWM auf S. 65).
Bis zum Angriff auf Polen verblieben lediglich 3 Jahre zur Schaffung der „Wehrwirtschaft“ unter den Bedingen der relativen Friedensproduktion. Ein extrem kurzer Zeitkorridor für als Vorbereitung auf einen „Totalen Krieg“, der das Überleben sicherstellen sollte!? Und ein Schlaglicht wirft auf die grobe wirtschaftliche Inkompetenz der NS-Elite.
2. Kontinuität , Modernisierung und totaler Krieg
Es sind unterschiedliche Positionen vorhanden, die die Veränderungen der Wirtschaftssystem von 1933 bis 1939 diagnostizieren haben. Auch wenn sich aufgrund des zunehmenden staatlichen Interventionismus, primär zunächst im Rahmen des Vierjahresprogramms, die Bedeutung des Staates für das wirtschaftliche Handeln erhöhte, wäre es jedoch falsch von einer einseitigen Machtposition des NS-Regimes gegenüber der Wirtschaft auszugehen. Obwohl die Machtposition im 3. Reich dauerhaft verändert wurde, im Vergleich zu der dominanten Position der Wirtschaft in der Weimarer Republik, übte die deutsche Industrie durch ihre Möglichkeit zur faktischen Einflussnahme durchaus weiterhin eine beträchtliche ökonomische Macht aus im 3. Reich [16, S. 144].
Zudem kann man im Rahmen der Formulierung der Denkschrift von Hitler ebenfalls das Primat der Politik über die Ökonomie deutlich ablesen [17, S.51] und er deutlich macht, dass sofern die Privatwirtschaft die ihr gestellten Aufgaben nicht erfüllt, der NS-Staat diese Aufgabe übernehmen würde. In diesem Sinne war die Organisationsform der Wirtschaft nicht gravierend betroffen. So formuliert beispielsweise Blaich [22, S. 288]: „Das Wirtschaftssystem bildete für die Rüstungspolitik eine vorgegebene Größe. Nach der Machtübernahme war keine radikale Umge4staltung der Wirtschaftsordnung erfolgt, vielmehr behielt das Regime den Grundsatz der dezentralen Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bei“.
Geht man eine Stufe tiefer von der Makroökonomie zur Mikroökonomie dann findet sich beispielsweise bei Bavaj (S. 117) der Hinweis, dass nach der Machtergreifung primär die Ansätze zur betrieblichen Rationalisierung verfolgt wurden, die bereits in den zwanziger Jahren entwickelt worden sind. Und bereits vor dem Krieg es durch dieses Rationalisierungsmaßnahmen zu einer dramatischen Steigerung des Produktionsausstoßes gekommen ist (Bavaj, S. 118)
In diesem Zusammenhang hat die DAF auch maßgeblich, trotz teils massiver Konflikte mit den Zielen der Unternehmen, zu der Rationalisierung beigetragen und durch die „Verwissenschaftlichung“ unter anderem zu Innovationen im Personalbereich beigetragen, die beispielsweise den „modernen Leistungslohn“ (Bavaj, S. 122).
Trotz dieser vorhandenen Tendenzen der Modernisierung der VW wird von Mommsen (S. 407) der volkswirtschaftliche Erfolg der Rationalisierung in Frage gestellt mit dem Hinweis auf die isolierte und häufig nicht koordinierte Bedeutung einzelner erfolgreicher Projekte der Modernisierung. Vielmehr betont er, dass die destruktiven Nebeneffekte einzelner Projekte sich – im negativen Sinne – stärker ausgewirkt haben, wie das Beispiel der Reichswerke „Hermann Göring“ am deutlichsten aufzeigt. Ähnliches betont Weisbrod, der die Auswirkungen des „räuberischen Kriegs-Kapitalismus“ für die volkswirtschaftliche Modernisierung des 3. Reichs sehr skeptisch beurteilt. Und Overy [4,5,S. 257] stellte in Bezug auf die Leistungsfähigkeit fest: „Die deutsche Wirtschaft hat im Krieg jedoch weniger Waffen produziert, als ihr mit den vorhandenen Rohstoffen und Produktionskapazitäten…möglich gewesen wäre. „
Die Ursachen liegen, wie beispielsweise Blaich [22] und Herbst [21] in Anlehung an die Ergebnisse des „Strategic Bombing Survey“ festhalten, in den widersprüchlichen und nicht integrierten Planungen der Kriegswirtschaft im 3. Reich. Sie führen zudem aus, auch in Anlehnung an die Arbeiten von Milward [23], dass die rüstungswirtschaftlichen Anstrengungen beachtlich waren, aber es durchaus einen substantiellen Bereich der Produktion für den privaten Verbrauch gab. Ein Aspekt, der tendenziell die Konstanzthese der privatwirtschaftlichen Organisation der deutschen VW , trotz der zunehmenden planerischen Veränderungen, als plausibel erscheinen läßt.
In diesen Kontext gehören mindestens zwei Diskussionsstränge, die aber nicht vertieft werden sollen. Zum einen hängt mit der Organisations- bzw. auch Produktionsstruktur die Frage zusammen, in welchem Umfang die deutsche Rüstung als „Tiefen- oder Breitenrüstung“ organisiert werden soll und in diesem Zusammenhang die Priorisierung im Bereich von „Guns or Butter“ liegen sollte.
Die relative Ineffektivität des Wirtschaftssystems des NS-Systems wurde bei Mason als These dergestalt radikalisiert formuliert wurde, dass er eine deutliche Zunahme der Systemwidersprüche und eine Systemkrise der NS-Herrschaft für das Jahr 1939 meint erkannt zu haben, die zwangsläufig das NS-System in die Auslösung des Angriffs auf Polen gezwungen hat. Dieser Sichtweise hat vor allem Overy [4] widersprochen.
3. Abschließende Bewertung der These
Im Rahmen einer Bewertung der NS-Wirtschaftspolitik kommt Herbst [19]insgesamt zu einem vernichtenden Urteil. „wäre man in der Lage, eine volkswirtschaftliche Gesamtbilanz oder gar eine Modernisierungsbilanz der nationalsozialistischen Zeit zu erstellen, so fiele sie eindeutig negativ aus.“ Und die Gründe für dieses Urteil liegen in den chaotischen Ordnungsstrukturen und antagonistischen und isolierten Planungshorizonten der NS-Wehrwirtschaft.
Er stellt zudem fest, dass der Forschungsstand in Bezug auf die NS-Wirtschaft nicht zufriedenstellend ist und nach wie vor keine „integrierte Theorie“ der NS-Wirtschaft vorgelegt wurde.
Zum Teil ist diese Situation darauf zurück zu führen, dass „Für keine Wirtschaft besitzen generelle Aussagen so wenig Geltung wie für die nationalsozialistische, durchbricht die Ausnahme so häufig die Regel.“ [10, S. 175]
20. Abelshauser, W.: Germany: guns, butter, and the economic miracles, in: The Economics of World War II, Harrison (Ed.), 1998, S. 122ff
11. Bauer, K.: Nationalsozialismus. 2008, bes. S.303ff
1.Bavaj, R: Die Ambivalenz Der Moderne im Nationalsozialismus, 2003, S. 117ff
22. Blaich, F.: Wirtschaft und Rüstung in Deutschland 1933 – 1939, in: Nationalsozialistische Diktatur 1933 – 1945, Bracher, Funke & Jacobsen, o.J., S. 285ff
2.Frei, N: Der Führerstaat, 2001, S. 68ff
10. Herbst, L.: Nationalsozialistische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, in: Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft, Sösemann (Hg.), 2002, S. 172ff
21. Herbst, L.: Die Mobilmachung der Wirtschaft 1938/39 als Problem des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, in: Sommer 1939. Benz & Graml (Hg.), 1979, S. 62ff
19. Mason, T.W. Innere Krise und Angriffskrieg 1938/1939, Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, Forstmeier & Volkmann (Hg.), 1975, S. 158ff
12. Milward, A.S.: Der Zweite Weltkrieg, 1977, S. 46 und S. 386
23. Milward, A.S.: Die deutsche Kriegswirtschaft 1939 – 1945, 1966
13. Meinck, G.: Hitler und die deutsche Aufrüstung 1933-1937, 1959
14. Michalka, W.: Deutsche Geschichte, 1933-1945, bes. S. 110, Dok. 92
3. Mommsen, H.: Nationalismus als vorgetäuschte Modernisierung, in: Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft, 1991, S. 405ff
7. Neumann, Behemoth, 1942, bes. S. 271ff
4. Overy, R. J.: Germany. Domestic Crisis and War in 1939, in: The Third Reich: The essential readings, 1999, S. 97ff
5. Overy, R.J.: War and Economy in the Third Reich, 1994, S. 29ff
6. Overy, R.J. Die Wurzeln des Sieges, 2005, bes. S. 233
17. Petzina; D.: Autarkiepolitik im Dritten Reich, 1968, bes. S. 45 ff
18. Petzina, D. Vierjahresplan und Rüstungspolitik in: Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, Forstmeier & Volkmann (Hg.), 1975, S. 65ff
15. Thomas, G.: Geschichte der deutschen Wehr- und Rüstungswirtschaft, 1966, bes. S. 62ff und S. 111ff
16. Tooze, A: Ökonomie der Zerstörung, 2008